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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />

stellungen in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet sind (vgl. auch Heitmeyer 2012). Die Milieus<br />

der „Etablierten“ <strong>und</strong> der „Bürgerlichen Mitte“ lehnen die rechtliche Gleichstellung homosexueller<br />

Partnerschaften mit der heterosexuellen Ehe überwiegend ab („Diskriminierung im Alltag“, 2008).<br />

Die Sonderauswertung der Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die repräsentative<br />

Aussagen über das Ausmaß von Homophobie in <strong>NRW</strong> zulässt, kommt insgesamt zu dem Schluss,<br />

dass homophobe Einstellungen in <strong>NRW</strong> zwar rückläufig sind, allerdings noch ein Fünftel der Befragten<br />

seine Zustimmung zu homophoben Einstellungen äußert <strong>und</strong> ein Viertel sich gegen die gleichen Rechte<br />

in Bezug auf die Ehe ausspricht (Küpper/Zick 2012).<br />

Strukturelle Diskriminierung als vielfältiges Problem<br />

Die strukturelle Diskriminierung von Menschen, die homosexuell leben <strong>und</strong>/oder von der zweigeschlechtlichen<br />

Norm abweichen, wird auch durch rechtliche Regelungen bekräftigt (vgl. „Rechtlicher<br />

Stand der Gleichstellung“). Einige Studien beschäftigen sich mit der Analyse von individuellen Diskriminierungs-<br />

<strong>und</strong> Gewalterfahrungen im Arbeitsleben, im Alltag, in der Partnerschaft <strong>und</strong> (selten) innerhalb<br />

kirchlicher Institutionen. Außerdem stellt eine von der Europäischen Kommission für<br />

Beschäftigung, Soziales <strong>und</strong> Chancengleichheit in Auftrag gegebene Analyse der gewerkschaftlichen<br />

Antidiskriminierungsarbeit (2010) fest, dass sich die Initiativen mehrheitlich mit Diskriminierung aufgr<strong>und</strong><br />

von „Rasse“ <strong>und</strong> ethnischer Minderheit befassen. Diesbezüglich empfiehlt die EU, die Gleichheit<br />

von LSBT-Menschen stärker in die gewerkschaftliche Arbeit einzubeziehen.<br />

Arbeitsalltag als markantes Diskriminierungsfeld<br />

Für den Bereich Arbeit liegen bisher wenige Untersuchungen zu einzelnen Gruppen von Menschen<br />

mit LSBTTI-Hintergr<strong>und</strong> vor. Die Expertise von Franzen/Sauer (2010) untersuchte die Diskriminierung<br />

von trans*-Personen, für die in Deutschland gegenwärtig noch keine quantitativen Daten vorliegen,<br />

<strong>und</strong> wertete internationale Studien aus. Im Ergebnis beginnen die Diskriminierungen von trans*-Personen<br />

bereits bei der Bewerbung um eine Stelle. Über die Hälfte der europaweit Befragten berichten<br />

von Beschimpfungen, Belästigungen oder transphoben Bemerkungen im Arbeitsalltag. US-amerikanische<br />

Untersuchungen ergaben, dass trans*-Personen mehr als doppelt so oft Opfer von Gewalttaten<br />

werden wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Mehrere europäische Studien zeigen zudem, dass erhebliche<br />

Diskrepanzen zwischen den Qualifikationen der Befragten <strong>und</strong> deren Einkommen bestehen<br />

(Franzen/Sauer 2010). Auch die qualitative Studie von Schirmer mit trans*-Personen (2010) kommt<br />

zu ähnlichen Ergebnissen: Der Verzicht auf geschlechtliche Eindeutigkeit wirkt sich ungünstig auf Anerkennung<br />

<strong>und</strong> Aufstiegsmöglichkeiten aus. Die „Studie zur Lebenssituation von Transsexuellen in<br />

Nordrhein-Westfalen“ zeigt zudem, das transsexuelle Menschen häufig multiplen Belastungssituationen<br />

ausgesetzt sind. Diesbezüglich lassen sich u. a. folgende Problemdimensionen identifizieren,<br />

die sich in fast allen Lebensbereichen wie Arbeit, Familie, Schule <strong>und</strong> medizinische Institutionen wiederfinden:<br />

Mangel an Wissen <strong>und</strong> Informationen über Transsexualität, Nicht-Anerkennen der Identität<br />

der transsexuellen Person; aversives Verhalten gegenüber transsexuellen Menschen <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />

ein eingeschränkter Zugang zu Ressourcen, der wie die indirekte Diskriminierung durch Gesetze, Regelungen<br />

<strong>und</strong> soziale Konventionen auf dem starren System der Zweigeschlechtlichkeit gründet (LSVD<br />

2012).<br />

Diskriminierungserfahrung als Ges<strong>und</strong>heitsfaktor<br />

Für Menschen mit homosexueller Orientierung konnten Knoll et al. bereits 1995 nachweisen, dass<br />

80,9 % diskriminierende Erfahrungen am Arbeitsplatz erleben mussten. Diese Ergebnisse wurden im<br />

Folgenden bestätigt (Schneeberger/Rauchfleisch/Battegay 2002). Schneeberger et al. unterscheiden<br />

zwischen Hochdiskriminierten <strong>und</strong> Nichtdiskriminierten. Im Vergleich beider Gruppen zeigt sich, dass<br />

sowohl im psychischen als auch im somatischen Bereich signifikante Unterschiede bestehen. Dementsprechend<br />

bezeichnen sich weit weniger Hochdiskriminierte als Nichtdiskriminierte als ges<strong>und</strong>.<br />

Bei den psychischen Störungen finden sich in allen Fragen signifikante Unterschiede zwischen Hochdiskriminierten<br />

<strong>und</strong> Nichtdiskriminierten (ebd.), was auch für die Ges<strong>und</strong>heitslage wesentlich ist.<br />

Frohn (2007) kommt in seinen Ausführungen zu dem Schluss, dass über die Hälfte der lesbischen <strong>und</strong><br />

schwulen Menschen am Arbeitsplatz nicht offen mit ihrer sexuellen Identität umgehen. Insgesamt<br />

haben jedoch nur 22,5 % der Befragten angegeben, noch keine Form von Diskriminierung erlebt zu<br />

haben.<br />

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