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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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30 Vgl. zusammenfassend<br />

Beck 2010, S. 222. Insbesondere<br />

sind Anpassungen im Umsatzsteuergesetz,<br />

im fünften<br />

Vermögenbildungsgesetz<br />

sowie im Wohnungsbauprämiengesetz<br />

notwendig.<br />

31 Die erbrechtlichen Belange<br />

von eingetragenen Lebenspartner_innen<br />

sind nach § 10 des<br />

LPartG (sowie der Änderung<br />

ab 2005) analog zu jenen von<br />

Ehepartner_innen geregelt,<br />

gleichwohl kleine Ungereimtheiten,<br />

Uneindeutigkeiten<br />

sowie „verstecke Unterschiede“<br />

eine Differenz nach wie vor<br />

markieren (Muscheler 2010);<br />

Maurer verweist im Detail auf<br />

die Stellung von Lebenspartner_innen<br />

im Bereich der Erbschafts-<br />

<strong>und</strong> Schenkungssteuer<br />

(Maurer 2010, S. 198ff).<br />

32 Gemeinhin als Maruko-Urteil<br />

gekennzeichnet; vgl. dazu<br />

ausführlich Familie, Partnerschaft,<br />

Recht 5/2010.<br />

33 Ein entsprechender Änderungsantrag<br />

der rot-grünen<br />

Landesregierung <strong>NRW</strong> fand in<br />

der darauffolgenden B<strong>und</strong>esratsentscheidung<br />

keine Mehrheit.<br />

34 Ein vermeintlicher „Wechsel“<br />

im Sinne eines „Tausches“<br />

findet natürlich nicht statt. Die<br />

Identität von trans*-Personen<br />

ist komplex wie jede andere<br />

<strong>und</strong> bewegt sich oft jenseits<br />

der starren Geschlechterbias.<br />

35 Zur rechtlichen Stellung<br />

von trans*-/inter*-Menschen<br />

vor 1980 siehe Klöppel (2010)<br />

in diesem Band.<br />

22<br />

1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />

bensunterhalt § 5, 12 LPartG; nachpartnerschaftlicher Unterhalt § 16 LPartG) verwiesen wird. Um<br />

den wesentlichen Unterschieden zwischen Eheleuten <strong>und</strong> Lebenspartner_innen (z. B. in der Kinderfrage)<br />

gerecht zu werden, bedarf es rechtlicher Reglements, die an der tatsächlichen Lebenswirklichkeit<br />

der Beteiligten orientiert sind (Grziwotz 2010).<br />

Demgegenüber sind die zentralen Rechtinstitutionen des Sozialrechts weitgehend gleich gestaltet.<br />

Sowohl in der Gr<strong>und</strong>sicherung wie in der Sozialhilfe, in der Arbeitsförderung, der Kranken- <strong>und</strong> Pflegeversicherung<br />

<strong>und</strong> schließlich der Rentenversicherung sind Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaften<br />

eingeschlossen <strong>und</strong> gleichgestellt (Hußman 2010; Herbold 2007). Dies gilt konsequenterweise<br />

nicht nur für konkrete Leistungsansprüche der Lebenspartner_in, sondern es werden auch korrelierende<br />

Einstandspflichten mit berücksichtigt. Geringfügige Ungleichheitsverhältnisse ergeben sich<br />

aus Interdependenzen zu anverwandten Gesetzestexten (Steuerrecht, Beamtenrecht), die nachfolgend<br />

beschrieben werden.<br />

Steuer- <strong>und</strong> Beamtenrecht<br />

Die größte Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartner_innen gegenüber Eheleuten ist<br />

im Bereich des Steuerrechts festzustellen. 30 Die übliche Zusammenveranlagung von Ehegatten in<br />

Bezug auf die Einkommenssteuer, die daraus resultierenden Möglichkeit des sog. „Ehegattensplittings“<br />

sowie die Wahlmöglichkeit der Steuerklassen wird Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft<br />

– bei gr<strong>und</strong>sätzlich gleichen Leistungsbeständen – verwehrt. In der Konsequenz werden die<br />

jeweiligen Lebenspartner_innen bei der Einkommenssteuerbemessung wie Ledige behandelt <strong>und</strong> besteuert,<br />

unabhängig von den trotzdem geltenden Pflichten zur Fürsorge, dem Unterhalt <strong>und</strong> der Elternschaft.<br />

Der steuerbegünstigende Vorteil wird ihnen folglich „auf Gr<strong>und</strong> der Gleichgeschlechtlichkeit<br />

verwehrt“ (Maurer 2010). Diese Ungleichbehandlung sei – so Urteile verschiedener Finanzgerichte<br />

(vgl. Maurer 2010, Fn. 3) – mit Blick auf die besondere Stellung <strong>und</strong> Schützbedürftigkeit der Ehe <strong>und</strong><br />

Familie (Art. 6 I GG) verfassungsgemäß, wobei eine endgültige Entscheidung des BVerfG in dieser<br />

Sache noch aussteht. Denkbar ist ein alternatives Modell des „Familiensplittings“, also der faktischen<br />

Steuerbegünstigung für Familien mit heterosexuellen <strong>und</strong> homosexuellen Eltern <strong>und</strong> Kindern. Deshalb<br />

müssten für Menschen mit LSBTTI-Lebensentwürfen solche Steuermodelle dahingehend konkretisiert<br />

werden, dass Lebenspartner_innen mit Kindern als „Familie“ im Rahmen derartiger gesetzlicher Bestrebungen<br />

Berücksichtigung finden (Maurer 2010). 31<br />

Auch im Bereich des Beamtenrechts zeigt der Gesetzgeber bisher eine weitgehende Ignoranz gegenüber<br />

der lebenspartnerschaftlichen Realität. Sowohl der Europäische Gerichtshof (2008) 32 wie<br />

auch das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht (2009) klassifizierten dieses Vorgehen als ungerechtfertigt (Grünberger<br />

2010; Classen 2010). Beide Gerichte kamen zu dem Schluss, dass keine Gefährdung der ehelichen<br />

Gemeinschaft durch die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft in beamtenrechtlicher Hinsicht<br />

abzusehen ist. Eine Ungleichbehandlung gemäß Art. 6 GG bzw. eine Inschutznahme der Ehe im Sinne<br />

einer beamtenrechtlichen Bevorzugung scheint unverhältnismäßig, zumal die Divergenzen zwischen<br />

Ehe <strong>und</strong> Lebenspartnerschaft solche Unterschiede im juristischen Diskurs nicht begründbar machen<br />

(Classen 2010). Die Nachbesserungen im Dienstrecht des B<strong>und</strong>es (Familienzuschlag, Auslandsbesoldung,<br />

Beihilfe, Hinterbliebenenversorgung) aus dem Jahre 2011 relativierten zwar die Ungleichheitsverhältnisse,<br />

waren aber aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Rückwirkungsfrist (meist bis 01.01.2009) weiterhin<br />

starker Kritik ausgesetzt. 33 Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat inzwischen – sowohl bezogen auf den<br />

beamtenrechtlichen Familienzuschlag als auch bezogen auf die Gr<strong>und</strong>erwerbssteuer – klargestellt,<br />

dass die entsprechenden Regelungen seit Inkrafttreten des LPartG rückwirkend zum 1. August 2011<br />

gelten müssen.<br />

Transsexuellengesetz (TSG)<br />

Das „Gesetz über die Änderung der Vornamen <strong>und</strong> die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in<br />

besonderen Fällen“ (kurz: „Transsexuellengesetz“; TSG) vom 10.09.1980 ermöglichte einen identitären<br />

Wechsel34 der im Personenstandsgesetz rechtlich geregelten Geschlechtszugehörigkeit (Adamietz<br />

2006). 35 In seiner heutigen Fassung (letzter Stand: TSG-ÄndG vom 17.07.2009; Streichung von § 8 I<br />

Nr. 2 TSG) eröffnet es trans*-Menschen zwei Wege dazu: Die „kleine Lösung“ besteht in der Änderung<br />

des Vornamens <strong>und</strong> die „große Lösung“ ermöglicht die Änderung des Personenstands (Foljanty/<br />

Lembke 2012 § 10; Adamietz 2011). Dem liegt ein Verständnis von Geschlechtlichkeit zugr<strong>und</strong>e, das<br />

diese als Ergebnis sozialer Aushandlungsprozesse, also als gesellschaftlich konstruiert begreift. Nach

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