3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
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2. Interdisziplinäre Fachtagung „anders <strong>und</strong> gleich in <strong>NRW</strong>“ – Überblick <strong>und</strong> Ergebnisse<br />
sellschaftliche Relevanz entfalten <strong>und</strong> handlungsleitend für die Gestaltung von Maßnahmen der Opferhilfe<br />
oder Prävention werden.<br />
Als zentrale Forderungen der Arbeitsgruppe ließen sich anführen: Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung für Lehrer_innen<br />
sowie die Implementierung der Themenfelder um „queere“ Lebensentwürfe in den Unterricht.<br />
Ferner wurden die beachtlichen Forschungslücken im Bereich der Arbeitswelt von Menschen mit<br />
LSBTTI-Hintergr<strong>und</strong> kritisiert (z. B. konkrete Diskriminierungen; kirchliche Arbeitgeber). Nicht zuletzt<br />
müssten die Gewalt- <strong>und</strong> Diskriminierungserfahrungen von trans*- <strong>und</strong> inter*-Menschen spezifiziert<br />
werden, um eine fallgerechte Vernetzung von Beratungsstellen sowie die Fortbildung der<br />
Berater_innen zu ermöglichen. Damit einher müsse die Enttabuisierung von Gewalt gegenüber LSBTTI<br />
auf breiter gesellschaftlicher Ebene gehen.<br />
Arbeitsgruppe „Regenbogenfamilien“ – Gleiche Pflichten, ungleiche Rechte<br />
In der Arbeitsgruppe „Regenbogenfamilien“ (Moderation: Michaela Herbertz-Floßdorf, Mediatorin in<br />
Düsseldorf) wurde sich auf empirischer <strong>und</strong> theoretischer Ebene dem Phänomen gleichgeschlechtlicher<br />
Paare bzw. Familienkonstellationen mit Kind/ern angenähert. Diese oft als „Regenbogenfamilien“<br />
(ein bis zwei Eltern) oder „Queerfamily“ (bei Mehrelternschaft) bezeichneten Konstellationen sind<br />
zwar im juristischen Diskurs relativ anerkannt, in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen aber<br />
immer noch Diskriminierungen ausgesetzt.<br />
So hob Dipl.-Psych. Dominic Frohn (Lehrbeauftragter, Hochschule Fresenius Köln, vgl. Kapitel <strong>3.</strong>2)<br />
neben der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz eine strukturelle Benachteiligung der Regenbogenfamilien<br />
hervor (eingetragene Lebenspartnerschaft anstatt Ehe, Stiefkindadoption als inadäquates<br />
Konstrukt, keine Fremdkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare, keine juristische Abbildung von<br />
Mehrelternschaft). Regenbogenfamilien müssten dabei als ein interdisziplinäres Thema aufgefasst<br />
werden, das viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens berühre. Von alltäglichen Diskriminierungen<br />
in Ämtern <strong>und</strong> Behörden, Kindergärten, Schulen sowie in Beruf <strong>und</strong> Freizeit bis hin zu komplizierten<br />
Fragen nach biologischer oder rechtlicher Kindeswunschrealisierung – die Vielzahl der möglichen Familienformen<br />
scheine mit der Vielzahl der Benachteiligungen zu konkurrieren. Frohn stellte zudem<br />
heraus, dass zwar aktuellen Studien zufolge mehrheitlich <strong>Frauen</strong> diese Familienform pflegen. Dennoch<br />
stelle ein Leben mit Kind/ern auch für Männer einen wünschenswerten Lebensentwurf dar, wenngleich<br />
unter anderen <strong>und</strong> zum Teil erschwerten Bedingungen (z. B. Kinderwunsch).<br />
Dipl.-Soz.-Päd. Stefan Meschig (Beratung <strong>und</strong> konzeptionelle Leitung RUBICON, Köln) unterstrich<br />
in seinem Statement den großen Bedarf an Beratung, Information <strong>und</strong> Unterstützung zum Thema Regenbogenfamilie<br />
bzw. Queerfamily. Eine Vielzahl der Anfragen sei psychosozialer <strong>und</strong> pädagogischer<br />
Natur; zudem werden rechtliche Aspekte nachgefragt (Verpartnerung <strong>und</strong> Realisierung des Kinderwunsches).<br />
Es fehle an einer neutralen Vermittlung <strong>und</strong> Beratung durch das Jugendamt sowie entsprechenden<br />
juristischen Gr<strong>und</strong>lagen. Meschig verwies außerdem auf das Desiderat einer Beratung<br />
speziell für Kinder aus dieser Familienform: Die vielschichtigen Diskriminierungserfahrungen <strong>und</strong> gemischten<br />
Konstellationen (schwule Väter, lesbische Mütter etc.) würden die Notwendigkeit einer gezielten<br />
Kinderwunsch- <strong>und</strong> Familienberatung belegen.<br />
Neben jenen zentralen Forderungen, die im Zusammenhang mit der Studie „Wir sind Eltern!“<br />
(Frohn/Herbertz-Floßdorf/Wirth 2011) erhoben <strong>und</strong> im Rahmen der Arbeitsgruppe erneut als wichtige<br />
Desiderate ausgezeichnet wurden, wurde das Modell der „bürgerlichen Kleinfamilie“ diskutiert. Viele<br />
Teilnehmer_innen verwiesen auf Spannungen zwischen emanzipatorischem Lebensentwurf <strong>und</strong> konservativer<br />
Familienstruktur, die entweder eine Etablierung neuerer Familienformen (Regenbogenfamilien,<br />
Queerfamilies) erschweren oder selbst wiederum zu Ausschlussmechanismen innerhalb der<br />
LSBTTI-Community führen würden – letzteres insbesondere durch die Setzung eines „normalen“ Konzepts<br />
des Zusammenlebens, im Lichte dessen die meisten Wahlverwandtschaftsentwürfe als Normabweichung<br />
markiert werden würden. Phänomene wie transsexuelle oder Mehr-Elternschaft seien<br />
zudem bislang nur unzureichend erforscht. Auch die Perspektive der psychosozialen Entwicklung von<br />
Kindern aus gleichgeschlechtlichen Elternkonstellationen bedürfe der weiteren wissenschaftlichen<br />
Auseinandersetzung – insbesondere, da es sich um eine expansive Familienform handle.<br />
Arbeitsgruppe „Trans* <strong>und</strong> Intersex“ – Entpathologisierung <strong>und</strong> Menschenrechte<br />
Wesentlich gr<strong>und</strong>legendere Aspekte im Zusammenhang mit Respekt <strong>und</strong> Anerkennung wurden in der<br />
Arbeitsgruppe zu „Trans* <strong>und</strong> Intersex“ (Moderation: Deborah Reinert, Rechtsanwältin aus Köln) dis-