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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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<strong>3.</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> soziale Praxis: Perspektiven auf sexuelle <strong>und</strong> geschlechtliche Vielfalt<br />

Sexualität<br />

Begehren<br />

Soziales Geschlecht<br />

Gender<br />

In der Moderne hatte sich im Westen eine spezifische Struktur des Geschlechts durchgesetzt: Gender<br />

wurde als Zweigeschlechtlichkeit von Frau <strong>und</strong> Mann verstanden <strong>und</strong> mit einer ungleichen Arbeitsteilung<br />

<strong>und</strong> Machtverhältnissen verb<strong>und</strong>en. In anderen Worten wurde die Geschlechterdifferenz zugleich<br />

als Geschlechterhierarchie von Mann <strong>und</strong> Frau verankert.<br />

Damit verband sich eine hegemoniale Normierung der anderen Dimensionen: Entsprechend der heteronormativen<br />

Zweigeschlechtlichkeit wurde die Heterosexualität zur einzig legitimen Form des Begehrens<br />

<strong>und</strong> andere dissidente Formen wie die Homosexualität wurden ausgegrenzt <strong>und</strong> verfolgt. In<br />

der Dimension des „Sex“ wurde ein eindeutiges Körpergeschlecht im Rahmen der Zweigeschlechtlichkeit<br />

zur Norm: Auf den Penis des Babys folgen die blauen Strampler <strong>und</strong> all die anderen kulturellen<br />

Genitalien. Aber Mehrdeutigkeit oder Uneindeutigkeit des Geschlechtskörpers wurde tiefgehend ausgeschlossen:<br />

Neben medizinischen Terminologien wie dem viel bemühten Hermaphroditismus gab es<br />

keine Sprache im Alltag, noch weniger zur Selbstfindung dafür. Selbst die Existenz uneindeutiger<br />

Körper wurde chirurgisch verändert: Bis vor kurzem galt der Eingriff zur Geschlechtszuweisung als<br />

zum Besten des Kindes <strong>und</strong> der Eltern. Erst die Selbstorganisation von inter*-Menschen hat diese<br />

Normen angegriffen <strong>und</strong> hinterfragt.<br />

Kurz gesagt, das moderne Geschlecht kombinierte Geschlechterungleichheit aufgr<strong>und</strong> der Binnendifferenzierung<br />

mit einer Ausgrenzung „abweichender“ dissidenter Sexualitäten <strong>und</strong> uneindeutiger<br />

Geschlechtskörper. Doch veränderten sich die Formen von Ungleichheiten <strong>und</strong> Ausgrenzungen in der<br />

Moderne.<br />

Auch das Geschlecht als soziale Struktur veränderte sich ebenso wie die damit verb<strong>und</strong>enen Geschlechterordnungen.<br />

Was bedeuteten diese Veränderungen für die Emanzipationsbewegungen, die<br />

sich gegen Ausgrenzungen <strong>und</strong> Ungleichheit wandten, <strong>und</strong> ihre sexualpolitischen Kategorien? Ich<br />

werde das am Beispiel der Entwicklung in Deutschland skizzieren.<br />

ZUR MODERNISIERUNG DER GESCHLECHTERORDNUNGEN<br />

„Sex“<br />

Geschlechtskörper<br />

Die Moderne beruht auf einer fortlaufenden Erneuerung <strong>und</strong> Ausweitung des Wissens, der Institutionen<br />

<strong>und</strong> des Selbst. Was gestern noch natürlich <strong>und</strong> modern erschien − wie etwa die moderne Hausfrau<br />

in den 1950er Jahren − wird morgen schon als traditionell eingestuft <strong>und</strong> es bilden sich neue<br />

Formen heraus. Während sich die Politik im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert tendenziell demokratisierte, der Kapitalismus<br />

zur Massenproduktion überging <strong>und</strong> die Massenmedien breite Mehrheiten erreichten, wandelte<br />

sich auch die Geschlechterordnung. 55 Der Kampf der <strong>Frauen</strong>-, der Homosexuellen- <strong>und</strong> anderer Emanzipationsbewegungen<br />

für Autonomie <strong>und</strong> Gleichheit ging in diesen Wandel mit ein.<br />

Schaubild 1: Die Dimensionen<br />

von Geschlecht<br />

als soziale Struktur<br />

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