08.12.2012 Aufrufe

3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />

Dieses Problem stellt sich auch, wenn die Kinder nicht aus einer früheren Partnerschaft/Ehe mitgebracht,<br />

sondern in die neu begründete Lebenspartnerschaft hineingeboren werden. Auch hier – anders<br />

als bei Eheleuten – ist eine Stiefkindadoption durch den nicht-leiblichen Elternteil erforderlich, wobei<br />

der biologische Elternteil (falls bekannt) zustimmen muss. Zuletzt sei auf die Möglichkeit der Pflegeelternschaft<br />

hingewiesen, bei der beide Pflegeelternteile – wenn auch mit geringerem Rechtsstatus<br />

– gleichberechtigt sind. Diese ist nach geltendem Recht für gleichgeschlechtliche Paare nicht ausgeschlossen:<br />

Die Pflegeeltern tendieren zu einem offenen <strong>und</strong> reflektierten Umgang mit ihrer (Homo-)<br />

Sexualität (Schön 2010).<br />

Der in diesem Zusammenhang nahe liegende Hinweis auf eine Diskriminierung aufgr<strong>und</strong> der sexuellen<br />

Orientierung der Adoptionsbewerber_innen bzw. etwaiger Pflegeeltern ist juristisch belegt.<br />

So revidierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil von 2002 <strong>und</strong> entschied,<br />

dass eine direkte oder indirekte Ablehnung von Adoptionsbewerber_innen aufgr<strong>und</strong> der jeweiligen<br />

sexuellen Orientierung gegen den allgemeinen Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz verstoße <strong>und</strong> auch nicht durch<br />

den Hinweis auf das Kindeswohl begründbar wäre (Dethloff 2010b). In dieser Hinsicht bleibt die derzeitige<br />

Rechtspraxis fragwürdig: Denn wenn die sexuelle Orientierung als Hinderungsgr<strong>und</strong> faktisch<br />

ausscheidet, scheint unbegründbar, warum eingetragenen Lebenspartner_innen de lege lata eine gemeinschaftliche<br />

Adoption nach wie vor verwehrt wird (Dethloff 2010b). Eben das Kindeswohl, auf<br />

das sich die juristischen Argumentationen berufen, lässt eine solche Rechtspraxis nicht nur widersprüchlich,<br />

sondern fahrlässig gefährdend werden. Deswegen muss ein im Falle der Einzeladoption<br />

entstandenes faktisches Eltern-Kind-Verhältnis zu beiden Lebenspartner_innen nicht nur hinsichtlich<br />

der sozialrechtlichen Aspekte abgesichert, sondern auch im gesellschaftlichen Diskurs voll anerkannt<br />

werden. Dem hat der Gesetzesgeber aufgr<strong>und</strong> seiner besonderen Schutzpflicht der Familie nachzukommen<br />

– spätestens, seit soziologische Untersuchungen belegen, dass in gleichgeschlechtlichen<br />

Partnerschaften das Kindeswohl voll gewährleistet <strong>und</strong> keineswegs beeinträchtigt ist. 27<br />

Das elterliche Sorgerecht stellt einen weiteren Problembereich für eingetragene Lebenspartnerschaften<br />

dar. Eine Teilhabe der Lebenspartnerin <strong>und</strong> des Lebenspartners an diesem Recht im eigentlichen<br />

Sinne ist ausgeschlossen. Das LPartG räumt dem bzw. der jeweiligen Lebenspartner_in zwar<br />

ein „kleines Sorgerecht“ ein, durch das Angelegenheiten des täglichen Lebens geregelt werden (Dethloff<br />

2010a); dieser Status bleibt aber durch die geteilte Verantwortung den leiblichen Elternteilen gegenüber<br />

uneindeutig <strong>und</strong> ist zudem in der Ausübung abhängig von der Zustimmung des<br />

alleinsorgeberechtigten Elternteils. 28<br />

Ferner wirft die biologische Realisierung des Kinderwunsches in einer Lebenspartnerschaft Fragen<br />

nach der Begründbarkeit der Ungleichbehandlung auf. Forderungen nach der Etablierung einer „Co-<br />

Mutterschaft“ 29 fanden auf parlamentarischer Ebene ebenso wenig Zuspruch wie die Durchsetzung<br />

eines erleichterten Zugangs eingetragener Lebenspartner_innen zur assistierten Reproduktion. Leibliche<br />

Elternschaft durch Insemination ist für lesbische <strong>und</strong> bisexuelle <strong>Frauen</strong> in diesem Zusammenhang<br />

zwar möglich, ein Rechtsanspruch auf Zugang zu Samenbanken besteht jedoch nur für verheiratete<br />

<strong>Frauen</strong> (Wapler 2010; Schön 2010; Müller-Götzmann 2009). B<strong>und</strong>esratsinitiativen mit ausdrücklicher<br />

Unterstützung der rot-grünen nordrhein-westfälischen Landesregierung (März 2011) blieben erfolglos.<br />

Über den Stand der rechtlichen Möglichkeiten für Regenbogenfamilien informiert Wapler (2010).<br />

Die positive rechtliche Entwicklung für eingetragene Lebenspartner_innen mit Kindern ist insgesamt<br />

zu begrüßen, jedoch in vielerlei Hinsicht zu ergänzen (Abstammungsrecht, gemeinschaftliche<br />

Adoption, gemeinsames Sorgerecht, vgl. Punkt „Familie, Partnerschaft, Kinder“). Denn der rechtliche<br />

Diskurs sollte auch in seinem gesellschaftlich-normativem Anspruch der Vielfalt <strong>und</strong> Komplexität neuer<br />

Familienformen gerecht werden (Rupp 2010; Schön 2010).<br />

Unterhaltsrecht für die Lebenspartner_innen <strong>und</strong> Sozialrecht<br />

Ein weiteres zentrales Motiv für die Begründung einer Lebenspartnerschaft ist die Absicherung der<br />

Lebenspartner_in bzw. etwaiger Kinder. Das Lebenspartnerschaftsmodell ist hinsichtlich der gesetzlichen<br />

Unterhaltspflicht allgemein dem Modell der Ehe angeglichen. Jedoch kommt es dabei zu einer<br />

Überreglementierung, die auf dem Zuschnitt des geltenden Unterhaltsrechts auf die klassisch heterosexuelle<br />

Ehe mit gemeinschaftlichen Kindern zurückzuführen ist (Hußmann 2010). Die überwiegende<br />

Form lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaften – im Sinne des kinderlosen Doppelverdiener-Modells –<br />

wird damit nicht adäquat gefasst. Es entstehen beispielsweise Lücken <strong>und</strong> Leerverweise, wenn im<br />

LPartG schlicht auf Stellen im Ehegattenunterhaltsrecht (d. h. Lebenspartnerschafts- <strong>und</strong> Getrenntle-<br />

27 Dies belegen ältere Studien<br />

aus dem angloamerikanischen<br />

Raum (Überblick bei<br />

Dethloff 2010b) ebenso wie<br />

die jüngsten Expertisen des<br />

Staatsinsti-tuts für Familienforschung<br />

für das BMFSFJ (vgl.<br />

insbesondere Rupp 2009).<br />

28 Dethloff (2010b, S. 210)<br />

verweist auf einige dem Kindeswohl<br />

nicht zuträgliche<br />

Rechtsregelungen, die beispielsweise<br />

im Falle einer Trennung<br />

der Lebenspartner_innen<br />

den nicht-leiblichen Elternteil<br />

benachteiligen.<br />

29 Hiermit ist die frühzeitige<br />

bzw. automatische Mutterschaftsanerkennung<br />

durch die<br />

Lebensgefährtin der biologischen<br />

Mutter gemeint.<br />

21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!