24.08.2016 Aufrufe

zfm Zeitschrift für Forderungsmanagement 04/2016

Die Zeitschrift für das Forderungsmanagement (zfm) berichtet ab sofort alle zwei Monate über aktuelle Entwicklungen rund um das Thema Forderungsmanagement in Gesetzgebung, Rechtsprechung und wissenschaftlicher Diskussion. Die zfm soll vom Start weg ein unerlässliches Handwerkzeug für die Informationsbeschaffung und die Meinungsbildung sein. Die zfm betrachtet Gesetzgebung und Rechtsprechung bewusst aus dem Blickwinkel der wirtschaftenden Unternehmen, der Gläubiger - ohne deren Kunden aus den Augen zu verlieren. Die zfm strebt die Druchdringung des Themas aus dem Blickwinkel sowohl des materiellen Rechts als auch des Prozess-, Berufs- und Kostenrechts an, aber auch etwa hinsichtlich des Datenschutzes und der Erfordernisse eines modernen elektronischen Rechtsverkehrs mit all seinen Möglichkeiten, aber auch Risiken. Mit dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Papier, und seinem Beitrag zur Verfassungsmäßigkeit der möglichen Regelung über die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten des Gläubigers durch eine Rechtsverordnung, dem renommierten Datenschützer Prof. Dr. Abel, der sich mit dem Thema der Zulässigkeit von Einmeldungen bei Auskunfteien auseinandersetzt, und dem anerkannten Experten für Inkassokosten, RiOLG Frank-Michael Goebel, der in die Diskussion um die vorgerichtliche Vergütung von Inkassountermnehmen eingreift, positioniert sich die zfm inmitten akuteller Diskussionen. Nehmen Sie ihre Argumente auf und diskutieren Sie mit!

Die Zeitschrift für das Forderungsmanagement (zfm) berichtet ab sofort alle zwei Monate über aktuelle Entwicklungen rund um das Thema Forderungsmanagement in Gesetzgebung, Rechtsprechung und wissenschaftlicher Diskussion.

Die zfm soll vom Start weg ein unerlässliches Handwerkzeug für die Informationsbeschaffung und die Meinungsbildung sein.
Die zfm betrachtet Gesetzgebung und Rechtsprechung bewusst aus dem Blickwinkel der wirtschaftenden Unternehmen, der Gläubiger - ohne deren Kunden aus den Augen zu verlieren.
Die zfm strebt die Druchdringung des Themas aus dem Blickwinkel sowohl des materiellen Rechts als auch des Prozess-, Berufs- und Kostenrechts an, aber auch etwa hinsichtlich des Datenschutzes und der Erfordernisse eines modernen elektronischen Rechtsverkehrs mit all seinen Möglichkeiten, aber auch Risiken.
Mit dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Papier, und seinem Beitrag zur Verfassungsmäßigkeit der möglichen Regelung über die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten des Gläubigers durch eine Rechtsverordnung, dem renommierten Datenschützer Prof. Dr. Abel, der sich mit dem Thema der Zulässigkeit von Einmeldungen bei Auskunfteien auseinandersetzt, und dem anerkannten Experten für Inkassokosten, RiOLG Frank-Michael Goebel, der in die Diskussion um die vorgerichtliche Vergütung von Inkassountermnehmen eingreift, positioniert sich die zfm inmitten akuteller Diskussionen. Nehmen Sie ihre Argumente auf und diskutieren Sie mit!

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>zfm</strong><br />

ISSN<br />

<strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> das<br />

<strong>Forderungsmanagement</strong><br />

2364-2688 • 4 | <strong>2016</strong><br />

Herausgeberbeirat<br />

Kay Uwe Berg, Rechtsanwalt,<br />

Vorsitzender des<br />

Herausgeberbeirats<br />

Prof. Dr. Ralf B. Abel,<br />

Rechtsanwalt<br />

Dr. Andreas Bücker,<br />

Politicomm<br />

Dr. Oliver Fawzy,<br />

Rechtsanwalt, BKS e.V.<br />

Frank-Michael Goebel,<br />

Vorsitzender Richter am<br />

Oberlandesgericht<br />

Prof. Dr. Thomas Hoeren,<br />

Institut <strong>für</strong> Informations-,<br />

Telekommunikations- und<br />

Medienrecht (ITM)<br />

Rita Hornung, Marianne von<br />

Weizsäcker Stiftung<br />

Thomas Hutter, vsi<br />

Ulrich Jäger, Ass. jur.<br />

Walter Koch, IVÖ<br />

Alexander Kolodzik,<br />

Rechtsanwalt, BGA e.V.<br />

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier,<br />

Präsident des Bundesverfassungsgerichts<br />

a.D.<br />

Kirsten Pedd,<br />

Rechtsanwältin, BDIU e.V.<br />

Dr. Stefan Saager,<br />

Rechtsanwalt, BVR e.V.<br />

Prof. Dr. Heinz Vallender,<br />

Institut <strong>für</strong> Europäisches und<br />

Internationales Insolvenzrecht<br />

Aus dem Inhalt<br />

■ Aufsätze<br />

Kazemi: <strong>Forderungsmanagement</strong> im Medizinbereich (Teil I) .........135<br />

Vallender: Europäisches Insolvenzrecht: Neue Herausforderungen<br />

durch die reformierte EuInsVO vom 25.5.2015 ....................139<br />

Gülbay‐Peischard/Meyer: Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken –<br />

Informationspflichten im ersten Inanspruchnahmeschreiben (Teil II) . . 148<br />

Schmuck: Fremdwörter und Allgemeines – very strange und nicht<br />

zu fassen . . . ...............................................157<br />

■ Kurz bemerkt<br />

Aktuelles aus Europa und nationaler Gesetzgebung sowie Termine . . . 159<br />

■ Interview<br />

Dreimal nachgefragt bei Sven Korschinowski ................... 160<br />

■ Entscheidungen<br />

EuGH: Verzicht auf Zinsen und Rechtsverfolgungskosten nach<br />

der EU‐Verzugsrichtlinie . ....................................162<br />

BGH: Keine Feststellung der Privilegierung im Mahnverfahren –<br />

oder: Hier muss der Gesetzgeber ran . . . ........................167<br />

BGH: Anwalt darf kein Erfüllungsgehilfe eines Unternehmens sein . . . . 170<br />

AG Aschersleben: Keine Schlüssigkeitsprüfung im Mahnverfahren .....172<br />

■ Literaturhinweise<br />

Ein Blick in die Bücherwelt . . . ................................173


<strong>zfm</strong><br />

Editorial<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

„Sind Sie gesetzlich oder privat krankenversichert?“ Diese<br />

Frage bildet in Deutschland oft den Einstieg in ein<br />

Lamento über die angebliche Zweiklassenmedizin. Als<br />

Privatversicherter kommt man in der Regel schneller dran<br />

beim Arzt. Das ist aber auch der Fall beim <strong>Forderungsmanagement</strong><br />

im Medizinbereich, denn bei privat Versicherten<br />

oder bei gesetzlich versicherten Patienten, die<br />

individuelle Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen,<br />

gilt: Schuldner ist man selbst und nicht die Krankenkasse.<br />

Das <strong>Forderungsmanagement</strong> im Medizinbereich bietet<br />

daher <strong>für</strong> Inkasso- und Factoringunternehmen ein großes<br />

Umsatz- und Entwicklungspotenzial. Doch seien Sie vorsichtig,<br />

um das „Verletzungsrisiko“ möglichst klein zu<br />

halten: Kazemi erläutert in seinem Beitrag, dessen ersten<br />

Teil Sie in diesem Heft lesen können, dass der Gesundheitsmarkt<br />

durch eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen<br />

reglementiert ist, die das <strong>Forderungsmanagement</strong> hier von<br />

dem normaler Branchen unterscheidet. Wer auf diesem<br />

Feld erfolgreich agieren will, der muss sich den speziellen<br />

(rechtlichen) Anforderungen dieses Marktes stellen.<br />

Auch zu Risiken und Nebenwirkungen des europäischen<br />

Insolvenzrechts müssen Sie nicht unbedingt Ihren Arzt oder<br />

Apotheker fragen. Viel besser wäre es, wenn Sie den Beitrag<br />

von Vallender dazu lesen. Auf internationaler Ebene ist ein<br />

funktionierendes Insolvenzrecht die Voraussetzung da<strong>für</strong>,<br />

dass multinationale Unternehmen und Unternehmensgruppen<br />

bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds rasch und kostengünstig<br />

grenzüberschreitend entschuldet und saniert werden<br />

können. Im Juni 2017 wird daher die reformierte Europäische<br />

Insolvenzordnung in Kraft treten. Vallender sieht diese<br />

Medizin des europäischen Gesetzgebers nicht als wirkungsloses<br />

Placebo, sondern als wesentliche Erleichterung im<br />

grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren.<br />

Gülbay-Peischard und Meyer kommen im zweiten Teil<br />

ihres Beitrags zu den Informationspflichten im ersten<br />

Inanspruchnahmeschreiben<br />

durch Inkassounternehmen<br />

zu einer Diagnose,<br />

die, bitte verzeihen Sie<br />

mir die Schleichwerbung,<br />

im übertragenen Sinn<br />

Bepanthen auf der durch<br />

Kay Uwe Berg<br />

viele unberechtigte und<br />

überzogene Angriffe etwas<br />

wunden Seele vieler Inkassounternehmer sein dürfte.<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Sie neigen dazu, anderen<br />

durch die Verwendung möglichst komplizierter Fachbegriffe<br />

zu signalisieren, dass Ihr Gegenüber es mit einem<br />

ganz besonders gebildeten Akademiker zu tun hat? Und<br />

wundern sich dann darüber, dass so manch einem Berufsstand,<br />

insbesondere dem Juristen, Arroganz attestiert<br />

wird? Willkommen im Club, kann ich da nur sagen, mir<br />

ging es genauso, bis ich bei Schmuck in Therapie gegangen<br />

bin. Und keine Sorge, die von ihm angewendete Technik ist<br />

sehr unterhaltsam und lesenswert. Lachen ist ja bekanntlich<br />

noch immer die beste Medizin …<br />

Die könnte Ihnen dann auch helfen, wenn Sie sich nach<br />

dem Interview mit Korschinowski mit Kopfschmerzen<br />

fragen, ob es in Zeiten von FinTechs überhaupt noch Sinn<br />

macht, einen Brief zu schreiben. Bis auf Weiteres können<br />

wir wohl diesen Zustand bereits hier lindern: Auf die rein<br />

elektronische Kommunikation umzusteigen wäre jetzt<br />

noch verfrüht.<br />

Und nein, ich wünsche Ihnen jetzt keine gute Besserung,<br />

sondern einen (hoffentlich) weiterhin schönen Sommer!<br />

Ihr<br />

Kay Uwe Berg, Rechtsanwalt und Leiter des wissenschaftlichen<br />

Beirats der <strong>zfm</strong> ■<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 133


Inhalt<br />

<strong>zfm</strong><br />

Inhalt<br />

133 Editorial<br />

Aufsätze<br />

Medizinrecht<br />

135 Kazemi: <strong>Forderungsmanagement</strong> im Medizinbereich (Teil I)<br />

Insolvenzrecht<br />

139 Vallender: Europäisches Insolvenzrecht: Neue Herausforderungen durch die reformierte EuInsVO<br />

vom 25.5.2015<br />

Berufsrecht<br />

148 Gülbay‐Peischard/Meyer: Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken – Informationspflichten im<br />

ersten Inanspruchnahmeschreiben (Teil II)<br />

Deutsch – Jura, Jura – Deutsch<br />

157 Schmuck: Fremdwörter und Allgemeines – very strange und nicht zu fassen<br />

Kurz bemerkt<br />

159 Aktuelles aus Europa und nationaler Gesetzgebung sowie Termine<br />

Interview<br />

160 Dreimal nachgefragt bei Sven Korschinowski<br />

Entscheidungen<br />

Verzug<br />

162 EuGH: Verzicht auf Zinsen und Rechtsverfolgungskosten nach der EU‐Verzugsrichtlinie<br />

Zwangsvollstreckung<br />

167 BGH: Keine Feststellung der Privilegierung im Mahnverfahren – oder: Hier muss der Gesetzgeber ran<br />

Berufsrecht<br />

170 BGH: Anwalt darf kein Erfüllungsgehilfe eines Unternehmens sein<br />

Mahnverfahren<br />

172 AG Aschersleben: Keine Schlüssigkeitsprüfung im Mahnverfahren<br />

Literaturhinweise<br />

173 Ein Blick in die Bücherwelt<br />

175 Autoren dieser Ausgabe<br />

176 Impressum<br />

134 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

Aufsätze<br />

Medizinrecht<br />

Rechtsanwalt Dr. Robert Kazemi<br />

<strong>Forderungsmanagement</strong> im Medizinbereich<br />

Teil I<br />

Aus Sicht der Inkasso-Branche mag man sich fragen,<br />

warum es eines eigenen Beitrags zum <strong>Forderungsmanagement</strong><br />

im Medizinbereich bedarf. Zugegeben, auf den<br />

ersten Blick mag sich das <strong>Forderungsmanagement</strong> im<br />

Medizinbereich – jedenfalls auf der „Durchsetzungsebene“<br />

– nicht vom klassischen <strong>Forderungsmanagement</strong><br />

unterscheiden. Wer hier indes tiefer in die Materie schaut,<br />

wird schnell feststellen, dass es sich dabei um einen<br />

Trugschluss handelt.<br />

I. Besonderheiten des<br />

Gesundheitsmarktes<br />

Zunächst sei dabei ein erfreulicher Unterschied hervorgehoben:<br />

Während sich der Umsatz im Factoringgeschäft<br />

in der Gesamtbetrachtung in den vergangenen drei Jahren<br />

eher langsam fortentwickelt, zeigt das Factoring in der<br />

Gesundheitsbranche im selben Zeitraum erheblich höhere<br />

Steigerungsraten. Seit 2011 können hier kontinuierliche<br />

Umsatzzuwächse von 10 % verzeichnet werden. 1 Die<br />

verhältnismäßig großen Umsatzzuwächse sind sicherlich<br />

nicht zuletzt auf den Wandel des deutschen Gesundheitsmarktes<br />

an sich zurückzuführen, der sich immer mehr<br />

vom sog. Sachleistungsprinzip abwendet und den Bezieher<br />

gesundheitsbezogener Waren und Dienstleistungen<br />

zunehmend selbst in die – auch finanzielle – Verantwortung<br />

nimmt. So sind beispielsweise im zahnärztlichen<br />

Leistungsspektrum, allen voran in der Behandlung mit<br />

Zahnersatz, die Sachleistungen in den vergangenen Jahren<br />

immer weiter zurückgefahren und durch sog. Festzuschüsse<br />

ersetzt worden. Hier erhält auch der gesetzlich<br />

versicherte Patient von seiner Krankenkasse nur noch<br />

bestimmte – im Einzelnen festgelegte – Zuschüsse zu<br />

seiner zahnärztlichen Behandlung, ist dann jedoch in der<br />

1<br />

Hartmann-Wendels, FLF 2013, 230, 231; ders., FLF 2014, 218; Severin, FLF<br />

2013, 128, 128.<br />

Wahl der durchzuführenden Versorgung nicht an bestimmte<br />

Leistungsinhalte gebunden. So kann beispielsweise<br />

bei der Versorgung mit Zahnersatz zwischen der<br />

Regelversorgung, der gleichartigen und der andersartigen<br />

Versorgung gewählt werden. Der von Seiten der Krankenkassen<br />

zu leistende Festzuschuss deckt dabei nur die<br />

Kosten der sog. Regelversorgung ab. Wer sich hier <strong>für</strong><br />

andere Versorgungsformen entscheidet, der zahlt die<br />

Mehrkosten selbst und tritt gegenüber dem Zahnarzt in<br />

diesem Sinne vereinfacht gesprochen als „Privatpatient“<br />

oder Selbstzahler auf. Auch der Bereich der sog. professionellen<br />

Zahnreinigung ist dem Leistungskatalog der<br />

GKV gänzlich entzogen und in die finanzielle Eigenverantwortung<br />

des Patienten gestellt. Was dem Patienten<br />

mehr Freiheit bringt, bedeutet <strong>für</strong> den zahnärztlichen<br />

Leistungserbringer indes ein erhöhtes Ausfallrisiko; denn<br />

wo früher die Kassenzahnärztliche Vereinigung und<br />

(mittelbar) die gesetzliche Krankenversicherung als sichere<br />

Schuldner bereitstanden, steht nun der Patient. Ob<br />

dieser die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen<br />

auch tatsächlich bezahlen kann, weiß der Zahnarzt in der<br />

Regel nicht.<br />

Selbstzahlerleistungen finden sich – in mehr oder minder<br />

ausgeprägter Form – bei allen medizinischen Leistungserbringern.<br />

So ist der stationär behandelte Patient verpflichtet,<br />

pro Aufenthaltstag einen festen Eigenanteil an<br />

das Krankenhaus zu entrichten; zahlreiche niedergelassene<br />

Ärzte bieten sog. individuelle Gesundheitsleistungen (IGEL)<br />

neben dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

als Selbstzahlerleistungen an und erweitern<br />

so den Kreis ihrer Debitoren erheblich; Heil- und Hilfsmittelerbringer<br />

sind seit jeher mit einer Vielzahl von<br />

Selbstzahlern konfrontiert. Dies bedingt gleichsam einen<br />

anderen Umgang mit dem <strong>Forderungsmanagement</strong>.<br />

Gleichermaßen steigen die Gesamtausgaben am Gesundheitsmarkt<br />

seit Jahren kontinuierlich an. Die immer älter<br />

werdende Bevölkerung sowie die immer weiter voran-<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 135


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

schreitende Medizintechnik, lassen hier auf lange Sicht<br />

keine Veränderung erwarten. Allein zwischen 2003 und<br />

2013 stiegen die Gesundheitsausgaben je Einwohner in<br />

der Bundesrepublik von 2.860,00 EUR auf 3.910,00 EUR:<br />

Tendenz steigend. Der Gesundheitssektor wird damit <strong>für</strong><br />

die Gesamtwirtschaft immer bedeutender. 2<br />

So verlockend die wirtschaftlichen Eckdaten scheinen, so<br />

kompliziert zeigen sich indes auch die betriebswirtschaftlichen<br />

und vor allem rechtlichen Anforderungen, die an<br />

Unternehmer und Unternehmen im Gesundheitswesen<br />

gestellt werden. Wer hier als Inkasso- oder Factoringdienstleister<br />

ansetzen und den Gesundheitsunternehmer<br />

beim Management seiner Forderungen begleiten und<br />

unterstützen will, muss – nicht nur zur Absicherung seiner<br />

eigenen unternehmerischen Risiken, sondern auch und vor<br />

allem in der Erwartungshaltung der angesprochenen<br />

Kundenkreise – weit mehr als das „reine“ Inkasso beherrschen:<br />

<strong>Forderungsmanagement</strong> im Medizinbereich beginnt<br />

in diesem Sinne weit vor der Rechnungslegung und<br />

ihrer Beitreibung. Denn der Bestand der Forderungen an<br />

sich, ebenso wie ihre Beitreibung durch Dritte, hängt von<br />

zahlreichen rechtlichen Rahmenbedingungen ab, die von<br />

Fragen der grundsätzlichen Abrechenbarkeit bestimmter<br />

Leistungen und ihrer Dokumentation über straf- und<br />

berufsrechtliche bis hin zu zunehmend auch datenschutzrechtlichen<br />

Fragestellungen reichen.<br />

Erfolgreiches <strong>Forderungsmanagement</strong> im Medizinbereich<br />

muss daher vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

im Blick haben.<br />

II. Rechtliche Anforderungen an die<br />

Begründung von Forderungen aus<br />

medizinischen Leistungen<br />

1. Informationspflichten vor<br />

Behandlungsbeginn<br />

a) § 630c BGB<br />

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der<br />

Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz)<br />

am 26.2.2013 ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)<br />

um die §§ 630a–630h BGB erweitert worden, die Bestimmungen<br />

zum medizinischen Behandlungsvertrag enthalten.<br />

Nach § 630c Abs. 3 BGB hat der Behandler, der weiß<br />

2<br />

Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 7.1.2, 1995–2014, S. 18, abrufbar<br />

unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/<br />

Gesundheitsausgaben/AusgabenGesundheitLangeReihePDF_2120712.pdf;<br />

jsessionid=57E0094A56756EE394C6995ABDF88922.cae1?__blob=publicationFile;<br />

siehe auch https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/Publikationen/<br />

Gesundheit/Broschueren/1511<strong>04</strong>_BMG_<br />

DdGW_A4.pdf.<br />

oder aufgrund hinreichender Anhaltspunkte wissen muss,<br />

dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten<br />

seines Patienten durch einen Dritten nicht gesichert ist, vor<br />

Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten<br />

der Behandlung in Textform zu informieren. Unterlässt der<br />

Behandler diese notwendige Information, so begründet<br />

dies eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Patienten<br />

(§ 280 Abs. 1 BGB), den dieser dem Vergütungsanspruch<br />

des Behandlers im Wege der Leistungsverweigerung oder<br />

der Aufrechnung entgegenhalten darf. 3<br />

In der Gesetzesbegründung heißt es, die Informationspflicht<br />

folge insbesondere aus „dem überlegenen Wissen<br />

des Behandelnden im täglichen Umgang mit Abrechnungen“,<br />

aus dem ihm bekannt sei, welche Behandlungen<br />

erstattungsfähig seien und welche eben nicht. „Demgegenüber<br />

vermöge der Patient als medizinischer Laie die<br />

Frage der medizinischen Notwendigkeit und die damit<br />

verbundene Übernahmefähigkeit der Behandlungskosten<br />

in der Regel nicht zu beurteilen“. Zwar sei es nicht<br />

die Pflicht des Behandelnden, den Patienten umfassend<br />

wirtschaftlich zu beraten, und dürfe das wirtschaftliche<br />

Risiko der Behandlung nicht allein dem Behandelnden<br />

aufgebürdet werden, gleichwohl birgt diese Informationspflicht<br />

ein nicht unerhebliches Risiko. Denn wann<br />

„überlegenes Wissen“ des Behandlers vorliegt und wann<br />

nicht, klärt das Gesetz nicht; die Beurteilung dieser Frage<br />

bleibt vielmehr eine Entscheidung im Einzelfall. Unter<br />

Berücksichtigung der Rechtsprechung 4 ist eine Aufklärungspflicht<br />

aber jedenfalls immer dort anzunehmen, wo<br />

der Behandler aus anderen Behandlungsverhältnissen<br />

Kenntnis darüber erlangt hat, dass einzelne Krankenversicherer<br />

die (vollständige) Erstattung der Behandlungskosten<br />

bereits verweigert haben.<br />

Ein aktuelles Beispiel bildet hier etwa die digitale<br />

Volumentomographie (DVT), ein dreidimensionales,<br />

bildgebendes Tomographie-Verfahren unter Nutzung<br />

von Röntgenstrahlen, das vor allem in der Hals-Nasen-<br />

Ohren-Heilkunde, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie<br />

und der Zahnmedizin zum Einsatz kommt.<br />

Vor allem mit Blick auf die bessere Vergütung erfreut<br />

sich die DVT-Diagnostik dabei insbesondere im Bereich<br />

der Implantologie einer zunehmenden Beliebtheit.<br />

Wann indes eine Indikation <strong>für</strong> derartige Bildgebungen<br />

vorliegt, ist im Einzelnen umstritten und nur schwer zu<br />

beurteilen; die Rechtsprechung erweist sich als uneindeutig.<br />

In den DGZMK-S-2-k-Leitlinien „Indikationen<br />

zur implantologischen 3D-Röntgen-Diagnostik<br />

und navigationsgestützten Implantologie“ (Dez. 2011)<br />

3<br />

BT-Drucks 17/1<strong>04</strong>88, S. 22; Palandt/Weidenkaff, § 630c Rn 12.<br />

4<br />

Vgl. bspw. OLG Stuttgart, Urt. v. 8.1.2013 – 1 U 87/12.<br />

136 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

heißt es insoweit jedoch, der klinische Nutzen der<br />

durch die dreidimensionale Bildgebung erhaltenen<br />

Mehrinformationen <strong>für</strong> das implantologische Behandlungsergebnis<br />

bliebe unter einer evidenzbasierten<br />

Bewertung ungeklärt. Auch existierten keine randomisierten<br />

oder kontrollierten Studien am Menschen,<br />

die den Nutzen einer dreidimensionalen Diagnostik<br />

hinsichtlich der Qualität des Operationsergebnisses<br />

und/oder der Häufigkeit von Komplikationen in der<br />

Implantologie belegen. Die privaten Krankenversicherungen<br />

(PKV) folgern hieraus, dass „die Indikation zur<br />

DVT-Aufnahme im Rahmen von implantologischen<br />

Leistungen [daher] besonders streng zu stellen“ sei 5<br />

und lehnen die Erstattung von DVT-Aufnahmen<br />

regelmäßig als medizinisch nicht erforderlich ab. Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die rechtfertigende Indikation einer<br />

DVT-Aufnahme sei insoweit jedenfalls eine vorherige<br />

2D-Röntgendiagnostik mit eindeutigem weiterem<br />

Klärungsbedarf bzw. eine entsprechende Dokumentation<br />

anatomischer Besonderheiten nach Anamnese<br />

und klinischer Untersuchung vor der DVT-Diagnostik.<br />

Liegt eine solche nicht vor, so wird die Erstattung<br />

durch die PKV regelmäßig scheitern. In diesem Fall<br />

erscheint eine generelle Aufklärung über (Mehr-)<br />

Kosten der DVT-Diagnostik und ihrer unter Umständen<br />

nicht gegebenen Erstattungsfähigkeit vor Behandlungsbeginn<br />

in Textform daher erforderlich. Erfolgt<br />

diese nicht, droht der Behandler mit seiner Forderung<br />

gänzlich auszufallen. So entschied das OLG Hamm 6<br />

beispielsweise, dass eine kostenintensive Zahnbehandlung<br />

(Implantatbehandlung mit Knochenaufbau durch<br />

Eigenknochenzüchtung) nicht bezahlt werden müsse,<br />

wenn sich der Patient im Falle seiner ordnungsgemäßen<br />

Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten<br />

(Knochenaufbau durch Verwendung von Knochenersatzmittel<br />

oder Knochenentnahme aus dem<br />

Beckenkamm) gegen die kostenintensive Behandlung<br />

ausgesprochen hätte.<br />

5<br />

So ausdrücklich Indikationsempfehlung der Arbeitsgruppe DVT der DKV,<br />

Sowohl im Rahmen des geschäftsmäßigen Einzuges<br />

fremder Forderungen gemäß §§ 2 Abs. 2, 10 Abs. 1 Nr. 1<br />

RDG, als auch im Rahmen des echten Factorings medizinischer<br />

Forderungen ist daher mit dem Einwand mangelnder<br />

Aufklärung über die Erstattungsfähigkeit der<br />

Behandlungskosten zu rechnen. Hier gilt es, nicht nur<br />

die Vorgaben des § 630c BGB als Fall fehlender Verität der<br />

einzuziehenden und/oder verkauften Forderung gegenüber<br />

dem Behandler zu normieren, sondern den Behandler<br />

bereits frühzeitig über die mit einer mangelnden<br />

Aufklärung verbundenen Risiken zu informieren und ihn<br />

in diesem Sinne zu einem sorgfältigen Umgang mit der<br />

Aufklärungspflicht zu bewegen.<br />

b) Weitere Informationspflichten vor<br />

Behandlungsbeginn<br />

Im Bereich der gesetzlichen Krankversicherung (GKV)<br />

existieren zudem im Rahmen der Erbringung individueller<br />

Gesundheitsleistungen weitergehende Informationsund<br />

Aufklärungspflichten. So ist der Behandler gemäß<br />

§ 18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä und § 21 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä/E nicht<br />

nur zur Aufklärung über die nicht bestehende Erstattungsfähigkeit,<br />

sondern zusätzlich zur Auflistung der Einzelleistungen<br />

unter Angabe der jeweiligen GOÄ-Ziffern und<br />

Steigerungssätze sowie zur Angabe der voraussichtlichen<br />

Gesamthonorarhöhe gegenüber dem Patienten verpflichtet.<br />

Die Information ist – anders als diejenige nach § 630c<br />

BGB – nicht nur in Textform an den Patienten zu<br />

übergeben, sondern im Rahmen einer Vereinbarung zwischen<br />

Arzt und Patient zu erteilen, die vom Patienten<br />

eigenhändig zu unterschreiben ist. Der Patient hat zudem<br />

zu erklären, dass die Behandlung auf seinen Wunsch hin<br />

erfolgt und dass der Arzt ihn darüber aufgeklärt hat, dass<br />

die Behandlung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen<br />

Versorgung ist. Erfolgte eine derartige Informationsvermittlung<br />

in Schriftform nicht, ist die IGEL-Behandlung vom<br />

Patienten nicht zu erstatten.<br />

2. Medizinische Notwendigkeit<br />

„Den Zessionar eines Vergütungsanspruchs nach § 1 Abs. 2<br />

Satz 1 GOÄ (juris GOÄ 1982) trifft im Falle des Bestreitens<br />

der medizinischen Notwendigkeit einer abgerechneten<br />

Behandlung eine Pflicht zur Substantiierung dieser Anspruchsvoraussetzung.<br />

Hiervon wird er nicht dadurch<br />

entbunden, dass ihm selbst die Behandlungsunterlagen<br />

nicht vorliegen.“ 7 Dieser Leitsatz einer jüngeren Entscheidung<br />

des Landgerichts Bonn bringt ein weiteres Problem<br />

der Begründung medizinischer Forderungen auf den<br />

Punkt und macht gleichzeitig seine Bedeutung auch <strong>für</strong><br />

den Inkassounternehmer im Rahmen der Durchsetzung<br />

abgetretener oder zur Einziehung übergebener Forderungen<br />

deutlich.<br />

Die Gebührenordnung <strong>für</strong> Ärzte (GOÄ) normiert, dass der<br />

Arzt Vergütungen nur <strong>für</strong> solche Leistungen berechnen<br />

darf, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst <strong>für</strong> eine<br />

medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich<br />

sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch<br />

notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er<br />

nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungs-<br />

abrufbar unter: http://www.dvt-abrechnung.de/.<br />

6<br />

OLG Hamm, Urt. v. 12.8.2014 – 26 U 35/13. 7<br />

Leitsatz LG Bonn, Urt. v. 26.2.2015 – 9 O 343/13, zitiert nach juris.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 137


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

pflichtigen erbracht worden sind. 8 Die „medizinische<br />

Notwendigkeit“ der Leistungserbringung ist insoweit in<br />

verschiedenen Konstellationen, insbesondere wenn es um<br />

die Anwendung neuerer Behandlungsmethoden geht,<br />

immer wieder Gegenstand außergerichtlicher und gerichtlicher<br />

Auseinandersetzungen. Insbesondere im außergerichtlichen<br />

Bereich stellt diese Bestimmung dabei<br />

ein Einfallstor auch <strong>für</strong> die Erstattungsablehnung durch<br />

die privaten Krankenversicherungsträger dar. Die hierzu<br />

veröffentlichte Rechtsprechung ist vielseitig und kaum<br />

überschaubar. Schon in der jährlichen Betrachtung werden<br />

hier oft mehrere Dutzend Urteile abgesetzt. Es soll<br />

daher auch an dieser Stelle nicht näher auf einzelne<br />

Fallkonstellationen eingegangen werden; wichtig ist es<br />

jedoch, den Arzt sowie seinen Forderungsdienstleister <strong>für</strong><br />

diese Problemlage zu sensibilisieren. Auch hier gilt: Bei<br />

Zweifeln über die medizinische Notwendigkeit kann es<br />

angebracht sein, mit dem Patienten eine – in § 1 Abs. 2<br />

Satz 2 GOÄ vorgesehene – Vereinbarung (sog. Verlangensleistungen)<br />

über die Durchführung der beabsichtigten<br />

Behandlung zu treffen. Hier ist der Patient darauf<br />

hinzuweisen, dass die medizinische Notwendigkeit der<br />

Behandlung von dritter Seite nicht als gegeben erachtet<br />

werden kann. Für den Arzt sichert ein solches Vorgehen<br />

im Bestreitensfalle die Durchsetzung seiner Vergütungsansprüche<br />

aus dem Behandlungsvertrag; aus Sicht des<br />

betroffenen Patienten kann eine solche Vorgehensweise<br />

– auch dies sollte nicht unberücksichtigt bleiben – indes<br />

den zwingenden Ausschluss der Erstattungsfähigkeit<br />

durch seine private Krankenversicherung zur Folge haben.<br />

Im Ergebnis gilt es daher, das Interesse des Arztes an<br />

einer möglichst guten Absicherung seiner Forderungen<br />

mit den Interessen des Patienten abzuwägen. Insoweit<br />

zeigt die Praxis, dass ein „glücklicher und zufriedener<br />

Patient“ manchem Arzt wichtiger ist als das unbedingte<br />

Bestehen auf der Durchsetzung seiner Forderungen aus<br />

dem Behandlungsvertrag. Dies indes gilt es – zusammen<br />

mit dem Arzt – zu erörtern.<br />

Insoweit weist auch Severin 9 zu Recht darauf hin, dass sich<br />

in der Praxis schlussendlich der Behandler mit Leistungsverweigerungen<br />

von Seiten der privaten Krankenversicherung<br />

konfrontiert sieht, weil seine Patienten bei Nichterstattung<br />

mit der Bitte um Rat und in vielen Fällen mit<br />

dem Wunsch nach einer Rechnungskorrektur bei ihm<br />

vorstellig werden. Wer dem Arzt und seinem Patienten<br />

auch hier mit fachkundigem Rat zur Seite steht, sichert<br />

nicht nur die dauerhafte Kundenbeziehung, sondern<br />

kommt einem in der Praxis von Behandlerseite immer<br />

wieder geäußerten Wunsch nach.<br />

8<br />

Gleichlautend insoweit § 1 Abs. 2 GoZ.<br />

9<br />

Severin, FLF 2013, 128, 129.<br />

3. Dokumentation als<br />

Anspruchsvoraussetzung<br />

Im Rahmen der Abrechnung ärztlicher Leistungen spielt<br />

zudem die Dokumentation der Leistungserbringung eine<br />

nicht unerhebliche Rolle. So hatte beispielsweise das LG<br />

Düsseldorf über die Klage eines Privatpatienten gegen<br />

seine Krankenkasse zu entscheiden, die sich geweigert<br />

hatte, die Kosten <strong>für</strong> eine neuraltherapeutische Behandlung<br />

sog. „Störfelder“ zu erstatten, weil es sich dabei nicht<br />

um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung gehandelt<br />

habe und der vom Arzt vorgelegte Befundbericht<br />

ungenügend sei. 10 Wie vom vorher angerufenen AG<br />

Düsseldorf wurde diese Klage mit der Begründung abgewiesen,<br />

der Arzt sei seiner Dokumentationspflicht nicht<br />

nachgekommen, weswegen der Kläger den Nachweis<br />

einer medizinisch notwendigen Behandlung durch eine<br />

ausreichende Dokumentation nicht habe erbringen können.<br />

Diese Unzulänglichkeiten der Dokumentation können<br />

dem Versicherungsunternehmen nicht zum Nachteil<br />

gereichen, sondern lediglich Einfluss auf die dem Arzt<br />

zustehende Vergütung haben oder Grundlage von Schadensersatzansprüchen<br />

des Patienten gegen den Arzt sein.<br />

Auch zahlreiche Leistungslegenden des <strong>für</strong> die Abrechnung<br />

der vertragsärztlichen Leistungen maßgeblichen<br />

Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sowie der<br />

privatärztlichen Gebührenordnungen (GOÄ/GOZ), sehen<br />

eine ausdrückliche ärztliche Dokumentationspflicht vor<br />

und beschreiben die Dokumentation als zwingenden<br />

Bestandteil der Leistung. 11 Angesichts der zunehmenden<br />

Auseinandersetzungen über die ärztlichen Honorare ist<br />

eine sorgfältige Dokumentation der erbrachten Leistungen<br />

damit auch <strong>für</strong> die Realisierung ärztlicher Honorare<br />

unumgänglich. 12<br />

4. Richtige Zuordnung der Leistungen –<br />

GOÄ und GOZ als maßgeblicher Rahmen<br />

Auch nach erbrachter Behandlungsleistung bleiben Stolperfallen<br />

bestehen, die auf die Durchsetzbarkeit der<br />

medizinischen Honorarforderung durchschlagen können.<br />

Hier gilt es, vor allem im privatärztlichen und im Selbstzahlerbereich<br />

die richtige Einordnung der Forderung in den<br />

jeweiligen Leistungskatalog der GOÄ und/oder GOZ zu<br />

vollziehen, die als <strong>für</strong> alle Ärzte geltendes zwingendes<br />

Preisrecht die einzige mögliche Grundlage ärztlicher For-<br />

10<br />

Siehe KG, Urt. v. 21.9.1999 – 6 U 261/98, NVersZ 2000, 25 ff.; Ortner/Geis,<br />

MedR 1997, 337.<br />

11<br />

Siehe auch § 4 Abs. 1 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />

nach § 135 Abs. 2 SGB V zum ambulanten Operieren, abrufbar unter:<br />

www.kvberlin.de.<br />

12<br />

Ausführlich hierzu: Kazemi/Leopold, in: Heidelberger Kommentar Arzt-,<br />

Krankenhaus- und Medizinrecht, Stichwort: Dokumentation.<br />

138 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

derungen darstellen. 13 Genau aus diesem Grunde ist es dem<br />

Arzt – auch bei Wahl- und Verlangensleistungen –<br />

untersagt, bei medizinisch nicht indizierten Behandlungsleistungen<br />

andere Vergütungsmodelle, beispielsweise Pauschalen<br />

oder gar Stundensätze, zu vereinbaren; ebenso<br />

dürfen die in der GOÄ und der GOZ normierten Mindestpreise<br />

nicht unterschritten werden 14 und müssen Gebührenfestsetzungen<br />

über den jeweiligen „Regelsatz“ hinaus<br />

besonders begründet werden. Im Einzelnen gestaltet sich<br />

die Einordung bestimmter Leistungen dabei – selbst <strong>für</strong><br />

den erfahrenen Arzt – nicht immer als einfach. Insbesondere<br />

im Rahmen der Abrechnung von Laborleistungen<br />

oder dort, wo es um neue Behandlungsmethoden und ihre<br />

ggf. „analoge“ Abrechnung geht, gibt es oft Probleme. Hier<br />

hilft zwar die Praxissoftware in vielen Fällen weiter, aber<br />

eben nicht immer.<br />

Fortsetzung in <strong>zfm</strong> 5/<strong>2016</strong><br />

13<br />

BGH, Urt. v. 23.3.2006 – III ZR 223/05 (Schönheits-OP).<br />

14<br />

LG Flensburg, Beschl. v. 4.3.2009 – 6 O 30/09, abrufbar unter: http://www.<br />

medi-ip.de/files/dateien/LG%20Flensburg%20geschw%C3 %A4rzt.pdf.<br />

Insolvenzrecht<br />

Prof. Dr. Heinz Vallender<br />

Europäisches Insolvenzrecht: Neue Herausforderungen<br />

durch die reformierte EuInsVO<br />

vom 25.5.2015<br />

I. Einführung<br />

Durch die vielfachen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen<br />

den Rechtssubjekten innerhalb und außerhalb der<br />

Europäischen Gemeinschaft kommt es immer häufiger zu<br />

grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren. Die Geschäftstätigkeit<br />

von Unternehmen greift mehr und mehr über die<br />

einzelstaatlichen Grenzen hinaus. Dies führt dazu, dass das<br />

Vermögen von Unternehmen und Personen sich nicht<br />

auf den Verwaltungs- oder Wohnsitz beschränkt, sondern<br />

über verschiedene Staaten verteilt ist. Damit untersteht es<br />

voneinander unabhängigen Rechtsordnungen. 1 Für die<br />

Attraktivität eines Handelsplatzes ist ein funktionierendes<br />

Insolvenzrecht eine zentrale Voraussetzung. Es gewährleistet<br />

eine optimale Befriedigung sämtlicher Gläubiger,<br />

schafft die Voraussetzungen <strong>für</strong> die Durchsetzbarkeit<br />

von Sicherungsrechten und baut Barrieren auf, die Vermögensverschiebungen<br />

verhindern sollen. Auf internationaler<br />

Ebene ist ein funktionierendes Insolvenzrecht die Voraussetzung<br />

da<strong>für</strong>, dass multinationale Unternehmen und<br />

Unternehmensgruppen bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes<br />

rasch und kostengünstig grenzüberschreitend entschuldet<br />

und saniert werden können.<br />

1<br />

HK-Stephan, Vor §§ 335 ff. Rn1.<br />

Bis zum 31.5.2002 gab es keinen rechtlichen Rahmen zur<br />

Koordinierung von internationalen Insolvenzen im Bereich<br />

der Europäischen Gemeinschaft. Mit dem Inkrafttreten<br />

der Europäischen Insolvenzverordnung 2 hat sich<br />

diese Situation grundlegend gewandelt. Innerhalb ihres<br />

sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs ersetzt<br />

die EuInsVO andere zwischen den Mitgliedstaaten geschlossene<br />

Übereinkünfte. 3 Sie ist als Sekundärrechtsakt<br />

gemäß Art. 249 Abs. 2 Satz 2 EGV in all ihren Teilen<br />

verbindlich und entfaltet in jedem Mitgliedstaat unmittelbare<br />

Geltung. 4 Im Verhältnis zu Drittstaaten findet die<br />

Verordnung indes keine Anwendung (Ziffer 14 der Erwägungsgründe<br />

zur Verordnung). Vielmehr gelten insoweit<br />

die am 20.3.2003 in Kraft getretenen Vorschriften<br />

der §§ 335 bis 358 InsO des autonomen deutschen Internationalen<br />

Insolvenzrechts.<br />

2<br />

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 (ABlEG Nr. L<br />

160/1 v. 30.6.2000, in Kraft getreten am 31.5.2002).<br />

3<br />

Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 536.<br />

4<br />

Allerdings kann jeder Mitgliedstaat <strong>für</strong> das nationale Recht gewisse Anpassungen<br />

vornehmen. Deutschland hat in Art. 102 EGInsO §§ 1–11 (Gesetz v.<br />

14.2.2003 – BGBl I, S. 345) die Anpassung des nationalen Rechts an die sich<br />

aus der EuInsVO ergebenden Fragen vorgenommen.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 139


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

II. Regelungsgegenstand und Anwendungsbereich<br />

der EuInsVO vom<br />

29.5.2000<br />

Die EuInsVO vom 29.5.2000, Verordnung Nr. 1346/2000, in<br />

Kraft getreten am 31.5.2002, enthält eine umfassende<br />

Normierung des Internationalen Insolvenzrechts. Sie gilt<br />

ausschließlich im Verhältnis zu Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union mit Ausnahme Dänemarks und erfasst entsprechend<br />

ihrer Zielsetzung allein grenzüberschreitende<br />

Insolvenzverfahren innerhalb des Binnenmarktes. 5 Innerhalb<br />

der Europäischen Union hat sie Vorrang vor dem deutschen<br />

Internationalen Insolvenzrecht. Die Anwendung ihrer Vorschriften<br />

setzt voraus, dass das beantragte bzw. eröffnete<br />

Insolvenzverfahren in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechtsakts<br />

fällt. 6 Da<strong>für</strong> bedarf es des Vorliegens des<br />

zeitlichen (Art. 43 EuInsVO), persönlichen (Art. 1 Abs. 2<br />

EuInsVO), sachlichen (Art. 1 Abs. 1 EuInsVO) und räumlichen<br />

Anwendungsbereichs (Art. 3 EuInsVO). Darüber hinaus<br />

muss ein besonderes innergemeinschaftliches – im Sinne<br />

eines zwischenmitgliedstaatlichen – grenzüberschreitendes<br />

Moment (Auslandsbezug) vorliegen. Davon ist z.B. auszugehen,<br />

wenn der Schuldner Vermögen in anderen Mitgliedstaaten<br />

besitzt 7 oder Rechtsverhältnisse mit Auslandsbezug<br />

abgeschlossen wurden. Nichts anderes gilt im Falle<br />

eines Eröffnungsantrags über das Vermögen einer ausländischen<br />

Kapitalgesellschaft (z.B. private limited company =<br />

Ltd.). Mithin ist der (räumliche) Anwendungsbereich der<br />

EuInsVO auf die Fälle zu beschränken, in denen der Mittelpunkt<br />

der hauptsächlichen Schuldnerinteressen in einem<br />

Mitgliedstaat liegt und ein Bezug zu mindestens einem<br />

weiteren Mitgliedstaat gegeben ist. 8 Ein rein nationales<br />

Verfahren, bei dem die Auswirkungen der Insolvenz auf das<br />

Gebiet eines Mitgliedstaats beschränkt sind, 9 unterliegt<br />

dagegen nicht ihrem Anwendungsbereich.<br />

5<br />

Vgl. Erwägungsgründe 1 bis 5.<br />

6<br />

Duursma-Kepplinger, NZI 2003, 87.<br />

7<br />

Davon geht offensichtlich auch der deutsche Gesetzgeber aus, vgl.<br />

Art. 102 EGInsO § 2.<br />

8<br />

Carstens, Die Internationale Zuständigkeit im europäischen Insolvenzrecht,<br />

20<strong>04</strong>, S. 35; ähnlich U. Huber, in: Festschrift <strong>für</strong> Walter Gerhardt,<br />

S. 397, 403, der die Auffassung vertritt, die Verordnung finde Anwendung,<br />

wenn in einem Mitgliedstaat der Union ein Insolvenzverfahren anhängig ist<br />

und der Fall in irgendeiner Weise Auslandsberührung zu einem anderen<br />

Mitgliedstaat der Europäischen Union aufweist. Einschränkend Balz, ZIP<br />

1996, 948; P. Huber, EuZW 2002, 490, 491; Ehricke/Ries, JuS 2003, 313;<br />

Paulus, ZIP 2003, 1725, 1726 ff., die unter Berufung auf Erwägungsgrund<br />

14 der EuInsVO („Diese Verordnung gilt nur <strong>für</strong> Verfahren, bei denen der<br />

Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Gemeinschaft<br />

liegt.“) fordern, dass der Schuldner in einem Mitgliedstaat den<br />

„Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat“. Diese Ansicht verkennt,<br />

dass die Verordnung auch dann zur Anwendung gelangt, wenn ein<br />

Gericht eines Mitgliedstaats zu Unrecht angenommen hat, der Mittelpunkt<br />

der hauptsächlichen Interessen liege in diesem Mitgliedstaat (siehe den<br />

Nachweis bei U. Huber, a.a.O., 403/4<strong>04</strong>).<br />

9<br />

P. Huber, ZZP 114 (2001), 133, 136.<br />

1. Eröffnung des Anwendungsbereichs<br />

der EuInsVO<br />

Die Heranziehung der Vorschriften der EuInsVO setzt<br />

voraus, dass das beantragte Insolvenzverfahren in den<br />

Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechtsakts fällt. 10<br />

Es bedarf des Vorliegens eines besonderen innergemeinschaftlichen<br />

– im Sinne eines zwischenmitgliedstaatlichen<br />

– grenzüberschreitenden Moments, eines Auslandsbezugs.<br />

2. Internationale Zuständigkeit<br />

Im Verhältnis der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft<br />

untereinander bestimmt sich die internationale<br />

Zuständigkeit zur Eröffnung von Insolvenzverfahren<br />

ausschließlich nach Art. 3 EuInsVO. Dabei ist<br />

zwischen Haupt-, Sekundär- und Partikularinsolvenzverfahren<br />

zu unterscheiden, Art. 3 EuInsVO. Das Hauptinsolvenzverfahren<br />

kann nur in dem Mitgliedstaat eröffnet<br />

werden, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner<br />

hauptsächlichen Interessen hat. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2<br />

EuInsVO wird „bei Gesellschaften und juristischen Personen<br />

bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der<br />

Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des<br />

satzungsmäßigen Sitzes ist“. 11 Diese Vermutung entbindet<br />

das Gericht nicht davon, den tatsächlichen Interessenmittelpunkt<br />

des Schuldners von Amts wegen zu prüfen. 12<br />

Damit die Prüfpflicht nicht zum fast gänzlichen Verlust<br />

der praktischen Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2<br />

EuInsVO führt, sind die Insolvenzgerichte nur dann zur<br />

Amtsermittlung verpflichtet, wenn Anhaltspunkte <strong>für</strong> ein<br />

Auseinanderfallen von im Gesellschaftsvertrag bestimmtem<br />

und tatsächlichem Verwaltungssitz vorliegen.<br />

Die Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens hat<br />

die Eröffnung eines Hauptverfahrens zur Voraussetzung.<br />

Das Sekundärinsolvenzverfahren selbst kann nur als Liquidationsverfahren<br />

durchgeführt werden, Art. 3 Abs. 3<br />

Satz 2 EuInsVO. 13 Nach Art. 2 lit. c EuInsVO ist ein<br />

„Liquidationsverfahren“ ein Insolvenzverfahren, das zur<br />

Liquidation des Schuldnervermögens führt, und zwar<br />

10<br />

Duursma-Kepplinger, NZI 2003, 87.<br />

11<br />

Diese können sich aus dem Vorbringen des Schuldners oder eines<br />

sonstigen Beteiligten, den Medien oder sonstigen aktenkundigen Umständen<br />

ergeben (Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung,<br />

Kommentar, 2002, Art. 3 EuInsVO Rn 25).<br />

12<br />

So die h.M. in der deutschsprachigen Literatur, a.A. Mair, ZIK 2008, 83, 84.<br />

13<br />

Paulus (NZI 2001, 505, 514) spricht sich mit guten Gründen da<strong>für</strong> aus, unbeschadet<br />

des klaren Wortlauts das „muss“ in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EuInsVO in<br />

ein „soll“ oder „kann“ umzuinterpretieren. Der Kommissionsentwurf (siehe<br />

Ausführungen) sieht eine wesentliche Änderung zum geltenden Recht vor.<br />

Sekundärinsolvenzverfahren sollen künftig nicht länger Liquidationsverfahren<br />

sein müssen. Vielmehr soll das Insolvenzgericht, bei dem die Eröffnung eines<br />

Sekundärinsolvenzverfahrens beantragt wird, gemäß Art. 29a Abs. 3 in der<br />

Lage sein, jedes in dem Niederlassungsstaat zulässige Verfahren zu eröffnen.<br />

140 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

auch dann, wenn dieses Verfahren durch einen Vergleich<br />

oder eine andere die Insolvenz des Schuldners beendende<br />

Maßnahme oder wegen unzureichender Masse beendet<br />

wird. Diese Verfahren sind in Anhang B aufgeführt. Bezogen<br />

auf Deutschland sind dies das Konkursverfahren,<br />

das Gesamtvollstreckungsverfahren und das Insolvenzverfahren.<br />

3. Anwendbares Recht (Art. 4 EuInsVO)<br />

Welche Rechtsvorschriften auf das grenzüberschreitende<br />

Insolvenzverfahren zur Anwendung gelangen, richtet sich<br />

nach den Regelungen der EuInsVO. Diese gehen in ihrem<br />

Anwendungsbereich den Vorschriften des in §§ 335 ff.<br />

InsO geregelten deutschen Internationalen Insolvenzrechts<br />

vor. 14 Art. 4 Abs. 1 EuInsVO enthält den Grundsatz<br />

des Internationalen Insolvenzrechts, wonach das gesamte<br />

Verfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates<br />

der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) unterliegen.<br />

Von diesem Grundsatz sieht die EuInsVO allerdings eine<br />

Reihe von wichtigen Ausnahmen in den Art. 5 bis 15 vor.<br />

In welcher Weise der Begriff des Insolvenzrechts in Art. 4<br />

Abs. 1 EuInsVO europarechtlich auszulegen ist, wird in<br />

Art. 4 Abs. 2 EuInsVO <strong>für</strong> bestimmte Bereiche näher<br />

konkretisiert. Danach sind jedenfalls die dort angeführten<br />

nationalen Regelungen des Eröffnungsstaats europarechtlich<br />

als anwendbares Insolvenzrecht qualifiziert,<br />

also insbesondere die Bestimmungen, die regeln, welche<br />

Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind<br />

(lit. g) und welchen Rang diese Forderungen haben<br />

(lit. i 15 ). Davon abweichende europarechtliche Regelungen,<br />

die eine Qualifizierung der Eigenkapitalersatzregeln<br />

des deutschen Rechts als Gesellschaftsrecht vornehmen,<br />

sind nicht vorhanden. Insbesondere bestehen<br />

keine Richtlinien, die derartige Regelungen europarechtlich<br />

verbindlich vorschreiben und dem Gesellschaftsrecht<br />

zuordnen. Danach steht europarechtlich z.B. fest, dass die<br />

nationalen Regelungen des deutschen Rechts, die den<br />

Rang der Forderungen im Insolvenzverfahren bestimmen,<br />

in einem in Deutschland nach Art. 3 EuInsVO eröffneten<br />

Insolvenzverfahren anwendbar sind. Die nach deutschem<br />

internationalem Privatrecht vorzunehmende Einordnung<br />

ist demgegenüber unerheblich. Hat der Schuldner vor<br />

Verfahrenseröffnung Verträge mit in EU-Mitgliedstaaten<br />

ansässigen Vertragsparteien abgeschlossen, richten sich<br />

die Auswirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens auf diese<br />

Verträge grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates<br />

(Art. 4 Abs. 2 lit. e EuInsVO).<br />

14<br />

BGH v. 3.2.2011 – IX ZB 54/10, NZI 2011, 420.<br />

15<br />

EuGH, ZIP 2010, 187 Rn 25 – Probud.<br />

4. Automatische Anerkennung der<br />

Eröffnungsentscheidung<br />

Nach Art. 16 Abs. 1 EuInsVO wird die Eröffnung eines<br />

Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 EuInsVO zuständiges<br />

Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten<br />

anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der<br />

Verfahrenseröffnung wirksam ist. Für den Wirkungseintritt<br />

sind keine Förmlichkeiten erforderlich; er erfolgt vielmehr<br />

automatisch. Das Gericht kann grundsätzlich davon ausgehen,<br />

dass ein Insolvenzverfahren i.S. des Art. 16 EuInsVO<br />

von einem Gericht oder einer Behörde mit entsprechender<br />

Funktion durchgeführt wird. 16 Selbst wenn das eröffnende<br />

Gericht seine internationale Zuständigkeit fälschlicherweise<br />

angenommen hat oder die Eröffnungsentscheidung mangelhaft<br />

begründet wurde, sind die Gerichte der Mitgliedstaaten<br />

verpflichtet, die Entscheidung des Gerichts eines<br />

anderen Mitgliedstaats über die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens<br />

i.S. des Art. 3 EuInsVO anzuerkennen. 17<br />

Nach Auffassung des EuGH 18 ist Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1<br />

EuInsVO dahin auszulegen, dass die von einem Gericht<br />

eines Mitgliedstaats auf einen entsprechenden, auf die<br />

Insolvenz des Schuldners gestützten Antrag auf Eröffnung<br />

eines in Anhang A der Verordnung genannten Verfahrens<br />

hin erlassene Entscheidung eine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />

darstellt, wenn sie den Vermögensbeschlag<br />

gegen den Schuldner zur Folge hat und durch sie<br />

ein in Anhang C der Verordnung genannter Verwalter<br />

bestellt wird. Ein solcher Vermögensbeschlag – so der<br />

EuGH – bedeute, dass der Schuldner die Befugnisse zur<br />

Verwaltung seines Vermögens verliert.<br />

Nach Art. 26 EuInsVO kann sich jeder Mitgliedstaat weigern,<br />

ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren<br />

anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren<br />

ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit<br />

diese Anerkennung oder diese Vollstreckung zu einem<br />

16<br />

Nach Art. 2 lit. d EuInsVO ist unter „Gericht“ das Justizorgan oder jede<br />

sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats zu verstehen, die befugt ist,<br />

ein Insolvenzverfahren zu eröffnen oder im Laufe des Verfahrens Entscheidungen<br />

zu treffen (Lehr, KTS 2000, 578). Nach Ansicht des OLG Düsseldorf,<br />

(Urt. v. 23.8.2013 – I-22 U 37/13, 22 U 37/13, juris) ist die Prüfung der internationalen<br />

Zuständigkeit eines englischen Insolvenzgerichts zur Entscheidung<br />

über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Art. 16 ff. der VO(EG)<br />

Nr. 1346/2000 den deutschen Gerichten nicht entzogen, da gemäß Art. 16/17<br />

(nur) eine Art. 3 Abs. 1 entsprechende Eröffnung eines Verfahrens in einem<br />

anderen Mitgliedstaat (ohne irgendwelche Förmlichkeiten) die Wirkungen<br />

entfaltet, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren<br />

beilegt und insoweit der – materiell- bzw. verfahrensrechtliche – Ordre-<br />

Public-Vorbehalt eingreifen kann.<br />

17<br />

EuGH v. 2.5. 2006 – Rs. C-341/<strong>04</strong>, ZIP 2006, 907 = NZI 2006, 360; OLG Graz<br />

v. 20.10. 2005 – 3 R 149/05, ZIP 2006, 1544; OLG Frankfurt v. 28.8.2012 – 5U<br />

150/11, ZInsO 2012, 1990.<br />

18<br />

EuGH v. 2.5. 2006 – Rs. C-341/<strong>04</strong>, ZIP 2006, 907 m. Anm. Knof/Mock =<br />

NZI 2006, 360.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 141


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen<br />

Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den<br />

verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des<br />

Einzelnen, unvereinbar ist. 19 Eine Anwendung des Ordre-<br />

Public-Vorbehalts gemäß Art. 26 EuInsVO kommt in<br />

Betracht, wenn das Ergebnis der Anerkennung oder Vollstreckung<br />

der in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen<br />

Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz<br />

verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz<br />

zur Rechtsordnung des Anerkennungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaats<br />

stünde. Es muss sich bei diesem<br />

Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der<br />

Rechtsordnung des Anerkennungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaats<br />

als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder<br />

eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln. 20<br />

Der Ordre-Public-Vorbehalt des Art. 26 EuInsVO kann<br />

demnach nur in Ausnahmefällen einschlägig sein. 21 Nur<br />

dann, wenn ausnahmsweise Zweifel bestehen sollten,<br />

dass die Eröffnungsentscheidung tatsächlich von einem<br />

Gericht i.S. des Art. 2 lit. d EuInsVO getroffen worden ist,<br />

bietet die Ordre-Public-Klausel des Art. 26 EuInsVO eine<br />

Grundlage da<strong>für</strong>, die Anerkennung der Eröffnungsentscheidung<br />

zu verweigern. 22<br />

5. Dingliche Rechte Dritter (Art. 5 EuInsVO)<br />

Die Europäische Insolvenzverordnung trifft in Art. 5 eine<br />

Regelung zur Behandlung von Sicherungsrechten. Umfasst<br />

sind körperliche, unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche<br />

Gegenstände. Die Vorschrift beschränkt das<br />

Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters unter der Voraussetzung,<br />

dass einem Dritten zur Zeit der Eröffnung des<br />

Verfahrens ein dingliches Recht an dem Vermögensgegenstand<br />

(bzw. der Sachgesamtheit) zusteht und der Vermögensgegenstand<br />

sich in einem anderen Mitgliedstaat als<br />

dem Eröffnungsstaat befindet. 23 Art. 5 Abs. 1 EuInsVO führt<br />

indes nicht dazu, dass der Vermögensgegenstand, an dem<br />

ein Recht eines Dritten besteht, nicht der lex fori concursus<br />

gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO unterliegt. Die Vorschrift will<br />

lediglich sicherstellen, dass das Recht selbst von der lex fori<br />

concursus nicht beeinträchtigt wird. 24<br />

Die – nicht abschließende – Aufzählung der dinglichen<br />

Rechte findet sich in Art. 5 Abs. 2 EuInsVO. Es muss sich um<br />

19<br />

EuGH v. 21.1.2010, C-444/07, NZI 2010, 156.<br />

20<br />

EuGH, Urt. v. 28.3.2000, C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-01935 Rn 37; v.<br />

11.5.2000, C-38/98, Renault, Slg. 2000, I-02973 Rn 30; v. 2.4.2009, C-394/07,<br />

Gambazzi, Slg. 2009, I-2563 Rn 27; v. 28.4.2009, C-420/07, Apostolides, Slg.<br />

2009, I-3571 Rn 59; v. 6.9.2012, C-619/10, RIW 2012, 781 Rn 51.<br />

21<br />

BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 3<strong>04</strong>/13.<br />

22<br />

Eingehend dazu Fuchs, Nationale und internationale Aspekte des Restschuldbefreiungstourismus,<br />

2014, S. 527 ff.<br />

23<br />

Haas, S. 319, 331 in: Festschrift <strong>für</strong> Walter Gerhardt.<br />

24<br />

Liersch, S. 46, 200; Paulus, Art. 5 Rn 20.<br />

ein dingliches Recht eines Gläubigers oder eines Dritten<br />

handeln. Während sich die deutschen Grundpfandrechte,<br />

das Pfandrecht an beweglichen Sachen und die Sicherungsübereignung<br />

unter lit. a der Vorschrift subsumieren<br />

lassen, findet sich das Pfandrecht an Rechten und die<br />

Sicherungsabtretung unter lit. b. Da die Feststellung, wo<br />

ein Vermögensgegenstand belegen ist, mitunter Schwierigkeiten<br />

bereiten kann, bestimmt Art. 2 lit. g EuInsVO, wie<br />

der maßgebende Mitgliedstaat zu ermitteln ist. Gegenstände<br />

und Rechte, bei denen das Eigentum oder die<br />

Rechtsinhaberschaft in einem öffentlichen Register einzutragen<br />

ist, sind danach z.B. dort belegen, wo unter der<br />

Aufsicht des Mitgliedstaats das Register geführt wird.<br />

Dagegen befinden sich Forderungen in dem Mitgliedstaat,<br />

in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den<br />

Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen i.S. des Art. 3<br />

Abs. 1 EuInsVO hat.<br />

Die Frage, ob die Voraussetzungen eines so verstandenen<br />

dinglichen Rechts erfüllt sind und dieses Recht überhaupt<br />

wirksam entstanden ist, beantwortet nicht die EuInsVO<br />

sondern das Internationale Privatrecht des jeweiligen<br />

Ortes der Belegenheit der Sache. 25 Für das deutsche Recht<br />

ist die Regelung des Art. 5 Abs. 3 EuInsVO von besonderer<br />

Bedeutung. Sie setzt das Institut der Vormerkung einem<br />

dinglichen Recht gleich. 26<br />

Auch wenn durch die Regelungen des Art. 5 EuInsVO die<br />

im Anwendungsbereich der EuInsVO belegenen Sicherheiten<br />

möglicherweise an Attraktivität gewonnen haben,<br />

27 ist darauf zu achten, dass bei Verbringung eines<br />

Gegenstandes ins Ausland, an dem ein Sicherungsrecht<br />

besteht, mit dem Grenzübertritt ein Statutenwechsel<br />

eintritt. Letzterer kann dazu führen, dass das – im Inland<br />

– wirksam begründete Sicherungsrecht nicht geltend<br />

gemacht werden kann. 28 Der durch Art. 5 Abs. 1<br />

EuInsVO geschaffene Vertrauensschutz findet schließlich<br />

dort seine Schranken, wo sich das dingliche Recht Dritter<br />

als nichtig oder relativ unwirksam beziehungsweise<br />

anfechtbar erweist (Art. 5 Abs. 4, Art. 4 Abs. 2 lit. m<br />

EuInsVO). In einem solchen Fall, in dem die Einräumung<br />

beziehungsweise der Erwerb des dinglichen Rechts nach<br />

der lex fori concursus generalis auf einer die Gesamtheit<br />

der Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung beruht,<br />

verliert das dingliche Recht seinen durch Art. 5 Abs. 1<br />

EuInsVO gewährten „Immunschutz“. Allerdings kann bei<br />

einer Anfechtung des Rechtserwerbs durch den Insol-<br />

25<br />

Wunderer, WM 1998, 793, 798; Gottwald, S. 33; Leible/Staudinger, KTS<br />

2000, 533, 551; Erwägungsgrund 25 EuInsVO.<br />

26<br />

Balz, ZIP 1996, 948, 950.<br />

27<br />

So Paulus, NZI 2001, 505, 507 Fn 18.<br />

28<br />

Haas, a.a.O., S. 333 m.w.N.<br />

142 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

venzverwalter der Anfechtungsgegner die Einrede des<br />

Wirkungsstatuts erheben (Art. 13 EuInsVO).<br />

6. Forderungsanmeldung<br />

Auch in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren ist das<br />

bedeutendste Gläubigerrecht das Recht, durch Anmeldung<br />

einer Insolvenzforderung an einem Insolvenzverfahren teilzunehmen.<br />

Dem tragen die Art. 32 und 39, 40 EuInsVO<br />

Rechnung. Auch wenn Art. 39 EuInsVO jedem Gläubiger,<br />

der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in<br />

einem anderen Mitgliedstaat als dem Eröffnungsstaat hat,<br />

unabhängig davon, ob ein Territorialverfahren vorliegt oder<br />

nicht, die Befugnis zur Forderungsanmeldung zugesteht,<br />

ändert dies nichts daran, dass nach der geltenden Rechtsordnung<br />

Gläubiger bei der Realisierung ihrer Forderungen<br />

schnell an ihre Grenzen stoßen. Oft lassen die Unkenntnis<br />

von Formalitäten, Fristen, handelnden Personen und<br />

Gerichten und die nicht unerheblichen Kosten, alleine<br />

um die Sprachbarriere zu überwinden, 29 Gläubiger von<br />

der Forderungsanmeldung Abstand nehmen. Der Verordnungsgeber<br />

hat diese Unzulänglichkeiten bei der Internationalen<br />

Forderungsanmeldung erkannt und in der neuen<br />

Verordnung Regelungen eingeführt, die es Gläubigern<br />

erleichtern sollen, ihre Forderungen durchzusetzen. 30<br />

7. Restschuldbefreiung im Ausland und<br />

Wirkungen im Inland<br />

29<br />

Albrecht, ZInsO 2013, 1876, 1881.<br />

30<br />

Näher dazu Ausführungen III 5.<br />

Die Möglichkeit der Entschuldung nach Abschluss eines<br />

Insolvenzverfahrens sehen auch andere Rechtsordnungen<br />

vor. 31 Dies schafft angesichts der relativ langen Dauer eines<br />

Restschuldbefreiungsverfahrens in Deutschland (3, 5 bzw.<br />

6 Jahre) hinreichend Anreiz, in einem der Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Gemeinschaft die Entschuldung anzustreben.<br />

Eine ausdrückliche Regelung zur Anerkennung<br />

einer Restschuldbefreiung in einem Mitgliedstaat der<br />

Europäischen Gemeinschaft enthält die EuInsVO nicht. 32<br />

Art. 16 Abs. 1 EuInsVO regelt primär die Anerkennung und<br />

Wirkungserstreckung des dem Universalitätsprinzip unterfallenden<br />

Hauptverfahrens. 33 Die Vorschrift bezieht sich<br />

nicht auf das ausländische Insolvenzverfahren als solches,<br />

sondern nur auf den Hoheitsakt der Eröffnungsentscheidung.<br />

Da es sich bei der Restschuldbefreiung um eine<br />

Entscheidung handelt, die regelmäßig am Ende des Insolvenzverfahrens<br />

ergeht und die Rechte der Gläubiger<br />

regelt, kommt eine automatische Anerkennung einer in<br />

einem der EU-Mitgliedstaaten ergangenen Schuldbefreiung<br />

nach Art. 16 Abs. 1 EuInsVO nicht in Betracht. Die<br />

Vorschrift ist indes im Zusammenhang mit Art. 25 EuInsVO<br />

zu sehen. Da die Erteilung der Restschuldbefreiung sich<br />

auf die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des<br />

Insolvenzverfahrens auswirkt (siehe Art. 4 Abs. 2 lit. k<br />

EuInsVO), ist es sachgerecht, sie als eine der lex fori<br />

unterliegende „andere“ Entscheidung i.S. der oben genannten<br />

Vorschriften ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen.<br />

34 Ein Anerkennungsverfahren findet demnach nicht<br />

statt. Beruht die im Ausland erteilte Restschuldbefreiung<br />

auf einer gesetzlichen Anordnung, bedarf es bezüglich der<br />

Anerkennung nicht zwingend des Rückgriffs auf die<br />

Regelungen der Art. 25 Abs. 1 Unterabsatz 1 und Art. 25<br />

Abs. 2 EuInsVO. Vielmehr ist die Anerkennung der Restschuldbefreiung<br />

in einem solchen Fall Folgewirkung der<br />

Anerkennung der Eröffnungsentscheidung. 35 Die automatische<br />

Anerkennung der Restschuldbefreiung hat zur<br />

Folge, dass weder eine Kontrolle der Entscheidung im<br />

Anerkennungsstaat noch eine Nachprüfung in der Sache<br />

selbst zulässig ist. 36 Die Anerkennung des die Restschuldbefreiung<br />

aussprechenden Gerichtsentscheids bedeutet,<br />

dass die formellen Wirkungen der Restschuldbefreiung im<br />

Inland akzeptiert werden. 37 Mit dieser Anerkennung geht<br />

die gleichzeitige Anerkennung der gerichtlichen Entscheidung<br />

über die Insolvenzverfahrenseröffnung einher, weil<br />

dieser Akt wiederum die Grundlage <strong>für</strong> den hoheitlichen<br />

Akt der Entscheidung über die Restschuldbefreiung schafft.<br />

III. Die reformierte Europäische<br />

Insolvenzverordnung vom 25.5.2015<br />

Am 5.6.2015 wurde die reformierte Europäische Insolvenzordnung<br />

vom 25.5.2015 im Amtsblatt der Europäischen<br />

Union 38 veröffentlicht und gilt gemäß Art. 92 Satz 2<br />

EuInsVO n.F. ab dem 26.6.2017 verbindlich <strong>für</strong> alle Mitgliedstaaten<br />

der Gemeinschaft mit Ausnahme Dänemarks.<br />

39 Die neue Verordnung wird die bisherigen<br />

europäischen Vorschriften zum Insolvenzrecht (Verordnung<br />

(EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren) ersetzen,<br />

die seit dem 31.5.2002 in Kraft sind. Übergeordnetes<br />

31<br />

Näher dazu Ehricke, ZVI 2005, 285.<br />

32<br />

Auch das UNCITRAL-Modellgesetz enthält keine Regelung zur Anerkennung<br />

ausländischer Restschuldbefreiung. Dagegen sieht das von der Section<br />

on Business Law – Insolvency and Creditors Right der International Bar<br />

Association entwickelte „Concordat“ <strong>für</strong> grenzüberschreitende Fälle (näher<br />

dazu Farley/Leonard/Birch, Cooperation and Coordination in Cross-Border<br />

Insolvency Cases, S. 6–10) vor, dass eine vom Hauptgericht gewährte Restschuldbefreiung<br />

nicht durch irgendein anderes Gericht in Frage gestellt werden<br />

darf, sondern anzuerkennen ist (Principle 2).<br />

33<br />

Paulus, Art. 16 Rn 1.<br />

34<br />

Ebenso Gottwald/Gottwald, § 132 Rn 84; Paulus, Art. 25 EuInsVO Rn 5.<br />

35<br />

Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003,<br />

S. 376 ff.<br />

36<br />

Vgl. Pannen/Riedemann, Art. 25 EuInsVO Rn 13.<br />

37<br />

Ehricke, RabelsZ 62 (1998), 713, 725.<br />

38<br />

L 141/19.<br />

39<br />

Die Verordnung findet nur auf solche Insolvenzverfahren Anwendung, die<br />

nach dem 26.6.2017 eröffnet worden sind (Art. 84 Abs. 1 EuInsVO n.F.).<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 143


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

Ziel der neuen Verordnung ist es, eine noch effizientere<br />

Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren zu<br />

ermöglichen. 40 Dazu sollen eine Erweiterung des Anwendungsbereichs<br />

(Art. 1 EuInsVO n.F.), ergänzende Regelungen<br />

zur internationalen Zuständigkeit und zum COMI<br />

(Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen) sowie neue<br />

Vorschriften zur Vermeidung von missbräuchlichem forum<br />

shopping beitragen. Um die Sanierungschancen von<br />

Unternehmen zu erhöhen, muss das Sekundärinsolvenzverfahren<br />

nicht mehr zwingend ein Liquidationsverfahren<br />

sein. Störende Sekundärinsolvenzverfahren soll der Insolvenzverwalter<br />

des Hauptverfahrens dadurch verhindern<br />

können, dass er gegenüber lokalen Gläubigern Zusicherungen<br />

abgibt, dass ihre lokalen Rechte gewahrt bleiben<br />

(Art. 36 EuInsVO n.F.). Neu sind die Einrichtung eines<br />

europaweit vernetzten Insolvenzregisters (Art. 24 ff.<br />

EuInsVO n.F.) sowie das Kapitel zur Konzerninsolvenz<br />

mit Vorschriften zur grenzüberschreitenden Kooperation<br />

von Insolvenzgerichten und Insolvenzverwaltern verschiedener<br />

insolventer Gruppengesellschaften (Art. 56 ff.<br />

EuInsVO n.F.) und zum neuen Koordinationsverfahren<br />

(Art. 61 ff. EuInsVO n.F.).<br />

1. Veränderungen und Erweiterungen<br />

Auch wenn sich die reformierte Insolvenzverordnung nicht<br />

in einem gänzlich neuen Gewand präsentiert, hat sie doch<br />

wesentliche Veränderungen und Erweiterungen erfahren.<br />

Dazu zählt zunächst eine Öffnung verstärkt <strong>für</strong> solche<br />

Verfahren, die auf eine Rettung wirtschaftlich angeschlagener,<br />

aber sanierungsfähiger Unternehmen abzielen. Geblieben<br />

ist indes die Ausrichtung der EuInsVO an Gesamtvollstreckungsverfahren<br />

41 unter Ausschluss vertraulicher<br />

Sanierungs- und Entschuldungsbemühungen. 42 Damit hat<br />

sich die Frage erledigt, ob solche Verfahren überhaupt<br />

Gesamtverfahren sein können. 43 Besondere praktische<br />

Bedeutung dürften die ergänzten Vorschriften zur Bestimmung<br />

des COMI erlangen. Sie werden vor allem die<br />

Richter vor neue Herausforderungen stellen, weil das<br />

Gesetz sie zur „sorgfältigen Prüfung“ 44 der internationalen<br />

Zuständigkeit von Amts wegen verpflichtet. Ob die Einführung<br />

des Kapitels V zu einer besseren Koordinierung<br />

von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern<br />

einer Unternehmensgruppe beitragen wird, dürfte<br />

vor allem von der Einstellung der damit befassten Insolvenzverwalter<br />

abhängen. Einen tragfähigen Rahmen<br />

<strong>für</strong> eine effizientere Abwicklung der Verfahren hat die<br />

Verordnung jedenfalls geschaffen.<br />

2. Erweiterung des Anwendungsbereichs<br />

Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung wurde<br />

durch die Aufnahme von Verfahren in Eigenverwaltung 45<br />

und Vorinsolvenzverfahren in die Definition des Insolvenzverfahrens<br />

sowie durch die Aufnahme von Entschuldungsverfahren<br />

und sonstigen Insolvenzverfahren <strong>für</strong><br />

natürliche Personen, die nicht zur derzeitigen Definition<br />

passen, erweitert. Umfasst sind nach dem Wortlaut des<br />

Art. 1 Abs. 1 EuInsVO n.F. alle öffentlichen Gesamtverfahren,<br />

die vorrangig auf die Rettung, Schuldenanpassung<br />

oder Reorganisation des Schuldners abzielen. Anerkennungsfähig<br />

i.S. der Art. 16 ff. EuInsVO beziehungsweise<br />

Art. 19 ff. EuInsVO n.F. werden die Verfahren allerdings<br />

erst mit Aufnahme in den Anhang A (siehe Art. 1 Abs. 1 a.E.<br />

EuInsVO n.F.). Die erschöpfende Aufzählung in Anhang A<br />

führt zur uneingeschränkten Anwendbarkeit der Verordnung,<br />

ohne dass die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats<br />

die Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen der Verordnung<br />

nachprüfen dürften. Da die Regelung des Art. 1<br />

Abs. 1 a.E InsVO n.F. konstitutiven Charakter hat, werden<br />

selbst Verfahren vom Anwendungsbereich der EuInsVO<br />

erfasst, die nicht dem Anforderungsprofil der Bestimmung<br />

entsprechen. 46<br />

3. Gerichtliche Zuständigkeit <strong>für</strong><br />

Hauptinsolvenzverfahren<br />

Die Eröffnung eines universell wirkenden Insolvenzverfahrens<br />

durch Gerichte von Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Gemeinschaft hängt – wie bereits ausgeführt 47 –<br />

davon ab, dass der Schuldner den „Mittelpunkt seiner<br />

hauptsächlichen Interessen“ (COMI) im Staat der Verfahrenseröffnung<br />

hat (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO). Die aktuelle<br />

Fassung der EuInsVO enthält keine Definition des COMI.<br />

Eine gesetzliche Hilfestellung bietet allein Art. 3 Abs. 1<br />

Satz 2 EuInsVO, in dem eine Vermutung in Bezug auf<br />

juristische Personen niedergelegt ist. 48 In ihrem Bericht<br />

vom 12.12.2012 war die Kommission insoweit zu der<br />

Feststellung gelangt, dass sich die Anwendung des Kriteriums<br />

„Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ in der<br />

Praxis als schwierig erwiesen habe. An den Zuständigkeitsvorschriften<br />

der Verordnung werde kritisiert, dass sie es<br />

Unternehmen und natürlichen Personen nicht verwehren,<br />

den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen miss-<br />

40<br />

Erwägungsgrund Nr. 1.<br />

41<br />

Siehe Erwägungsgrund Nr. 12 n.F.: „…und dadurch der kollektive<br />

Charakter des Verfahrens sichergestellt wird …“.<br />

42<br />

Albrecht, ZInsO 2015, 1077. Siehe Erwägungsgrund Nr. 13 n.F.: „Dementsprechend<br />

sollten vertraulich geführte Verfahren vom Anwendungsbereich<br />

dieser Verordnung ausgenommen werden.“<br />

43<br />

Thole, ZeuP 2014, 39, 48; Brinkmann, KTS 2014, 381, 385.<br />

44<br />

Erwägungsgrund Nr. 30 n.F.<br />

45<br />

Da Anhang C den „Sachwalter“ aufführt, unterliegt die Eigenverwaltung<br />

gemäß §§ 270 ff. InsO dem Anwendungsbereich der derzeit geltenden Verordnung.<br />

46<br />

Vgl. EuGH ZIP 2012, 2403.<br />

47<br />

Siehe Ausführungen zu II 1.<br />

48<br />

Verhoeven, Die Konzerninsolvenz, 2011, S. 73.<br />

144 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

bräuchlich zu verlegen und damit das <strong>für</strong> sie günstigere<br />

Recht zur Anwendung zu bringen. Diese Kritik greift die<br />

Neufassung des Art. 3 Abs. 1 auf, indem sie in Satz 2 eine<br />

knappe Definition des „center of main interests“ („der Ort,<br />

an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner<br />

Interessen nachgeht und der <strong>für</strong> Dritte feststellbar ist“)<br />

enthält. Damit hat der Gesetzgeber die vom EuGH in seiner<br />

grundlegenden Eurofood-Entscheidung 49 herangezogenen<br />

Kernmerkmale zur Grundlage seiner Gesetzesänderung<br />

gemacht. 50 Ob damit die Gefahr der manipulativen Verlagerung<br />

oder gar Simulation des COMI geringer geworden<br />

ist, bleibt abzuwarten. 51<br />

einer Hauptniederlassung ist dort auszugehen, wo sich<br />

das Zentrum der wirtschaftlichen Aktivitäten der Person<br />

befindet und diese ihre grundlegenden Entscheidungen<br />

trifft. 55 Schwieriger dürfte sich die Ermittlungstätigkeit<br />

des Gerichts bei natürlichen Personen gestalten, die keine<br />

selbstständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit<br />

ausüben. Das Gesetz knüpft bei diesen Personen an den<br />

Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts an. Allerdings gilt die<br />

Vermutungsregelung des Art. 3 Abs. 1 Satz 7 EuInsVO<br />

nicht, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in einem Zeitraum<br />

von sechs Monaten vor dem Eröffnungsantrag in<br />

einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.<br />

Da auch die reformierte Verordnung bei juristischen<br />

Personen und Gesellschaften den Mittelpunkt der hauptsächlichen<br />

Interessen am Satzungssitz vermutet, darf das<br />

<strong>für</strong> diesen Sitz zuständige Gericht zunächst von seiner<br />

internationalen Zuständigkeit ausgehen, solange sich aus<br />

dem Vortrag des Antragstellers nicht etwas anderes<br />

ergibt. 52<br />

Hat der Schuldner indes seinen Sitz 53 innerhalb der letzten<br />

drei Monate vor der Antragstellung in einen anderen<br />

Mitgliedstaat verlegt, findet die Vermutungsregelung des<br />

Art. 3 Abs. 1 Satz 3 EuInsVO n.F. keine Anwendung (Art. 3<br />

Abs. 1 Satz 4 EuInsVO n.F.). Das Gericht hat den COMI nach<br />

objektiven, von Dritten erkennbaren Tatsachen zu ermitteln.<br />

54 Hat der Schuldner dagegen seinen Satzungssitz<br />

außerhalb der Dreimonatsfrist verlegt, wird bis zum<br />

Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt<br />

seiner hauptsächlichen Interessen der Ort seines Sitzes ist<br />

(Art. 3 Abs. 1 Satz 3 EuInsVO n.F.).<br />

Bei einer natürlichen Person, die eine selbstständige<br />

gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, wird<br />

vermutet, dass der Mittelpunkt ihres hauptsächlichen<br />

Interesses ihre Hauptniederlassung ist. Die Vermutung<br />

des Art. 3 Abs. 1 Satz 5 EuInsVO n.F. gilt indes nicht, wenn<br />

die Hauptniederlassung in einem Zeitraum von drei<br />

Monaten vor dem Eröffnungsantrag in einen anderen<br />

Mitgliedstaat verlegt wurde. Was unter Hauptniederlassung<br />

zu verstehen ist, lässt die EuInsVO offen. Von<br />

4. Annexverfahren<br />

Mit Art. 6 Abs. 1 EuInsVO n.F. hat der Verordnungsgeber<br />

eine Lücke in der Verordnung geschlossen, die Gegenstand<br />

einer intensiv geführten Diskussion war: die Frage<br />

der internationalen Zuständigkeit <strong>für</strong> Annexentscheidungen.<br />

Zwar stellt Art. 25 EuInsVO klar, dass die zur<br />

Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens<br />

ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung<br />

nach Art. 16 EuInsVO automatisch<br />

anerkannt wird, ebenfalls ohne Förmlichkeiten in allen<br />

anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Unklar war<br />

indes, was unter Annexentscheidungen zu verstehen ist<br />

und aus welchen Vorschriften sich die internationale<br />

Zuständigkeit <strong>für</strong> den Erlass von Annexentscheidungen<br />

ergibt. Art. 6 Abs. 1 EuInsVO n.F. bestimmt nunmehr,<br />

dass insoweit die Gerichte des Eröffnungsstaats <strong>für</strong> „alle<br />

Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren<br />

hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen“,<br />

international zuständig sind. Ausdrücklich nennt die<br />

Verordnung Anfechtungsklagen. Damit hat sich der<br />

Verordnungsgeber der in der Literatur vielfach vertretenen<br />

Auffassung angeschlossen, dass sich die internationale<br />

Zuständigkeit aus dem nationalen Recht des<br />

Staates ergibt, dessen Gericht angerufen wird. 56 Dass<br />

dies bei Anfechtungsklagen, die nicht Gegenstand einer<br />

vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung sind, aus Sicht<br />

des betroffenen Anfechtungsgegners zu einer erheblichen<br />

Beeinträchtigung seiner Rechtsverteidigungsmöglichkeit<br />

führt, ist nicht zu verkennen.<br />

49<br />

ZIP 2006, 907.<br />

50<br />

Kindler, KTS 2014, 25, 30.<br />

51<br />

Skeptisch Kindler, KTS 2014, 25, 39.<br />

52<br />

BGH ZIP 2012, 139 Rn 12; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky,<br />

EuInsVO, Art. 3 Rn 25; Vallender/Fuchs, Die Antragspflicht der organschaftlichen<br />

Vertreter einer juristischen Person vor dem Hintergrund der<br />

Europäischen Insolvenzverordnung, ZIP 20<strong>04</strong>, 829, 831.<br />

53<br />

Mit Sitz ist der Satzungssitz gemeint. Dies erschließt sich zwar nicht<br />

ohne Weiteres aus der deutschen Fassung der Vorschrift. Deutlich wird<br />

dies jedoch aufgrund der englischen Fassung, in der von „registered office“<br />

die Rede ist.<br />

54<br />

Wenner/Schuster, in: FrankfurterKomm InsO, Anhang I Rn 11.<br />

Die weitere <strong>für</strong> die gerichtliche Praxis wichtige Frage, ob<br />

es sich bei der Zuständigkeitsregelung des Art. 6 Abs. 1<br />

EuInsVO n.F. um eine ausschließliche handelt, beantwortet<br />

die Bestimmung ebenfalls nicht zweifelsfrei. Für<br />

eine ausschließliche Zuständigkeit spricht der Wortlaut<br />

des Art. 6 Abs. 2 EuInsVO n.F. Denn nur unter den dort<br />

55<br />

Pannen, in: Pannen, EuInsVO, Art. 29.<br />

56<br />

Carstens, Die internationale Zuständigkeit im europäischen Insolvenzrecht,<br />

2005, S. 1<strong>04</strong> m.w.N.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 145


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

genannten Voraussetzungen ist es dem Insolvenzverwalter<br />

erlaubt, zwischen mehreren potentiell eröffneten<br />

Entscheidungsforen zu wählen. 57 Die Annahme einer<br />

ausschließlichen Zuständigkeit hat zur Folge, dass die<br />

angerufenen Gerichte außerhalb des Eröffnungsstaates<br />

ihre internationale Zuständigkeit zu verneinen und die<br />

Klage als unzulässig abzuweisen haben. 58 Dies gilt indes<br />

nicht, wenn die lex fori concursus <strong>für</strong> ein Annexverfahren<br />

keine örtliche Zuständigkeit bereitstellt. In einem solchen<br />

Fall ist von einer relativen Exklusivität der Verfahrenszuständigkeit<br />

in der Weise auszugehen, dass sich andere<br />

Mitgliedstaaten auf die Vorschriften der EuGVVO stützen<br />

können und müssen. 59<br />

5. Einrichtung von Insolvenzregistern<br />

Publizität und Transparenz sind die wichtigsten Voraussetzungen<br />

zur adäquaten Gläubigerinformation. 60 Die<br />

Europäische Kommission hatte bereits 2012 festgestellt,<br />

dass auch die Vorschriften über die öffentliche Bekanntmachung<br />

von Insolvenzverfahren und die Anmeldung der<br />

Forderungen Schwierigkeiten bereiten. Bis zum Inkrafttreten<br />

der reformierten EuInsVO besteht in den Mitgliedstaaten,<br />

in denen Insolvenzverfahren eröffnet werden<br />

oder in denen eine Niederlassung des insolventen Unternehmens<br />

besteht, keine Verpflichtung, Entscheidungen<br />

über Verfahrenseröffnungen öffentlich bekanntzumachen<br />

oder zu registrieren. In der Vergangenheit gab es kein<br />

europäisches Insolvenzregister, das die Suche in nationalen<br />

Registern erlaubte. Tatsächlich hängt die Leistungsfähigkeit<br />

grenzüberschreitender Insolvenzverfahren aber<br />

zu einem guten Teil davon ab, dass die Entscheidungen<br />

in solchen Verfahren veröffentlicht werden. Richter<br />

müssen wissen, ob in einem anderen Mitgliedstaat bereits<br />

ein Verfahren eingeleitet worden ist. Gläubiger oder<br />

mögliche Gläubiger müssen wissen, dass das Verfahren<br />

begonnen hat.<br />

Die reformierte EuInsVO trägt diesem Anliegen Rechnung<br />

und verpflichtet die Mitgliedstaaten, zur Unterrichtung<br />

der von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betroffenen<br />

Gläubiger und Gerichte, aber auch zur allgemeinen<br />

Information des Geschäftsverkehrs, öffentlich zugängliche<br />

elektronische Register einzuführen (Art. 24 ff. EuInsVO<br />

57<br />

Ebenso Prager/Keller, WM 2015, 809 Rn 27; Wimmer, jurisPR-InsR 7/2015<br />

Anm. 1.; a.A. Albrecht, ZInsO 2015, 1081; Kindler, KTS 2014, 25, 36.<br />

58<br />

Es ist – worauf Kindler (KTS 2014, 37) hinweist – nicht zu verkennen, dass<br />

die Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit zu einem groben Verstoß<br />

gegen das Effizienzprinzip führen kann, wenn dem Insolvenzverwalter die<br />

Berufung auf den Beklagtengerichtsstand versägt würde, obwohl er in einem<br />

dort geführten Prozess größere Aussichten <strong>für</strong> eine effiziente Vermehrung<br />

der Masse sieht.<br />

59<br />

So auch Carstens, Die internationale Zuständigkeit im europäischen<br />

Insolvenzrecht, 2005, S. 109.<br />

60<br />

Albrecht, ZInsO 2013, 1876, 1881.<br />

n.F.). Seit dem 7.7.2014 ist das Europäische Insolvenzregister<br />

über das Europäische Justizportal mit den Insolvenzregistern<br />

im Rahmen des Pilotprojekts von sieben<br />

Unionsmitgliedstaaten verbunden (mit Deutschland, Estland,<br />

den Niederlanden, Österreich, Rumänien, Slowenien<br />

und Tschechien). Dadurch wird eine mehrsprachige Suchanfrage<br />

in allen vernetzten Registern ermöglicht. Die<br />

Vernetzung über das Europäische Insolvenzregister gewährleistet,<br />

dass ein Insolvenzgericht, bei dem ein Insolvenzantrag<br />

eingeht, leicht feststellen kann, ob gegen<br />

diesen Schuldner in einem anderen Mitgliedstaat bereits<br />

ein Verfahren anhängig ist. Es liegt auf der Hand, dass dies<br />

<strong>für</strong> die betroffenen Gläubiger von erheblichem Interesse<br />

sein kann.<br />

Die nationalen Insolvenzregister werden in den Unionsmitgliedstaaten<br />

indes weiterhin von diesen nach ihrem<br />

innerstaatlichen Recht betreut und geführt. In Art. 25<br />

Abs. 2 EuInsVO n.F. erhält die Kommission die Befugnis, im<br />

Wege eines Durchführungsrechtsakts gemeinsame Mindestkriterien<br />

<strong>für</strong> den vom europäischen Justizportal bereitgestellten<br />

Suchdienst, die Mindestkriterien <strong>für</strong> die Anzeige<br />

der Suchergebnisse oder die Mittel und technischen<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> die Verfügbarkeit der durch das<br />

System der Vernetzung von Insolvenzregistern angebotenen<br />

Dienste festzulegen.<br />

6. Forderungsanmeldung<br />

Bereits in ihrem Vorschlag vom 12.12.2012 <strong>für</strong> eine neue<br />

EuInsVO 61 machte die Europäische Kommission deutlich,<br />

dass ausländischen Gläubigern, insbesondere kleinen Gläubigern<br />

sowie kleinen und mittleren Unternehmen, die<br />

Anmeldung ihrer Forderungen erleichtert werden soll. Die<br />

Überlegungen der Kommission wurden weitgehend in die<br />

reformierte EuInsVO überführt. So legt Art. 53 EuInsVO<br />

ausdrücklich fest, dass sich jeder ausländische Gläubiger<br />

zur Anmeldung seiner Forderungen in dem Insolvenzverfahren<br />

aller Kommunikationsmittel bedienen kann, die<br />

nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung<br />

zulässig sind. Allein <strong>für</strong> die Anmeldung einer Forderung<br />

ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen<br />

Rechtsbeistand nicht zwingend. Das nationale Recht<br />

darf diese Vorgabe nicht durch strengere Anforderungen<br />

konterkarieren. 62<br />

Nach Art. 54 Abs. 1 EuInsVO hat das <strong>für</strong> die Eröffnung des<br />

Verfahrens zuständige Gericht oder der von diesem Gericht<br />

bestellte Verwalter unverzüglich alle bekannten ausländischen<br />

Gläubiger zu unterrichten. Dabei hat die Unterrichtung<br />

durch individuelle Übersendung eines Vermerks<br />

61<br />

COM (2012) 744 final, 3.1.4 S. 9.<br />

62<br />

Thole/Swierczok, ZIP 2013, 550, 556.<br />

146 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

zu erfolgen und insbesondere anzugeben, welche Fristen<br />

einzuhalten sind, welches die Versäumnisfolgen sind,<br />

welche Stelle <strong>für</strong> die Entgegennahme der Anmeldungen<br />

zuständig ist und welche weiteren Maßnahmen vorgeschrieben<br />

sind. In dem Vermerk ist auch anzugeben, ob<br />

die bevorrechtigten oder dinglich gesicherten Gläubiger<br />

ihre Forderungen anmelden müssen. Dem Vermerk ist des<br />

Weiteren eine Kopie des Standardformulars <strong>für</strong> die Anmeldung<br />

von Forderungen gemäß Art. 55 beizufügen oder<br />

es ist anzugeben, wo dieses Formular erhältlich ist. Das<br />

Formular wird im Europäischen Justizportal veröffentlicht<br />

und trägt die Überschrift „Mitteilung über ein Insolvenzverfahren“<br />

in sämtlichen Amtssprachen der Organe der<br />

Union. Es wird in der Amtssprache des Staates der Verfahrenseröffnung<br />

oder — falls es in dem betreffenden<br />

Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt — in der Amtssprache<br />

oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem<br />

das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, oder in einer<br />

anderen Sprache übermittelt, die dieser Staat gemäß Art. 55<br />

Abs. 5 EuInsVO zugelassen hat, wenn anzunehmen ist,<br />

dass diese Sprache <strong>für</strong> ausländische Gläubiger leichter zu<br />

verstehen ist. Bei Insolvenzverfahren bezüglich einer<br />

natürlichen Person, die keine selbstständige gewerbliche<br />

oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, ist die Verwendung<br />

des in dem vorgeannten Artikel genannten Standardformulars<br />

nicht vorgeschrieben, sofern die Gläubiger nicht<br />

verpflichtet sind, ihre Forderungen anzumelden, damit<br />

diese im Verfahren berücksichtigt werden (Art. 54 Abs. 4<br />

EuInsVO).<br />

Die verfahrenstechnische Standardisierung ist grundsätzlich<br />

geeignet, Übersetzungskosten zu reduzieren und<br />

jedenfalls in der Tendenz die Barrieren abzubauen, denen<br />

sich insbesondere Kleingläubiger bei der Geltendmachung<br />

ihrer Forderungen in der grenzüberschreitenden Insolvenz<br />

gegenübersehen. 63 Ebenso wie die noch geltende EuInsVO<br />

legt auch das Reformwerk keine Sanktionen <strong>für</strong> eine<br />

Verletzung der Unterrichtungspflicht fest. Diese sind daher<br />

über die subsidiär eingreifende Verweisung des Art. 7 Abs. 1<br />

EuInsVO n.F. der lex fori concursus zu entnehmen. 64 In<br />

Betracht kommen Haftungsansprüche gegen den Insolvenzverwalter<br />

oder unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche<br />

wegen Fehlverhaltens des Gerichts. 65<br />

Art. 55 Abs. 2 EuInsVO listet im Einzelnen auf, welche<br />

Angaben das Standardformular <strong>für</strong> die Forderungsanmeldung<br />

enthält. Forderungen sind innerhalb der im Recht des<br />

Staats der Verfahrenseröffnung festgelegten Frist anzumelden.<br />

Als Kostenhindernis bei der Forderungsanmeldung<br />

könnte sich weiterhin die Regelung des § 55 Abs. 5<br />

EuInsVO erweisen. Danach können Forderungen zwar in<br />

einer Amtssprache der Organe der Union angemeldet<br />

werden. Das Gericht, der Verwalter oder der Schuldner in<br />

Eigenverwaltung können indes vom Gläubiger eine Übersetzung<br />

in die Amtssprache des Staats der Verfahrenseröffnung<br />

oder — falls es in dem betreffenden Mitgliedstaat<br />

mehrere Amtssprachen gibt — in die Amtssprache oder in<br />

eine der Amtssprachen des Ortes, an dem das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet wurde, oder in eine andere Sprache, die<br />

dieser Mitgliedstaat zugelassen hat, verlangen. Jeder<br />

Mitgliedstaat gibt an, ob er neben seiner oder seinen<br />

eigenen Amtssprach(n) andere Amtssprachen der Organe<br />

der Union <strong>für</strong> eine Forderungsanmeldung zulässt. „Ausländischen<br />

Gläubigern“ (zur Begriffsbestimmung siehe<br />

Art. 2 Nr. 12 EuInsVO n.F.) gesteht das Gesetz indes eine<br />

gesetzliche Frist von 30 Tagen ab der öffentlichen Bekanntmachung<br />

des Eröffnungsbeschlusses im nationalen<br />

Insolvenzregister <strong>für</strong> die Anmeldung ihrer Forderungen zu<br />

(Art. 55 Abs. 6 EuInsVO). Hat das Gericht, der Verwalter<br />

oder der Schuldner in Eigenverwaltung Zweifel an einer<br />

nach Maßgabe von Art. 55 EuInsVO angemeldeten Forderung,<br />

so gibt er dem Gläubiger Gelegenheit, zusätzliche<br />

Belege <strong>für</strong> das Bestehen und die Höhe der Forderung<br />

vorzulegen (Abs. 7).<br />

IV. Zusammenfassung<br />

Aus Sicht der Gläubiger enthält die reformierte EuInsVO,<br />

die ab dem 26. Juni nächsten Jahres in allen Mitgliedstaaten<br />

der Gemeinschaft mit Ausnahme Dänemarks 66 gilt 67 , einige<br />

wesentliche Verbesserungen gegenüber dem noch geltenden<br />

Recht. Durch die Einrichtung von Insolvenzregistern<br />

werden sich die Erkenntnismöglichkeiten der Gläubiger<br />

wesentlich verbessern. Darüber hinaus hat der Europäische<br />

Gesetzgeber Erleichterungen bei der Anmeldung von<br />

Forderungen in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren<br />

geschaffen. Diese beginnen mit einer besseren Information<br />

der Gläubiger durch das Gericht des Eröffnungsstaates und<br />

den dortigen Insolvenzverwalter und schließen mit einer<br />

30-tägigen Anmeldefrist <strong>für</strong> ausländische Gläubiger ab. Es<br />

bleibt abzuwarten, ob damit die wesentlichen Hürden<br />

beseitigt worden sind, die derzeit noch Gläubigern bei der<br />

Realisierung ihrer Forderung in einem europäischen Mitgliedstaat<br />

entgegenstehen.<br />

63<br />

Thole/Swierczok, a.a.O.<br />

64<br />

Siehe bereits Mankowski, NZI 2011, 887. 889.<br />

65<br />

Mankowski, a.a.O., 891.<br />

66<br />

Derzeit lässt sich nicht absehen, ob zu diesem Zeitpunkt Großbritannien<br />

noch Mitglied der Gemeinschaft sein wird und dem Anwendungsbereich der<br />

EuInsVO unterliegt.<br />

67<br />

Die Verordnung findet nur auf solche Insolvenzverfahren Anwendung, die<br />

nach dem 26.6.2017 eröffnet worden sind (Art. 84 Abs. 1 EuInsVO n.F.).<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 147


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

Berufsrecht<br />

Prof. Dr. Zümrüt Gülbay-Peischard/Prof. Dr. Susanne Meyer<br />

Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken –<br />

Informationspflichten im ersten Inanspruchnahmeschreiben<br />

Teil II: Empirische Befunde zur Informationspraxis nach § 11a Abs. 1 Satz 1 RDG<br />

In <strong>zfm</strong> <strong>2016</strong>, 91 ff. wurde von den Verfasserinnen als Ergebnis der von ihnen durchgeführten Studie bereits dargelegt, dass <strong>für</strong><br />

Inkassounternehmen eine anlasslose Pflicht zur Schlüssigkeitsprüfung aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht abgeleitet werden<br />

kann. Lediglich <strong>für</strong> den Fall, dass schlüssige Einwendungen erhoben werden, ist eine Prüfung durch sie erforderlich.<br />

Im folgenden zweiten Teil wird die empirische Studie der Verfasserinnen vorgestellt. Ausgangspunkt des empirischen Parts war die<br />

Frage, ob Inkassounternehmen 1 die Darlegungs- und Informationsanforderungen des § 11a Abs. 1 Satz 1 RDG einhalten. Hier wird<br />

darzustellen sein, in welchem Umfang Inkassounternehmen diese Informationspflichten erfüllen – das ist in sehr großem Umfang der<br />

Fall. Gleichzeitig werden Anregungen zur Umgestaltung von § 11a RDG gegeben.<br />

I. Ausgestaltung der Studie<br />

Ziel der empirischen Studie war eine Bestandsaufnahme<br />

zur Regelkonformität von Erstinanspruchnahmeschreiben,<br />

die von den Mitgliedern des BDIU versendet wurden.<br />

Es war die Frage zu beantworten, ob und gegebenenfalls<br />

inwieweit die Schreiben zur ersten Geltendmachung von<br />

Forderungen den Darlegungs- und Informationsanforderungen<br />

der seit dem 1.11.2014 geltenden Rechtslage<br />

entsprechen. Dazu musste eine möglichst große Zahl<br />

verschiedener Inkassoschreiben ausgewertet werden. Die<br />

Gestaltung des Fragebogens musste objektive Maßstäbe<br />

vorgeben, anhand derer die Schreiben vergleichbar gemacht<br />

werden konnten. Zudem musste die Auswahl der<br />

zur Auswertung vorgesehenen Inkassoschreiben einen<br />

möglichst vollständigen Überblick über die Praxis der <strong>für</strong><br />

die Studie relevanten Inkassounternehmen geben.<br />

1. Fragebogendesign<br />

Die Ausgestaltung des Fragebogens sollte ein möglichst<br />

differenziertes Bild verschiedener Inkassoschreiben vermitteln<br />

und dadurch bei der Klärung helfen, ob und<br />

gegebenenfalls bei welchen der gesetzlichen Transparenzanforderungen<br />

Nachbesserungsbedarf bei der Formulierung<br />

der Inkassoschreiben besteht. Gleichzeitig sollte der<br />

Fragebogen ermöglichen, Transparenzanforderungen zu<br />

identifizieren, deren Einhaltung die Inkassounternehmen<br />

1<br />

Die Studie bezog sich allerdings nur auf die Mitglieder des Bundesverbandes<br />

Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU).<br />

möglicherweise vor praktische Schwierigkeiten stellt. Angesichts<br />

der Anzahl der auszuwertenden Inkassoschreiben<br />

sollte der Fragebogen so detailliert sein, dass die Auswertung<br />

durch verschiedene Personen, aber anhand einheitlicher<br />

Kriterien erfolgen konnte.<br />

a) Anwendungsbereich des § 11a Abs. 1 Satz 1 RDG<br />

Es war zunächst sicherzustellen, dass nur Inkassoschreiben<br />

überprüft werden, auf die die Anforderungen von § 11a<br />

Abs. 1 Satz 1 RDG überhaupt Anwendung finden. Daher<br />

war zu prüfen, ob das Schreiben eine erste Inanspruchnahme<br />

betraf, ob es an eine natürliche Person gerichtet<br />

war und ob es von einem Inkassounternehmen stammt.<br />

Die Verbrauchereigenschaft selbst, auf die § 11a RDG<br />

abstellt, 2 geht aus dem Anschreiben nicht hervor; insoweit<br />

konnte folglich nicht überprüft werden, ob der Adressat<br />

jeweils tatsächlich ein Verbraucher ist oder ob er im konkreten<br />

Fall aufgrund einer Forderung in Anspruch genommen<br />

wurde, die er im Rahmen einer gewerblichen oder<br />

selbstständigen beruflichen Tätigkeit begründet hat (§ 14<br />

BGB). Diese Information hat allerdings auch der Inkassounternehmer<br />

nicht immer, so dass er in der Regel alle<br />

Schreiben an natürliche Personen den Anforderungen des<br />

§ 11a RDG unterwerfen dürfte. Der Studie liegen ausschließlich<br />

Schreiben an natürliche Personen zugrunde.<br />

2<br />

§ 11a RDG spricht nicht vom Verbraucher, sondern von Privatpersonen.<br />

Nach § 11a Abs. 2 RDG ist aber Privatperson „jede natürliche Person, gegen<br />

die eine Forderung geltend gemacht wird, die nicht im Zusammenhang mit<br />

ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit steht“. Das ist<br />

deckungsgleich mit dem Verbraucherbegriff des § 13 BGB.<br />

148 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

Der Adressat des Inkassoschreibens muss wissen, wer<br />

Ansprüche gegen ihn geltend macht. Das setzt vollständige<br />

Angaben über den Auftraggeber des Inkassounternehmens<br />

einschließlich Angaben über die Rechtsform des Auftraggebers<br />

voraus. Danach fragt dementsprechend der Fragebogen<br />

in seinem einleitenden Teil.<br />

b) Differenzierung nach Forderungshöhen<br />

Die Inkassoschreiben werden durch den Fragebogen nach<br />

Forderungshöhen in sechs verschiedene Kategorien eingeteilt:<br />

Bis 50 EUR, bis 100 EUR, bis 500 EUR, bis 1.500 EUR,<br />

bis 5.000 EUR und über 5.000 EUR. Damit sollte sichergestellt<br />

werden, dass auch zu erkennen war, wenn die<br />

Anforderungen bei bestimmten Forderungshöhen in stärkerem<br />

Maße eingehalten bzw. nicht eingehalten werden<br />

als bei anderen.<br />

c) Eingrenzung der Transparenzanforderungen<br />

Um detailliert prüfen zu können, ob die Transparenzanforderungen<br />

eingehalten sind, waren denkbare Nichteinhaltungen<br />

jeweils differenziert abzufragen. So enthält<br />

der Fragebogen bei allen Transparenzanforderungen, bei<br />

denen verschiedene Erfüllungsmöglichkeiten bestehen<br />

könnten, neben der Frage, ob ein bestimmtes Kriterium<br />

erfüllt ist, auch die Frage, ob die Angaben <strong>für</strong> einen Verbraucher<br />

klar und verständlich erscheinen. Dies gilt <strong>für</strong> die<br />

Firma des Auftraggebers, den Forderungsgrund, den Vertragsgegenstand,<br />

das Fordern von Zinsen, die über den<br />

gesetzlichen Zinssatz hinausgehen, sowie Inkassokosten,<br />

Auslagen und die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Die<br />

Beurteilung, ob Angaben <strong>für</strong> den Verbraucher verständlich<br />

sind, enthält natürlich ein wertendes Element. Für die<br />

Auswertung war maßgeblich, dass Angaben dann verständlich<br />

sind, wenn sie <strong>für</strong> einen juristischen Laien ohne<br />

jegliche Rechtskenntnisse verständlich sind.<br />

aa) Angaben zum Vertragsschluss, rechtliche Anforderung<br />

und tatsächliche Schwierigkeiten<br />

Der Gesetzgeber verlangt Angaben zum Forderungsgrund,<br />

bei Verträgen den Vertragsgegenstand sowie das Datum<br />

des Vertragsschlusses. Es geht darum, dem Schuldner die<br />

Möglichkeit zu geben, die Herkunft und Berechtigung der<br />

Forderung zu überprüfen. Ähnliches gilt <strong>für</strong> gesetzliche<br />

Ansprüche. Der Verbraucher benötigt hinreichend genaue<br />

Hinweise, um den hinter dem Zahlungsanspruch stehenden<br />

Lebenssachverhalt zu identifizieren. Bei gesetzlichen<br />

Ansprüchen müssen deshalb Angaben zur Handlung, dem<br />

Handlungszeitpunkt oder dem verletzten Rechtsgut erfolgen,<br />

damit die Privatperson die Berechtigung der Forderung<br />

erkennen kann. 3<br />

3<br />

BT-Drucks 17/13057, S. 18.<br />

Bei Verträgen muss dem Verbraucher das Vertragsdatum<br />

mitgeteilt werden. In verschiedenen Fallkonstellationen<br />

können <strong>für</strong> den Gläubiger und in der Folge auch <strong>für</strong> den<br />

Inkassounternehmer möglicherweise Schwierigkeiten bei<br />

der Datierung des Vertrages auftreten. So werden Verträge<br />

nicht selten dadurch abgeschlossen, dass der Verbraucher<br />

eine Bestellung, etwa im Internet, abgibt. Die<br />

Annahmeerklärung kann auf elektronischem Wege erfolgt<br />

sein, der Vertrag kommt dann zustande, wenn die<br />

Annahmeerklärung dem Verbraucher zugeht (§ 130 BGB).<br />

Dieser Zeitpunkt muss nicht mit dem Zeitpunkt der<br />

Absendung der Erklärung identisch sein, so dass der<br />

Gläubiger nicht ohne Weiteres nachvollziehen kann,<br />

wann genau der Vertrag zustande gekommen ist.<br />

Auch <strong>für</strong> den Schuldner ist das Vertragsdatum nicht<br />

immer aussagekräftig. So betrifft das Inkasso in der Praxis<br />

nicht selten Dauerschuldverhältnisse (Versicherung, Telekommunikation,<br />

Miete, Versorger). Der Vertragsschluss<br />

kann lange zurückliegen, so lange, dass dem Verbraucher<br />

das konkrete Datum möglicherweise nicht mehr erinnerlich<br />

ist. Aufgrund des Dauerschuldverhältnisses werden<br />

periodisch Rechnungen gestellt, auf denen die konkret<br />

abgerechneten Leistungen ersichtlich sind. Ihr Erhalt liegt<br />

zeitlich näher als der Vertragsschluss. Dennoch muss<br />

nach dem Wortlaut des Gesetzes dem Verbraucher in<br />

diesen Fällen nicht das Rechnungsdatum, sondern das<br />

Datum des eventuell bereits länger zurückliegenden Vertragsschlusses<br />

mitgeteilt werden. Das Rechnungsdatum<br />

dagegen muss nach dem Gesetzeswortlaut nicht mitgeteilt<br />

werden.<br />

Der Sinn und Zweck des Gesetzes, die nachvollziehbare<br />

Information des Verbrauchers über den Forderungsgrund,<br />

wird hierdurch weniger gut erfüllt als durch eine konkrete<br />

Angabe von Rechnungsdatum und Rechnungsnummer. In<br />

teleologischer Reduktion der Vorschrift wurde <strong>für</strong> den<br />

Fragebogen davon ausgegangen, dass die Angabe einer<br />

Rechnungsnummer mit Rechnungsdatum zur Erfüllung<br />

der Transparenzpflicht ausreicht. Die Studie erhebt daher<br />

nicht nur, ob Vertragsdaten angegeben werden, sondern<br />

auch, ob das Rechnungsdatum ersichtlich ist. Eine Angabe<br />

von Rechnungsdatum und Rechnungsnummer ist ein<br />

geeigneter Ersatz <strong>für</strong> die Angabe eines möglicherweise<br />

weit zurückliegenden oder nicht (mehr) nachweisbaren<br />

Zeitpunktes des Vertragsschlusses.<br />

bb) Abfrage der Angaben zum Vertragsschluss<br />

Um den Grad der Regelkonformität hier richtig abbilden zu<br />

können, wird im Fragebogen zum einen abgefragt, ob das<br />

Vertragsdatum angegeben ist, zum anderen aber auch, ob<br />

alternativ andere Informationen zu Vertragsschluss und<br />

Abrechnung enthalten sind, also etwa Rechnungsdatum,<br />

Rechnungsnummer oder Leistungsdatum (Ziffern 3.6–3.8<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 149


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

des Fragebogens). Wenn dies der Fall ist und gleichzeitig<br />

die Angaben zur erbrachten Leistung schlüssig sind, kann<br />

der Verbraucher auch ohne Angabe des Vertragsschlussdatums<br />

nachvollziehen, wo<strong>für</strong> eine Zahlung von ihm<br />

verlangt wird.<br />

Weil der Forderungsgrund anzugeben ist, wurde zudem <strong>für</strong><br />

jede einzelne Inanspruchnahme geprüft, ob das Schreiben<br />

Angaben zum Forderungsgrund enthält und ob eine Differenzierung<br />

nach Ansprüchen aus Rechtsgeschäft und<br />

sonstigen Ansprüchen vorgenommen wird (Ziffern 3.4–3.6<br />

des Fragebogens).<br />

d) Zinsen<br />

Werden Zinsen erhoben, so ist dem Schuldner mitzuteilen,<br />

wie der Zinsbetrag ermittelt wurde. Das setzt voraus, dass<br />

eine konkrete Zinsberechnung beigefügt oder im Mahnschreiben<br />

enthalten sein muss, bei dem sowohl die verzinste<br />

Hauptforderung als auch der Zinssatz genannt sein<br />

müssen und bei dem Anfang und Ende des Zeitraums<br />

bezeichnet werden müssen, <strong>für</strong> den die Zinsen verlangt<br />

werden. Werden Zinsen sowohl auf die Hauptforderung als<br />

auch auf Kosten erhoben, so sind die Zinsberechnungen<br />

gesondert vorzunehmen. 4 Der Gesetzgeber verlangt vom<br />

Inkassounternehmen in Bezug auf die Zinsforderung Angaben,<br />

die dem Adressaten des Schreibens eine Schlüssigkeitsprüfung<br />

ermöglichen. 5<br />

In der Studie war zu erheben, in welchem Umfang in<br />

ersten Inkassoschreiben Zinsen verlangt werden, die den<br />

gesetzlichen Verzugszinssatz <strong>für</strong> Forderungen gegenüber<br />

Verbrauchern übersteigen. Wo das der Fall ist, muss der<br />

Verbraucher in dem Schreiben darauf hingewiesen werden,<br />

dass Zinsen über dem gesetzlichen Verzugszinssatz<br />

verlangt werden. Zudem muss der Grund <strong>für</strong> die erhöhte<br />

Zinsforderung mitgeteilt werden. Das Inkassounternehmen<br />

muss also den Verbraucher summarisch über<br />

alle wesentlichen Umstände informieren, die die erhöhte<br />

Zinsforderung begründen.<br />

Der Fragebogen erhebt <strong>für</strong> jeden einzelnen Schritt der<br />

Zinsberechnung, ob dieser im Anschreiben enthalten ist<br />

und ob das <strong>für</strong> den Verbraucher klar und nachvollziehbar<br />

ist. Dabei war danach zu differenzieren, ob Zinsen über<br />

dem gesetzlichen Verzugszinssatz erhoben werden oder<br />

nicht.<br />

e) Inkassokosten<br />

§ 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RDG differenziert zwischen<br />

Inkassovergütung und sonstigen Inkassokosten. Die Abgrenzung<br />

ist nicht ganz einfach. Während Inkassovergütung<br />

nach der Gesetzesbegründung das Entgelt ist, das<br />

der Auftraggeber und das Inkassounternehmen <strong>für</strong> den<br />

Forderungseinzug vereinbart haben, 6 verweist die Gesetzesbegründung<br />

hinsichtlich der „sonstigen Inkassokosten“<br />

auf die Begründung zu § 4 RDGEG. Dort wird auf Auslagen<br />

verwiesen, die dem Inkassounternehmen entstanden<br />

sind, und auf die <strong>für</strong> die Tätigkeit zu entrichtende<br />

Umsatzsteuer. 7 Präzise ist die Abgrenzung aber nicht,<br />

was hinsichtlich des Ordnungswidrigkeitentatbestandes<br />

in § 20 RDG problematisch ist. Für Zwecke der Studie<br />

wurden alle Beträge, die im Hinblick auf die Rechtsverfolgung<br />

vom Schuldner verlangt werden und die nicht<br />

die Vergütung des Inkassounternehmens selbst darstellen,<br />

unter „sonstige Inkassokosten“ subsumiert.<br />

Inkassokosten sind, wenn der Schuldner sich im Verzug<br />

befunden hat, zu erstatten, wenn sie <strong>für</strong> die Einziehung<br />

der Forderung notwendig waren und nicht<br />

entstanden wären, wenn der Schuldner rechtzeitig gezahlt<br />

hätte. Allerdings findet § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB<br />

Anwendung. Nur Aufwendungen, die der Gläubiger bei<br />

verständiger Würdigung unter Berücksichtigung seiner<br />

Schadensminderungspflicht <strong>für</strong> erforderlich halten durfte,<br />

sind erstattungsfähig. 8 Dann allerdings sind neben den<br />

Kosten <strong>für</strong> die Einschaltung eines Rechtsanwalts oder<br />

Inkassounternehmens auch sonstige Rechtsverfolgungskosten<br />

wie die Kosten <strong>für</strong> die Adressermittlung erstattungsfähig.<br />

9<br />

Sowohl <strong>für</strong> die Inkassovergütung wie auch <strong>für</strong> die sonstigen<br />

Kosten gilt, dass diese konkret ausgewiesen werden<br />

müssen. Zudem muss klargestellt sein, ob die Inkassokosten<br />

dadurch anfallen, dass das Inkassounternehmen<br />

oder ein Dritter vom Auftraggeber eine Vergütung <strong>für</strong> die<br />

Geltendmachung der Forderung erhält. Werden Zinsen auf<br />

die Kosten erhoben, ist eine getrennte Zinsberechnung<br />

erforderlich.<br />

Werden Honorare <strong>für</strong> das Inkasso als Inkassokosten<br />

geltend gemacht, so ist nach § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5<br />

RDG der Entstehungsgrund <strong>für</strong> das Honorar, also der<br />

Auftrag an das Inkassounternehmen, darzustellen. Die<br />

Regelung ist nicht ganz eindeutig, denn der Auftrag an<br />

das Inkassounternehmen wird dem Adressaten bereits<br />

dadurch mitgeteilt, dass sich das Inkassounternehmen <strong>für</strong><br />

seinen Auftraggeber beim Schuldner meldet. Eine Lesart,<br />

nach der der der Gesetzgeber darüber hinaus einen zu-<br />

6<br />

BT-Drucks 17/13057, S. 19.<br />

7<br />

BT-Drucks 17/13057, S. 22; ebenso Deckenbrock/Henssler/Dötsch, RDG,<br />

4<br />

BT-Drucks 17/13057, S. 18.<br />

5<br />

BT-Drucks 17/13057, S. 18.<br />

4. Aufl. 2015, § 11a Rn 36.<br />

8<br />

Sturm, JurBüro 2012, 566.<br />

9<br />

MüKoBGB/Oetker, 6. Aufl. 2012, BGB § 254 Rn 93.<br />

150 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

sätzlichen Hinweis auf das Auftragsverhältnis verlangt,<br />

überspannt die Anforderungen aus § 11a RDG, da es die<br />

Verfasser von Inkassoschreiben zum doppelten Hinweis<br />

auf das Bestehen eines Auftragsverhältnisses zwingen<br />

würde. Gleichwohl wurde in der Studie abgefragt, ob<br />

Inkassoschreiben einen solchen zusätzlichen Hinweis<br />

enthalten.<br />

Alle Voraussetzungen <strong>für</strong> die Geltendmachung von Inkassokosten<br />

wurden getrennt erhoben. Dabei wurde explizit<br />

geprüft, ob die Abrechnung von Inkassovergütungen des<br />

Inkassounternehmens selbst nachvollziehbar ist. Sowohl<br />

Ausführungen zum Bestehen eines Auftrags als auch zum<br />

Vorliegen von Verzug und eine Begründung <strong>für</strong> die Höhe<br />

der geltend gemachten Vergütung müssen im Schreiben<br />

enthalten sein, so dass diese Parameter jeweils einzeln<br />

abgefragt werden. Werden sonstige Kosten, also Auslagen<br />

des Gläubigers oder des Inkassounternehmens geltend<br />

gemacht, wurde gesondert abgefragt, ob Kosten <strong>für</strong> die<br />

Adressermittlung erhoben werden, weil die Drittkosten <strong>für</strong><br />

die Adressermittlung vom Verbraucher zu tragen sind,<br />

wenn sie durch den Schuldnerverzug veranlasst sind.<br />

f) Umsatzsteuer<br />

Wenn Inkassokosten als Weitergabe der Kosten des<br />

Auftraggebers <strong>für</strong> die Vergütung des Inkassounternehmens<br />

oder eines Dritten <strong>für</strong> das Geltendmachen der<br />

Forderung verlangt werden, kommt es <strong>für</strong> die Höhe der<br />

zu erstattenden Kosten darauf an, ob die Auftraggeberin<br />

oder der Auftraggeber die Umsatzsteuer als Vorsteuer<br />

abziehen kann. Nur wenn das nicht der Fall ist, kann die<br />

angefallene Umsatzsteuer weitergegeben werden. Daher<br />

ist im ersten Inkassoschreiben eine Angabe zur Vorsteuerabzugsberechtigung<br />

erforderlich. Mit der Vorschrift soll das<br />

unberechtigte Weiterberechnen von Umsatzsteuer auf die<br />

Kosten verhindert werden. 10<br />

2. Stichprobe<br />

a) Spezifizierung der befragten Unternehmen<br />

Die ausgewerteten Inkassoschreiben müssen, damit die<br />

Ergebnisse der Studie belastbar sind, einen repräsentativen<br />

Querschnitt aus den von Inkassounternehmen versendeten<br />

Schreiben darstellen. Es war daher erforderlich,<br />

Schreiben einzelner Mitgliedsunternehmen nicht in beliebiger<br />

Anzahl auszuwerten, sondern die Anzahl der <strong>für</strong> die<br />

Studie verwendeten Schreiben in ein Verhältnis zur<br />

Unternehmensgröße und zur Anzahl der von den Mitgliedsunternehmen<br />

des BDIU jährlich insgesamt versandten<br />

Schreiben zu setzen. Die Stichprobe sollte einen Anteil<br />

von Inkassoschreiben großer, mittlerer und kleinerer Inkassounternehmen<br />

enthalten, die jeweils ihrem Beitrag<br />

10<br />

BT-Drucks 17/13057, S. 19.<br />

zur Gesamtheit der jährlich erstellten Inkassoschreiben<br />

entspricht. Diese Anteile mussten zunächst einmal ermittelt<br />

werden. Grundlage hier<strong>für</strong> war eine durch den<br />

BDIU im Jahr 2012 in Auftrag gegebene Studie der<br />

Unternehmensberatung Bülow & Consorten. 11 53 % der<br />

damals 520 Mitgliedsunternehmen des BDIU hatten an<br />

einer Befragung zu Unternehmensgröße, Mitarbeiterzahl,<br />

Forderungssummen und Kundenprofilen teilgenommen.<br />

Aus dieser Befragung ergab sich, dass die Mitgliedsunternehmen<br />

im Jahr 2012 Forderungen im Volumen von<br />

fast 40 Milliarden EUR bearbeitet haben. Insgesamt<br />

hielten die Inkassounternehmen in dem Jahr etwa 55<br />

Milliarden EUR an offenen Forderungen, 12 von denen sie<br />

aufgrund von 18,8 Millionen vorgerichtlichen Mahnungen<br />

etwa 80 % einer vorgerichtlichen Klärung zugeführt<br />

haben. 13 93 % der Forderungen stammten aus Geschäften<br />

von Unternehmern gegenüber Verbrauchern. Eine Einteilung<br />

der befragten Unternehmen erfolgt zum einen<br />

nach dem Jahresumsatz im <strong>Forderungsmanagement</strong>,<br />

zum anderen nach der jahresdurchschnittlichen Anzahl<br />

von Mitarbeitern im <strong>Forderungsmanagement</strong>. Es ergaben<br />

sich vier Größenklassen, die sodann in Beziehung gesetzt<br />

wurden zur Zahl der bearbeiteten Forderungsfälle. 17 %<br />

der bearbeiteten Forderungsfälle wurden danach von<br />

Unternehmen der kleinsten Kategorie bearbeitet, 31 % von<br />

Unternehmen der zweiten Größenkategorie, 40 % von<br />

Unternehmen der dritten Größenkategorie und 12 % der<br />

Forderungsfälle wurden von Unternehmen bearbeitet, die<br />

nach Mitarbeiterzahl und Jahresumsatz am größten sind. 14<br />

Zu berücksichtigen ist, dass in der Befragung der Unternehmen<br />

alle bearbeiteten Forderungsfälle <strong>für</strong> die Befragung<br />

zugrunde gelegt wurden, während in der vorliegenden<br />

Studie lediglich Erstinanspruchnahmen erfasst<br />

werden. Gleichwohl lässt sich aus diesen Werten eine<br />

Vermutung <strong>für</strong> die relative Verteilung der Erstinanspruchnahmen<br />

ableiten, schließlich beginnt jeder Vorgang mit<br />

einer ersten Inanspruchnahme.<br />

Ziel war es daher, eine Stichprobe zu gewinnen, bei der<br />

17 % der Inkassoschreiben von Unternehmen der kleinsten<br />

Kategorie, 31 % von Unternehmen der zweiten Größenkategorie,<br />

40 % von Unternehmen der dritten Größenkategorie<br />

und 12 % von den größten Unternehmen<br />

stammen. Damit die Stichprobe ausreichend groß ist,<br />

11<br />

Bülow & Consorten: Branchenstudie Inkasso 2012, Internes Dokument,<br />

Mai 2012.<br />

12<br />

Bülow & Consorten: Branchenstudie Inkasso 2012, Internes Dokument,<br />

Mai 2012, S. 26; BDIU: Jahresbericht 2012/2013, S. 26, http://inkasso.de/<br />

verband/jahresbericht-20122013.<br />

13<br />

Bülow & Consorten: Branchenstudie Inkasso 2012, Internes Dokument,<br />

Mai 2012, S. 28.<br />

14<br />

Bülow & Consorten: Branchenstudie Inkasso 2012, Internes Dokument,<br />

Mai 2012, S. 30.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 151


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

sollten mindestens 1.000 Erstinanspruchnahmeschreiben<br />

ausgewertet werden.<br />

b) Umsetzung der Befragung<br />

Weil den Verfasserinnen der Studie die Einordnung<br />

der einzelnen Mitgliedsunternehmen in Größenklassen<br />

selbstverständlich nicht zugänglich ist, war hier <strong>für</strong> den<br />

Erhalt der auszuwertenden Schreiben eine Mitwirkung<br />

des BDIU notwendig. Die Geschäftsführung des BDIU<br />

hat ihre Mitgliedsunternehmen angeschrieben und um<br />

Übermittlung von (hinsichtlich personenbezogener Daten<br />

geschwärzten) Inanspruchnahmeschreiben gebeten. Die<br />

Schreiben sollten möglichst neuen Datums sein und<br />

stammen alle aus dem Frühjahr 2015. Der BDIU hat<br />

sodann eine Einordnung in die genannten Kategorien<br />

vorgenommen, so dass die prozentuale Verteilung in der<br />

Stichprobe nunmehr im Wesentlichen der oben genannten<br />

prozentualen Verteilung entspricht. Die Auswertung<br />

der Schreiben erfolgte Anfang September 2015. Insgesamt<br />

liegt der Studie eine Stichprobe von 1011 Inkassoschreiben<br />

zugrunde.<br />

II. Auswertung<br />

1. Erstinanspruchnahme von Verbrauchern,<br />

Forderungshöhe und Name oder Firma<br />

des Auftraggebers<br />

Die 1011 Erstschreiben der Inkassodienstleister wurden<br />

ausschließlich von Verbandsmitgliedern des BDIU verfasst.<br />

Alle Schreiben waren an Verbraucher gerichtet und stellten<br />

damit eine Forderung gegen eine Privatperson dar. Die in<br />

Frage 2.1 abgefragte Höhe der geltend gemachten Forderung<br />

ergab, dass mehr als 69 % der Forderungen (Hauptforderung<br />

ohne Zinsen und Kosten) Beträge bis zu 500 EUR<br />

betrafen. Hierbei umfassten 184 Schreiben (18,22 %) eine<br />

Forderung bis zu 50 EUR, 169 Schreiben (16,73 %) eine<br />

Forderung bis zu 100 EUR und 346 Schreiben (34,26 %)<br />

Forderungen bis zu 500 EUR.<br />

In den untersuchten Inkassoschreiben enthielten 99,9 %<br />

den vollen Namen bzw. die vollständige Firma des Auftraggebers<br />

mit einem Rechtsformzusatz. Nur in einem einzigen<br />

Inkassoschreiben fehlten die Angaben zum Auftraggeber.<br />

Für alle 1011 Inkassoschreiben (100 %) erfolgte dennoch<br />

eine positive Einschätzung hinsichtlich der Frage, ob der<br />

Verbraucher in der Lage ist, zweifelsfrei die Identität des<br />

Auftraggebers festzustellen (Frage 3.3).<br />

2. Angaben zum Forderungsgrund<br />

a) Konkreter Forderungsgrund<br />

Bei 10<strong>04</strong> Inkassoschreiben (99,31 %) wurde ein Forderungsgrund<br />

angeben (Frage 3.4). Bei 26 wurden diese Angaben<br />

als unklar und nicht verständlich gewertet (2,57 %). In<br />

weiteren 7 Inkassoschreiben (0,69 %) wurde kein Forderungsgrund<br />

genannt. Für 33 Schreiben (3,26 %) ergibt sich<br />

daraus eine negative Bewertung bezüglich der Erfüllung<br />

dieser Transparenzpflicht. In 96,74 % der Schreiben wird<br />

dem Verbraucher klar und verständlich ein Forderungsgrund<br />

genannt.<br />

b) Forderung aus Vertragsverhältnis, Datum des<br />

Vertragsschlusses<br />

975 Schreiben (96,15 %) betrafen Forderungen aus Vertragsverhältnissen.<br />

Bei diesen wurde in 92,1 % der Fälle der<br />

konkrete Vertragsgegenstand klar und verständlich dargelegt.<br />

Bei weiteren 7,18 % der Schreiben war der dargelegte<br />

Vertragsgegenstand unklar und nicht verständlich und in<br />

0,72 % der Fälle enthielten die Inkassoschreiben keine<br />

Angaben. Insgesamt werden damit in 77 der 975 Schreiben<br />

(7,9 %) keine ausreichenden Angaben zum Vertragsverhältnis<br />

gemacht.<br />

Wie dargelegt, war es <strong>für</strong> die Studien maßgeblich, ob der<br />

Verbraucher durch die Angaben zum Forderungsgrund die<br />

notwendigen nachvollziehbaren Informationen zu der<br />

geltend gemachten Forderung erhält. Daher wurde in der<br />

Frage 3.7 zum Datum des Vertragsschlusses auch ein<br />

Datum mit einer „Spätestens“-Formulierung, die z.B. neue<br />

Vertragsabschlüsse im Rahmen eines bestehenden Dauerschuldverhältnisses<br />

abdeckt (z.B. wird ein bestehender<br />

Handyvertrag erweitert um eine Internetflatrate <strong>für</strong> ein<br />

neues Smartphone), ebenfalls als zulässige und ausreichende<br />

Angabe gewertet. Danach enthalten 80,76 % der<br />

Schreiben eine Angabe zum Datum des Vertragsschlusses,<br />

weitere 0,61 % geben dieses ausdrücklich als „unbekannt“<br />

an und 18,63 % der Schreiben enthalten kein Datum des<br />

Vertragsschlusses.<br />

Die Vorbereitung des Fragebogens und die Analyse der<br />

Inkassoschreiben hat gezeigt, dass bei den vielfältigen<br />

Vertragsbeziehungen und Vertragshistorien zum Teil eine<br />

einfache Angabe eines Datums zum Vertragsschluss<br />

schwierig ist. Daher wurden in der Frage 3.8 verschiedene<br />

Optionen der weiteren Angaben zur Konkretisierung des<br />

Forderungsgrundes abgefragt. Mehrfachnennungen waren<br />

hierbei möglich. Angaben zur Rechnungsnummer gab es in<br />

75,2 % der Schreiben, ein Rechnungsdatum wurde angegeben<br />

in 70,26 % der Schreiben, ein Leistungsdatum in<br />

30,79 % der Schreiben.<br />

Ausgehend von dem Ergebnis der Frage 3.6, dass es in<br />

92,1 % der Schreiben eine konkrete Darlegung des Vertragsgegenstandes<br />

gab, zeigen die Ergebnisse der Fragen<br />

3.7 und 3.8, dass es hier<strong>für</strong> nicht auf eine bestimmte<br />

Angabe ankommt, sondern dass es den Inkassounternehmen<br />

mit Angaben verschiedener Kriterien möglich ist, <strong>für</strong><br />

152 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

den Verbraucher eine Nachvollziehbarkeit der geltend<br />

gemachten Forderung herzustellen. Transparent sind danach<br />

die Angaben der Inkassounternehmen, wenn sie auch<br />

nicht in jedem Fall die Transparenz mit den vom Gesetzgeber<br />

vorgeschlagenen Mitteln erreichen.<br />

3. Zinsen<br />

a) Zinsen im Allgemeinen<br />

In über 95 % der geprüften Schreiben wurden Zinsen<br />

geltend gemacht (Frage 3.9). In 100 % dieser Fälle wurde<br />

hierbei die verzinste Hauptforderung zunächst angegeben<br />

(Frage 3.11), 98,65 % der Schreiben enthielten eine Zinsberechtigung<br />

(Frage 3.1), 98.3 % enthielten einen konkreten<br />

Zinssatz (Frage 3.12), 98,13 % der Schreiben enthielten<br />

Angaben zu dem Zeitraum mit Anfang und Ende, <strong>für</strong> den<br />

Zinsen verlangt wurden (Frage 3.14).<br />

b) Zinsen, die den gesetzlichen Verzugszinssatz<br />

übersteigen<br />

In nur 3,19 % der Schreiben wurden Zinsen geltend gemacht,<br />

die über fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz<br />

(Verzugszinssatz nach § 288 Abs. 1 BGB) liegen<br />

(Frage 3.15). Bei den konkret 32 Schreiben hatten 16 (50 %)<br />

einen gesonderten Hinweis zum erhöhten Zinssatz (Frage<br />

3.16), und in 50 % der Schreiben wurden klare und<br />

verständliche Angaben zu den Umständen gemacht, die<br />

den erhöhten Zinssatz begründen (Frage 3.17). Insgesamt<br />

lässt sich feststellen, dass fast alle Inkassoschreiben (mehr<br />

als 99 % der Schreiben) eine ausreichende Darlegung und<br />

Begründung der Zinsforderungen enthalten.<br />

4. Kosten<br />

a) Inkassokosten<br />

In 763 Schreiben (75,47 %) werden Inkassokosten geltend<br />

gemacht. Lediglich in einem dieser 763 Schreiben wurden<br />

keine konkreten Angaben zur Höhe des geforderten<br />

Betrages gemacht (Frage 3.19). Zu den Inkassokosten<br />

zählen alle Beträge, die im Hinblick auf die Rechtsverfolgung<br />

von Schuldner verlangt werden können und<br />

nicht die Vergütung des Inkassounternehmens selbst darstellen.<br />

Hierzu wurden in den folgenden Fragen verschiedene<br />

Optionen geprüft, nämlich einerseits in Frage<br />

3.2, ob die Inkassokosten dadurch anfallen, dass das Inkassounternehmen<br />

oder ein Dritter vom Auftraggeber<br />

beauftragt wurden (solche Angaben gab es in 42,33 %<br />

der Schreiben) oder andererseits weitere Angaben zum<br />

Grund der Erhebung vorliegen (Frage 3.21). Solche Angaben<br />

gab es in 99,21 % der Schreiben, allerdings wurden diese<br />

Angaben bei 56,73 % der Schreiben als unklar und/oder<br />

nicht verständlich bewertet. Wie zuvor dargestellt, sind die<br />

gesetzlichen Anforderungen problematisch. Diese Unsicherheit<br />

zeigt sich an der im Vergleich zu der Beantwortung<br />

der anderen Fragen geringeren Befolgungsrate.<br />

Für die Anwendung des § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RDG fehlt<br />

es an einer ausreichenden klaren gesetzlichen Regelung,<br />

welche Zusatzinformationen erwartet werden. In über<br />

99 % der Schreiben ist eine konkrete Nennung von<br />

Inkassokosten vorhanden. Es fehlt lediglich teilweise an<br />

zusätzlichen rechtlichen und auch tatsächlichen Angaben<br />

zu den Inkassokosten, was die Beauftragung des Inkassounternehmens<br />

angeht. Hier können die Inkassounternehmen<br />

eine Verbesserung erreichen, wenn sie klarere<br />

Angaben zum Grund <strong>für</strong> das Erheben von Inkassokosten<br />

machen und mitteilen, weshalb die Kosten angefallen<br />

sind. An dieser Stelle kann als Ergebnis der Studien die<br />

Empfehlung ausgesprochen werden, hinsichtlich des Erhebungsgrundes<br />

<strong>für</strong> Inkassokosten präziser zu werden.<br />

Das setzt allerdings voraus, dass die entsprechenden<br />

Informationen von den Gläubigern der Forderung auch<br />

weitergegeben werden.<br />

b) Inkassovergütung<br />

Für die Inkassovergütung stellt sich die Sachlage ganz<br />

anders dar, hier werden die Anforderungen des § 11a RDG<br />

erfüllt. In 97,53 % der Schreiben wird eine Inkassovergütung<br />

geltend gemacht (Frage 3.22), in 99,8 % dieser Schreiben ist<br />

der Auftrag an das Inkassounternehmen benannt, der die<br />

rechtliche Grundlage <strong>für</strong> eine Vergütung darstellt. In 87,71 %<br />

der Schreiben werden der vorliegende Verzug bzw. die<br />

gesetzlichen Verzugsvoraussetzungen genannt und 97,43 %<br />

der Schreiben enthalten klare und verständliche Angaben<br />

zur Gebührenhöhe. Bei dem Vergleich der Angaben<br />

der Inkassounternehmen zu den Inkassokosten mit den<br />

Angaben zur Inkassovergütung zeigt sich, dass bei den<br />

eindeutigen rechtlichen Vorgaben zum Begriff der Inkassovergütung<br />

die entsprechenden Angaben in den Inkassoschreiben<br />

auch beinahe vollständig vorhanden und entsprechend<br />

hilfreich <strong>für</strong> den Verbraucher sind.<br />

c) Sonstige Kosten<br />

In 97,43 % der Schreiben werden durch die Inkassounternehmen<br />

sonstige Inkassokosten geltend gemacht, die als<br />

Auslagenersatz (99,36 %), als Geltendmachung von Drittkosten<br />

(22,68 %) und als Kosten der Adressermittlung<br />

(3,23 %) benannt sind.<br />

5. Umsatzsteuer<br />

Für die Inkassovergütung wurde in 26,30 % der Schreiben<br />

Umsatzsteuer geltend gemacht und in 73,61 % der Schreiben<br />

nicht. Wo Umsatzsteuer geltend gemacht wurde, war<br />

in 96,62 % der Fälle die erforderliche Angabe zur Vorsteuerabzugsberechtigung<br />

enthalten.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 153


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

III. Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Die ausgewerteten Inkassoschreiben erfüllen in fast allen<br />

Belangen die gegenüber Privatpersonen bestehenden<br />

Informationspflichten. Mit allen 1011 Schreiben der Erstinanspruchnahme<br />

wurden die Verbraucher als Adressaten<br />

in die Lage versetzt, zweifelsfrei die Identität des Auftraggebers<br />

festzustellen. In mehr als 96 % der Schreiben<br />

wurde klar und verständlich ein Forderungsgrund aufgeführt.<br />

Die Inkassounternehmen sind in ihren Erstforderungsschreiben<br />

in einem ausgesprochen hohen Maße<br />

genau und geben durch viele einzelne Faktoren dem<br />

Schuldner die Möglichkeit, die geltend gemachte Forderung<br />

nachzuvollziehen. Ebenso verhält es sich mit den<br />

Angaben zur Zinsbegründung und -berechnung sowie<br />

zum Vorsteuerabzug.<br />

Soweit Forderungen aus Vertragsverhältnissen geltend<br />

gemacht werden, hat die Auswertung ergeben, dass die<br />

konkrete Darlegung des Forderungsgegenstandes auf<br />

verschiedene Weise erreicht werden kann und es nicht<br />

allein auf die Nennung eines konkreten Datums des<br />

Vertragsschlusses ankommt. Im Gegenteil kann das Datum<br />

des Vertragsschlusses teilweise dem Adressaten<br />

des Forderungsschreibens die gewünschten Informationen<br />

nicht vermitteln. Zudem ist es <strong>für</strong> den Gläubiger<br />

selbst nicht immer zu konkretisieren, so dass die Inkassounternehmen<br />

die Information nicht erhalten und<br />

daher auch nicht weitergeben können. Die Verfasserinnen<br />

empfehlen hier eine Präzisierung der Informationsanforderungen<br />

in § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG dahingehend,<br />

dass die eindeutige Bezeichnung einer Rechnung mit<br />

Datum und Rechnungsnummer als Alternative zur Angabe<br />

des Vertragsdatums ausdrücklich ermöglicht werden<br />

sollte.<br />

Eine gesetzessystematisch begründete Unsicherheit zeigt<br />

sich bei den Angaben zu den geltend gemachten Inkassokosten.<br />

Dort sind die rechtlichen und tatsächlichen Angaben<br />

bei mehr als der Hälfte der Inkassoschreiben auf<br />

den ersten Blick unzureichend. Dass es sich hierbei nicht<br />

um eine bewusste Verschleierung handelt, durch die es<br />

dem Verbraucher erschwert werden soll, die geltend<br />

gemachten zusätzlichen Kosten als solche zu erkennen,<br />

zeigt sich darin, dass die Inkassounternehmen die Inkassovergütung<br />

hingegen genau benennen und in einer sehr<br />

großen Mehrheit korrekt vorgehen und neben der Höhe<br />

auch die rechtliche Begründung dieser Vergütung ausführen.<br />

Hier sollte nach Auffassung der Verfasserinnen<br />

die Unterscheidung von Inkassokosten und Inkassovergütung<br />

und die daran geknüpfte Informationspflicht im<br />

Gesetz, in § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, präzisiert werden.<br />

Gleichzeitig wird empfohlen, die Erstinanspruchnahmeschreiben<br />

hinsichtlich des Erhebungsgrundes von Inkassokosten<br />

zu präzisieren und sich nicht darauf zu beschränken,<br />

den Schuldner darauf hinzuweisen, dass er<br />

sich im Verzug befindet.<br />

Die im Vorfeld dieser Gesetzesnovellierung als Problem<br />

erkannten „untergeschobenen Verträge“ können bereits<br />

mit den gegenwärtigen Transparenzkriterien des § 11a<br />

RDG durch einen Verbraucher aufgrund des Erstinkassoschreibens<br />

identifiziert und zurückgewiesen werden.<br />

Wenn ein missbräuchlich zustande gekommener Vertrag<br />

ausnahmsweise aber wirksam ist, können die Transparenzanforderungen<br />

in § 11a RDG keine Änderung und<br />

Verbesserung der Verbraucherposition mit sich bringen.<br />

Hier könnte allenfalls eine materiell-rechtliche „Bestätigungslösung“<br />

<strong>für</strong> eine Abwehr von „untergeschobenen<br />

Verträgen“ sorgen, falls zusätzlicher Schutz erforderlich<br />

sein sollte. Mit der Frage, ob der materiell-rechtliche<br />

Verbraucherschutz an dieser Stelle ausreichend ist, befasst<br />

sich die vorliegende Studie allerdings nicht. Die<br />

Inkassounternehmen, die auf die Entstehung und den<br />

Verlauf einer Vertragsbeziehung keinen Einfluss haben,<br />

werden aber jedenfalls erst dann mit dem <strong>Forderungsmanagement</strong><br />

beauftragt, wenn der Vertrag zustande<br />

gekommen ist. Anforderungen an sie können demgemäß<br />

den Verbraucherschutz nicht erhöhen.<br />

154 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 155


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

156 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Aufsätze<br />

Deutsch – Jura, Jura – Deutsch<br />

Rechtsanwalt Michael Schmuck<br />

Fremdwörter und Allgemeines –<br />

very strange und nicht zu fassen<br />

Mit Fachtermini kommunizieren – das ist immer eine ganz<br />

besonders schöne Methode, anderen mitzuteilen, dass sie<br />

es mit einem klugen Akademiker zu tun haben, speziell mit<br />

einem hochgebildeten Juristen, der auf seinem hohen<br />

Bildungsniveau thront, aber dort leider meist nicht auf<br />

Augenhöhe mit seiner Zielgruppe ist. Fachwörter und<br />

Abstraktes sind <strong>für</strong> den Leser und Zuhörer emotionale<br />

und inhaltliche Bremsklötze der Kommunikation.<br />

I. Fremdwörter und Abkürzungen –<br />

weniger ist oftmals mehr<br />

„Gern bin ich <strong>für</strong> Sie auch forensisch tätig“ schreibt ein<br />

Fachanwalt <strong>für</strong> Arbeitsrecht auf seiner Webseite. Und<br />

betont dabei, dass er auf dem Gebiet des Individualarbeitsrechts<br />

tätig sei.<br />

Das kann sehr elegant und – um mit den Worten des<br />

Anwalts zu sprechen – eklatant an den Adressaten vorbeigehen.<br />

Stellen Sie sich doch einmal den typischen Kunden,<br />

die typische Kundin dieses Anwalts vor, den Durchschnittsarbeitnehmer:<br />

einen Verkäufer, eine Büroangestelle, eine<br />

Handwerkerin, einen Bauarbeiter. Forensisch? Schneidet der<br />

Anwalt Leichen auf? Das klingt nach Gerichtsmedizin.<br />

Individualarbeitsrecht? Kann nach speziellen Arbeitsverhältnissen<br />

klingen, außerhalb des üblichen Arbeitsrechts.<br />

Ist aber – selbstverständlich (haha!) – der Gegensatz zum<br />

kollektiven Arbeitsrecht. Und das wiederum kann so<br />

klingen, als ginge es stets um Massenentlassungen.<br />

Jedes Wort, das die Zielgruppe als fremd empfinden<br />

könnte, muss der Autor übersetzen oder erklären. Ob die<br />

Leser und Leserinnen es sich vielleicht aus dem Zusammenhang<br />

erschließen könnten, spielt keine Rolle. Sie<br />

fremdeln damit, und das stört die Kommunikation ganz<br />

erheblich. Jedes Fremdeln führt im Hinterkopf bewusst<br />

oder unbewusst zu einem „Hä, was ist denn das?“ und eben<br />

nicht zu dem vom Autor erwünschten „Respekt, Respekt.<br />

Was dieser Jurist so alles weiß.“<br />

Juristen tun dem Leser und sich selbst nichts Gutes, wenn<br />

sie von praktischer Konkordanz statt schlicht von abwägen<br />

oder ausgleichen sprechen oder von in dubio pro reo statt<br />

von im Zweifel <strong>für</strong> den Angeklagten. Sich verständlich<br />

auszudrücken, das sagen alle Forschungen, ist die beste<br />

Methode <strong>für</strong> ein gutes Image. Also bitte, liebe Juristinnen<br />

und Juristen: Lasst Präjudiz und Rubrum, lasst Duplik und<br />

Replik in der Schublade, wenn Mandanten zur Beratung<br />

kommen.<br />

Auch Abkürzungen sind nicht jedermanns und jederfraus<br />

Sache: BGH, BFH, AGB, WEG, ZPO und AG, LG und KG<br />

gehören nicht zwingend zum Primärwortschatz des Nichtjuristen.<br />

Und ganz sicher nicht VA, ZU, KFA und EB.<br />

Außerdem kann es zu dummen Missverständnissen kommen,<br />

weil viele Abkürzungen mehrfach belegt sind. KG<br />

kann <strong>für</strong> Kammergericht oder <strong>für</strong> Kommanditgesellschaft<br />

stehen, AG <strong>für</strong> Amtsgericht oder Aktiengesellschaft. Ja,<br />

sogar BGH kann Bundesgerichtshof oder besonders gesicherter<br />

Haftraum heißen, je nach Kreis der Leser.<br />

Ich bin seit 18 Jahren bei der KSK. Wo? Bei der Kreissparkasse,<br />

bei der Künstlersozialkasse oder beim Kommando Spezialstreikräfte?<br />

BMI steht <strong>für</strong> Bundesinnenmisterium oder <strong>für</strong><br />

Body-Mass-Index, KV <strong>für</strong> Krankenversichrung oder Kassenärztliche<br />

Vereinigung – je nachdem, was dem Leser oder der<br />

Leserin gerade näher ist.<br />

Aber die Juristerei macht es ihren Akteuren schon<br />

traditionell schwer mit der Verständlichkeit <strong>für</strong> die bedauernswerten<br />

Laien. Die fremdeln ja schon mit den vielen<br />

altertümlichen Begriffen, die aus der Zeit unserer Urahnen<br />

stammen, als die Gesetze verfasst wurden. Wir hatten sie<br />

in Heft 3/<strong>2016</strong>, S. 108 ff. auch als Blähdeutsch angesprochen:<br />

wissentlich, abschlägig, verwehren, sich bemächtigen,<br />

obliegen und es gebricht der Klage am Erfolg. Manche<br />

davon kann ein Fachfremder sich erschließen, andere<br />

bleiben ein Rätsel. Kein normaler Mensch spricht von<br />

einem Kindsvater (wessen Vater sonst, als der eines<br />

Kindes?) und seinem Abkömmling (war das nicht etwas<br />

Überflüssiges?), Beischlaf (klingt unerotisch), billig oder<br />

unbillig (hat mit Discounter wohl nichts zu tun?) und von<br />

Entgelt (warum schreibt man das nicht mit d?).<br />

Nur Juristen veräußern etwas oder tun etwas unbefugt.<br />

Nur sie bekleiden Ämter oder lassen sich zu irgendetwas<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 157


Aufsätze<br />

<strong>zfm</strong><br />

bestallen. Unser Garten mit Gartenzaun ist ihr befriedetes<br />

Besitztum, natürlich mit Einfriedung. Nur im Gericht sucht<br />

der Vorsitzende um Ruhe nach. Natürlich könnte auch der<br />

Richter um Ruhe bitten, aber das wäre eben zu einfach, zu<br />

trivial. Darum schreibt eine Behörde vermutlich „Ihnen<br />

werden befördungstäglich 4 EUR erstattet“ – statt: pro<br />

Fahrt oder pro Tag.<br />

Am allerschlimmsten sind aber Begriffe, von denen der Laie<br />

glaubt, dass er sie kennt und versteht. Aber Pustekuchen!<br />

Sie bedeuten etwas anderes in der Juristerei. Besitz ist<br />

nicht Eigentum, Bankrott nicht einfach nur Pleite, Einwilligung<br />

etwas anders als Genehmigung oder als Einverständnis.<br />

Urlaub heißt nicht Ferien machen. Firma ist nicht<br />

das Unternehmen, sondern nur dessen Name. Erinnerung<br />

hat mit Gedächtnis nichts zu tun, sondern eher mit<br />

Beschwerde.<br />

Regelmäßig treiben wir Sport oder gehen ins Theater,<br />

etwa jeden Mittwoch oder zweimal wöchentlich. Aber<br />

bei Juristen heißt regelmäßig: in aller Regel, meist oder<br />

manchmal sogar stets. Was soll ein Arzt vestehen, wenn<br />

sein Anwalt ihm schreibt: „Sie müssen regelmäßig Ihre<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schulen lassen?“<br />

Grundsätzlich bedeutet bei Juristen etwa nicht, dass das<br />

immer so ist, also ausnahmslos, sondern im Gegenteil,<br />

dass es viele Ausnahmen gibt oder geben kann. Wenn<br />

Ihre Partnerin oder Ihr Partner Ihnen also ewige Treue<br />

schwört und sagt „Ich werde dich grundsätzlich niemals<br />

betrügen“, sollten Sie kritisch daran denken, was er oder<br />

sie studiert hat. War es Physik oder Mathematik, können<br />

Sie beruhigt sein. War es aber Jura, gibt es vermutlich viele<br />

– gut begründete – Ausnahmen.<br />

Rundbrief des Hausjuristen einer Krankenversicherung:<br />

„In solchen Fällen ist der Antragsteller einfach zu bescheiden.“<br />

Das haben Sie aber doch wohl jetzt richtig<br />

verstanden? Oder? Nein, nein, der Antragsteller ist nicht<br />

genügsam. Nein! Er wird einfach beschieden: Er bekommt<br />

einen einfachen Bescheid, einen einfachen Brief von der<br />

Krankenkasse.<br />

II. Rätsel um unbestimmte<br />

Rechtsbegriffe auflösen<br />

Neben den Fremd- und Fachwörtern gibt es weitere<br />

dubiose Begriffe, die den Leser verwirren: die vielen<br />

abstrakten, allgemeinen und nichtssagenden Begriffe,<br />

meist sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe. Was ist<br />

denn nun genau zumutbar oder unzumutbar? Was ist<br />

verhältnismäßig oder unverhältnismäßig, geboten oder<br />

nicht geboten, schwer oder leicht? Was unbedeutend<br />

oder geringfügig? Das ist schwer zu fassen. Oft liegt<br />

der Laie mit seiner Einschätzung, was das alles ist<br />

oder bedeuten mag, sehr deutlich neben der Definiton<br />

oder Einstufung der Gerichte. Besonders fassungslos<br />

machen „Definitionen“ wie das Anstandsgefühl aller billig<br />

und gerecht Denkenden (hä?) <strong>für</strong> die guten Sitten und der<br />

erhöhte Grad sittlicher Missbilligung (nochmals hä?) <strong>für</strong><br />

verwerflich.<br />

Das Konkrete, das Anschauliche, das Fassbare ist Grundatz<br />

jeder Kommunikation. Nur damit verstehen wir uns. Groß,<br />

klein, schwer, leicht, viel, wenig, dick, dünn, jung und alt<br />

sind relativ. Jeder kann darunter etwas anderes verstehen,<br />

ein anderes konkretes Bild vor Augen haben – je nach<br />

seiner Perspektive.<br />

Nun müssen Juristen und Juristinnen aber abstrahieren<br />

und subsumieren (wieder so ein Wort), also in Tatbestände<br />

einsortieren, das ist ihre Aufgabe. Aber sie könnten<br />

Laien zumindest mit Beispielen oder typischen Fällen<br />

aufklären, was gemeint ist. Jung: jedenfalls jünger als<br />

30. Viel: mehr als 15, meist aber 20 und mehr. Groß:<br />

mindestens 1,90 Meter. Schwere Verletzung: nicht nur<br />

blaue Flecke, sondern Rippenbrüche. Das ginge doch. Die<br />

Polizei definiert „schwere Verletzung“ übrigens so: Mindestens<br />

ein Aufenthalt von einem Tag im Krankenhaus<br />

nötig. Hätten Sie’s gewusst?<br />

Zum Schluss kurz zurück zu den Fremdwörtern: Inkasso ist<br />

<strong>für</strong> viele Menschen keines mehr. Es stammt aber vom<br />

italienischen incassare ab und heißt übersetzt einziehen.<br />

Na bitte, auch damit hätten wir es geklärt.<br />

158 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Kurz bemerkt<br />

Kurz bemerkt<br />

Europa/Gesetzgebung/Termine<br />

Kurz bemerkt<br />

Europa<br />

Ungewissheit nach Brexit<br />

Das Ergebnis des Referendums am 23.6.<strong>2016</strong> war eindeutig:<br />

das Vereinigte Königreich wird als erstes Mitglied<br />

überhaupt die Europäische Union verlassen. Was jedoch<br />

weit weniger eindeutig ist, ist das genaue Datum, an dem<br />

der offizielle Antrag auf Verlassen der EU gestellt und<br />

damit der gesamte Prozess in Bewegung gesetzt wird. Es<br />

hängt allein von der britischen Regierung ab, Artikel 50<br />

des Vertrages von Lissabon zu aktivieren. Der Artikel<br />

selbst ist darüber hinaus sehr vage, was das tatsächliche<br />

Prozedere angeht; der Eingangssatz stellt lediglich fest:<br />

„Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen<br />

Vorschriften beschließen, aus der<br />

Union auszutreten.“<br />

Sobald Großbritannien den Europäischen Rat offiziell und<br />

unter Berufung auf Artikel 50 über seine Entscheidung, die<br />

EU zu verlassen, informiert hat, beginnt die Uhr zu ticken,<br />

da genau zwei Jahre nach diesem Datum die Mitgliedschaft<br />

des UK erlischt, und zwar vollkommen unabhängig davon,<br />

ob zu diesem Zeitpunkt neue Verträge und Vereinbarungen<br />

zur Regelung der Beziehungen zwischen den Briten<br />

und den dann übrigen 27 EU-Mitgliedern beschlossen und<br />

in Kraft sind oder nicht. Sollte Letzteres der Fall sein, würde<br />

das Vereinigte Königreich vom Standpunkt der EU als<br />

einfacher Drittstaat gelten.<br />

Man kann davon ausgehen, dass es wohl eher unwahrscheinlich<br />

ist, dass dieses Szenario eintritt, da alle beteiligten<br />

Länder und Institutionen ein großes Interesse daran<br />

haben, eine Lösung zu finden, die <strong>für</strong> alle annehmbar ist<br />

und die eigenen Interessen bewahrt. Es ist viel zu früh, um<br />

genauere Vorhersagen zu treffen, da sowohl auf britischer<br />

Seite nach der Regierungsübernahme durch Premierministerin<br />

Theresa May, der Berufung des neuen Außenminister<br />

Boris Johnson und der Neuetablierung eines <strong>für</strong> den Brexit<br />

zuständigen Ministeriums unter Minister David Davis als<br />

auch auf EU-Seite noch exakte Abstimmungen notwendig<br />

sind. In jedem Fall wird es faszinierend sein, die weitere<br />

Entwicklung zu beobachten, da noch nie ein Mitglied die<br />

EU verlassen hat und der Prozess die größtmöglichen<br />

Auswirkungen auf die Zukunft der EU sowie Großbritanniens<br />

haben wird.<br />

Dr. Andreas Bücker<br />

Nationale Gesetzgebung<br />

Update zur nationalen Anpassungsgesetzgebung<br />

ergänzend zur DS-GVO<br />

Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)<br />

wird ab 25.5.2018 anwendbar sein und das bis dahin in<br />

Deutschland geltende Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)<br />

ablösen. Bis dahin sind die nationalen Gesetzgeber aufgefordert,<br />

dort, wo es von der Verordnung zugelassen<br />

wird und aus nationaler Sicht erforderlich ist, ergänzende<br />

bzw. klarstellende nationale Regelungen zu treffen.<br />

Nach aktuellem Kenntnisstand werden vom Gesetzgeber<br />

§§ 28a und b BDSG im Wesentlichen „ziemlich<br />

sicher“ erhalten, d.h. auch im Folgegesetz des BDSG<br />

berücksichtigt werden. Soweit bekannt, sollen keine<br />

weiteren Regelungen zum Profiling eingeführt werden.<br />

Inwiefern die Sanktionsregelungen (Art. 83 f. DS-GVO)<br />

auf nationaler Ebene ergänzt werden sollen, v.a. in Bezug<br />

auf das Verfahren, welche und wie Strafvorschriften<br />

übernommen werden sollen, die datenschutzrechtliche<br />

Bezüge aufweisen, und ob und welche Besonderheiten<br />

<strong>für</strong> Berufsgeheimnisträger statuiert bzw. übernommen<br />

werden sollen, wird in den Ministerien gerade ebenso<br />

heiß diskutiert wie die Frage, wie der Beschäftigtendatenschutz<br />

künftig (näher) ausgestaltet werden wird.<br />

Der Referentenentwurf des Begleitgesetzes zur DS-GVO<br />

bzw. Nachfolgegesetzes zum BDSG – der Name steht<br />

noch nicht fest – wird <strong>für</strong> September/Oktober <strong>2016</strong> erwartet.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 159


Interview<br />

<strong>zfm</strong><br />

Bundeskabinett verabschiedet<br />

E-Rechnungs-Gesetz<br />

Am 13.7.<strong>2016</strong> hat das Bundeskabinett das sogenannte<br />

E-Rechnungs-Gesetz verabschiedet. Ab dem 27.11.2018<br />

soll damit – gemäß der dann neu geltenden Vorschriften<br />

im E-Government-Gesetz – die Rechnungstellung<br />

an Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung<br />

durch private Unternehmen in elektronischer Form möglich<br />

sein. Das dürfte zumindest <strong>für</strong> den Bereich des<br />

kommunalen <strong>Forderungsmanagement</strong>s relevant sein, da<br />

Inkassounternehmen in diesem Bereich Leistungen <strong>für</strong><br />

die Öffentliche Hand erbringen und gegenüber dieser<br />

– auftragsgemäß – entsprechende Rechnungen erstellen.<br />

Nach Intention des Gesetzgebers gehört damit bald das<br />

Ausdrucken, Kuvertieren und Frankieren von Papierrechnungen<br />

auch in diesem Bereich der Vergangenheit an. So<br />

sollen Portokosten gespart und der Arbeitsaufwand –<br />

generell – bei privaten Unternehmen in erheblichem Maße<br />

reduziert werden.<br />

„Das E-Rechnungs-Gesetz des Bundes ist ein weiterer<br />

Meilenstein in der E-Government-Strategie der Bundesregierung.<br />

Die elektronische Rechnungslegung trägt zu<br />

einer enormen Entbürokratisierung, Kosteneinsparung und<br />

schnelleren Abwicklung der Zahlungen bei“, so Dr. Ole<br />

Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium<br />

des Innern.<br />

Der Gesetzentwurf ist auf der Webseite des Bundesministeriums<br />

des Innern abrufbar: www.bmi.bund.de/<br />

SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/<strong>2016</strong>/07/bundeskabinett-beschliesst-e-rechnungs-gesetz.html.<br />

Termine<br />

SCHUFA-Branchentreff <strong>2016</strong> in Sinsheim<br />

Auf dem diesjährigen Branchentreff <strong>für</strong> Inkasso und <strong>Forderungsmanagement</strong><br />

der SCHUFA am 25. und 26.10.<strong>2016</strong> wird<br />

wieder die Gelegenheit geboten, sich mit Branchenkollegen<br />

auszutauschen und das Business-Netzwerk auszubauen.<br />

Erstmalig wird eine Podiumsdiskussion angeboten und es<br />

wird ein Ausblick zu den B2B-Innovationen der SCHUFA<br />

gegeben. Zudem werden die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

aus dem Bereich des <strong>Forderungsmanagement</strong>s beleuchtet.<br />

Weitere Informationen sind zu finden unter www.<br />

schufa.de/de/unternehmenskunden/veranstaltungen/schufa-branchentreff/schufa-branchentreff-inkasso-forderungsmanagement/.<br />

UK Credit & Collections Conference (UKCCC)<br />

im Hilton London Wembley<br />

Am 14. und 15.9.<strong>2016</strong> findet in London Wembley die<br />

Jahreskonferenz des britischen Verbandes <strong>für</strong> <strong>Forderungsmanagement</strong><br />

Credit Services Association (CSA)<br />

statt. Über 400 Industrievertreter und Spezialisten werden<br />

zu der zweitägigen Credit & Collections Conference<br />

(UKCCC) erwartet, die unter dem Motto „tomorrow’s<br />

world for credit and collections“ zu interessanten Expertengesprächen<br />

und zahlreichen Networking-Gelegenheiten<br />

einlädt. Mehr Informationen zum Veranstaltungsprogramm<br />

und zur Anmeldung finden Sie unter: www.<br />

ukccc.csa-uk.com.<br />

Interview<br />

Dreimal nachgefragt …<br />

… bei Sven Korschinowski<br />

<strong>zfm</strong>: FinTechs – ein Begriff, der seit vielen Monaten in aller<br />

Munde ist und doch <strong>für</strong> viele noch „Neuland“ ist. Was<br />

versteckt sich eigentlich hinter diesem Begriff?<br />

Korschinowski: Durch ihren technologischen Fortschritt<br />

sorgt die Digitalisierung <strong>für</strong> einen weitreichenden Umbruch<br />

in allen Branchen sowie im Nutzungsverhalten der Kunden<br />

und entfesselt einen digitalen Innovationshunger bei allen<br />

Sven Korschinowski<br />

Marktteilnehmern. FinTechs – IT-<br />

Startups mit Fokus auf Finanzdienstleistungen<br />

– bedienen die durch<br />

die Digitalisierung neu entstandenen<br />

Märkte mit stark kundenorientierten,<br />

innovativen und technologisch getriebenen<br />

Produkten. Eine Vielzahl bietet<br />

dabei keine vollkommen neuen Pro-<br />

160 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Interview<br />

dukte oder Dienstleistungen an, sondern setzt auf Geschäftsmodelle,<br />

die auf dem klassischen Angebot von<br />

Banken basieren. Das Angebot dieser neuen Akteure reicht<br />

dabei von Spar- und Depositeneinlagen, Onlinebanking-<br />

Lösungen, digitalen Zahlungsverkehrslösungen bis hin zu<br />

Beratungs- und Wertpapierdiensten. Durch Kostenminimierung,<br />

moderne Prozessgestaltung, Standardisierung und<br />

starke IT-Affinität können FinTechs dabei auch weniger<br />

ertragreiche Produkte mit höherer Benutzerfreundlichkeit<br />

anbieten und sorgen so <strong>für</strong> erhebliche neue Konkurrenz und<br />

Transformation im Finanzsektor.<br />

<strong>zfm</strong>: Inwiefern können FinTechs <strong>für</strong> den Bereich des<br />

<strong>Forderungsmanagement</strong>s von Bedeutung sein? Worauf<br />

müsste geachtet werden?<br />

Korschinowski: FinTechs nehmen mit ihren innovativen<br />

und kundenorientierten Geschäftsmodellen zunehmend<br />

Teile der Wertschöpfungskette von Banken, Versicherungen<br />

und Finanzdienstleistern ein. Auch das <strong>Forderungsmanagement</strong>,<br />

das sich mit der Verwaltung offenstehender<br />

Zahlungen befasst, ist von der disruptiven Wirkung der<br />

FinTechs betroffen.<br />

Unterschiedliche Startups bieten beispielsweise auf Grundlage<br />

von Machine-Learning und Verhaltensforschung ein<br />

digitales und dynamisches <strong>Forderungsmanagement</strong>. Man<br />

verspricht den Kunden, u.a. Onlineshops, Digitalunternehmen,<br />

Payment Service Provider oder Inkassounternehmen,<br />

durch eine individuelle und automatisierte Kundenansprache<br />

die Effizienz ihres <strong>Forderungsmanagement</strong>s zu steigern<br />

und dabei Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten.<br />

Bei der Kooperation zwischen Banken und FinTechs<br />

werden Kundendaten ausgetauscht. Genau wie Banken<br />

müssen auch FinTechs hier regulatorische Anforderungen<br />

erfüllen. Die von dem EU-Parlament verabschiedete<br />

Zweite Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Services Directive<br />

II – PSD II) betrifft „Dritte Zahlungsdienstleister“.<br />

Dieser Kategorie werden auch viele FinTechs zugeordnet.<br />

So dürfen diese u.a. keine sensiblen Zahlungs- oder<br />

Sicherheitsdaten der Kunden speichern.<br />

Allerdings bestehen gerade hinsichtlich des Datenschutzes<br />

Sicherheitsbedenken. Im Zuge der Verabschiedung<br />

der PSD II wurde ebenfalls das Prinzip des „Access to<br />

Account“ eingeführt, das Dritten Zahlungsdienstleistern<br />

unter bestimmten Voraussetzungen Zugriff auf Kundendaten<br />

der Finanzdienstleister gewährt. Hier ergeben sich<br />

Risiken <strong>für</strong> das kontoführende Unternehmen sowie <strong>für</strong><br />

den Kontoinhaber. Denn wie die technische Umsetzung<br />

<strong>für</strong> den Schutz vor Datenmissbrauch und Betrug darzustellen<br />

ist, wurde noch nicht festgelegt und muss erst<br />

noch von der EU-Bankenbehörde EBA erarbeitet werden.<br />

<strong>zfm</strong>: Vom FinTech zum LegalTech: Auch hier gibt es<br />

Neuheiten auf dem Markt, die den Rechtsanwälten<br />

Konkurrenz machen wollen. Was wären aus ihrer Sicht<br />

die Vorteile <strong>für</strong> den Bereich der Inkassodienstleistungen?<br />

Korschinowski: Bei den sog. LegalTechs im Bereich der<br />

Rechtsberatung steht der Markt noch ganz am Anfang.<br />

Anbieter wie „rightmart“ oder „flightright.de“ bieten etwa<br />

die Prüfung von sozialrechtlichen Bescheiden oder<br />

die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen<br />

Fluggesellschaften an. Andere bieten die Vermittlung zu<br />

Anwälten auf Festpreisbasis oder die Erstellung von<br />

Verträgen auf Baustein-Basis an. Im Unterschied zur<br />

Finanzbranche werden von LegalTechs vor allem Rechtsdienstleistungen<br />

angeboten, die sich vermehrt auf einfache<br />

Sachverhalte beziehen und sich damit einfacher automatisieren<br />

lassen. In solchen Sachverhalten lassen sich<br />

einschlägige Tatbestandsmerkmale oftmals auf eindeutige<br />

Schemata reduzieren und damit automatisiert anwenden.<br />

Das Kerngeschäft der Rechtsberatung und Rechtsdienstleistung<br />

liegt jedoch zumeist in der Beurteilung komplexer<br />

Sachverhalte, welche eine Einzelfallbetrachtung unabdingbar<br />

macht. Um die Anwaltskanzleien auch in ihrem<br />

Kerngeschäft angreifen zu können, müssten sich die<br />

LegalTech-Anbieter in dieser Hinsicht noch wesentlich<br />

weiterentwickeln. Auch im Rahmen der Inkassodienstleistungen<br />

kommt es häufig zu komplexen Sachverhalten,<br />

so dass eine rein automatisierte Bearbeitung ausscheidet.<br />

Im Ergebnis ist jedoch davon auszugehen, dass durch das<br />

Hinzutreten von LegalTech-Anwendungen Konkurrenz <strong>für</strong><br />

die Rechtsberatungs- und -dienstleistungsbranche entstehen<br />

kann. Wann das sein wird, bleibt abzuwarten.<br />

Im Interview: Sven Korschinowski<br />

Sven Korschinowski ist Experte <strong>für</strong> Payments, FinTech<br />

und Digital Banking. Als Consultant <strong>für</strong> Corporates,<br />

Banken und FinTech-Startups ist er seit vielen Jahren<br />

im Bereich Strategieberatung sowie Operations und<br />

Regulatorik unterwegs. Er leitet als Partner bei KPMG<br />

den Bereich Payments & Innovation und koordiniert<br />

die FinTech-Aktivitäten. Darüber hinaus engagiert er<br />

sich in den Netzwerken BITKOM, Startup-Verband und<br />

EBA Clearing.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 161


Entscheidungen<br />

<strong>zfm</strong><br />

Entscheidungen<br />

Verzug<br />

Verzicht auf Zinsen und Rechtsverfolgungskosten<br />

nach der<br />

EU-Verzugsrichtlinie<br />

EU-Verzugsrichtlinie Art. 3, 7<br />

Die EU-Richtlinie 2000/35 wie die diese ersetzende<br />

Richtlinie 2011/7 verwehren es dem Gläubiger nicht, auf<br />

die Verzugszinsen und seine bis dahin entstandenen<br />

Rechtsverfolgungskosten zu verzichten, um einen zeitnahen<br />

Ausgleich der Hauptforderung zu erreichen.<br />

Voraussetzung ist, dass die Möglichkeit, auf Zahlung in<br />

voller Höhe zu warten, realistisch ist und nicht nur<br />

theoretisch besteht.<br />

EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin v. 12.5.<strong>2016</strong> –<br />

C-555/14<br />

Aus dem Sachverhalt<br />

Gemäß der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie bestimmen die<br />

Mitgliedstaaten, dass eine Vertragsklausel oder eine Praxis<br />

im Hinblick auf den Zahlungstermin oder die Zahlungsfrist,<br />

auf den <strong>für</strong> Verzugszinsen geltenden Zinssatz oder auf<br />

die Entschädigung <strong>für</strong> Beitreibungskosten entweder nicht<br />

durchsetzbar ist oder einen Schadensersatzanspruch begründet,<br />

wenn sie <strong>für</strong> den Gläubiger grob nachteilig ist. Grob<br />

nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken umfassen den<br />

Ausschluss von Verzugszinsen oder Beitreibungskosten. Die<br />

Mitgliedstaaten stellen außerdem sicher, dass bei Geschäftsvorgängen<br />

mit einer öffentlichen Stelle als Schuldner<br />

der Gläubiger Anspruch auf den gesetzlichen Zins bei Zahlungsverzug<br />

hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf.<br />

Staat „zwingt“ zum Zinsverzicht<br />

In Spanien sah das Königliche Gesetzesdekret 8/2013 vom<br />

28.6.2013 über Eilmaßnahmen zur Bekämpfung von Zahlungsverzögerungen<br />

auf Seiten der öffentlichen Verwaltung<br />

und zur Unterstützung von Gebietskörperschaften in<br />

finanziellen Schwierigkeiten (im Folgenden: Gesetz 8/2013)<br />

ein Sonderfinanzierungsprogramm vor, durch das Unternehmen<br />

mit Forderungen gegen in Zahlungsschwierigkeiten<br />

befindliche öffentliche Stellen auf Zinsen, Verfahrenskosten<br />

und Beitreibungskosten verzichten und im<br />

Gegenzug die sofortige Befriedigung der ihnen zustehenden<br />

Hauptforderung erlangen konnten. Dies hatte zur<br />

Folge, dass die Verpflichtung zur Erfüllung der gesamten<br />

Forderung erlosch und ein etwaiges eingeleitetes Gerichtsverfahren<br />

beendet wurde.<br />

Verzicht und Klage dagegen<br />

Die Klägerin, ein Factoring-Unternehmen, erwarb eine<br />

Reihe offener Forderungen, die Lieferanten gegen eine<br />

regionale Gesundheitsbehörde in Spanien zustanden, und<br />

machte diese Forderungen nebst Zinsen und Beitreibungskosten<br />

bei den spanischen Gerichten geltend. Es beteiligte<br />

sich sodann an dem Sonderfinanzierungsprogramm und<br />

trieb die Hauptforderung in (nahezu) voller Höhe bei.<br />

Sodann erhob es Klage wegen des Ausschlusses der Zinsen<br />

und der Beitreibungskosten, weil dieser gegen die Zahlungsverzugsrichtlinie<br />

verstoße.<br />

Was erlaubt welche EU-Verordnung?<br />

Zur Entscheidung über die Begründetheit dieses Vorbringens<br />

ersucht das Gericht <strong>für</strong> Verwaltungsrechtsstreitigkeiten<br />

um eine Vorabentscheidung betreffend die Auslegung<br />

der Zahlungsverzugsrichtlinie.<br />

Klage auf Zinsen und Beitreibungskosten<br />

Im Mai 2014 erhob die Käuferin Klage, mit der sie<br />

272.771,03 EUR Verzugszinsen und 14.256,35 EUR Entschädigung<br />

<strong>für</strong> Beitreibungskosten geltend machte.<br />

Disponibles Recht?<br />

Zur Begründung führt sie an,<br />

• der Anspruch auf die Verzugszinsen und auf Entschädigung<br />

<strong>für</strong> die Beitreibungskosten sei unverzichtbar und<br />

entstehe allein durch Gesetz infolge des Ablaufs der<br />

Zahlungsfrist, wenn die Verwaltung die geschuldete<br />

Hauptforderung bis dahin nicht befriedigt habe,<br />

• das Gesetz 8/2013 verstoße gegen das Unionsrecht, soweit<br />

es vorsehe, dass die Befriedigung der Hauptforderung zum<br />

Erlöschen des Anspruchs auf Zinsen, auf Ersatz der<br />

Verfahrenskosten sowie aller sonstigen Kosten führe,<br />

• die Zahlungsverzugsrichtlinie entfalte insoweit unmittelbare<br />

Wirkung, als nach ihr Vertragsklauseln und Praktiken,<br />

die Verzugszinsen und die Entschädigung <strong>für</strong> die<br />

Beitreibungskosten ausschlössen, grob nachteilig seien.<br />

162 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Entscheidungen<br />

Freiwilligkeit statt Zwang?<br />

Der Gesundheitsdienst hält dem entgegen, dass die<br />

Teilnahme am Sonderprogramm <strong>für</strong> Zahlungen an Lieferanten<br />

freiwillig sei und der Verzicht auf den Anspruch auf<br />

Verzugszinsen und Entschädigung <strong>für</strong> die Beitreibungskosten<br />

nicht schon vor dem Entstehen der Forderung<br />

erfolge, sondern erst dann, wenn diese Forderung entstanden<br />

und nicht befriedigt worden sei.<br />

Die Vorlagefragen<br />

Das vorlegende Gericht ist bei der Auslegung des einschlägigen<br />

Unionsrechts und der Vereinbarkeit des angewandten<br />

spanischen Rechts mit dem Unionsrecht im<br />

Ungewissen. Es hat daher zur Richtlinie 2011/7 angefragt,<br />

ob Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie in dem Sinne auszulegen sei,<br />

dass ein Mitgliedstaat die Befriedigung einer Hauptforderung<br />

nicht von einem Verzicht auf die Verzugszinsen<br />

und die Beitreibungskosten abhängig machen darf.<br />

Würdigung der Generalanwältin<br />

Das vorlegende Gericht geht bei seinen Fragen zwar<br />

offensichtlich davon aus, dass der auf den Sachverhalt<br />

des Ausgangsverfahrens zeitlich anwendbare Rechtsakt<br />

die Richtlinie 2011/7 ist, die Kommission weist in ihren<br />

schriftlichen Erklärungen jedoch darauf hin, dass die<br />

Rechtslage möglicherweise nicht ganz so einfach sei.<br />

Welche Richtlinie gilt?<br />

Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7 erlaube es nämlich den<br />

Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung der Richtlinie Verträge<br />

von deren Geltungsbereich auszunehmen, die vor<br />

dem 16.3.2013 geschlossen worden seien. Folglich habe<br />

der spanische Gesetzgeber Verträge, die vor Inkrafttreten<br />

des Gesetzes 4/2013, d.h. vor dem 24.2.2014 geschlossen<br />

worden seien, vom Geltungsbereich der Richtlinie 2011/7<br />

ausgenommen. Diese Verträge unterlägen mithin weiterhin<br />

der Richtlinie 2000/35.<br />

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hindert<br />

jedoch der Umstand, dass ein nationales Gericht eine<br />

Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf<br />

bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat,<br />

den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht unabhängig<br />

davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat,<br />

alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung<br />

der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen<br />

sein könnten.<br />

Beide Fassungen im Blick<br />

Die Fragen werden sowohl unter dem Gesichtspunkt der<br />

Richtlinie 2000/35 als auch unter dem der Richtlinie 2011/7<br />

zu klären sein.<br />

Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht im<br />

Wesentlichen wissen, ob die Unionsvorschriften über den<br />

Zahlungsverzug bei der Begleichung von Forderungen im<br />

Geschäftsverkehr nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen,<br />

die a) dem Gläubiger das Recht auf Teilnahme an<br />

einem Programm zur „beschleunigten“ Befriedigung einer<br />

vertraglich fälligen Hauptforderung geben, wobei die Befriedigung<br />

unter der Bedingung erfolgt, dass der Gläubiger<br />

seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat und dass er<br />

auf den Anspruch auf Verzugszinsen und auf Entschädigung<br />

<strong>für</strong> Beitreibungskosten verzichtet, und gleichzeitig b) dem<br />

Gläubiger die Möglichkeit lassen, die Teilnahme an einem<br />

solchen Programm abzulehnen mit der Folge, dass sein<br />

Anspruch sowohl auf Verzugszinsen als auch auf Entschädigung<br />

bestehen bleibt, er allerdings wahrscheinlich erheblich<br />

länger auf den Erhalt der Zahlung warten muss.<br />

Richtlinie 2000/35<br />

Ziel der Richtlinie 2000/35 ist es, die – wie es dort heißt –<br />

„[d]en Unternehmen … [durch] übermäßig lange Zahlungsfristen<br />

und Zahlungsverzug [verursachten] große[n] Verwaltungs-<br />

und Finanzlasten“ abzubauen. Nach dem zwölften<br />

Erwägungsgrund „[kann d]as Ziel der Bekämpfung des<br />

Zahlungsverzugs im Binnenmarkt … von den Mitgliedstaaten<br />

nicht ausreichend verwirklicht werden, wenn sie<br />

einzeln tätig werden; es kann daher besser auf Gemeinschaftsebene<br />

erreicht werden. Diese Richtlinie geht nicht<br />

über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß<br />

hinaus. Sie entspricht daher insgesamt den Erfordernissen<br />

des Subsidiaritäts- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips<br />

nach Art. 5 des Vertrags“. Gemäß dem 16. Erwägungsgrund<br />

„[stellt] Zahlungsverzug … einen Vertragsbruch dar, der <strong>für</strong><br />

die Schuldner in den meisten Mitgliedstaaten durch niedrige<br />

Verzugszinsen und/oder langsame Beitreibungsverfahren<br />

finanzielle Vorteile bringt“. Des Weiteren heißt es im 19. Erwägungsgrund,<br />

dass „[d]er Missbrauch der Vertragsfreiheit<br />

zum Nachteil des Gläubigers … nach dieser Richtlinie verboten<br />

sein [sollte]“.<br />

Die Richtlinie 2000/35 hatte einen nur begrenzten Geltungsbereich.<br />

Der EuGH hat festgestellt, dass die Richtlinie<br />

mit Blick auf ihre Ziele und das mit ihr eingeführte System<br />

auszulegen sei. Die Richtlinie „bezweckt nur, einige Vorschriften<br />

und Zahlungspraktiken in den Mitgliedstaaten so<br />

weit wie möglich zu harmonisieren, um den Zahlungsverzug<br />

im Geschäftsverkehr zu bekämpfen“, und enthält<br />

„nur ganz bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit<br />

Zahlungsverzug, nämlich Vorschriften über die Zinsen bei<br />

Zahlungsverzug … , den Eigentumsvorbehalt … und die<br />

Beitreibungsverfahren <strong>für</strong> unbestrittene Forderungen“.<br />

Durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/35 wurden den<br />

Gläubigern einige Rechte zum Schutz gegen Zahlungsverzug<br />

gewährt. Insbesondere waren in der Richtlinie der<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 163


Entscheidungen<br />

<strong>zfm</strong><br />

Zeitpunkt, ab dem Zinsen zu zahlen sind, und die Höhe der<br />

Zinsen festgelegt, zu deren Zahlung der Schuldner bei<br />

Zahlungsverzug verpflichtet ist.<br />

Vertragsfreiheit ist angesprochen<br />

Die durch Art. 3 Abs. 1 gewährten Rechte hinsichtlich des<br />

Zahlungstermins und des Zinssatzes bei Zahlungsverzug<br />

galten nur, soweit vertraglich nichts anderes bestimmt war.<br />

Durch Art. 3 Abs. 3 wurde durch Bestimmungen betreffend<br />

grob nachlässige Vertragsklauseln eine andernfalls in den<br />

Schutzvorschriften möglicherweise entstehende offensichtliche<br />

Lücke geschlossen. Die Mitgliedstaaten hatten zu<br />

bestimmen, dass eine Vereinbarung über den Zahlungstermin<br />

oder die Folgen eines Zahlungsverzugs, die nicht im<br />

Einklang mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bis d und Abs. 2 steht,<br />

entweder nicht geltend gemacht werden kann oder einen<br />

Schadensersatzanspruch begründet, wenn sie bei Prüfung<br />

aller Umstände des Falles als grob nachteilig <strong>für</strong> den<br />

Gläubiger anzusehen ist. Bei der Entscheidung darüber, ob<br />

dies auf eine Vereinbarung zutrifft, wurde berücksichtigt, ob<br />

der Schuldner einen objektiven Grund <strong>für</strong> die Abweichung<br />

von diesen Bestimmungen hatte. Wenn eine Vereinbarung<br />

<strong>für</strong> grob nachteilig befunden wurde, waren die Bestimmungen<br />

des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bis d und Abs. 2 (als<br />

„gesetzliche Bestimmungen“ bezeichnet) anzuwenden, es<br />

sei denn, die nationalen Gerichte legten andere, faire<br />

Bedingungen fest. Der Geltungsbereich von Art. 3 Abs. 3<br />

erstreckte sich nicht auf die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e<br />

festgelegten Maßnahmen betreffend Beitreibungskosten.<br />

Der durch diese Bestimmung gewährte Schutz konnte<br />

vertraglich nicht eingeschränkt werden.<br />

Art. 3 der Richtlinie 2000/35 verlieh den Gläubigern mithin<br />

eine Reihe von Rechten bei Zahlungsverzug. Falls und<br />

soweit im zugrunde liegenden Vertrag keine Regelung<br />

getroffen wurde, galten implizit gesetzliche Bestimmungen<br />

hinsichtlich des vertragsgemäßen Zahlungstermins und des<br />

geltenden Zinssatzes. Soweit der in Rede stehende Vertrag<br />

diese Fragen regelte, aber nicht den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b<br />

bis d und Abs. 2 festgelegten Schutz vorsah, bestand die<br />

Gefahr, dass er nicht geltend gemacht werden konnte oder<br />

ein Schadensersatzanspruch entstand. Im nationalen Recht<br />

musste der Anspruch auf Entschädigung wegen Zahlungsverzugs<br />

verankert werden. Der zwischen dem Gläubiger und<br />

dem Schuldner geschlossene Vertrag wurde entsprechend<br />

geändert, allerdings, was Zinsen und Entschädigung bei<br />

Zahlungsverzug betrifft, auch nur in diesem Umfang. Die mit<br />

der Richtlinie bezweckte Harmonisierung erfolgte also in<br />

diesem (begrenzten) Rahmen. Dem Gläubiger wurde mithin<br />

eine Reihe von Ansprüchen verliehen, deren Geltendmachung<br />

oder Nichtgeltendmachung ihm freigestellt war.<br />

Lässt sich sagen, dass die Richtlinie 2000/35 es einem<br />

Gläubiger, dem diese Ansprüche zustanden, verwehrte,<br />

auf diese zu verzichten, um im Gegenzug sofortige<br />

Zahlung zu erhalten, wenn er dies nach seiner Wahl<br />

auch hätte ablehnen und auf Zahlung in voller Höhe hätte<br />

warten können? Meines Erachtens hat sie ihm dies nicht<br />

verwehrt.<br />

Kein grober Nachteil<br />

Zwar war ein Vertrag erforderlich, um einen solchen<br />

Verzicht wirksam werden zu lassen. Ein solcher Vertrag<br />

war jedoch naturgemäß ein Ergänzungsvertrag zum<br />

ersten Vertrag, durch den die Forderung selbst begründet<br />

wurde. Der Ergänzungsvertrag änderte die dem Gläubiger<br />

aufgrund des ersten Vertrags zustehenden Rechte ab und<br />

ersetzte sie durch einen neuen Anspruch, nämlich den<br />

Anspruch auf sofortige Zahlung. Vorausgesetzt, dass die<br />

Möglichkeit, auf Zahlung in voller Höhe zu warten,<br />

realistisch ist und nicht nur theoretisch besteht, leuchtet<br />

mir nicht ein, weshalb eine solche Vereinbarung als „grob<br />

nachteilig“ <strong>für</strong> den Gläubiger im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der<br />

Richtlinie 2000/35 eingestuft werden sollte. Bereits die<br />

bloße Existenz dieser dem Gläubiger offenstehenden<br />

Wahlmöglichkeit stünde diesem Ergebnis entgegen.<br />

Ich möchte einige Anmerkungen zur Übertragung dieses<br />

Gedankengangs auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens<br />

machen:<br />

Privatautonomie<br />

Erstens hat der Gerichtshof entschieden, dass die in einem<br />

Vertrag vereinbarten Bedingungen zwar im Allgemeinen<br />

durch das Prinzip der Privatautonomie gekennzeichnet<br />

seien, dass sich aus dem anwendbaren Unionsrecht aber<br />

Grenzen dieses Prinzips ergeben könnten. Diese Überlegung<br />

greift jedoch nur durch, wenn diese Freiheit überhaupt<br />

durch das Unionsrecht beschränkt wird. Zwar lässt<br />

sich die Ansicht vertreten, dass die Richtlinie aufgrund<br />

der Bestimmungen von Art. 3 Abs. 3 eine gewisse Einschränkung<br />

der Vertragsfreiheit der Parteien bezüglich<br />

der Nichterfüllung der Forderung durch den Schuldner bei<br />

Fälligkeit bewirkte, sie entfaltete meiner Meinung nach<br />

jedoch keine solche Wirkung bezüglich der oben in Nr. 41<br />

beschriebenen Situation.<br />

Gläubiger hat das Wahlrecht<br />

Zweitens hatte der Gläubiger bei dem durch das Gesetz 8/<br />

2013 eingeführten Finanzierungsprogramm die Wahl.<br />

Die spanische Regierung hat erklärt, dass alle Gläubiger,<br />

die sich gegen eine Beteiligung am Programm entschieden<br />

hätten, inzwischen Zahlung in voller Höhe erhalten<br />

hätten.<br />

Dieses Element der Wahlfreiheit – und die damit verbundenen<br />

Risiken – gehören meiner Ansicht nach nämlich<br />

zum normalen Geschäftsleben.<br />

164 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Entscheidungen<br />

Art des Schuldners unerheblich<br />

Drittens ist meines Erachtens <strong>für</strong> das Endergebnis ohne<br />

Belang, dass der Schuldner eine dem Staat zuzurechnende<br />

Einrichtung und kein privates Unternehmen ist. Tatsächlich<br />

gehen die Verpflichtungen eines Mitgliedstaats aus der<br />

Richtlinie über den nationalrechtlichen Erlass von Maßnahmen<br />

hinaus, die lediglich die Regelung der Richtlinie<br />

inhaltlich widerspiegeln. Er hat diese Regelung auch<br />

anzuwenden und in der Praxis durchzusetzen. Dies gilt<br />

erst recht, wenn es sich bei dem Schuldner einer Verbindlichkeit<br />

um den Staat oder eine dem Staat zuzurechnende<br />

Einrichtung handelt. Die an den Mitgliedstaat<br />

insoweit gestellten Anforderungen gehen jedoch naturgemäß<br />

nicht über die Grenzen der Verpflichtungen aus der<br />

Richtlinie hinaus. Da diese Verpflichtungen entsprechend<br />

meiner Schlussfolgerung nicht so weit ging, eine Regelung<br />

wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende <strong>für</strong> die<br />

Leistung von Zahlungen an die Gläubiger auszuschließen,<br />

können die von mir soeben dargestellten Grundsätze nicht<br />

dazu führen, dass der Mitgliedstaat Anforderungen erfüllen<br />

muss, die die Richtlinie selbst nicht vorgibt.<br />

Gleiches zwischen Unternehmen<br />

Um es anders zu formulieren: Fraglich ist meines Erachtens,<br />

ob das Vorgehen des Mitgliedstaats in dem dem Ausgangsverfahren<br />

zugrunde liegenden Fall rechtmäßig war. Angenommen,<br />

Schuldner der Verbindlichkeit wäre nicht der<br />

Staat oder eine dem Staat zuzurechnende Einrichtung,<br />

sondern ein privates Unternehmen. Dann könnte man<br />

meiner Meinung nach unschwer zu dem Ergebnis gelangen,<br />

dass ein solches Unternehmen gemäß der Richtlinie rechtlich<br />

einwandfrei dem Gläubiger eine Kompromissregelung<br />

vorschlagen kann, die mit dem der Klägerin angebotenen<br />

Finanzierungsprogramm vergleichbar ist.<br />

Macht Factoring den Unterschied?<br />

Schließlich kam es zu einer Diskussion über die Konsequenzen<br />

des Umstands, dass der Gläubiger im Ausgangsverfahren<br />

nicht der ursprüngliche Lieferant der Waren oder<br />

Erbringer von Dienstleistungen an den Gesundheitsdienst<br />

ist, sondern ein Factoring-Unternehmen. Wirken sich die<br />

Verhältnisse, die ich als zugrunde liegende Beteiligungen<br />

bezeichnen möchte, auf das Ergebnis aus, das ich oben<br />

dargelegt habe? Meiner Meinung nach ist dies nicht der Fall.<br />

So sieht der EuGH den Factor<br />

Factoring-Unternehmen erbringen eine Dienstleistung <strong>für</strong><br />

Unternehmen. Diese Leistung besteht darin, dass sie Buchforderungen<br />

von Unternehmen, üblicherweise im Produktions-,<br />

Einzelhandels- oder Dienstleistungssektor, mit Abschlag<br />

erwerben. Bei der Berechnung dieses Abschlags<br />

berücksichtigen die betreffenden Unternehmen alle relevanten<br />

Umstände, u.a. den voraussichtlichen Zeitraum bis<br />

zur Begleichung der Forderung und das Ausfallrisiko. Dabei<br />

bedarf es unweigerlich eines gewissen Urteilsvermögens<br />

des Unternehmens. Seine Fähigkeit, aufgrund dieser Beurteilung<br />

die angemessene Höhe des Abschlags festzulegen,<br />

entscheidet über den Erfolg oder das Scheitern des Unternehmens<br />

am Markt. Als Gegenleistung <strong>für</strong> das Akzeptieren<br />

des angebotenen Abschlags erlangt der betreffende Gläubiger<br />

sofortige Befriedigung (eines Teils) seiner Forderung.<br />

Dem Factoring-Unternehmen hingegen wird die Forderung<br />

in voller Höhe abgetreten. Nach der Maxime assignatus<br />

utitur jure auctoris entspricht der abgetretene Forderungsbetrag<br />

genau dem Betrag, d.h. also weder einem höheren,<br />

aber auch nicht einem geringeren Betrag als dem, der vor<br />

der Abtretung in den Büchern des Zahlungsempfängers<br />

ausgewiesen war.<br />

Gewinn bleibt unerheblich<br />

Dass das betreffende Factoring-Unternehmen die zugrunde<br />

liegenden Forderungen offenbar vor Einführung<br />

des Programms beglichen und infolgedessen einen scheinbar<br />

unerwarteten Gewinn erzielt hat, ist meines Erachtens<br />

<strong>für</strong> die Grundproblematik ohne Belang.<br />

Folglich sind die Richtlinie 2000/35 und insbesondere<br />

deren Art. 3 Abs. 3 dahin auszulegen, dass sie Vorschriften<br />

des nationalen Rechts nicht entgegenstehen, die a) dem<br />

Gläubiger das Recht auf Teilnahme an einem Programm<br />

zur „beschleunigten“ Befriedigung einer vertraglich fälligen<br />

Hauptforderung geben, wobei die Befriedigung unter der<br />

Bedingung erfolgt, dass der Gläubiger seine vertraglichen<br />

Verpflichtungen erfüllt hat und dass er auf den Anspruch<br />

auf Verzugszinsen und auf Entschädigung <strong>für</strong> Beitreibungskosten<br />

verzichtet, und gleichzeitig b) dem Gläubiger<br />

die Möglichkeit lassen, die Teilnahme an einem solchen<br />

Programm abzulehnen mit der Folge, dass sein Anspruch<br />

sowohl auf Verzugszinsen als auch auf Entschädigung<br />

bestehen bleibt, er allerdings wahrscheinlich erheblich länger<br />

auf den Erhalt der Zahlung warten muss.<br />

Richtlinie 2011/7<br />

Die Richtlinie 2011/7 stellt eine Neufassung der Richtlinie<br />

2000/35 dar und baut dabei auf dem Schutz auf, den die<br />

Vorgängerrichtlinie <strong>für</strong> Gläubiger im Hinblick auf den Zahlungsverzug<br />

im Geschäftsverkehr geschaffen hatte.<br />

Unterschiede sehen<br />

Die Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 2011/7 sehen jeweils<br />

einen Anspruch des Gläubigers auf Verzugszinsen vor und<br />

entsprechen damit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/35.<br />

Allerdings beinhalten sie eine Unterscheidung<br />

• nach dem Geschäftsverkehr zwischen zwei oder mehreren<br />

Unternehmen (Regelungsgegenstand von Art. 3) und<br />

• dem Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen<br />

Stellen (Regelungsgegenstand von Art. 4)(26).<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 165


Entscheidungen<br />

<strong>zfm</strong><br />

Da bei öffentlichen Stellen davon ausgegangen wird, dass<br />

sie im Allgemeinen mit nachhaltigeren Einkünften rechnen<br />

können und ihnen Finanzmittel zu günstigeren Bedingungen<br />

angeboten werden als Unternehmen, gelten <strong>für</strong> sie in<br />

der Regel strengere Anforderungen.<br />

Größere Sicherheit <strong>für</strong> den Gläubiger<br />

Art. 6 schafft im Vergleich zu der entsprechenden Bestimmung<br />

des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2000/35<br />

größere Sicherheit <strong>für</strong> Gläubiger bezüglich der Geltendmachung<br />

der Entschädigung <strong>für</strong> Beitreibungskosten. Insbesondere<br />

stellen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 sicher, dass in<br />

Fällen, in denen gemäß Art. 3 oder Art. 4 im Geschäftsverkehr<br />

Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber<br />

dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines<br />

Pauschalbetrags von mindestens 40 EUR hat.<br />

Art. 7 der Richtlinie 2011/7 ersetzt Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie<br />

2000/35. Nach Art. 7 Abs. 1 bestimmen die Mitgliedstaaten,<br />

dass eine Vertragsklausel oder eine Praxis im Hinblick auf<br />

den Zahlungstermin oder die Zahlungsfrist, auf den <strong>für</strong><br />

Verzugszinsen geltenden Zinssatz oder auf die Entschädigung<br />

<strong>für</strong> Beitreibungskosten, die <strong>für</strong> den Gläubiger grob<br />

nachteilig ist, entweder nicht durchsetzbar ist oder einen<br />

Schadensersatzanspruch begründet.<br />

Vermutung des groben Nachteils<br />

Erstens sieht Art. 7 Abs. 2 vor, dass eine Vertragsklausel<br />

oder eine Praxis als grob nachteilig im Sinne von Art. 7<br />

Abs. 1 anzusehen ist, wenn in ihr Verzugszinsen ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Ausschluss Verzugszinsen<br />

Während der Ausdruck „Vertragsklausel“ keiner Erläuterung<br />

bedarf, mag eine solche hinsichtlich des Begriffs<br />

„Praxis“ angebracht sein. Der Begriff ist in der Richtlinie<br />

nicht definiert. Meines Erachtens ist er dahin zu verstehen,<br />

dass es dabei um etwas bei Vertragsschluss Wirksames<br />

geht. Damit meine ich eine Regelung, die im Vertrag zwar<br />

nicht ausdrücklich niedergelegt oder aufgeführt ist, die<br />

Parteien aber dennoch bindet, in aller Regel aufgrund des<br />

geschäftlichen Verkehrs zwischen ihnen oder infolge der in<br />

dem betreffenden Gewerbe oder Geschäftsfeld üblichen<br />

Usancen und Gepflogenheiten.<br />

Entsprechend dem akademischen „Entwurf eines Gemeinsamen<br />

Referenzrahmens“ sollte eine Vertragsklausel oder<br />

Praxis, die eine grobe Abweichung von der guten Handelspraxis<br />

darstellt und gegen den Grundsatz des guten<br />

Glaubens und der Redlichkeit verstößt, als nachteilig <strong>für</strong><br />

den Gläubiger angesehen werden. Insoweit weise ich<br />

darauf hin, dass im Gemeinsamen Referenzrahmen der<br />

Begriff „Vertragsklausel“ wie folgt definiert ist: „Vertragsklauseln<br />

können sich aus der ausdrücklichen oder stillschweigenden<br />

Vereinbarung der Parteien, aus gesetzlichen<br />

Regeln oder aus den zwischen den Parteien geübten<br />

Praktiken oder aus Usancen herleiten.“<br />

Ausschluss Beitreibungskosten<br />

Zweitens begründet Art. 7 Abs. 3 die Vermutung, dass eine<br />

Vertragsklausel oder Praxis grob nachteilig ist, wenn in ihr<br />

die Entschädigung <strong>für</strong> Beitreibungskosten ausgeschlossen<br />

wird. Diese Bestimmung unterscheidet sich insofern von<br />

Art. 7 Abs. 2, als nach der letztgenannten Vorschrift der<br />

Ausschluss von Verzugszinsen als grob nachteilig „anzusehen<br />

ist“. Diese Konsequenz ist also unumstößlich, während<br />

die Vermutung in Abs. 3 widerleglich ist. Ein Schuldner, der<br />

die Vermutung widerlegen will, muss somit hinreichende<br />

Beweise vorlegen, um ein gegenteiliges Vorbringen zu<br />

entkräften, und seine Auffassung begründen. Abgesehen<br />

von diesem Punkt ist Art. 7 Abs. 3 in derselben Weise zu<br />

verstehen wie Art. 7 Abs. 2.<br />

Systematik der Richtlinien gleich<br />

Auch wenn die Richtlinie 2011/7 den Gläubigerschutz bei<br />

Zahlungsverzug zweifellos verstärkt hat, so ist doch ihre<br />

Systematik im Wesentlichen die gleiche wie die der Richtlinie<br />

2000/35. So haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass<br />

den Gläubigern Ansprüche im Hinblick auf den Zeitpunkt, ab<br />

dem Verzugszinsen nach Maßgabe eines Vertrags fällig<br />

werden, auf die Höhe dieser Zinsen und auf die Entschädigung<br />

<strong>für</strong> Beitreibungskosten zustehen. Jeder Versuch des<br />

Schuldners, im geschlossenen Vertrag grob nachteilige Vertragsklauseln<br />

oder Praktiken aufzuzwingen, kann oder wird<br />

tatsächlich dazu führen, dass die Bestimmung nicht durchsetzbar<br />

ist oder einen Schadensersatzanspruch begründet.<br />

Die Richtlinie 2011/7 enthält meines Erachtens jedoch keine<br />

Bestimmungen, die einen Gläubiger, wenn dieser seinerseits<br />

den Vertrag erfüllt hat, am Abschluss einer wirksamen<br />

freiwilligen Vereinbarung mit dem Schuldner hindern,<br />

wonach der Gläubiger die umgehende Befriedigung der<br />

vertraglich fälligen Hauptforderung erlangt, wenn er im<br />

Gegenzug auf die Ansprüche, die ihm im Hinblick auf<br />

Zahlungsverzug zustehen, und auf die Entschädigung <strong>für</strong><br />

Beitreibungskosten verzichtet.<br />

Fazit<br />

Folglich ist die Richtlinie 2011/7 und insbesondere deren<br />

Art. 7 Abs. 2 und 3 meines Erachtens dahin auszulegen, dass<br />

sie Vorschriften des nationalen Rechts nicht entgegenstehen,<br />

die a) dem Gläubiger das Recht auf Teilnahme an<br />

einem Programm zur „beschleunigten“ Befriedigung einer<br />

vertraglich fälligen Hauptforderung geben, wobei die Befriedigung<br />

unter der Bedingung erfolgt, dass der Gläubiger<br />

seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat und dass er<br />

auf den Anspruch auf Verzugszinsen und auf Entschädigung<br />

<strong>für</strong> Beitreibungskosten verzichtet, und gleichzeitig b) dem<br />

166 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Entscheidungen<br />

Gläubiger die Möglichkeit lassen, die Teilnahme an einem<br />

solchen Programm abzulehnen mit der Folge, dass sein<br />

Anspruch sowohl auf Verzugszinsen als auch auf Entschädigung<br />

bestehen bleibt, er allerdings wahrscheinlich erheblich<br />

länger auf den Erhalt der Zahlung warten muss.<br />

Anmerkung<br />

In der Regel folgt der EuGH in seinem Schlussurteil den<br />

Schlussanträgen des Generalanwaltes, weshalb davon<br />

ausgegangen werden kann, dass die aufgezeigten Grundsätze<br />

die Auslegung der EU-Verzugsrichtlinie bestimmen<br />

werden. Dass es sich vorliegend um eine Forderung gegen<br />

die öffentliche Hand handelte, bleibt – wie die Generalanwältin<br />

zutreffend hervorhebt – ohne Relevanz. Die EU-<br />

Verzugsrichtlinie gilt in gleicher Weise <strong>für</strong> private wie<br />

öffentliche Schuldner.<br />

Die dem EuGH vorliegende Konstellation stellt die umgekehrte<br />

Wirklichkeit dar. In seinem Fall bot der Schuldner<br />

eine schnelle Zahlung gegen einen Teilverzicht der Gesamtforderung<br />

im Umfang der Zinsen wie der Beitreibungskosten<br />

an. In der Praxis ist es dagegen meist der Gläubiger,<br />

der dem Schuldner ein solches Angebot macht und damit<br />

die Zahlungsmotivation des Schuldners erhöhen möchte.<br />

Zu einem solchen Angebot – im deutschen Recht als<br />

Abfindungsvergleich bezeichnet – sind gerade Inkassounternehmen<br />

in der Lage. Während der Rechtsanwalt in der<br />

Regel weder Forderungen kauft noch auf seine gesetzlichen<br />

Gebühren verzichten darf, so dass in der geschilderten<br />

Konstellation die Beitreibungskosten weiter zu Lasten<br />

des Gläubigers gehen, sieht dies bei Inkassounternehmen<br />

anders aus. Inkassounternehmen kaufen Forderungen<br />

(auch) und sehen ihren Gewinn in der Differenz zwischen<br />

dem Kaufpreis und den tatsächlichen Zahlungen des<br />

Schuldners abzüglich des Beitreibungsaufwandes. Innerhalb<br />

von Servicemandanten liegt der Fokus mehr auf der<br />

Erfolgsprovision als der Realisierung der Rechtsverfolgungskosten.<br />

Angesichts der fortdauernden Finanzkrise in<br />

Europa ist allerdings zu be<strong>für</strong>chten, dass das Urteil Schule<br />

macht und Schuldner vermehrt dazu motiviert, selbst<br />

Abfindungsangebote der beschriebenen Art zu unterbreiten.<br />

Dies muss bei der Kalkulation von Kaufpreisen beachtet<br />

werden, insbesondere auch, mit welchen Quoten Voll- und<br />

Teilzahler angenommen werden.<br />

Die Entscheidung zeigt einen weiteren wichtigen Aspekt:<br />

Für den Gläubiger und seinen Rechtsdienstleister ist es<br />

wichtig, erst einmal die Gesamtforderung in ihrem berechtigten<br />

Umfang festzustellen und geltend zu machen. Ein<br />

voreiliger Verzicht auf Forderungsteile beseitigt die mögliche<br />

Verhandlungsmasse <strong>für</strong> einen Abfindungsvergleich.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Zwangsvollstreckung<br />

Keine Feststellung der Privilegierung<br />

im Mahnverfahren – oder:<br />

Hier muss der Gesetzgeber ran<br />

ZPO §§ 688 ff., 850d, 850f Abs. 2; InsO § 302; BGB §§ 305,<br />

307<br />

Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines<br />

Unterhaltsanspruchs gemäß § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO zu<br />

erbringen, muss der Gläubiger einen Titel vorlegen, aus<br />

dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung –<br />

ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der<br />

in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt<br />

(Bestätigung von BGH, Beschl. v. 6.9.2012 – VII ZB 84/10,<br />

NJW 2013, 239).<br />

Durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides kann<br />

dieser Nachweis durch den Gläubiger nicht geführt werden<br />

(Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 5.4.2005 – VII ZB<br />

17/05, NJW 2005, 1663 und 10.3.2011 – VII ZB 70/08,<br />

NJWRR 2011, 791).<br />

BGH, Urt. v. 6.4.<strong>2016</strong> – VII ZB 67/13<br />

Sachverhalt<br />

Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung<br />

aus einem Vollstreckungsbescheid. Diesen<br />

hatte er wegen Unterhaltsansprüchen erwirkt, nachdem<br />

er als zuständige Gebietskörperschaft an das leibliche Kind<br />

des Schuldners zu Händen der Kindesmutter Unterhaltsvorschuss<br />

gezahlt hatte. Im Vollstreckungsbescheid war die<br />

Hauptforderung als „Unterhaltsrückstand gemäß Schreiben<br />

25.3.2013 vom 1.11.10 bis 31.3.11“ bezeichnet.<br />

Privilegierte Vollstreckung abgelehnt<br />

Der Gläubiger hat beim Amtsgericht – Vollstreckungsgericht<br />

– die Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners<br />

unter Anwendung der Privilegierung des § 850d ZPO<br />

beantragt. Das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – hat<br />

einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach Maßgabe<br />

der gemäß § 850c ZPO bestehenden Pfändungsgrenzen<br />

erlassen und den Antrag auf eine weitergehend<br />

privilegierte Pfändung gemäß § 850d ZPO zurückgewiesen.<br />

VB reicht zum Nachweis nicht<br />

Die Beschwerde des Gläubigers gegen die teilweise Zurückweisung<br />

seines Antrags hat keinen Erfolg gehabt. Das<br />

Beschwerdegericht, dessen Beschluss in FamRZ 2014,<br />

1658 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, dass durch den<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 167


Entscheidungen<br />

<strong>zfm</strong><br />

Gläubiger kein Titel vorgelegt worden sei, aus dem sich – sei<br />

es auch durch Auslegung – die Qualifikation des zugrunde<br />

liegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch der in § 850d<br />

Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art ergebe. So lasse sich dem<br />

Vollstreckungsbescheid bereits nicht entnehmen, ob tatsächlich<br />

die von § 850d ZPO privilegierten Unterhaltsforderungen<br />

erfasst seien oder beispielsweise eine rein vertraglich<br />

begründete Unterhaltsforderung zugrunde liege.<br />

Feststellung nur mit dem Titel möglich<br />

Die Rechtsnatur könne auch nicht durch die von dem<br />

Gläubiger beigebrachten ergänzenden Unterlagen belegt<br />

werden. Denn der Umfang der Eingriffsbefugnisse eines<br />

jeden Vollstreckungsorgans sei allein durch den Titel festgelegt,<br />

weil nur das Prozessgericht darüber zu befinden<br />

habe, welche Rechte dem Gläubiger zustehen und durchsetzbar<br />

sind. Das Verfahren gemäß § 850d ZPO vor dem<br />

Vollstreckungsgericht sei demgegenüber ein Zwangsvollstreckungs-<br />

und kein Erkenntnisverfahren, das einen<br />

Rückgriff auf außerhalb des Titels beigebrachte Unterlagen<br />

<strong>für</strong> eine nähere Prüfung verbiete.<br />

Mangelnder Widerspruch unerheblich<br />

Auch die Tatsache, dass der Schuldner weder einen<br />

Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch einen Einspruch<br />

gegen den Vollstreckungsbescheid nach zuvor erfolgter<br />

Ankündigung der Rechtsnatur der geltend gemachten<br />

Unterhaltsansprüche eingelegt habe, führe zu keinem<br />

Nachweis einer privilegierten Unterhaltsforderung. Denn<br />

der Übergang in das streitige Verfahren ziele allein auf die<br />

Abwehr des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ab.<br />

Komme es dazu nicht, sei der zugrunde liegende Vollstreckungsbescheid<br />

allein auf einseitigen Vortrag des Gläubigers<br />

hin ergangen, ohne dass eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung<br />

des Rechtsgrundes erfolgt sei.<br />

Kein Unterschied zu § 850f Abs. 2 ZPO<br />

Für das Vollstreckungsprivileg des § 850d ZPO seien<br />

insgesamt dieselben Grundsätze anzuwenden wie <strong>für</strong><br />

eine privilegierte Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO. Für<br />

die vollstreckungsrechtliche Vergünstigung des § 850d<br />

ZPO sei der Gläubiger deshalb auf eine den bisherigen<br />

Vollstreckungstitel ergänzende Feststellungsklage angewiesen.<br />

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen<br />

Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.<br />

Entscheidungsgründe<br />

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.<br />

BGH bestätigt LG<br />

Der Gläubiger, der eine nach § 850d Abs. 1 ZPO privilegierte<br />

Zwangsvollstreckung betreiben möchte, muss dem Vollstreckungsorgan<br />

einen Titel vorlegen, aus dem sich –<br />

gegebenenfalls im Wege der Auslegung – die Qualifikation<br />

des zugrunde liegenden Anspruchs als Unterhaltsanspruch<br />

der in § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Art ergibt (BGH<br />

NJW 2013, 239 = FoVo 2013, 31). Denn es ist wie im Fall des<br />

§ 850f Abs. 2 ZPO (BGH FoVo 2011, 134) nicht Aufgabe des<br />

Vollstreckungsgerichts zu prüfen, ob der Gläubiger aus<br />

einem in der Zwangsvollstreckung privilegierten Anspruch<br />

vorgeht. Vielmehr ist es an die Auffassung des Prozessgerichts<br />

hierzu gebunden. Allein das wird der Aufgabenverteilung<br />

zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren<br />

gerecht (BGH FoVo 2011, 134).<br />

BGH hält an seiner Ansicht fest<br />

Hieran hält der Senat auch angesichts vereinzelt geäußerter<br />

Kritik (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn 1113,<br />

1193, 1193a; zustimmend dagegen Ahrens, NJW 2013, 240 f.;<br />

Aps, FF 2013, 28 f.; Seiler, FamRZ 2012, 1801 f.) fest.<br />

AGMV: Einfach, schneller, billiger …<br />

Das Mahnverfahren soll dem Gläubiger einen einfachen<br />

und kostengünstigen Weg zu einem Vollstreckungsbescheid<br />

eröffnen. Ob der geltend gemachte Anspruch zu<br />

Recht besteht, wird in diesem Verfahren nicht geprüft, auf<br />

seine Begründung und eine Schlüssigkeitsprüfung wird<br />

verzichtet. Auch zur Individualisierung des Anspruchs<br />

(§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) ist eine nähere Angabe des<br />

Rechtsgrundes, aus dem er hergeleitet wird, nicht erforderlich.<br />

Eine materiell-rechtliche Befassung des Prozessgerichts<br />

findet nicht statt; die rechtliche Einordnung des<br />

Anspruchs beruht allein auf einseitigen, vor der Titulierung<br />

nicht überprüften Angaben des Gläubigers.<br />

… oder eben nicht mit dem BGH?<br />

Schon deshalb kann eine Bindung <strong>für</strong> das Vollstreckungsgericht<br />

nicht eintreten. Dem steht nicht entgegen, dass ein<br />

Vollstreckungsbescheid der materiellen Rechtskraft fähig ist<br />

und diese sämtliche Rechtsgründe <strong>für</strong> den geltend gemachten<br />

Anspruch erfasst. Denn es geht <strong>für</strong> den Gläubiger darum,<br />

die Voraussetzungen des Vollstreckungsprivilegs nachzuweisen.<br />

Dazu bedarf er eines Titels, der seine Berechtigung<br />

zu einem erweiterten Vollstreckungszugriff <strong>für</strong> das<br />

Vollstreckungsgericht erkennen lässt. Diese Berechtigung ist<br />

ausschließlich durch das Prozessgericht zu beurteilen; die<br />

ihm obliegende Prüfung kann durch eine bloße Behauptung<br />

des Gläubigers nicht ersetzt werden (BGH NJW 2005, 1663).<br />

Zweck des Mahnverfahrens sehen<br />

Hinzu tritt Folgendes: Das Mahnverfahren, das zum Erlass<br />

des Vollstreckungsbescheides geführt hat, kann nur wegen<br />

eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten<br />

Geldsumme zum Gegenstand hat, eingeleitet werden<br />

(§ 688 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht dazu bestimmt, zur<br />

Vorbereitung der privilegierten Vollstreckung den Schuldgrund<br />

feststellen zu lassen. Der Widerspruch des Schuld-<br />

168 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Entscheidungen<br />

ners und der dadurch bedingte Übergang in das streitige<br />

Verfahren zielen auf die Abwehr des geltend gemachten<br />

Zahlungsanspruchs. Für den Schuldner besteht zur Einlegung<br />

des Widerspruchs keine Veranlassung, wenn er<br />

nach seiner Auffassung den geforderten Betrag – obschon<br />

aus einem anderen Rechtsgrund – jedenfalls im<br />

Ergebnis schuldet. Es ist nicht seine Aufgabe, die vom<br />

Gläubiger behaupteten Voraussetzungen <strong>für</strong> eine privilegierte<br />

Vollstreckung auszuräumen. Vielmehr obliegt es<br />

dem Gläubiger, den Nachweis <strong>für</strong> das von ihm beanspruchte<br />

Vollstreckungsprivileg zu erbringen. Dazu muss<br />

er seinerseits eine Feststellungsklage erheben, <strong>für</strong> die die<br />

Verfahrensart der §§ 688 ff. ZPO nicht geeignet ist (BGH<br />

NJW 2005, 1663; BGH NJW 2006, 2922).<br />

Auch eine Auslegung hilft nicht<br />

Diese Erwägungen gelten ebenso <strong>für</strong> die Feststellung der<br />

Voraussetzungen der Vollstreckungsprivilegierung gemäß<br />

§ 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie ist aufgrund eines Vollstreckungsbescheides<br />

nicht möglich. Es kommt deshalb nicht<br />

mehr darauf an, ob es richtig ist, dass – wie das LG<br />

angenommen hat – eine Auslegung des Vollstreckungsbescheides<br />

dahin, dass es sich um gesetzliche Unterhaltsansprüche<br />

handelt, hier schon nicht möglich ist. Selbst<br />

wenn eine Auslegung in diese Richtung ausnahmsweise<br />

dann möglich wäre, wenn der Träger der Sozialkasse einen<br />

auf ihn gemäß § 7 UVG übergegangenen Anspruch geltend<br />

macht (vgl. LG Leipzig FamRZ <strong>2016</strong>, 74), ändert das nichts<br />

an diesem Ergebnis. Gleiches gilt in Fällen, in denen nähere<br />

Angaben zur rechtlichen Qualifikation in einem Vollstreckungsbescheid<br />

aufgrund des zugrunde liegenden Antrags<br />

auf Erlass eines Mahnbescheides enthalten sein sollten<br />

(vgl. zu Formulierungen DIJuF-Rechtsgutachten JAmt<br />

2014, 86, 87; vgl. auch LG Dresden FamRZ 2015, 1740).<br />

Anmerkung<br />

Der BGH ist also der Ansicht, dass mangels materiellrechtlicher<br />

Prüfung – zumindest in Form der Schlüssigkeitsprüfung<br />

– der die privilegierende Eigenschaft der<br />

Forderung tragenden Behauptung des Gläubigers eine<br />

Bindung <strong>für</strong> das Vollstreckungsgericht nicht eintreten<br />

kann. Das ist eine bloße Behauptung des BGH, dem es an<br />

einer aus dem Gesetz abgeleiteten sachlichen Begründung<br />

fehlt. Wegen des eigentlichen Zahlungsanspruchs, der<br />

nicht intensiver geprüft wird, tritt auch eine Bindung ein.<br />

Niemand käme auf die Idee, den Zahlungsanspruch noch<br />

einmal überprüfen zu wollen.<br />

Hilfsüberlegung trägt …<br />

Die Entscheidung des BGH wird aber von seiner Hilfsüberlegung<br />

getragen, die dem Wortlaut des Gesetzes<br />

Rechnung trägt. Im gerichtlichen Mahnverfahren können<br />

nur Geldforderungen, aber keine Feststellungsansprüche<br />

tituliert werden, § 688 Abs. 1 S. 1 ZPO.<br />

… so dass der Gesetzgeber gefragt ist<br />

Gefordert ist deshalb der Gesetzgeber, das gerichtliche<br />

Mahnverfahren nicht weiter zu entwerten. Es obliegt dem<br />

(Teil-)Wider- oder Einspruch des Schuldners, die Feststellung<br />

der Privilegierung – sei es der vorsätzlich unerlaubten<br />

Handlung oder der Privilegierung als gesetzlicher<br />

Unterhaltsanspruch – einer Überprüfung durch das Prozessgericht<br />

zuzuführen. Demgegenüber belastet es den<br />

Gläubiger, den Schuldner und letztlich auch die Justiz über<br />

die Maßen, hier<strong>für</strong> bei unstreitigem Sachverhalt das<br />

Prozessgericht anrufen zu müssen. Hierbei entstehen<br />

weitere (erhebliche) Kosten, die nur dann gerechtfertigt<br />

sind, wenn der Schuldner die Auffassung des Gläubigers<br />

über den Privilegierungstatbestand nicht teilt.<br />

Parallele zur InsO ziehen<br />

Das ist dem geltenden Recht auch nicht fremd. Meldet<br />

der Gläubiger eine Forderung (auch) aus vorsätzlich<br />

begangener unerlaubter Handlung im Insolvenzverfahren<br />

an, so wird der Schuldner auf die damit verbundene<br />

Einschränkung bei der Bewilligung der Restschuldbefreiung<br />

nach § 302 InsO hingewiesen. Widerspricht er nicht,<br />

erfolgt die Feststellung der Qualifizierung im Insolvenzverfahren<br />

ebenfalls ohne weitere materiell-rechtliche<br />

Prüfung des Prozessgerichts. Es wäre deshalb auch <strong>für</strong><br />

das gerichtliche Mahnverfahren durchaus denkbar, <strong>für</strong><br />

beide Qualifikationstatbestände eine eigene Katalogziffer<br />

im gerichtlichen Mahnverfahren vorzusehen, die dann<br />

eine hinreichende Belehrung des Schuldners über die<br />

Folgen und seine Rechtsschutzmöglichkeiten auslöst.<br />

Reagiert der Schuldner darauf nicht, ist es gerechtfertigt,<br />

ihn an einem die Privilegierung aussprechenden Vollstreckungsbescheid<br />

festzuhalten.<br />

Keine Vereinbarung in AGB möglich<br />

Das gilt umso mehr, als der BGH auch die Möglichkeiten,<br />

ein außergerichtliches Anerkenntnis der Qualifizierung als<br />

Nachweis im Vollstreckungsverfahren zu erlangen, beschränkt<br />

hat. Der vollständige oder teilweise Verzicht auf<br />

die Wirkungen der Restschuldbefreiung in Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen ist demnach ebenso unwirksam<br />

wie das Anerkenntnis des Schuldgrundes einer vorsätzlich<br />

begangenen unerlaubten Handlung (BGH NJW 2015, 3029).<br />

Damit hat er den Vollstreckungsparteien ein weiteres<br />

Instrument genommen, eine kostensparende Alternative<br />

zu finden. Am Ende drückt sich darin ein Misstrauen<br />

gegenüber der Geschäftsfähigkeit des Schuldners sowie<br />

den materiell-rechtlichen wie verfahrensrechtlichen Instituten<br />

aus, die letztlich aber den Schuldner im wahrsten<br />

Sinne des Wortes mehr kosten. Die alternativen Verfahrensweisen<br />

der Klage vor dem Prozessgericht gerade auch<br />

bei unstreitigen Fällen – beispielsweise das Schwarzfahren<br />

im ÖPNV oder die Versandhandelsbestellung parallel zur<br />

Offenbarung der Vermögenslosigkeit gegenüber einem<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 169


Entscheidungen<br />

<strong>zfm</strong><br />

anderen Gläubiger (Eingehungsbetrug) – schaffen nur<br />

Zeitverluste und Kostenaufwand, die nicht notwendig sind.<br />

aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag an die Beklagte<br />

abgetreten werden.<br />

Der Gesetzgeber sollte den Mut haben, die Eigenverantwortung<br />

des Schuldners – durch Widerspruch oder<br />

Einspruch ggf. nach Belehrung zu reagieren – einzufordern<br />

und den Grundsatz, dass Unstreitiges auch ohne Prüfung<br />

durch ein Prozessgericht tituliert werden kann, im gerichtlichen<br />

Mahnverfahren nicht (weiter) einschränken. Missbrauchsfällen<br />

ist die Rechtsprechung schon in der Vergangenheit<br />

mit § 826 BGB erfolgreich begegnet. Das<br />

erlaubt, die Rechtskraft des erschlichenen Vollstreckungsbescheides<br />

zu beseitigen und genügt, um der Ausnahme<br />

zur Regel Geltung zu verschaffen.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Berufsrecht<br />

Anwalt darf kein Erfüllungsgehilfe<br />

eines Unternehmens sein<br />

RDG §§ 2 Abs. 2, 3, 10 RDG; UWG §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11<br />

Auch wenn formal ein Mandatsvertrag zwischen einem<br />

Rechtsanwalt und einem Kunden eines Unternehmens,<br />

das Prozessbetreuungen <strong>für</strong> die Anfechtung von Versicherungsverträgen<br />

durchführt, zustande kommt, kann<br />

der Rechtsanwalt unzulässigerweise Erfüllungsgehilfe<br />

des Unternehmens sein.<br />

BGH, Beschl. v. 12.11.2015 – I ZR 211/14<br />

Sachverhalt<br />

Die Klägerin, eine bundesweit überwiegend auf dem Gebiet<br />

des Versicherungsrechts tätige Rechtsanwaltskanzlei, verfolgt<br />

gegenüber der Beklagten, die sich mit der Geltendmachung<br />

von Ansprüchen aus gekündigten Lebens- und<br />

Rentenversicherungsverträgen befasst, wettbewerbsrechtliche<br />

Ansprüche wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz<br />

(RDG).<br />

Realisierung Versicherungsforderungen<br />

Die Beklagte verfügt nicht über eine Registrierung nach<br />

§ 10 RDG. Potentielle Kunden der Beklagten sind Versicherungsnehmer,<br />

die an ihren Versicherungsverträgen<br />

nicht mehr festhalten wollen. Die Beklagte bietet ihren<br />

Kunden zwei Geschäftsmodelle an.<br />

Einerseits handelt es sich um eine sogenannte Kauf- und<br />

Abtretungsvereinbarung, bei der die Rechte des Kunden<br />

Andererseits handelt es sich um einen sog. Prozessbetreuungsvertrag,<br />

bei dem die Beklagte die Ansprüche des<br />

Kunden in dessen Namen durchsetzen soll und die Prozesskosten<br />

üblicherweise durch eine Rechtsschutzversicherung<br />

des Kunden getragen werden sollen.<br />

AGB zur Prozessbetreuung<br />

Die Beklagte hat <strong>für</strong> die Prozessbetreuungsverträge „MRS<br />

2011“ und „MRS 2012“ Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

verwendet, in denen es unter anderem wie folgt heißt:<br />

[MRS 2011] „( … ) Deshalb beauftrage ich Sie hiermit, meine<br />

Ansprüche <strong>für</strong> mich gemäß der umseitigen Bedingungen über<br />

die Prozessbetreuung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen<br />

( … ) durchzusetzen. ( … ) Ich habe eine Rechtsschutzversicherung,<br />

die die Verfahrenskosten trägt. ( … )“<br />

[MRS 2012] „( … ) Deshalb beauftrage ich Sie hiermit, die<br />

Durchsetzung meiner Ansprüche <strong>für</strong> mich gemäß der<br />

umseitigen Bedingungen über die Prozessbetreuung zur<br />

Anfechtung von Versicherungsverträgen ( … ) zu betreuen.<br />

( … ) Die Verfahrenskosten übernimmt meine Rechtsschutzversicherung.<br />

( … )“<br />

„Bedingungen über die Prozessbetreuung zur Anfechtung<br />

von Versicherungsverträgen<br />

Präambel<br />

( … ) Um schnellstmöglich über das Guthaben verfügen zu<br />

können, beauftragt der Anspruchsinhaber die p. durch umstehende<br />

Erklärung mit der Betreuung und Steuerung der<br />

Anspruchsdurchsetzung. Die p. hat hierzu eine Strategie<br />

entwickelt, die ihr Know-how und damit einen wesentlichen<br />

Teil ihrer Geschäftsgrundlage darstellt und mit<br />

welcher der gesamte Verfahrensablauf gesteuert werden<br />

soll. ( … ) Die p. erbringt im Rahmen dieser Vereinbarung<br />

selbst keine Leistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes<br />

(RDG). Mit der Prüfung des Sachverhalts<br />

sowie der ggf. erforderlichen außergerichtlichen Korrespondenz<br />

zum Zwecke der Anspruchsdurchsetzung werden<br />

jeweils unabhängige Rechtsanwälte beauftragt, welche<br />

dem Netzwerk der p. zugehörig sind. ( … )<br />

§ 2 Leistungen der p.<br />

(1) Die p. übernimmt die Betreuung und Steuerung der<br />

außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der<br />

Ansprüche des Anspruchsinhabers gegenüber der Versicherung.<br />

Hier<strong>für</strong> bringt die p. ihr gesamtes Know-how, das sie<br />

bereits erworben hat und stetig weiterentwickelt, ein.<br />

170 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Entscheidungen<br />

(2) Die p. ist ( … ) bevollmächtigt, <strong>für</strong> die gerichtliche und<br />

außergerichtliche Wahrnehmung der Interessen des Anspruchsinhabers<br />

gegenüber dem Versicherer einen unabhängigen<br />

Rechtsanwalt aus ihrem Netzwerk auszuwählen<br />

und mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen. Die p.<br />

wird durch den Anspruchsinhaber ermächtigt, in Abstimmung<br />

mit den bevollmächtigten Rechtsanwälten in Vertretung<br />

<strong>für</strong> den Anspruchsinhaber zu entscheiden, welche<br />

außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Maßnahmen <strong>für</strong> die<br />

Durchsetzung der sich etwaig aus dem Versicherungsvertrag<br />

ergebenden Ansprüchen eingeleitet werden. ( … )“<br />

LG verurteilt zur Unterlassung<br />

Das LG hat – bestätigt durch das OLG – die Beklagte<br />

wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in<br />

Verbindung mit § 2 Abs. 2, § 3 RDG antragsgemäß<br />

verurteilt, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel<br />

zu unterlassen, Versicherungsnehmer geschäftsmäßig<br />

aufzufordern, Versicherungsverträge samt Korrespondenz<br />

mit dem betreffenden Versicherer einzureichen<br />

und eine entgeltliche rechtliche Prüfung hinsichtlich der<br />

Erfolgsaussichten einer vollständigen oder teilweisen Beitragsrückforderung<br />

vorzunehmen, wenn dies in näher<br />

bezeichneter Weise geschieht. Hiergegen wendet sich die<br />

Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.<br />

Entscheidungsgründe<br />

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die<br />

Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die auf<br />

die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten<br />

Rügen greifen nicht durch und die Fortbildung des Rechts<br />

oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

erfordern auch im Übrigen eine Entscheidung des Revisionsgerichts<br />

nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).<br />

Die Entscheidungen der Vorgerichte erweisen sich im<br />

Ergebnis als richtig, weil ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11,<br />

§ 8 UWG in Verbindung mit § 3 RDG gegeben ist. Das<br />

ergangene Verbot ist zudem mit dem Grundrecht der<br />

Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar.<br />

Mandatsverhältnis VN zu RA erforderlich<br />

Die Struktur der Vertragsmodelle „MRS 2011“ und „MRS<br />

2012“, die den Eintritt der Rechtsschutzversicherung des<br />

Kunden vorsehen, bedingt ein Mandatsverhältnis zwischen<br />

dem Rechtsanwalt und dem Kunden. Nach § 5 der<br />

Allgemeinen Versicherungsbedingungen Rechtsschutz<br />

(ARB) 2010 trägt der Versicherer bei Eintritt des Rechtsschutzfalles<br />

„die Vergütung eines <strong>für</strong> den Versicherungsnehmer<br />

tätigen Rechtsanwalts“. Für die Rechtsverfolgung<br />

mithilfe eines durch einen Dritten mandatierten<br />

Rechtsanwalts träte die Rechtsschutzversicherung folglich<br />

nicht ein (vgl. Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz,<br />

29. Aufl., § 5 ARB 2010 Rn 4).<br />

Damit: Rechtsdienstleistung<br />

Das ergangene Verbot erweist sich aber bei Zugrundelegung<br />

der in der Senatsentscheidung „Finanz-Sanierung“<br />

(BGH GRUR 2009, 1077) ausgesprochenen Maßstäbe<br />

gleichwohl als richtig, weil es sich bei der beanstandeten<br />

Handlung um eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung<br />

in Form der entgeltlichen Rechtsprüfung im Sinne der §§ 2,<br />

3 RDG handelt.<br />

RA darf nicht als Statist dienen<br />

Im Fall „Finanz-Sanierung“, in dem ein Unternehmen einen<br />

„in Schuldenangelegenheiten versierten Rechtsanwalt“<br />

empfahl und dessen Kosten trug, war ein Verstoß gegen<br />

§ 3 RDG gegeben, weil dieser Rechtsanwalt der Sache nach<br />

ein Erfüllungsgehilfe des Unternehmens war, auch wenn er<br />

formal vom Kunden selbst beauftragt und bevollmächtigt<br />

wurde (BGH GRUR 2009, 1077).<br />

Auftraggeberin steuert alles<br />

Vorliegend steht der Umstand, dass im Rahmen der<br />

Verträge „MRS 2011“ und „MRS 2012“ zwischen dem<br />

Kunden der Beklagten und dem Rechtsanwalt ein eigenständiges<br />

Mandatsverhältnis begründet wird, der Annahme<br />

einer unzulässigen Rechtsdienstleistung ebenfalls<br />

nicht entgegen, weil der Rechtsanwalt der Sache nach als<br />

Erfüllungsgehilfe der Beklagten einzuordnen ist. Dies folgt<br />

aus der starken Stellung, die die Beklagte – wie ihre<br />

Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkennen lassen – im<br />

Rahmen der versprochenen Anspruchsdurchsetzung innehat.<br />

Sie steuert die Anspruchsdurchsetzung, indem sie den<br />

Rechtsanwalt auswählt, beauftragt und in Abstimmung<br />

mit diesem über die einzelnen Maßnahmen entscheidet.<br />

Hieran vermag der formale Umstand, dass das Mandatsverhältnis<br />

zwischen Kunden und Rechtsanwalt besteht,<br />

nichts zu ändern.<br />

Kein Verfassungsverstoß<br />

Das ergangene Verbot verletzt die der Beklagten grundgesetzlich<br />

garantierte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12<br />

Abs. 1 Satz 2 GG) nicht. Es handelt sich um eine von dem<br />

Schrankenvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gedeckte<br />

verhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit.<br />

Die Dienstleistung der Beklagten lässt sich nicht in<br />

die – dem Rechtsanwalt überlassene – erlaubnispflichtige<br />

Rechtsbesorgung und die sonstigen unterstützenden,<br />

nicht dem Erlaubnisvorbehalt unterfallenden Tätigkeiten<br />

aufteilen, die nur geringe Berührungspunkte mit der<br />

Rechtspflege aufweisen (vgl. BVerfG NJW 2002, 3531). Bei<br />

der Würdigung der Tätigkeit der Beklagten ergibt sich kein<br />

maßgeblicher, von der Anspruchsdurchsetzung zu differenzierender<br />

Gehalt; die Tätigkeit der Beklagten ist, weil sie<br />

selbst in der dargestellten Weise in die Anspruchsdurchsetzung<br />

eingebunden ist, vielmehr schwerpunktmäßig<br />

rechtspflegenah.<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 171


Entscheidungen<br />

<strong>zfm</strong><br />

Anmerkung<br />

Der Rechtsanwalt ist freiberuflich tätig und erbringt als<br />

selbstständiges Organ der Rechtspflege eine höchstpersönliche<br />

Dienstleistung höherer Art. Damit ist es nicht<br />

vereinbar, ihn allein weisungsgebunden tätig werden zu<br />

lassen. Für Inkassodienstleister findet sich eine vergleichbare<br />

Regelung in § 12 Abs. 4 RDG. Danach muss die<br />

qualifizierte Person dauerhaft beschäftigt sein und in allen<br />

Angelegenheiten, die Rechtsdienstleistungen betreffen,<br />

weisungsunabhängig und ihrerseits weisungsbefugt sein.<br />

Vor diesem Hintergrund ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts<br />

wie eines registrierten Inkassounternehmens immer<br />

mit einer Funktionsübertragung verbunden.<br />

Ebenso wenig, wie dies im Kontext der Entscheidung des<br />

BGH dahin (miss-)verstanden werden darf, dass der Mandantenwille<br />

nicht maßgeblich sei, darf die Entscheidung<br />

nicht dahin verstanden werden, dass der Rechtsanwalt sich<br />

keiner Unterstützung durch Dritte bedienen darf. Die<br />

Dienstleistung des Dritten darf nur die höchstpersönliche<br />

Leistung des Rechtsanwaltes nicht tangieren. So sind<br />

Unterstützungen im technischen Bereich wie in der Büroorganisation<br />

inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden.<br />

Vorbehalten bleiben dem Rechtsanwalt dagegen<br />

die konkrete oder abstrakte Rechtsprüfung und die Letztverantwortung<br />

<strong>für</strong> die seine Kanzlei verlassenden Schreiben<br />

und Schriftsätze aufgrund seiner Unterschrift oder seiner<br />

konkreten oder generellen Organisationsanweisung.<br />

Auch ist es Aufgabe des Rechtsanwaltes, wie allgemein des<br />

Rechtsdienstleisters, den (wahren) Willen des Mandanten<br />

zu erforschen und danach unter Beachtung seiner Stellung<br />

zu verfahren. Genau hier setzt der BGH an. Der Mandant hat<br />

diesen Willen gar nicht geäußert, sondern dies der Beklagten<br />

überlassen. Mit der Ausfüllung dieser Befugnis erbringt die<br />

Beklagte aber eben eine Rechtsdienstleistung, weil darin<br />

eine Beratung und eine Umsetzung des Beratungsergebnisses<br />

liegen. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass es<br />

sich auch nicht nur um eine erlaubnisfreie Nebentätigkeit im<br />

Sinne des § 5 RDG handelt, weil die Geltendmachung der<br />

Forderung Teil des Kerngeschäftes ist.<br />

Dies bedeutet allerdings nicht, dass Unternehmen wie das<br />

der Beklagten die gewünschte Leistung nicht erbringen<br />

können. Nach der Absolvierung des Sachkundelehrgangs<br />

(www.inkassoakademie.de) könnte sich die Beklagte selbst<br />

registrieren lassen. Oder sie kooperiert eben mit einem<br />

Rechtsanwalt oder einem registrierten Inkassounternehmen<br />

unter Belassung der erforderlichen Souveränität und<br />

Selbstständigkeit in der Aufgabenwahrnehmung.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Mahnverfahren<br />

Keine Schlüssigkeitsprüfung im<br />

Mahnverfahren<br />

ZPO §§ 688 ff.; VV RVG Nr. 2300<br />

Es ist nicht generell unzulässig, neben vorgerichtlichen<br />

Inkassokosten auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten<br />

geltend zu machen.<br />

Die Prüfung im Einzelfall obliegt dem Streitgericht und<br />

nicht dem zentralen Mahngericht, das auf eine bloße<br />

Plausibilitätsprüfung begrenzt ist.<br />

AG Aschersleben, Beschl. v. 31.5.<strong>2016</strong> – 16-1390807-06-N<br />

Sachverhalt<br />

Die Gläubigerin hat einen Mahnbescheid gegen die Schuldnerin<br />

beantragt und hierin <strong>für</strong> die vorgerichtliche Forderungsbeitreibung<br />

sowohl Rechtsanwaltskosten als auch<br />

Inkassokosten geltend gemacht. Der Rechtspfleger hat<br />

den Mahnbescheidsantrag mit der Begründung zurückgewiesen,<br />

dass vorgerichtlich Rechtsanwaltskosten und Inkassokosten<br />

nicht gleichzeitig geltend gemacht werden<br />

können. Dem widerspricht die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung<br />

und macht im Übrigen geltend, dass die Mahngerichte<br />

dies nicht prüfen dürften.<br />

Entscheidungsgründe<br />

Der Beschluss des Rechtspflegers vom 15.4.<strong>2016</strong> wird<br />

aufgehoben.<br />

Bearbeiterwechsel nicht unzulässig<br />

Es ist nicht generell unzulässig, neben Rechtsanwaltskosten<br />

auch Inkassokosten als Schadensposition geltend<br />

zu machen. Ob beide Ansprüche nebeneinander bestehen,<br />

ist im Wesentlichen davon abhängig, ob sie zur zweckentsprechenden<br />

Rechtsverfolgung erforderlich waren.<br />

Einzelfallprüfung im Streitverfahren<br />

Dies im Einzelfall zu beurteilen ist dem streitigen Verfahren<br />

vorbehalten. Es übersteigt das im Mahnverfahren eng<br />

begrenzte Prüfungsrecht des Gerichts.<br />

Anmerkung<br />

„Kurz, knapp und prägnant!“, so möchte man angesichts<br />

der Entscheidung ausrufen. Die Entscheidung bringt die<br />

maßgeblichen Fragen auf den Punkt. Die Praxis zeigt, dass<br />

innerhalb des möglicherweise lange andauernden Forde-<br />

172 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Literaturhinweise<br />

rungsbeitreibungsprozesses nicht nur ein Rechtsdienstleister<br />

tätig wird, sondern mehrere, insoweit also auch<br />

zwischen der Forderungsbeitreibung durch den Rechtsanwalt<br />

und den Inkassodienstleister gewechselt wird.<br />

Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />

Zum einen kann innerhalb der Angelegenheit, etwa der<br />

vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung, zunächst ein<br />

Rechtsanwalt und dann ein Inkassodienstleister eingesetzt<br />

werden oder umgekehrt. Zum anderen stellt sich <strong>für</strong> jede<br />

Angelegenheit/Leistungsphase dem Gläubiger neu die<br />

Frage, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister<br />

mit der weiteren Forderungsbeitreibung beauftragt werden<br />

soll. So könnte nach der vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung<br />

durch einen Inkassodienstleister der Rechtsanwalt<br />

den Mahnbescheid beantragen.<br />

Solche Bearbeiterwechsel werden zum Teil vorschnell mit<br />

unseriösem Inkasso in Verbindung gebracht (Jäckle, VuR<br />

<strong>2016</strong>, 60 und NJW <strong>2016</strong>, 977). In Beschwerden gegenüber<br />

Rechtsanwaltskammern und Registrierungsbehörden<br />

wird von einer systematischen Umgehung der Schadensminderungspflicht,<br />

der Unterwanderung des Gesetzes<br />

gegen unseriöse Geschäftspraktiken und gar von „gewerbsmäßigem<br />

Betrug“ gesprochen. Diese Einschätzung<br />

ist vorschnell, entbehrt einer rechtlichen Grundlage und<br />

setzt an einer unzutreffenden Fragestellung an. Sie wird<br />

in der Rechtsprechung(AG Aalen, 22.7.2015 – 12 C 554/15;<br />

AG Anklam, 6.5.2014 – 71 C 30/14; AG Hersbruck,<br />

26.11.2013 – 2 C 1249/13; AG Döbeln, 1.2.2013 – 3 C 116/13;<br />

AG Eschweiler, 6.6.2010 – 27 C 271/09; AG Düren,<br />

14.5.2010 – 41 C 540/09; AG Müllheim, 1.2.2010 – 8 C<br />

319/09; AG Cottbus, 17.5.2010 – 39 C 381/09) wie von den<br />

Rechtsanwaltskammern und den Registrierungsbehörden<br />

nach den bekannten Bescheiden nicht geteilt.<br />

Die Frage der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ist von<br />

der Frage zu trennen, in welchen Verfahren dies geprüft<br />

werden kann. Im gerichtlichen Mahnverfahren fehlt den<br />

dort tätigen Rechtspflegern jedenfalls die entsprechende<br />

Prüfungskompetenz, da im gerichtlichen Mahnverfahren<br />

lediglich eine Plausibilitätskontrolle, nicht aber eine Schlüssigkeitsprüfung<br />

stattfindet (Wedel zur aktuellen Praxis der<br />

Mahngerichte, neben RA-Kosten geltend gemachte Inkassokosten<br />

zu monieren, JurBüro <strong>2016</strong>, 180; MüKo-ZPO/<br />

Schüler, § 691 Rn 18 f.; Martin, Die Prüfungsbefugnis des<br />

Rechtspflegers im gerichtlichen Mahnverfahren am Beispiel<br />

der Geltendmachung von Inkassokosten als Nebenforderungen,<br />

(Diss), 1998, 205 f.; AG Stuttgart JurBüro 2006, 94).<br />

Dieser wohl weithin akzeptierten Sicht schließt sich das AG<br />

Aschersleben zu Recht an.<br />

Es obliegt dem Schuldner, die Streitfrage zumindest durch<br />

einen Teilkostenwiderspruch in das streitige Verfahren zu<br />

überführen. Es obliegt dann dem Richter – und nicht dem<br />

Rechtspfleger im gerichtlichen Mahnverfahren –, die Streitfrage,<br />

insbesondere die wertende Ausfüllung von § 14 RVG<br />

zu beurteilen. Die entgegenstehende Ansicht des AG Wedding<br />

(31.5.<strong>2016</strong>, 9 Beschw 43/16) wird in der Annahme<br />

der offensichtlichen Unzulässigkeit eines Bearbeiterwechsels<br />

durch das AG Aschersleben widerlegt und übersieht, dass<br />

letztlich auch eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer<br />

eingeholt werden muss oder es auch sonst einer Beweisaufnahme<br />

bedarf. All das gehört nicht ins Mahnverfahren.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Literaturhinweise<br />

Ein Blick in die Bücherwelt<br />

Juristische Bücher finden sich in großer Zahl im Angebot der Verlage. Die im <strong>Forderungsmanagement</strong> Tätigen sind allerdings an<br />

Literatur interessiert, die sich auf die Belange des Gläubigers konzentriert und die maßgeblichen Rechtsvorschriften aus seinem<br />

Blickwinkel beleuchtet. In diesem Sinne sollen in dieser Rubrik jeweils interessante Bücher vorgestellt werden.<br />

Kostenrecht<br />

Hartmann<br />

Kostengesetze<br />

46. Aufl. <strong>2016</strong>, 139 EUR<br />

C.H. Beck Verlag, München<br />

ISBN 978-3-406-68949-9<br />

Der Klassiker im Kostenrecht schlechthin, wenn es um eine<br />

kompakte, auf das Wesentliche beschränkte Darstellung<br />

aller Kostengesetze geht. Das Ganze verbunden mit einem<br />

höchsten Maß an Aktualität und Nähe zur höchst- und<br />

obergerichtlichen Rechtsprechung. Die Aktualität zeigt sich<br />

auch daran, dass bereits Rechtsvorschriften berücksichtigt<br />

wurden, die erst zum 1.1.2017 in Kraft treten. Die inzwischen<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 173


Literaturhinweise<br />

<strong>zfm</strong><br />

jährliche Erscheinungsweise des Kommentars macht ihn im<br />

Nachweis der Rechtsprechung, der Gesetzgebung und<br />

Literatur verlässlich und zugleich unverzichtbar.<br />

Der Kommentar erlaubt zu jeder kostenrechtlichen Frage<br />

eine schnelle Orientierung. Das spart Zeit und ermöglicht die<br />

schnelle, auch wirtschaftliche Abwägung, ob ein vertiefender<br />

Blick in die Spezialliteratur vonnöten ist. Auf diese Weise ist<br />

der Kommentar auch Mittler zwischen der eigenen Intuition<br />

in einem Nebenverfahren und der vertiefenden Auseinandersetzung<br />

mit der Spezialkommentarliteratur bei Fragen,<br />

die über den breiten Standard hinausgehen.<br />

Der Kommentar hat seine praktischen Arbeitshilfen weiter<br />

ausgebaut. Über 350 ABC-Reihen mit über 8.500 Stichworten<br />

erlauben eine schnelle Orientierung und sortieren<br />

eine zum Teil auch unübersichtliche Rechtsprechung. In<br />

Summe ist es ein Praktiker-Kommentar <strong>für</strong> den täglichen<br />

Gebrauch. Den Rechtsdienstleistern verschafft er die<br />

Möglichkeit, sich auf Augenhöhe mit den Rechtspflegern<br />

und Kostenbeamten zu bewegen.<br />

Fazit: Wer in der Praxis des Kostenrechts nicht auf „den<br />

Hartmann“ zugreift, geht fahrlässig mit seinen Möglichkeiten<br />

um, zeitsparend das Optimale aus dem Kostenrecht<br />

zu erwirtschaften und zugleich Haftungsrisiken im Verhältnis<br />

zu vermeiden.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Die 6. Auflage bringt das Werk auf den Stand der Rechtsprechung<br />

und Literatur, insbesondere was die praktische<br />

Umsetzung der Reform der Sachaufklärung betrifft. Insoweit<br />

erscheint die Neuauflage zum richtigen Zeitpunkt.<br />

Dabei kommt der Einbindung der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung<br />

in die Kommentierung eine besondere<br />

praktische Bedeutung zu.<br />

Der Kommentar lädt vor allem zur vertiefenden Auseinandersetzung<br />

mit allen Fragen des Vollstreckungsrechts<br />

ein. Wer unterschiedliche Auffassungen kommentiert und<br />

bewertet sehen will, findet hier, was er sucht. Dabei fehlt<br />

die klare eigene Meinung auf der Grundlage einer ausgefeilten<br />

Argumentation nicht. Wo andere Kommentare<br />

sich mit einer Behauptung begnügen, begründet das Werk<br />

Auffassungen. Das macht es in der rechtlichen Auseinandersetzung<br />

so wertvoll.<br />

Wünschenswert wäre, dass die Kommentierung auf die<br />

vollstreckungsrelevanten Aspekte des allgemeinen Teils<br />

der ZPO systematisch ausgedehnt würde. Diese Aspekte<br />

werden bei den Einzelkommentierungen berücksichtigt,<br />

sind aber nicht in gleicher Weise wie das 8. Buch der ZPO<br />

erschlossen. Es handelt sich am Ende um eine umfangreiche<br />

und zugespitzte Darstellung des Vollstreckungsrechts,<br />

deren Berücksichtigung in jeder Situation nur<br />

angeraten werden kann.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Zwangsvollstreckung<br />

Schuschke/Walker (Hrsg.)<br />

Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Kommentar<br />

6. Aufl. <strong>2016</strong>, 259,00 EUR<br />

Carl Heymanns Verlag, Köln<br />

ISBN 978-3-452-28281-1<br />

Was hilft der größtmögliche Erfolg im Erkenntnisverfahren,<br />

wenn der titulierte Anspruch nicht erfüllt wird?<br />

Zeigt sich der Schuldner auch nach der Titulierung nicht<br />

kooperativ, so bleibt nur die Zwangsvollstreckung. Damit<br />

diese nicht fruchtlos bleibt und über die primäre Kostentragungspflicht<br />

des Gläubigers einen weiteren wirtschaftlichen<br />

Schaden verursacht, bedarf es kompetenter<br />

Helfer. Schuschke/Walker gehören ohne jeden Zweifel<br />

dazu. Das Standardwerk zur Zwangsvollstreckung und<br />

zum vorläufigen Rechtsschutz kommentiert die §§ 7<strong>04</strong><br />

bis 945b ZPO, das 11. Buch der ZPO sowie das AVAG, das<br />

AUG sowie die einschlägigen europäischen Verordnungen<br />

mit Bezug zum Vollstreckungsrecht (EuGVVO, EuVTVO,<br />

EuMahnVO, EuBagatellVO, EuUnterhaltsVO).<br />

Prozessrecht<br />

Drummen (Hrsg.)<br />

Basisformulare <strong>für</strong> die Anwaltskanzlei<br />

3. Aufl. 2015, 39,00 EUR<br />

Deutscher Anwalt Verlag, Bonn<br />

ISBN 978-3-8240-1263-3<br />

Wer kennt diese Situation nicht: Die kurze Frage, die mal<br />

eben nach einer schnellen Antwort ruft und einen dann<br />

lange beschäftigt. Hier möchte der Herausgeber eine<br />

Hilfestellung geben und auch dem nicht spezialisierten<br />

Anwalt <strong>für</strong> Standardfälle aus der Praxis eine rechtssichere<br />

Lösung anbieten. Im Angebot sind dabei Musterschreiben<br />

oder Formulare mit hierauf bezogenen Kommentierungen.<br />

Aus Sicht des <strong>Forderungsmanagement</strong>s sind das – auch<br />

das Europarecht berücksichtigende – Kapitel zum gerichtlichen<br />

Mahnverfahren, die Formularhilfen zum zivilprozessualen<br />

Erkenntnisverfahren, zum einstweiligen Rechtsschutz<br />

und zur Zwangsvollstreckung von Interesse. Dem<br />

Anspruch folgend, die Basics zu bieten, richtet sich das<br />

174 Nr. 4/<strong>2016</strong>


<strong>zfm</strong><br />

Autoren dieser Ausgabe<br />

Werk vor allem an junge Rechtsdienstleister, die einen<br />

bewährten Zugriff auf in der Praxis erprobte Formulierungen<br />

suchen. Dabei hilft die beigefügte CD, die relevanten<br />

Formulare schnell in die eigene EDV zu integrieren.<br />

sollte bei dem äußerst günstigen Preis/Leistungs-Verhältnis<br />

schnell zugreifen.<br />

VRiOLG Frank-Michael Goebel<br />

Fazit: Der Berufsanfänger oder der Seiteneinsteiger findet<br />

hier den Standardfall ohne die Variante von der Variante<br />

und ohne den seltenen Spezialfall. Wer genau dies sucht,<br />

Wir wünschen Ihnen beim Lesen Spaß und am Ende einen<br />

Nutzen, der im wahrsten Sinne des Wortes „etwas bringt“.<br />

Autoren dieser Ausgabe<br />

Kay Uwe Berg ist BDIU-Hauptgeschäftsführer<br />

und Rechtsanwalt.<br />

Er arbeitet seit vielen Jahren<br />

in Berlin an der Schnittstelle zwischen<br />

Wirtschaft und Politik, auch<br />

auf europäischer Ebene, und gehört<br />

zu den politischen Insidern<br />

der Hauptstadt. Bevor er 2010<br />

zum BDIU wechselte, war er<br />

Kay Uwe Berg<br />

zehn Jahre Geschäftsführer im<br />

Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

sowie Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers beim Deutschen<br />

Führungskräfteverband. Berg gehört ferner zu den Gründungsmitgliedern<br />

des Bundesverbandes Deutscher Pressesprecher (BdP), dessen Schatzmeister<br />

er bis 2013 war. Während seiner Tätigkeit <strong>für</strong> eine mittelständische<br />

Anwaltskanzlei in Karlsruhe kam er bereits in den 90er-Jahren in intensiven<br />

Kontakt mit dem Thema Inkasso im B2B-Bereich.<br />

Frank-Michael Goebel<br />

Frank-Michael Goebel ist Vorsitzender des Arzthaftungs- sowie des Kostensenats<br />

beim OLG Koblenz und war zuvor bei allen Gerichtsarten und im<br />

Ministerium der Justiz mit Fragen des <strong>Forderungsmanagement</strong>s, insbesondere<br />

der Vollstreckung und der Gesetzgebung befasst. Er ist Herausgeber und<br />

Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Zivilprozessrecht, zum Zwangsvollstreckungsrecht<br />

und zum Kostenrecht und verschiedener periodischer<br />

Informationsdienste zum <strong>Forderungsmanagement</strong>. Er ist als erfahrener<br />

Referent auf vielen Kongressen, Seminarveranstaltungen, Inhouse-Seminaren<br />

und als Leiter, Dozent und<br />

Prüfer im Sachkundelehrgang des<br />

Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen<br />

(BDIU) e.V. bekannt.<br />

Seit 2007 berät er <strong>für</strong> die<br />

Gesellschaft <strong>für</strong> internationale Zusammenarbeit<br />

die chinesische Regierung<br />

zu Fragen des Zivilprozessund<br />

Zwangsvollstreckungsrechts.<br />

Als Sachverständiger des Rechtsausschusses<br />

des Deutschen Bundestages<br />

hat er u.a. zum Gesetz<br />

gegen unseriöse Geschäftspraktiken<br />

Stellung genommen. Frank-<br />

Michael Goebel ist Mitglied des<br />

Herausgeberbeirats und unterstützt<br />

die Schriftleitung der <strong>zfm</strong>.<br />

Dr. Andreas Bücker war bis 2007 in<br />

Großbritannien zunächst im Rahmen<br />

seiner akademischen Laufbahn<br />

an der Universität Cambridge,<br />

später als Manager <strong>für</strong><br />

Marketing und Client Relations<br />

bei einem führenden Unternehmen<br />

<strong>für</strong> Industriesoftware tätig.<br />

In Deutschland übernahm er danach<br />

Aufgaben beim Deutschen<br />

Führungskräfteverband ULA und<br />

der VAA Führungskräfte Chemie.<br />

Seit 2010 ist er geschäftsführender<br />

Gesellschafter einer international<br />

ausgerichteten Politikberatung,<br />

die Wirtschaftsverbände bei<br />

der Durchführung von europäischen<br />

Projekten unterstützt. Seit<br />

Dr. Andreas Bücker<br />

2013 ist er Geschäftsführer der<br />

Deutschen Inkassoakademie GmbH und gestaltet in diesem Zusammenhang<br />

Aus- und Fortbildungsangebote <strong>für</strong> das <strong>Forderungsmanagement</strong>.<br />

Prof. Dr. Zümrüt Gülbay-Peischard<br />

studierte Rechtswissenschaften<br />

und Wirtschaftswissenschaften<br />

an der Freien Universität Berlin.<br />

Nach dem ersten Staatsexamen,<br />

der Promotion zum Internationalen<br />

Recht und dem zweiten<br />

Staatsexamen arbeitete sie als<br />

Rechtsanwältin in Berlin. Nach<br />

beruflichen Auslandsaufenthalten<br />

in den USA und Asien ist Prof. Dr.<br />

Gülbay-Peischard seit Oktober<br />

1998 Professorin an der Hochschule<br />

Anhalt in Bernburg im<br />

Fachbereich Wirtschaftsrecht, insbesondere<br />

Internationales Recht.<br />

Sie ist Studienfachberaterin und<br />

Prof. Dr. Zümrüt Gülbay-Peischard<br />

betreut sowohl den Bachelor als<br />

auch den Masterstudiengang. Außer<br />

in Bernburg ist Prof. Dr. Gülbay-Peischard derzeit noch am Berliner<br />

Institute of Electronic Business sowie an der Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und<br />

Recht Berlin (Berlin School of Economics and Law). Sie ist zugleich Mitglied<br />

der Rechtsanwaltskanzlei Wiesensee, Petruschke und Partner (WPP).<br />

Dr. Robert Kazemi ist Rechtsanwalt und Gründungspartner der Kanzlei Kazemi<br />

& Partner Rechtsanwälte in Bonn (medi-ip.de). Bereits frühzeitig beschäftigte<br />

sich Dr. Kazemi mit den Rechtsfragen des Medizinrechts und ist hier mit<br />

zahlreichen Veröffentlichungen in Erscheinung getreten. So kommentiert er<br />

beispielsweise den Abschnitt „Behandlungsdokumentation“ im Heidelberger<br />

Kommentar Arzt-, Krankenhaus- und Medizinrecht als Mitautor, weiterhin<br />

Nr. 4/<strong>2016</strong> 175


Autoren dieser Ausgabe<br />

<strong>zfm</strong><br />

hat er erst kürzlich die Kommentierung<br />

der datenschutzrechtlichen<br />

Vorschriften des SGB X im renommierten<br />

Kasseler Kommentar zum<br />

Sozialversicherungsrecht übernommen<br />

und ist als Autor zahlreicher<br />

Publikationen u.a. in der<br />

MedR, der Gesundheitsrecht, der<br />

DZW und anderen Publikationen<br />

tätig. Er berät zudem zahlreiche<br />

Akteure des Gesundheitswesens<br />

dauerhaft und ersetzt zusammen<br />

mit seinen Kollegen so die Rechtsabteilung<br />

im Unternehmen selbst.<br />

Dr. Robert Kazemi<br />

Dr. Kazemi war in diesem Zusammenhang<br />

beratend und als Prozessvertreter an zahlreichen populären<br />

Prozessen beteiligt und ist gefragter Redner im In- und Ausland.<br />

Michael Schmuck<br />

Michael Schmuck ist Rechtsanwalt,<br />

Journalist und Dozent<br />

<strong>für</strong> klare Kommunikation, insbesondere<br />

<strong>für</strong> klares Juristendeutsch<br />

bei Behörden, Kanzleien<br />

und Verbänden. Seit 25 Jahren<br />

arbeitet er an der Schnittstelle<br />

von Recht und Sprache. Er war<br />

unter anderem Gerichts- und<br />

Polizeireporter, Leiter einer Kommunikationsabteilung<br />

und Lektor<br />

<strong>für</strong> einen juristischen Verlag. Als<br />

Anwalt ist sein Schwerpunkt Medienrecht.<br />

Mit seinen Kollegen<br />

aus dem „Büro am Turm“ redigiert<br />

er juristische Texte und erstellt<br />

Lesbarkeitsanalysen.<br />

Prof. Dr. Susanne Meyer ist Professorin<br />

<strong>für</strong> Wirtschaftsrecht und<br />

Vizepräsidentin der Hochschule<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft und Recht in<br />

Berlin. Nach einem Rechtsstudium<br />

in Mainz, Dijon (Frankreich)<br />

und Freiburg wurde sie in Freiburg<br />

mit einer Dissertation zum<br />

Wirtschaftsverfassungsrecht promoviert.<br />

Nach Tätigkeit als wissenschaftliche<br />

Assistentin, Referendariat<br />

und 10 Jahren als<br />

Anwältin in Berlin und Frankfurt<br />

ist sie seit 2005 Professorin <strong>für</strong><br />

Wirtschaftsrecht, insbesondere<br />

Prof. Dr. Susanne Meyer<br />

Gesellschaftsrecht und internationales<br />

Vertragsrecht. Sie war<br />

lange Leiterin eines wirtschaftsrechtlichen Studiengangs und Vorsitzende<br />

des Prüfungsausschusses. Susanne Meyer forscht hauptsächlich im Gesellschaftsrecht,<br />

aber auch im Verbrauchervertragsrecht und im Hochschulrecht.<br />

Prof. Dr. Heinz Vallender ist seit<br />

2013 Geschäftsführender Direktor<br />

des Instituts <strong>für</strong> Internationales<br />

und Europäisches Insolvenzrecht<br />

der Universität zu Köln. Bis zum<br />

30.11.2015 war er weiterer aufsichtführender<br />

Richter am AG<br />

Köln und dort Leiter der Insolvenzabteilung<br />

des AG Köln. Prof.<br />

Vallender ist Vorsitzender des Arbeitskreises<br />

<strong>für</strong> Insolvenzwesen<br />

Köln e.V., Vorsitzender des judicial<br />

Prof. Dr. Heinz Vallender<br />

wing von Insol Europe, Mitglied<br />

des Vorstands von Insol Europe<br />

sowie Fellow of the American College of Bankruptcy. Bekannt ist Prof.<br />

Vallender sowohl als Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Insolvenzund<br />

Vollstreckungsrecht und Mitherausgeber diverser <strong>Zeitschrift</strong>en, z.B. der<br />

NZI, als auch als Mitherausgeber und Mitkommentator des „Uhlenbruck“,<br />

Kommentar zur InsO, 14. Aufl. (2015), als Mitherausgeber von Vallender/<br />

Undritz, Praxis des Insolvenzrechts, 2. Aufl. (erscheint demnächst) sowie als<br />

Mitautor einiger insolvenzrechtlicher Monographien und Handbücher.<br />

IMPRESSUM<br />

ZAP Verlag GmbH<br />

Rochusstr. 2–4, 53123 Bonn<br />

Telefon: 02 28/9 19 11 0<br />

Telefax: 02 28/9 19 11 92<br />

E-Mail: info@zap-verlag.de<br />

Internet: http://www.zap-verlag.de<br />

Schriftleitung: Ass. jur. Daniela Gaub, Berlin<br />

Redaktion im Verlag: Bettina Schwabe<br />

Anzeigenverwaltung: Dr. Miriam Goetz<br />

Telefon: 02 28/9 19 11 40<br />

Telefax: 02 28/9 19 11 66<br />

E-Mail: anzeigen@zap-verlag.de<br />

Erscheinungsweise: Alle zwei Monate.<br />

Bezugspreis: Jährlich 178 EUR (zzgl. MwSt.) zzgl. Versandkosten. Preisänderungen bleiben vorbehalten.<br />

Kündigung: Sechs Wochen zum Ende des Bezugsjahres.<br />

Druck: Appel & Klinger Druck und Medien GmbH, Schneckenlohe<br />

ISSN: 2364-2688<br />

176 Nr. 4/<strong>2016</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!