3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
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1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />
Homophobie <strong>und</strong> Normalisierung im Alltag<br />
Neben diesen qualitativen <strong>und</strong> quantitativen Studien, die sich explizit auf den Arbeitsalltag konzentrieren,<br />
ist auch die mediale Repräsentation von homosexueller Identität <strong>und</strong> Beruf Gegenstand der<br />
Forschung. Heilmann (2011) zeigt anhand von Outings in der Politik, wie die Diskurse in Printmedien<br />
homosexuelle Männlichkeit normalisieren. Hertling (2011) kann anhand von qualitativen Interviews<br />
mit homosexuellen Männern belegen, wie Homophobie auf massive Weise den Alltag belastet.<br />
Extremfall von Diskriminierung: Gewalt<br />
Für den Bereich Gewalt ist gr<strong>und</strong>sätzlich festzustellen, dass Lesben, Schwule <strong>und</strong> Bisexuelle im Vergleich<br />
zu heterosexuellen Menschen überproportional häufig von Gewalt betroffen sind (Balsam/Beauchaine/Rothblum<br />
2005). Außerdem wurde nachgewiesen, dass vorurteilsmotivierte Gewalt<br />
gegenüber Schwulen <strong>und</strong> Bisexuellen durch diese selbst bagatellisiert wird. Die Ergebnisse der zweiten<br />
Maneo-Umfrage von 2007/2008 verweisen auf die geringe Anzeigequote bei der Polizei (12 %) <strong>und</strong><br />
empfehlen diesbezüglich eine Sensibilisierung <strong>und</strong> Aufklärung polizeilicher Institutionen. US-amerikanische<br />
Untersuchungen ergaben, dass trans*-Personen mehr als doppelt so oft Opfer von Gewalttaten<br />
werden wie der Durchschnitt der Bevölkerung (Franzen/Sauer 2010).<br />
Der Frage, ob in Deutschland die Entwicklung einer homo- oder bisexuellen Identität aufgr<strong>und</strong><br />
fortschreitender Pluralisierung der Lebenswelten unproblematischer geworden ist, wird in der zusammenfassenden<br />
Darstellung mehrerer empirischer Studien von Sielers/Timmermanns (2010) nachgegangen.<br />
Nach Steffens <strong>und</strong> Wagner hat sich in Deutschland das gesellschaftliche Klima für Lesben<br />
<strong>und</strong> Schwule in den letzten Jahren zwar generell verbessert (Steffens/Wagner 2004), dennoch hat ca.<br />
die Hälfte der deutschen Bevölkerung homophobe Vorbehalte. Die Autor_innen weisen zudem darauf<br />
hin, dass nachfolgende Erhebungen die Wünsche der betroffenen Jugendlichen berücksichtigen sollten<br />
– nicht zuletzt, um mehr über die Eigeninteressen <strong>und</strong> Selbstdeutungen der Jugendlichen zu erfahren<br />
<strong>und</strong> so Stereotypisierungen, Fremdzuschreibungen <strong>und</strong> eine Identitätspolitik zu vermeiden.<br />
Die Mehrzahl der neu erschienenen Studien beschäftigt sich mit Gewalt in gleichgeschlechtlichen<br />
Beziehungen. Dieses tabuisierte Phänomen zeichnet sich durch fest verankerte Geschlechterstereotypisierungen<br />
aus: <strong>Frauen</strong> werden selten als Täter_innen <strong>und</strong> Männer selten als Opfer wahrgenommen.<br />
Ohms (2008) analysiert anhand von qualitativen Interviews gewalttätige Beziehungsdynamiken in<br />
Liebesbeziehungen zwischen <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> reflektiert vor allem die Sichtweisen der Gewalt ausübenden<br />
Partnerin. Cizmic (2011) merkt diesbezüglich an, dass angloamerikanischen Studien zufolge in jeder<br />
vierten gleichgeschlechtlichen Beziehung Gewalt ausgeübt wird <strong>und</strong> bestätigt damit die Ergebnisse<br />
von Krahé/Scheinberger-Olwig (1999). Seine Befragung von betroffenen homosexuellen Männern<br />
zeigt, dass die Gewalt ähnliche Formen <strong>und</strong> Folgen hat wie in heterosexuellen Beziehungen. Unterschiede<br />
bestehen darin, dass Gewalterfahrungen <strong>und</strong> die gravierenden ges<strong>und</strong>heitlichen Folgeschäden<br />
von den betroffenen Jungen <strong>und</strong> Männern häufiger verschwiegen <strong>und</strong> heruntergespielt werden.<br />
Gewalt im Spannungsfeld verschiedener Ungleichheiten<br />
Studien zu Gewalt in intersektionaler Perspektive beschäftigen sich vor allem mit den Verschränkungen<br />
von Rassismus, Homo- <strong>und</strong> Transphobie. Çetin (2012) untersucht in seiner Interviewstudie über Mehrfachdiskriminierung<br />
in Berlin, welche Diskriminierungserfahrungen binationale schwule Paare machen<br />
<strong>und</strong> zeigt, dass auch in einem vermeintlich toleranten Milieu Homophobie <strong>und</strong> Rassismus verbreitet<br />
sind. Dies bestätigt auch die Publikation von LesMigraS (2011), die unterstreicht, dass Rassismus,<br />
Homo- <strong>und</strong> Transphobie auch in Lesben-, Schwulen- <strong>und</strong> trans*-Kontexten vorzufinden ist. Dagegen<br />
zeichnet die qualitative Studie des LSVD Köln (2010) insgesamt ein günstigeres Bild: Die Lebenssituation<br />
von Lesben <strong>und</strong> Schwulen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> ist in vielen Aspekten sehr ähnlich zu<br />
der von Lesben <strong>und</strong> Schwulen ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>. Allerdings wurde festgestellt, dass Schwule<br />
<strong>und</strong> Lesben mit Migrationshintergr<strong>und</strong> häufiger sexuelle Diskriminierung im Vergleich zu Diskriminierung<br />
aufgr<strong>und</strong> der Herkunft, vor allem von Seiten der eigenen Familie, erleben. Diese Diskriminierungen<br />
werden insgesamt als belastender eingeschätzt als Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> der Herkunft.<br />
Heteronormativität <strong>und</strong> Religion: Diskriminierung durch Glauben<br />
Für den Bereich der Diskriminierung sind kirchliche <strong>und</strong>/oder religiöse Institutionen wegen der Ablehnung<br />
von Homosexualität in weiten Teilen des Christentums, Judentums <strong>und</strong> des Islams relevant.<br />
Neben zumeist rechtswissenschaftlichen Studien liegt mit der Arbeit von Art (2008) eine kulturhisto-