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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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<strong>3.</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> soziale Praxis: Perspektiven auf sexuelle <strong>und</strong> geschlechtliche Vielfalt<br />

Männl. Überlegenheit in<br />

Öffentlichkeit <strong>und</strong> privatem Haushalt<br />

––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Frau im Haushalt<br />

Heteronormativität<br />

Ausgrenzung<br />

Homosexualität<br />

Zweigeschlechtlichkeit<br />

➟<br />

➟<br />

Zweigeschl. „Sex“<br />

Ausgrenzung<br />

Intersexualität<br />

Transgender<br />

schlechtliche männliche Penetration als ein Akt oder eine Praxis verstanden. Noch im von der Aufklärung<br />

geprägten Preußischen Landrecht von 1794 war sie einbegriffen in „die Sodomiterey <strong>und</strong> andre<br />

dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden<br />

können“ (Paragraph 1069, nach: Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794). Vierter<br />

Teil, S. 1328). Menschen konnten sie durchaus mit anderen, auch heterosexuellen Praktiken kombinieren.<br />

In den Debatten um ihre Berücksichtigung im Strafrecht wurde nun aus dem sündigen Akt<br />

eine spezifische „abweichende“ Form der Sexualität, die Homosexualität (s. u.), die im Strafrecht kriminalisiert<br />

wurde (Hergemoeller 1999; Hutter 1992; Lautmann/Taeger 1992).<br />

Andererseits zeigt sich ein Zusammenhang von neopatriarchaler Geschlechterordnung, Antihomosexualität<br />

<strong>und</strong> Nation. In einigen europäischen Ländern wie in Frankreich nach der Revolution war<br />

die gleichgeschlechtliche Sexualität straflos geworden. Die vorige religiöse Verdammung galt nicht<br />

mehr für das staatliche Strafrecht <strong>und</strong> Homosexualität erschien als Fehltritt ohne Opfer <strong>und</strong> somit<br />

nicht mehr strafwürdig. Auch in Bayern (1813) <strong>und</strong> den linksrheinischen Gebieten (1810) wurde die<br />

Strafbarkeit gleichgeschlechtlicher Penetration unter Männern aufgehoben. Deswegen erhob sich<br />

auch großer, wenn auch letztlich erfolgloser Protest, als mit dem Strafrecht für die Preußischen Lande<br />

gleichgeschlechtliche Penetration unter Männer strafbar werden sollte. Aus Gründen der öffentlichen<br />

Sittlichkeit gegen eine skeptische Haltung der medizinischen Fachkommission wurde dann im neuen<br />

Strafrecht (1872) des Deutschen Reiches im § 175 „die widernatürliche Unzucht, welche zwischen<br />

Personen männlichen Geschlechts“ begangen wird, aufgenommen <strong>und</strong> mit Gefängnis <strong>und</strong> ggf. Verlust<br />

der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft. Damit wurde auch der Tatbestand über die vorherige Penetration<br />

hinaus ausgeweitet <strong>und</strong> relativ diffus (Hutter 1992; Lautmann, Tager 1992).<br />

Die Strafbarkeit der männlichen Homosexualität verschob sie in eine Tabuzone jenseits der Öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> schuf eine tiefgehende Belastung für gleichgeschlechtlich Begehrende <strong>und</strong> Lebende. Sie<br />

mussten Kontrollen der Polizei sowie Denunziation aus der Familie <strong>und</strong> Nachbarschaft fürchten <strong>und</strong><br />

waren Bedrohungen <strong>und</strong> Erpressungen ausgesetzt. Allerdings bestanden im Alltag begrenzte Freiräume<br />

für gleichgeschlechtliches Begehren im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert. In Großstädten <strong>und</strong> Hafenstädten hatten sich<br />

Subkulturen herausgebildet. Die Diffusität der Vorstellungen, das Ideal von männlicher Fre<strong>und</strong>schaft<br />

<strong>und</strong> Männerbünden wie auch die separierten weiblichen Lebenswelten <strong>und</strong> Nahbeziehungen mögen<br />

zumindest gleichgeschlechtliche Räume geschaffen haben, deren Grenzen offen waren.<br />

Das gleichgeschlechtliche Begehren wurde in der neopatriarchalen Geschlechterordnung ausgegrenzt<br />

<strong>und</strong> sanktioniert. Aber darum herum brodelte ein Meer von Diskursen auf, die auch ihre moderne Bezeichnung,<br />

die Homosexualität, hervorbrachten. Das bildete einen Bruch zum frühmodernen institutionellen<br />

Verschweigen der Homosexualität: Das Preußische Landrecht 1794 verbannte es noch in den Bereich der<br />

Schaubild 2: Die drei<br />

Dimensionen von Geschlecht<br />

in der neopatriarchalenGeschlechterordnung<br />

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