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3. - Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW

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QUEER IN <strong>NRW</strong> – FORSCHUNGSSTAND<br />

ZU LEBENSLAGEN UND SOZIALSTRUKTUR<br />

Ilse Lenz, Katja Sabisch, Marcel Wrzesinski<br />

Der Literaturbericht „QUEER in <strong>NRW</strong>. Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur“ ist eine<br />

übersichtsartige Darstellung der aktuellen, thematisch einschlägigen, wissenschaftlichen Literatur mit<br />

Bezug auf das B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen. Ihm zugr<strong>und</strong>e liegt die Einsicht, dass Menschen mit<br />

lesbischem, schwulem, bisexuellem, trans*- oder inter*-Hintergr<strong>und</strong> im Alltag spezifische Bedürfnisse<br />

im Kontext der Mehrheitsgesellschaft artikulieren. Bei diesem Streben nach Entfaltung des eigenen<br />

Lebensentwurfs begegnen sie jedoch sozialem Ausschluss <strong>und</strong> Diskriminierung in allen Bereichen des<br />

sozialen Lebens.<br />

1.1 Zwischen Lebenslagen <strong>und</strong> Identitätspolitiken –<br />

Theoretische Perspektiven<br />

Für eine Erfassung des Forschungsstandes zu Lebenslagen von Menschen mit LSBTTI-Hintergr<strong>und</strong><br />

sind vor allem drei Theorieperspektiven wichtig, die einerseits für das Verständnis von den spezifischen<br />

Problemlagen wesentlich sind <strong>und</strong> andererseits die vorliegende Literatur stark beeinflusst haben. Es<br />

handelt sich 1. um das Lebenslagenkonzept, 2. um erweiterte Ansätze zu Sozialstruktur <strong>und</strong> sozialer<br />

Ungleichheit, die sich eignen, Ungleichheiten <strong>und</strong> Diskriminierungen im Kontext von LSBTTI wahrzunehmen<br />

<strong>und</strong> zu erfassen, <strong>und</strong> <strong>3.</strong> um die Vorstellungen von Gruppenidentitäten <strong>und</strong> sexualpolitischen<br />

Kategorien, die in vielen Studien, aber auch im Kontext der NRO-Arbeit verbreitet sind. Diese Ansätze<br />

werden im Folgenden zusammengefasst <strong>und</strong> zugleich kritisch in Bezug auf ihre Bedeutung für die<br />

LSBTTI-Forschung reflektiert.<br />

LEBENSLAGEN UND SOZIALSTRUKTUR<br />

1. QUEER in <strong>NRW</strong> – Forschungsstand zu Lebenslagen <strong>und</strong> Sozialstruktur<br />

Der „Lebenslagenansatz“ ist ein zentrales Konzept in der soziologischen Ungleichheitsforschung. Er<br />

will das Zusammenwirken von ökonomischen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen Faktoren in den konkreten Lebenszusammenhängen<br />

von Individuen <strong>und</strong> sozialen Gruppen theoretisch erfassen (Voges 2005). Leitend<br />

ist die Mehrdimensionalität einer Lebenslage: Neben den objektiven Dimensionen wie dem<br />

Haushaltseinkommen oder der Rechtsordnung werden auch subjektive Dimensionen wie Interessen,<br />

Aktivitäten, Entscheidungen <strong>und</strong> Erwartungen in die Analyse mit einbezogen. Lebenslagen werden<br />

demzufolge durch die Beziehung zwischen „Verhältnissen“ <strong>und</strong> „Verhalten“ bestimmt; sie sind ebenso<br />

als Ausgangsbedingung wie als Produkt menschlichen Handelns zu verstehen.<br />

Lebenslagenansatz zur Erfassung von Handlungsspielräumen<br />

So kann gerade der Lebenslagenansatz die spezifisch wirksamen Ungleichheitsformen flexibel <strong>und</strong><br />

kontextbezogen erfassen (Weischer 2011). Dabei kommt dem Begriff des Handlungsspielraums eine<br />

zentrale Bedeutung zu. Handlungsspielräume sind die Möglichkeiten, die ein Mensch hat, sich bei<br />

einem gegebenen Entwicklungsstand einer Gesellschaft zu entfalten <strong>und</strong> seine Interessen zu befriedigen.<br />

Zumeist werden sechs Dimensionen unterschieden, die spezifische Ungleichheiten <strong>und</strong> Handlungsspielräume<br />

bezeichnen: ökonomische Lage, Versorgung mit sozialstrukturellen Gütern <strong>und</strong><br />

Diensten, soziale Kontakte <strong>und</strong> Aktivitäten, Lern- <strong>und</strong> Erfahrungsspielraum, Dispositions- <strong>und</strong> Partizipationsspielraum<br />

<strong>und</strong> schließlich der Ges<strong>und</strong>heitszustand im weitesten Sinne. Die Offenheit dieser<br />

Kategorien macht den Lebenslagenansatz zu einem geeigneten Instrument für eine zielgruppenorientierte<br />

Untersuchung von Gruppen, die wie die LSBTTI komplexe Ungleichheiten <strong>und</strong> Diskriminierungen<br />

erfahren, aber auch spezifische Potentiale haben. Demzufolge lassen sich die bisherigen<br />

Forschungen zu deren Lebenssituationen in <strong>NRW</strong> den nachstehenden Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungssphären<br />

zuordnen.<br />

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