3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
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ische Analyse der Vereinbarkeit von christlichem Glauben <strong>und</strong> Homosexualität vor. Aus sozialwissenschaftlicher<br />
Perspektive untersuchen Altrogge/Neumann/Mahlkau (2008) die Habitusformen von kirchlich<br />
geb<strong>und</strong>enen Jugendlichen zum Thema Homosexualität <strong>und</strong> finden durch eine Analyse von<br />
Gruppendiskussionen heraus, dass ein großer Einfluss des jeweiligen kirchlichen Milieus zu erkennen<br />
ist. Dabei unterscheiden sich die Einstellungen der evangelikalen Jugendlichen sehr stark von denen<br />
anderer Gruppierungen, indem sie schwule <strong>und</strong> lesbische Menschen stigmatisieren <strong>und</strong> abwerten.<br />
Käufl (2000) führte Tiefeninterviews mit homosexuellen Männern, die alle eine tiefe Kirchenbindung<br />
aufweisen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Konflikt zwischen homosexuellen Menschen <strong>und</strong> Kirche<br />
nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern in gesamtgesellschaftliche homophobe Diskurse<br />
eingebettet ist.<br />
Forschungsdesiderate<br />
In Bezug auf Gewalt, Diskriminierung <strong>und</strong> Arbeit ergeben sich demzufolge umfassende Forschungsdesiderate.<br />
Zu Diskriminierungen in Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Beruf liegen kaum neuere Forschungen für Menschen<br />
mit LSBTTI-Hintergr<strong>und</strong> vor, wobei die Lage von inter*-Menschen noch gar nicht erforscht ist. Ebenso<br />
fehlt Wissen über das Ausmaß, die Formen <strong>und</strong> die gesellschaftliche Ablehnung von Diskriminierungen.<br />
DISKRIMINIERUNG IN INTERSEKTIONALER PERSPEKTIVE<br />
1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />
Menschen mit LSBTTI-Hintergr<strong>und</strong> kommen aus verschiedenen Schichten <strong>und</strong> Kulturen, gehören zu<br />
verschiedenen Altersgruppen <strong>und</strong> manche von ihnen sind körperlich oder psychisch beeinträchtigt.<br />
Das unterstreicht die Bedeutung einer intersektionalen Sichtweise. Allerdings ist der Forschungsstand<br />
dazu noch kaum entwickelt. Zu Menschen, die bisexuell, trans* oder inter* leben, liegen noch keine<br />
Forschungen aus intersektionaler Sicht vor.<br />
Vorwiegend Studien zur Schnittmenge von LSBTTI <strong>und</strong> Migration<br />
Die wenigen Studien konzentrieren sich auf die Lebenslagen von schwulen <strong>und</strong> lesbischen Personen<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, bringen aber auch nur erste Aufschlüsse. Diese verweisen auf die vorherrschenden<br />
mehrfachen Diskriminierungen <strong>und</strong> Vorurteile, die vor allem auf das Zusammenwirken rassistischer,<br />
ethnozentrischer <strong>und</strong> homophober Normen <strong>und</strong> Praktiken im Umfeld <strong>und</strong> der Gesellschaft<br />
zurückgehen. Sie bieten Anzeichen dafür, dass pauschale Urteile über einen durchgängigen Traditionalismus<br />
oder Homophobie in den Migrationsgemeinden empirisch nicht zu stützen sind <strong>und</strong> dagegen<br />
erneut zur Ursache von rassistischer Diskriminierung werden können (Çetin 2012).<br />
Das stimmt mit Ergebnissen der neueren Migrationsforschung überein, die empirische Differenzierungen<br />
innerhalb der Migrationsgruppen hervorheben, die hier allerdings nur beispielhaft benannt<br />
werden können. Der Anteil von hoch qualifizierten Migrant_innen nimmt gegenwärtig (wenn auch<br />
langsam) zu. Hummrich (2009) untersuchte den ungewöhnlichen Fall von Migrantinnen mit erfolgreichen<br />
Bildungskarrieren, wobei sie die familiale Unterstützung, die schulischen Angebote <strong>und</strong> die<br />
individuellen Subjektkonzepte herausarbeitete. Die Lage hochqualifizierter Einwander_innen in der<br />
Bildung <strong>und</strong> auf dem Arbeitsmarkt erforschten Nohl/Schittenhelm/Schmidtke/Weiß (2010). Sie verweisen<br />
diesbezüglich auf deren bedeutendes kulturelles <strong>und</strong> soziales Kapital <strong>und</strong> auch auf familiale<br />
<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schafts-<strong>Netzwerk</strong>e.<br />
Anerkennung der Vielfalt migrantischer Milieus<br />
Die Vielfalt migrantischer Milieus <strong>und</strong> Bewusstseinsformen stellte schließlich die Sinusstudie heraus:<br />
Sie identifizierte eine mannigfaltige <strong>und</strong> differenzierte Milieulandschaft mit insgesamt acht<br />
Migrant_innen-Milieus mit jeweils ganz unterschiedlichen Lebensauffassungen <strong>und</strong> Lebensweisen. 48<br />
Dem religiös verwurzelten Milieu gehörten nur 7 % der Befragten an (19 % unter den Türk_innen)<br />
<strong>und</strong> dem traditionellen Arbeiter_innenmilieu nur 13 % (14 % unter den Türk_innen). 49 Demgegenüber<br />
machten die modernen <strong>und</strong> integrationsoffenen Milieus mehr als die Hälfte aus. Dies bedeutet, dass<br />
das Bewusstsein der meisten Migrant_innen ebenso wenig über religiöse Parameter zu erfassen ist<br />
wie in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Der Islam bietet also ein Set religiöser Normen wie auch<br />
etwa der Katholizismus oder der Protestantismus in deren liberalen bis konservativen Varianten, ist<br />
aber keineswegs die ausschlaggebende Determinante für die Akzeptanz oder Ablehnung von Homosexualität,<br />
zu der er häufig erhoben wird.<br />
48 Vgl. Sinus 2008; 2009.<br />
Diese Milieus wurden entsprechend<br />
der Bewusstseins- <strong>und</strong><br />
Lebensstilorientierung des<br />
Sinus-Instituts vor allem nach<br />
ihren Wertvorstellungen, Lebensstilen<br />
<strong>und</strong> ästhetischen<br />
Vorlieben <strong>und</strong> weniger nach<br />
sozialen Lagen definiert. Die<br />
zurückhaltende Rezeption der<br />
Sinusstudie kann auf diesen<br />
Fokus <strong>und</strong> die damit einhergehende<br />
Frage nach der Transparenz<br />
der zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Kriterien zurückgehen. Die Ergebnisse<br />
führen u. a. weiter,<br />
indem sie das homogenisierte<br />
Bild „islamisch-religiöser“ Parallelgesellschaften<br />
in Teilen<br />
der Massenmedien widerlegen.<br />
49 Drei Viertel der Befragten<br />
lehnten f<strong>und</strong>amentalistische<br />
Einstellungen <strong>und</strong> Gruppierungen<br />
klar ab, 84 % vertraten,<br />
Religion sei reine Privatsache<br />
(vgl. Sinus 2008, S. 2).<br />
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