3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
22 Für weitere Unterschiede<br />
im Begründungsverfahren<br />
siehe detailliert Stuber 2010<br />
sowie Muscheler 2004, gemäß<br />
§ 1 III LPartG.<br />
23 Hinzuweisen ist hier auf<br />
die Feststellung des BVerfG<br />
von 2009, demgemäß der leiblichen<br />
Elternschaft gegenüber<br />
der rechtlichen bzw. sozial-familiären<br />
kein Vorrang einzuräumen<br />
ist; vgl. Beck 2010, S. 226.<br />
Für die wesentlichen Änderungen<br />
des ursprünglichen Gesetzesentwurfes<br />
(2001) gegenüber<br />
der Änderungsvorlage<br />
(2005), vgl. Muscheler 2010,<br />
S. 231.<br />
24 Hier ist auf das „Verbot<br />
der Kettenadoption“ bzw. der<br />
sukzessiven Adoption hinzuweisen,<br />
demgemäß eine Stiefkindadoption<br />
nur bei leiblichen<br />
Kindern eine_r jeweiligen Lebenspartner_in<br />
möglich ist<br />
(vgl. hierzu Dethloff 2010b,<br />
S. 209 sowie § 1742 BGB). Ein<br />
Beschluss des OLG Hamburg<br />
(22.12.10), der dieses Verbot<br />
als verfassungswidrig eingestuft<br />
hat, wurde dem B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
zur endgültigen<br />
Entscheidung vorgelegt<br />
(geplante Entscheidung<br />
Ende 2012; Verfahrensnummer<br />
1 BvL 1/11).<br />
25 Dies ist festzustellen, obwohl<br />
dem „Kindeswohl“ in<br />
den juristischen Argumentationen<br />
eine zentrale Rolle zukommt.<br />
26 Vgl. hierzu insgesamt Funcke/Thorn<br />
2010 sowie darin<br />
den Beitrag von Wapler zur<br />
gleichgeschlechtlichen Pflegefamilie<br />
(S. 115–160) sowie<br />
Dethloffs rechtsvergleichenden<br />
Überblick zur Elternschaft<br />
(S. 161–194).<br />
20<br />
1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />
Zahlreiche Studien verweisen auf die zunehmende Akzeptanz <strong>und</strong> Nutzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes<br />
innerhalb der schwul-lesbisch-trans*-Community (Rupp 2009, 2011; Funcke 2010; Eggen<br />
2009). Laut einer Studie aus dem Jahr 2008 sind r<strong>und</strong> 27 % der in Deutschland lebenden gleichgeschlechtlichen<br />
Paare verpartnert, darunter bilden die Männerpaare mit 73 % die große Mehrheit. Als<br />
vorrangige Motive für die Begründung einer Lebenspartnerschaft wurden dabei die Institutionalisierung<br />
des Zusammengehörigkeitsgefühls, die Möglichkeit der (Stief-)Kindadoption sowie die Absicherung<br />
der Lebenspartner_in benannt. Dennoch hat das Lebenspartnerschaftsgesetz die Ungleichheit<br />
von Lesben <strong>und</strong> Schwulen nicht aufgehoben, sondern stellt eher eine eingeschränkte spezifische Sonderform<br />
für sie dar, wie im Folgenden detailliert gezeigt wird. Der Gesetzgeber hat sich bei der Einführung<br />
der Lebenspartnerschaft bewusst nicht für den Weg einer registrierten Partnerschaft für alle<br />
Menschen, ob hetero- oder homosexuell, wie in Frankreich entschieden. Von konservativer Seite wurde<br />
dabei auf den Schutz von Ehe <strong>und</strong> Familie im Gr<strong>und</strong>gesetz verwiesen <strong>und</strong> so der deutliche Abstand<br />
zur Ehe begründet. Doch ist in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft, in der Staat <strong>und</strong> Religion<br />
(mit den obigen Einschränkungen) getrennt sind, nicht ersichtlich, warum dieser nur für heterosexuelle<br />
Paare <strong>und</strong> Eltern gültig sein soll.<br />
Anzumerken bleibt zunächst, dass die Lebenspartnerschaft schon in Form <strong>und</strong> Verfahren der Ehe<br />
nicht gleichgestellt ist (Beck 2010; Muscheler 2004; Stuber 2010). Das zeigt sich bereits bei der unterschiedlichen<br />
Normierung hinsichtlich etwaiger Hindernisse bzw. Voraussetzungen zur Lebenspartnerschaft/Ehe:<br />
Kann die „Ehemündigkeit“ nämlich nach gerichtlicher Feststellung schon mit 16 Jahren<br />
vorliegen (§ 1303 BGB), ist für die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zwingend<br />
die Volljährigkeit beider Lebenspartner_innen erforderlich. 22 Die auf Ebene der B<strong>und</strong>esländer spezifischen<br />
Regelungen sind in jeweiligen Anpassungsgesetzen formuliert: Für <strong>NRW</strong> ist hier zentral auf das<br />
„Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz“ (LPartAnpG; Mai 2005) sowie das „Gesetz zur Gleichstellung<br />
der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Besoldungs- <strong>und</strong> Versorgungsrecht“ (Juni<br />
2011) zu verweisen.<br />
Adoptions- <strong>und</strong> Sorgerecht, Kinderwunsch<br />
Auch im Adoptions- <strong>und</strong> Sorgerecht ist die Lebenspartnerschaft rechtlich nicht mit der Ehe gleichgestellt.<br />
In den vorliegenden Studien wird deutliche Kritik am aktuellen LPartG im Zusammenhang mit<br />
der Adoptionsfrage sowie des Sorgerechts laut. Vor allem die Möglichkeit der gemeinsamen Adoption<br />
fremder Kinder durch die eingetragenen Lebenspartner_innen sowie die Stiefkindadoption durch den<br />
nichtleiblichen Elternteil im Rahmen der Lebenspartner_innenschaft werden als unzureichend betrachtet<br />
(Dethloff 2010a, 2010b; Wapler 2010; Nemes 2007). 23<br />
Die gemeinschaftliche Adoption bzw. Annahme eines Kindes im Rahmen einer lebenspartnerschaftlichen<br />
Gemeinschaft durch beide Lebenspartner_innen bleibt nach geltendem Recht weiterhin ausgeschlossen<br />
(Rupp 2010; Dethloff 2010b). Auch die Folgeadoption durch eine Lebenspartner_in nach<br />
vorheriger alleiniger Adoption durch den/die jeweils andere_n ist nicht möglich, wenn dies auch nicht<br />
ausdrücklich, sondern lediglich per Querverweis verboten ist. 24 Die Annahme eines Kindes durch nur<br />
einen Elternteil ist demgegenüber möglich, bringt aber – unabhängig von der damit rechtlich institutionalisierten<br />
Ungleichheit – direkte Folgen für das Kindeswohl mit sich: 25 Neben einer geringeren Absicherung<br />
des Kindes im Todesfall eines der Elternteile, muss auch darauf hingewiesen werden, dass<br />
die Betreuung <strong>und</strong> Versorgung durch nur einen Elternteil hohe Anforderungen stellt <strong>und</strong> evtl. besondere<br />
Risiken bei Krankheit oder Unfall mit sich bringen kann. Insgesamt stehen adoptionswilligen gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren, die diesen Einschränkungen unterliegen, eine Überzahl geeigneter Ehepaare<br />
gegenüber, bei denen etwaige Risiken nicht bestehen. Somit kann schon die Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />
hinsichtlich der Chancengleichheit als asymmetrisch strukturiert angesehen werden (Rupp 2010).<br />
Mit dem Inkrafttreten des LPartÜG am 01.01.2005 wurde die Stiefkindadoption im Rahmen lebenspartnerschaftlicher<br />
Gemeinschaften ermöglicht (Dethloff 2010b; Grehl 2008; Pätzold 2006).<br />
Fortan können Lebenspartner_innen die leiblichen Kinder ihrer Partner_innen adoptieren <strong>und</strong> treten<br />
damit in den Recht- <strong>und</strong> Pflichtstatus eines Elternteils über. Insgesamt ist das Verfahren einer Stiefkind-<br />
oder Alleinadoption äußerst kompliziert. 26 Die Annahme des Kindes ist davon abhängig, dass<br />
der andere leibliche Elternteil (also meist der/die vorige Partner_in, bei Adoption ggf. beide Elternteile)<br />
einwilligt, also auf seine elterlichen Rechte verzichten muss. Hier ergibt sich eine komplexe rechtliche<br />
<strong>und</strong> soziale Familiensituation, in der sich die neuen sozialen Eltern mehr Verantwortung <strong>und</strong> rechtliche<br />
Sicherheit wünschen, was mit den Anrechten des leiblichen Elternteils auszugleichen ist (Rupp 2010).