3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
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1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />
Lebenslagen von lesbischen, schwulen, bisexuellen <strong>und</strong> trans*-Jugendlichen in <strong>NRW</strong><br />
Über die Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen <strong>und</strong> transidenten Jugendlichen in<br />
<strong>NRW</strong> gibt die Studie des Jugendwerkes Lambda <strong>NRW</strong> e.V./Schwules <strong>Netzwerk</strong> <strong>NRW</strong> e.V. aus dem<br />
Jahr 2005 Aufschluss. Mehr als 4000 Personen nahmen an der Fragebogenerhebung teil. Die meisten<br />
der Teilnehmer_innen waren zwischen 18 <strong>und</strong> 27 Jahren alt. Es zeigte sich, dass das Coming-Out<br />
häufig im Alter zwischen 15 <strong>und</strong> 21 Jahren stattfindet. Tendenziell outen sich <strong>Frauen</strong> früher als Männer,<br />
was auf eine unterschiedliche Akzeptanz von Homosexualität hindeuten kann (Jugendnetzwerk<br />
Lambda/Schwules <strong>Netzwerk</strong> <strong>NRW</strong> e.V. 2005). Auch Timmermanns weist in seiner Evaluation von<br />
schwul-lesbischen Aufklärungsprojekten in Schulen darauf hin, dass weibliche Homosexualität eher<br />
toleriert wird als männliche. Außerdem hängt die Einstellung gegenüber Homosexualität von der Intensität<br />
der persönlichen Beziehung zu homosexuellen Menschen ab (Timmermanns 2003). Im Zuge<br />
des Coming-Outs spielen Fre<strong>und</strong>schaften eine bedeutende Rolle. Jugendliche erhalten die meiste Unterstützung<br />
beim Coming-Out durch Fre<strong>und</strong>_innen, gefolgt von der Familie <strong>und</strong> dem Internet. Dennoch<br />
berichten viele auch über den Verlust von Fre<strong>und</strong>_innen. Die geringste Unterstützung erhalten Jugendliche<br />
in dieser Phase durch die Schule.<br />
Das zentrale Medium, um andere homosexuelle Jugendliche kennenzulernen, ist das Internet (Jugendnetzwerk<br />
Lambda/Schwules <strong>Netzwerk</strong> <strong>NRW</strong> e.V. 2005). Auch Sobiech/Watzlawik weisen in ihrer<br />
Erhebung aus dem Jahr 2009 darauf hin, dass das Internet ein wichtiges Medium für Jugendliche mit<br />
LSBT Hintergr<strong>und</strong> darstellt (Sobiech/Watzlawik 2009).<br />
Etwa 36 % der Befragten − also mehr als ein Drittel − gaben in der Studie des Jugendnetzwerks<br />
Lambda/Schwules <strong>Netzwerk</strong> <strong>NRW</strong> e.V. an, dass sie mindestens in einem Lebensbereich (Schule/Arbeitsplatz,<br />
Elternhaus, Fre<strong>und</strong>eskreis) diskriminiert wurden. Der Verlust von Fre<strong>und</strong>_innen durch das<br />
Coming-Out wurde allerdings nicht als Diskriminierung betrachtet, sodass die entsprechenden Angaben<br />
evtl. zu relativieren sind. Bisexuelle Jugendliche sind seltener von Diskriminierungserfahrungen<br />
betroffen. Bisexualität wird von Jugendlichen teilweise auch als Übergangsphase genutzt, um negative<br />
Reaktionen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Junge Menschen unter 18 Jahren, die sich bereits früh<br />
outen, sind häufiger Diskriminierungen ausgesetzt als Menschen mit einem späteren Coming-Out<br />
(Jugendnetzwerk Lambda/Schwules <strong>Netzwerk</strong> <strong>NRW</strong> e.V. 2005).<br />
Homophobe Abwertung <strong>und</strong> Ausschluss<br />
Die Sonderauswertung der Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, die repräsentative<br />
Aussagen über das Ausmaß von Homophobie in <strong>NRW</strong> zulässt, kommt insgesamt zu dem Schluss,<br />
dass homophobe Einstellungen rückläufig sind (Küpper/Zick 2012). Dennoch sind Vorurteile bei Jugendlichen,<br />
vor allem Jungen, weit verbreitet. Dies spiegelt auch die Studie des Marktforschungsinstituts<br />
iconkids&youth (2002). Hiernach haben etwa 71 % der Jungen <strong>und</strong> 51 % der Mädchen<br />
Vorbehalte gegen lesbische <strong>und</strong> schwule Menschen, die sich auch in Distanzierung ausdrücken können<br />
<strong>und</strong> nicht immer zu Diskriminierung führen. Die Ablehnung von Homosexualität ist unter männlichen<br />
Schülern mit Migrationshintergr<strong>und</strong> stärker verbreitet als bei der deutschen Vergleichsgruppe. Besonders<br />
ausgeprägt ist die Abneigung gegenüber Homosexualität bei männlichen Jugendlichen mit türkischem<br />
Hintergr<strong>und</strong> (Simon 2008; Küpper/Zick 2012).<br />
Diese Ergebnisse gleichen dem obigen Bef<strong>und</strong> zu Kindern aus Regenbogenfamilien: Im Zuge des<br />
Wertewandels <strong>und</strong> unter dem Einfluss der Lesben- <strong>und</strong> Schwulenbewegungen reagiert die Gesellschaft<br />
nicht mehr überwiegend mit Ablehnung <strong>und</strong> Diskriminierung auf junge homosexuelle Menschen. Aber<br />
homophobe <strong>und</strong> diskriminierende Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen sind weiterhin verwurzelt <strong>und</strong><br />
treffen ein Drittel der Jugendlichen. Wenn die iconkids&youth-Studie zutrifft, stehen dahinter erheblich<br />
breitere Vorbehalte vor allem bei Jungen. Während sich die Gesamtkonstellation in Richtung zu Akzeptanz<br />
<strong>und</strong> Zusammenleben geöffnet hat, besteht also kein Gr<strong>und</strong> zur Entwarnung.<br />
Mit der Lebenssituation schwuler Jugendlicher befasst sich auch Biechele in seiner Fragebogenerhebung<br />
aus dem Jahr 2009, an dem 353 schwule Menschen zwischen 15 <strong>und</strong> 25 Jahren teilnahmen.<br />
Es wird deutlich, dass das Bewusstwerden der eigenen Homosexualität für männliche Jugendliche im<br />
gleichen Ausmaß mit negativen Gefühlen behaftet ist wie noch vor 30 Jahren. Allerdings kann eine<br />
Zunahme im Bereich der positiven Gefühle bei Jugendlichen bis 20 Jahren ausgemacht werden. Des<br />
Weiteren verweist Biechele darauf, dass das Outing in Familie <strong>und</strong> Schule als erheblicher Stressfaktor<br />
wahrgenommen wird. Fast die Hälfte der Befragten hält die eigene Sexualität vor dem Vater geheim<br />
(Biechele 2009). Nach einer b<strong>und</strong>esweiten Befragung von schwulen <strong>und</strong> bisexuellen Männern in<br />
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