Gesellschaftskrise Flucht
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<strong>Gesellschaftskrise</strong>: <strong>Flucht</strong><br />
Auswertungsbericht<br />
Online-Dialog mit Bürger*innen Sachsens<br />
vom<br />
06.04.2016 bis 20.05.2016<br />
www.lasst-uns-streiten.de/gesellschaftskrise-flucht
Impressum<br />
Zebralog GmbH & Co KG<br />
Chausseestraße 8<br />
10115 Berlin<br />
Marion Wesso<br />
Afra Höck<br />
Nina Schröter<br />
Kira Möller<br />
Sächsische Landeszentrale für politische Bildung<br />
Referat 1: Politische Bildung online<br />
Schützenhofstraße 36<br />
01129 Dresden<br />
Dr. Annette Rehfeld-Staudt
Zusammenfassung<br />
Wir freuen uns auf den nächsten Streit!<br />
Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung bietet<br />
mit der Online-Plattform „lasst-uns-streiten.de“ ein neues<br />
Forum für den politischen Meinungsaustausch. Ziel der<br />
Plattform ist es, die Dialogkultur in Sachsen zu stärken und<br />
einen Perspektivwechsel anzuregen. Hintergrundinformationen<br />
zum Thema bringen Fakten in die Diskussion ein und<br />
zeigen die Komplexität der Debatte auf. Mehrmals jährlich<br />
wird ein aktuelles Thema zur Diskussion gestellt.<br />
Vom 6. April 2016 bis zum 20. Mai 2016 konnte zum Thema<br />
„<strong>Gesellschaftskrise</strong>: <strong>Flucht</strong>“ diskutiert werden. Es standen<br />
vier Thesen zur Debatte:<br />
• „Flüchtlinge sind eine Bereicherung für Sachsen“<br />
• „So viele Flüchtlinge lassen sich nicht integrieren“<br />
• „Aktuell zeigt sich: Deutschland ist eine<br />
Schönwetterdemokratie“<br />
• „Dank der Flüchtlinge politisieren sich die Sachsen“<br />
Teilnehmende des Dialoges konnten sich zu diesen Thesen<br />
positionieren und ihre Position begründen. Anschließend<br />
wurden sie mit konträren Meinungen anderer Nutzer*innen<br />
konfrontiert und aufgefordert, diese zu kommentieren.<br />
Die Beteiligung des ersten Online-Dialogs der SLpB war mit<br />
circa 2.300 eingegangenen Beiträgen und Kommentaren<br />
und mehr als 18.000 Seitenaufrufen sehr rege. Dies lag zum<br />
einen sicherlich an der aktuell sehr brisanten Thematik,<br />
aber es lässt sich zudem auch ein enger Zusammenhang<br />
erkennen zwischen den Besucherzahlen und der medialen<br />
Berichterstattung in Presse und sozialen Medien.<br />
Am lebhaftesten diskutiert wurde über die These, dass<br />
Flüchtlinge eine Bereichungen für Sachsen seien. Mehrheitlich<br />
wurde diese These verneint: 237 Nutzer*innen gaben<br />
an, dass sie der These nicht zustimmen, gegenüber 163<br />
Zustimmungen und 59 neutralen Bewertungen. Ebenfalls<br />
stark diskutiert wurde die These „So viele Flüchtlinge lassen<br />
sich nicht integrieren“: 162 Nutzer*innen stimmten der<br />
Aussage zu, in 81 Beiträgen wurde die These abgelehnt. Mit<br />
insgesamt weniger Beiträgen, aber nicht minder kontrovers<br />
wurden die Thesen „Deutschland ist eine Schönwetterdemokratie“<br />
und „Dank der Flüchtlinge politisieren sich die<br />
Sachsen“ diskutiert. Beide Thesen haben insgesamt mehr<br />
Zustimmung als Ablehnung erhalten. Alle eingegangenen<br />
Beiträge und Kommentare wurden für diesen Bericht<br />
inhaltsanalytisch ausgewertet. Dabei haben sich drei<br />
Hauptthemen herauskristallisiert, denen die Beiträge und<br />
Kommentare zugeordnet werden konnten: Gesellschaft,<br />
Wirtschaft und Politik & Recht.<br />
Der kulturelle Hintergrund geflüchteter Menschen sowie<br />
die lokale und nationale Kultur in Sachsen und Deutschland<br />
nahmen in der Diskussion breiten Raum ein. Die Standpunkte<br />
dazu waren sehr kontrovers und umfassten Aussagen,<br />
in denen hierarchische und qualitative Unterscheidungen<br />
zwischen verschiedenen Kulturen vorgenommen<br />
wurden und Beiträge in denen die Angst geäußert wurde,<br />
dass die eigene Kultur durch fremde Einflüsse bedroht<br />
sei. Im Gegensatz dazu wurde in anderen Beiträgen eine<br />
kulturelle Vielfalt als Bereicherung beschrieben. Ein weiterer<br />
Aspekt, der die Teilnehmenden stark beschäftigte, war die<br />
Integration geflüchteter Menschen. Diese Debatte war von<br />
verschiedenen Integrationsverständnissen und den Herausforderungen<br />
eines erfolgreichen Integrationsprozesses<br />
geprägt. Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion behandelte<br />
das Themengebiet Diskriminierung und Rassismus in<br />
der deutschen Gesellschaft. In der Frage um die Aufnahme<br />
geflüchteter Menschen wurden weiterhin humanitäre und<br />
ethische Werte besprochen.<br />
In der Diskussion um Arbeitsplätze stand die Meinung, dass<br />
es nicht genügend Arbeitsplätze in Sachsen gebe, der Ansicht<br />
gegenüber, dass Sachsen auf neue Arbeitskräfte angewiesen<br />
sei. Auch die Bildung, berufliche Qualifizierung und<br />
der Arbeitswille geflüchteter Menschen waren Gegenstand<br />
kontroverser Diskussionen. Die Frage nach den entstehenden<br />
finanziellen Kosten durch die Aufnahme von Flüchtlingen<br />
wurde sehr gegensätzlich diskutiert und bewertet. Zum<br />
einen wurden die wirtschaftlichen Chancen betont, zum<br />
anderen die finanziellen Ausgaben hervorgehoben.<br />
Im Themenbereich Politik und Recht wurde deutliche Kritik<br />
an der Politik geäußert. Vor allem wurde benannt, dass die<br />
Politik die Beziehung zu den Wähler*innen verloren habe.<br />
Zusätzlich dazu wurden auch konkrete Entscheidungen<br />
der Politik, zum Beispiel in Bezug auf die „Flüchtlingsfrage“<br />
kritisiert. Hierbei spielte unter anderem die Frage nach den<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Asylpolitik<br />
eine große Rolle. In einem weiteren Diskussionsstrang<br />
wurde darüber debattiert, inwiefern die Debatten- und<br />
Streitkultur, die in Sachsen momentan herrscht, gut oder<br />
schlecht für die Demokratie und die politische Lage sei.<br />
Während einige Teilnehmende es als positiv beschrieben,<br />
dass so viele kontroverse Meinungen sich Gehör verschafften,<br />
kritisierten andere die Polemisierung in den Debatten.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
3
Zusammenfassung<br />
Wir freuen uns auf den nächsten Streit!<br />
Die Kontroversität und Streitkultur in der Diskussion war<br />
auch ein Thema unter den Teilnehmenden: An manchen<br />
Stellen wurde fehlende Sachlichkeit in den Beiträgen bemängelt.<br />
Dies ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil<br />
insgesamt 257 Beiträge und Kommentare von der Moderation<br />
wegen Regelverstößen gesperrt werden mussten, um<br />
eine sachliche und konstruktive Diskussion zu gewährleisten.<br />
Bei den gesperrten Beiträgen handelt es sich zum einen<br />
um solche, die keine inhaltlichen Aussagen enthalten (z.B.<br />
Beiträge, die nur einzelne Buchstaben und Zeichenkombinationen<br />
enthielten, um die verpflichtende Begründung der<br />
eigenen Positionierung zu umgehen). Gesperrt wurden auch<br />
rassistische, extremistische oder beleidigende Beiträge und<br />
Kommentare, die gegen die Dialogregeln verstießen.<br />
Dennoch war das Echo zu dieser ersten Dialogphase sowohl<br />
unter den Teilnehmenden als auch in den Medien vor allem<br />
positiv: Die Plattform wurde als bereicherndes Format<br />
gesehen, das verschiedene Konfliktlinien aufzeige und einen<br />
Einblick in das gesellschaftliche Meinungsspektrum gebe.<br />
Aus diesem Grund wollen wir auch weiter streiten: Ab<br />
dem 8. August 2016 auf lasst-uns-streiten.de zum Thema<br />
„Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus in Sachsen“.<br />
Bis dahin werden wir uns noch über einige wertvolle Anregungen<br />
und Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge<br />
zum Dialogangebot Gedanken machen. Wir freuen uns<br />
auf den nächsten Streit!<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
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Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung<br />
2. Der Dialog<br />
3. Online-Plattform<br />
4. Der Dialog in Zahlen<br />
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.1 Gesellschaft<br />
5.1.1 Kultur<br />
5.1.2 Integration<br />
5.1.3 Diskriminierung und Rassismus<br />
5.1.4 Humanitäre Hilfe, Ethik und Moral<br />
5.2. Wirtschaft<br />
5.2.1 Arbeit<br />
5.2.2 Kosten und Ressourcen<br />
5.2.3. Demografie<br />
5.3. Politik und Recht<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
6. Reflexion<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
5
1. Einleitung<br />
Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB)<br />
hat mit der Online-Plattform „lasst-uns-streiten.de“ einen<br />
neuen Ort für den politischen Meinungsaustausch geschaffen.<br />
Hintergrund dieses Projekts ist die Förderung des<br />
gesellschaftlichen Dialogs in Sachsen und die Qualifizierung<br />
der Bürger*innen.<br />
Zusätzlich zu Vor-Ort-Veranstaltungen und Publikationen<br />
der SLpB soll die Online-Plattform weitere Zielgruppen in<br />
Sachsen erreichen. Mehrmals jährlich wird ein aktuelles,<br />
gesellschaftlich relevantes Thema aufgegriffen und mittels<br />
vier Thesen zur Diskussion gestellt.<br />
Der erste Dialog wurde zum Thema „<strong>Gesellschaftskrise</strong>:<br />
<strong>Flucht</strong>“ geführt und lief vom 6. April 2016 bis zum 20. Mai<br />
2016. Die sehr gute Resonanz und sehr hohe Beteiligung<br />
am Online-Dialog (mehr als 2.000 Beiträge) bestätigten den<br />
Bedarf an diesem alternativen, digitalen Dialogformat.<br />
Ein Team von Moderator*innen der SLpB betreute den<br />
Online-Dialog, um die Einhaltung der Dialogregeln sicherzustellen.<br />
Vor Beginn des Online-Dialogs wurde dieser durch<br />
eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit beworben, um auf<br />
die Diskussionsmöglichkeit aufmerksam zu machen.<br />
Ziel dieses Auswertungsberichts ist es, Transparenz über<br />
die eingegangenen Beiträge und Kommentare zu schaffen<br />
und in kompakter Form allen Interessierten zur Verfügung<br />
zu stellen. Alle Beiträge und Kommentare wurden verschlagwortet<br />
und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Hauptthemen,<br />
zentralen Argumentationsstränge und Positionen<br />
des Dialoges wurden herausgearbeitet. Die verschiedenen<br />
Meinungen werden nicht quantifiziert dargestellt, stattdessen<br />
soll die Bandbreite der Positionen und Argumente<br />
aufgezeigt werden. Der Bericht ist keine Darstellung repräsentativer<br />
Ergebnisse. Er erfasst vielmehr einen Ausschnitt<br />
aus dem gesellschaftlichen Stimmungsbild, wie es sich auf<br />
der Dialogplattform gezeigt hat.<br />
These 1:<br />
„Flüchtlinge sind eine<br />
Bereicherung für Sachsen“<br />
Stimme zu!<br />
These 2:<br />
„So viele Flüchtlinge lassen<br />
sich nicht integrieren“<br />
These 3:<br />
„Deutschland ist eine<br />
Schönwetterdemokratie“<br />
These 4:<br />
„Dank der Flüchtlinge<br />
politisieren sich die Sachsen“<br />
Stimme<br />
nicht zu!<br />
Neutral!<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
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2. Der Dialog<br />
Vom 6. April 2016 – 20. Mai 2016 konnte auf „lasst-uns-streiten.de“<br />
zum Thema „<strong>Gesellschaftskrise</strong>: <strong>Flucht</strong>“ diskutiert<br />
werden. Dazu wurden 4 Thesen zur Debatte gestellt:<br />
• „Flüchtlinge sind eine Bereicherung für Sachsen“<br />
• „So viele Flüchtlinge lassen sich nicht integrieren“<br />
• „Aktuell zeigt sich: Deutschland ist eine<br />
Schönwetterdemokratie“<br />
• „Dank der Flüchtlinge politisieren sich die Sachsen“<br />
Die Online-Plattform bot einen niedrigschwelligen Einstieg<br />
in den Dialog. Die Nutzer*innen konnten sich direkt auf<br />
der Startseite zu den einzelnen Thesen positionieren. Es<br />
konnte zwischen „stimme zu“, „neutral“ und „stimme nicht<br />
zu“ gewählt werden. Nach der Abgabe einer Positionierung<br />
wurden die Teilnehmenden aufgefordert, diese in einem<br />
Beitrag zu begründen.<br />
Nach Abgabe der eigenen Begründung wurden die Nutzer*innen<br />
auf eine Zwischenseite geleitet, auf der ihnen ein<br />
Beitrag eines/r anderen Nutzer*in angezeigt wurde. Dieser<br />
war inhaltlich konträr zur eigenen Meinung. Die Teilnehmenden<br />
wurden gebeten, diesen Beitrag nun ebenfalls zu<br />
bewerten und zu kommentieren. Anschließend konnten<br />
sie wählen, ob sie sich zu weiteren Beiträgen positionieren,<br />
oder ob sie auf die Detailseite geleitet werden wollten, auf<br />
der alle bereits verfassten Beiträge und Kommentare zur<br />
These angezeigt wurden. Durch die Anzeige eines entgegengesetzten<br />
Beitrages auf der Zwischenseite wurden die<br />
Teilnehmenden dazu aufgefordert, sich mit konträren Perspektiven<br />
auseinanderzusetzen und in Dialog mit entgegengesetzten<br />
Meinungen zu treten. Auf der Startseite konnten<br />
zusätzlich Hintergrundinformationen zu den einzelnen<br />
Themen abgerufen werden. Dadurch wurden Fakten in<br />
die Diskussion gebracht und die Komplexität des Themas<br />
aufgezeigt.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
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3. Online-Plattform<br />
Neben dem aktuellen Dialog bietet die Online-Plattform<br />
verschiedene Möglichkeiten, sich über das aktuelle Thema,<br />
die einzelnen Thesen und den Online-Dialog zu informieren.<br />
Zu jeder der diskutierten Thesen können beispielsweise<br />
Hintergrundinformationen abgerufen werden.<br />
Eine Info-Seite bietet weitere Informationen zum Dialog und<br />
zur Online-Plattform. Auch zum aktuellen Thema stehen<br />
weiterführende Informationen als Downloads bereit.<br />
Unter Häufige Fragen werden wichtige Fragen zur Online-Plattform<br />
und zum Dialog beantwortet.<br />
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, im Bereich Lob und<br />
Kritik Feedback zur Seite zu geben oder Probleme und offene<br />
Fragen direkt an die Moderation zu richten.<br />
Um über neue Dialoge und weitere Neuigkeiten auf dem<br />
Laufenden zu bleiben, kann außerdem ein Newsletter<br />
abonniert werden.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
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4. Der Dialog in Zahlen<br />
Dialogzeitraum vom 06.04.2016 – 20.05.2016<br />
3.006 Besuche<br />
Unter „Besuche“ wird jeder Aufruf der Online-Plattform<br />
verstanden, wobei mehrfache Aufrufe durch die gleichen<br />
Nutzenden mehrfach gezählt werden.<br />
2.069 eindeutige Besucher*innen<br />
Unter „Besucher*innen“ werden alle eindeutig identifizierbaren<br />
Besucher*innen der Plattform verstanden. Wiederholte<br />
Besuche derselben Person werden hierbei lediglich<br />
einmalig gezählt.<br />
18.820 Seitenaufrufe<br />
990 Beiträge<br />
1.295 Kommentare<br />
257 nicht veröffentlichte Beiträge und Kommentare<br />
Wurde in einem Wortbeitrag schwerwiegend gegen die Dialogregeln<br />
verstoßen, wurde diesem von der Moderation die<br />
Veröffentlichung entzogen.<br />
Anzahl der Beiträge pro These<br />
800<br />
700<br />
Anzahl der Besuche im Zeitverlauf des Dialogs<br />
Eindeu'ge Besucher im Zeitverlauf<br />
693 Besuche<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
23.04.2016<br />
13.04.2016 11.05.2016<br />
Positionierungen pro These<br />
Positionierungen pro These<br />
These 1 These 2 These 3 These 4<br />
s"mme<br />
nicht zu<br />
52%<br />
neutral<br />
13%<br />
s"mme zu<br />
35%<br />
s"mme<br />
nicht zu<br />
30%<br />
neutral<br />
10%<br />
s"mme zu<br />
60%<br />
s"mme<br />
nicht zu<br />
37%<br />
neutral<br />
9%<br />
s"mme zu<br />
54%<br />
s"mme<br />
nicht zu<br />
26%<br />
neutral<br />
12%<br />
s"mme zu<br />
62%<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
9
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.1 Gesellschaft<br />
5.1.1 Kultur<br />
5.1.2 Integration<br />
5.1.3 Diskriminierung und Rassismus<br />
5.1.4 Humanitäre Hilfe, Ethik und Moral<br />
Vorverurteilung<br />
Austausch<br />
Respekt<br />
Assimilation<br />
Vielfalt<br />
Volk<br />
Isolation<br />
Parallelgesellschaft fremd homogen Gewalt<br />
Konflikte<br />
politische Bildung<br />
Identitätsverlust<br />
5.1.1 Kultur<br />
Das Thema „Kultur“ nahm in der Diskussion zu den Thesen<br />
„Flüchtlinge sind eine Bereicherung für Sachsen“ und „So<br />
viele Flüchtlinge lassen sich nicht integrieren“ eine zentrale<br />
Rolle ein. Dabei wurde insbesondere auf den kulturellen<br />
Hintergrund geflüchteter Menschen sowie auf die lokale<br />
und nationale Kultur in Sachsen und Deutschland Bezug<br />
genommen. Als weiterer Schwerpunkt wurde in der Diskussion<br />
die Rolle von Religion thematisiert.<br />
Unterschiedliche Vorstellungen von Kultur prägten die<br />
Diskussion. Zum einen fand eine Hierarchisierung von<br />
Kulturen statt, die auf der Annahme beruhte, dass es mehr<br />
oder weniger entwickelte Kulturen gebe. Dabei wurde die<br />
den Geflüchteten zugeschriebene Kultur als „rückständig“<br />
und „archaisch“ charakterisiert, während die „europäische,<br />
westliche Kultur“ als „aufgeklärt“ und „modern“ beurteilt<br />
wurde. Diese Einschätzung war von der Annahme geprägt,<br />
dass Kulturen homogen und klar abgrenzbar voneinander<br />
seien und es eine „deutsche Kultur“ gebe.<br />
Dem gegenüber stand die Ansicht, dass es falsch sei,<br />
verschiedene Kulturen gegenüberzustellen und zu bewerten.<br />
Alle Kulturen befänden sich in stetem Wandel und<br />
seien nicht homogen. Es gebe keine einheitliche „deutsche<br />
Kultur“, diese sei sehr divers und heterogen. Der Zuzug von<br />
geflüchteten Menschen böte zudem die Chance zu erfahren,<br />
dass die verschiedenen Kulturen doch nicht so unterschiedlich<br />
seien, sondern es viele Gemeinsamkeiten gebe. Weiterhin<br />
wurde gefragt, ob die angeführten positiven Werte<br />
der „westlichen Kultur“ derzeit überhaupt so beispielhaft<br />
vorgelebt würden. Besonders die Wertvorstellungen der<br />
Pegida-Befürworter seien unzeitgemäß und rückschrittlich.<br />
Der Zuzug geflüchteter Menschen wurde in der Diskussion<br />
in Bezug auf das Thema „Kultur“ unterschiedlich bewertet.<br />
Die kulturelle Vielfalt, die durch Menschen mit unterschiedlichen<br />
kulturellen Hintergründen entstehe, wurde als gesellschaftliche<br />
Bereicherung wahrgenommen. Diese brächten<br />
neue Ideen in Kultur, Wirtschaft und Politik ein. Es wurde<br />
vorgebracht, dass kultureller Austausch schon immer ein<br />
wichtiger Antrieb für Veränderungen und Innovationen<br />
gewesen sei. Zudem biete der Kontakt mit Flüchtlingen die<br />
Chance, eigene Sichtweisen zu überdenken, Vorurteile abzubauen<br />
und einen Anlass zur Reflexion. Diversität trage zur<br />
Erweiterung der eigenen Kompetenzen, Erfahrungen und<br />
des eigenen Wissens bei. Es wurde auch betont, dass grundsätzlich<br />
jeder Mensch eine Bereicherung für die Gesellschaft<br />
darstelle. Zudem brächten geflüchtete Menschen Dankbarkeit<br />
und Hoffnung mit und zeigten anderen Menschen in<br />
Deutschland die Banalität ihrer eigenen Probleme auf.<br />
In diesem Teil der Diskussion wurde Sachsen als isoliert<br />
beschrieben, die Einwohner des Landes hätten bisher wenig<br />
Kontakt zu Menschen mit Migrationsgeschichte. Sachsen<br />
brauche neue Impulse, internationale Einflüsse und kulturelle<br />
Vielfalt. Der Kontakt zu Menschen aus anderen Kulturen<br />
und Ländern biete daher den Menschen in Sachsen eine<br />
Chance, offener zu werden.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Homogenität schadet einer Gesellschaft,<br />
da der Impuls zum Wandel fehlt …“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
10
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.1 Gesellschaft<br />
5.1.1 Kultur<br />
5.1.2 Integration<br />
5.1.3 Diskriminierung und Rassismus<br />
5.1.4 Humanitäre Hilfe, Ethik und Moral<br />
Dieser Meinung standen Beiträge gegenüber, in denen<br />
die den geflüchteten Menschen zugeschriebene Kultur als<br />
fremd und inkompatibel mit der westlichen Kultur und dem<br />
lokalen Wertesystem beurteilt wurde. Ihre Kultur sei demokratiefeindlich<br />
und diskriminiere Frauen. Kulturelle Unterschiede<br />
wurden in der Diskussion aber auch als Ursache<br />
von Konflikten angesehen. Flüchtlinge brächten außerdem<br />
Konflikte aus ihren Heimatländern mit nach Deutschland.<br />
Beides wurde als Argument gegen die Aufnahme von geflüchteten<br />
Menschen vorgebracht.<br />
Es wurde die Angst ausgedrückt, dass fremde Einflüsse die<br />
eigene Kultur bedrohten und zu einem Identitätsverlust<br />
führten. Weiterhin wurde der Anspruch geäußert, ein Recht<br />
darauf zu haben, „unter sich“ zu bleiben und nicht mit Menschen<br />
anderer Kulturen zusammenleben zu müssen. Diese<br />
Diskussion war von der Idee bestimmt, die „jedem Volk ein<br />
eigenes Land“ zuschreibt. Es wurde die Meinung verteten,<br />
wer andere Kulturen kennenlernen wolle, könne dies auf<br />
Reisen oder im Urlaub tun.<br />
Die Vergangenheit hätte gezeigt, dass der Islam nicht friedlich<br />
sei und muslimische Einwander*innen sich nicht in die<br />
deutsche Gesellschaft integriert hätten. Die muslimischen<br />
Verbände wurden aufgefordert, sich zur Gleichstellung der<br />
Geschlechter und der Gleichberechtigung anderer Religionen<br />
und Weltanschauungen zu positionieren. In einem<br />
Beitrag wurde gefordert, dass Deutschland nur Menschen<br />
aufnehmen solle, die nicht Muslime sind.<br />
Neben der negativen Beurteilung des Islams, wurde dafür<br />
argumentiert, den Islam differenzierter zu betrachten. So<br />
wie es nicht das eine Christentum und christliche Denken<br />
gebe, existiere auch nicht der eine Islam. Es gebe verschiedene<br />
Auslegungen des Islams und der Islam dürfe nicht mit<br />
Islamismus gleichgesetzt werden. Alle Religionen hätten das<br />
Potential radikal zu sein. Es wurde auch eine generelle Kritik<br />
an Religion geäußert, in der alle Religionen als „rückständig“<br />
und ideologisch bewertet wurden.<br />
Einen weiteren Schwerpunkt in der Diskussion nahm die<br />
Religion der geflüchteten Menschen ein; mehrheitlich<br />
gingen die Diskutanten davon aus, dass es sich dabei um<br />
den Islam handelt. Insgesamt zeichnete sich die Diskussion<br />
durch ein negatives Islambild aus. Der Islam wurde als eine<br />
nach Dominanz strebende Religion eingeschätzt, der andere<br />
Religionen und Lebensentwürfe unterdrücke. Er sei inkompatibel<br />
mit dem „deutschen“ Wertesystem. Weiterhin wurde<br />
die Ansicht vertreten, dass der Islam demokratiefeindlich<br />
und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Eine homogene Gesellschaft bringt Stabilität<br />
und Ruhe, da sich die Gesellschaft<br />
auf die gleichen Werte beruft…“<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„… Du setzt Homogenität bei der Herkunft<br />
an. Ich finde das zu kurz gegriffen - denken<br />
alle Sachsen etwa gleich? Was ist mit<br />
Unterschieden im Alter, Milieu,<br />
Geschmack, politischen Ansichten?“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
11
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.1 Gesellschaft<br />
5.1.1 Kultur<br />
5.1.2 Integration<br />
5.1.3 Diskriminierung und Rassismus<br />
5.1.4 Humanitäre Hilfe, Ethik und Moral<br />
5.1.2 Integration<br />
Insbesondere zur These „Flüchtlinge sind eine Bereicherung<br />
für Sachsen“ und zur These „So viele Flüchtlinge lassen sich<br />
nicht integrieren“ wurde über die Integration von geflüchteten<br />
Menschen diskutiert. Hierbei wurden zum einen die<br />
Voraussetzungen und Herausforderungen für einen erfolgreichen<br />
Integrationsprozess angesprochen. Zum anderen<br />
wurde die Bedeutung des Begriffs „Integration“ thematisiert.<br />
Integrationsverständnis<br />
In der Diskussion wurde der Integrationsbegriff unterschiedlich<br />
verwendet und aufgefasst. Teilweise wurde<br />
„Integration“ als „Assimilation“ verstanden, also als eine<br />
gänzliche Anpassung an die gesellschaftlichen Normen<br />
der Mehrheitsgesellschaft und als Verzicht auf die eigenen<br />
kulturellen Werte. Andere vertraten die Meinung, dass Integration<br />
nicht unbedingt die Aufgabe der eigenen Kultur und<br />
Religion bedeute. Es sei vielmehr die gemeinsame Aufgabe<br />
aller, sich aufeinander einzulassen und sich kennenzulernen.<br />
In einem Beitrag wurde auf die Gefahr des Integrationsbegriffes<br />
verwiesen. Durch diesen würde eine Grenze<br />
zwischen den sich Integrierenden und der einheimischen<br />
Bevölkerung gezogen, die einen Nährboden für Anfeindung<br />
und Ausgrenzung darstelle. Teilweise wurde Integration nur<br />
für die Menschen gewünscht, die in wirtschaftlicher Hinsicht<br />
eine Bereicherung für die Gesellschaft darstellten.<br />
Integration als Herausforderung<br />
Die Integration der geflüchteten Menschen wurde im Dialog<br />
als große planerische Herausforderung angesehen, die für<br />
manche Diskussionsteilnehmende machbar, für andere<br />
unmöglich erschien.<br />
Beispiele der genannten Herausforderungen:<br />
• Das Fehlen eines Integrationskonzeptes<br />
• Ein Mangel an Angeboten und Maßnahmen (z.B.<br />
Deutschkurse, Wohnraum, Arbeitsstellen, individuelle<br />
Unterstützungsangebote)<br />
• Fehlende personelle und finanzielle Ressourcen<br />
• Große Zeitdimension von Integration<br />
• Hohe bürokratische Hürden<br />
• Anzahl der geflüchteten Menschen<br />
• Gefahr der Entstehung von Parallelgesellschaften<br />
Beispiel der genannte Ideen und Vorschläge, um diese<br />
Herausforderungen zu überwinden:<br />
• Der gute Wille aller Beteiligten (geflüchtete Menschen,<br />
Einheimische, Politik)<br />
• Der respektvolle und freundliche Umgang mit Geflüchteten.<br />
Aggression und Hass erzeugt nur Gegenhass und<br />
Abschottung.<br />
• Eine schnelle Vermittlung gesellschaftlicher Grundwerte<br />
an die geflüchteten Menschen<br />
• Schnelle und kostenlose Unterstützungsprogramme,<br />
z.B. durch Online-Kurse<br />
• Schaffung von Weiterbildungsmaßnahmen<br />
• Leichtere Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse<br />
• Mehr politische Bildung für die deutsche Bevölkerung,<br />
z.B. über den globalen Kontext von Migrationsbewegungen<br />
oder zu Themen wie Anti-Rassismus und Demokratie<br />
• Abschaffung von zentralen Unterkünften, welche die<br />
Kontaktaufnahme zur einheimischen Bevölkerung<br />
erschweren<br />
• Forderung und Förderung der Rückkehr der Flüchtlinge<br />
in ihre Herkunftsländer<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Integration ist keine Pflichtleistung der<br />
Geflüchteten, sondern ein gemeinsamer<br />
Weg!“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
12
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.1 Gesellschaft<br />
5.1.1 Kultur<br />
5.1.2 Integration<br />
5.1.3 Diskriminierung und Rassismus<br />
5.1.4 Humanitäre Hilfe, Ethik und Moral<br />
Besonders kontrovers wurde über den Integratioswillen<br />
aller Beteiligten und über die Anzahl der geflüchteten Menschen<br />
diskutiert. Nach manchen Einschätzungen sei es kein<br />
Problem, die aktuelle Zahl an geflüchteten Menschen zu integrieren.<br />
Im Vergleich zur Bevölkerungszahl in Deutschland<br />
sei die Anzahl gering und Deutschland könne ausreichend<br />
finanzielle Mittel für Integrationsmaßnahmen bereitstellen.<br />
Andere waren der Meinung, dass Deutschland überhaupt<br />
nicht in der Lage sei, die Integration für die Anzahl der geflüchteten<br />
Menschen zu gewährleisten.<br />
Als Garant für eine gelingende Integration wurde verstärkt<br />
der gute Wille der Beteiligten genannt. Teils wurde das<br />
Engagement Geflüchteter für eine erfolgreiche Integration<br />
hervorgehoben, teils wurde diesen ein fehlender Integrationswille<br />
vorgeworfen. Andere Teilnehmende sahen die<br />
Verantwortung nicht ausschließlich bei den geflüchteten<br />
Menschen. Auch die deutsche Bevölkerung müsse durch<br />
Akzeptanz und Offenheit dazu beitragen, dass die Integration<br />
in ein neues Umfeld gelinge.<br />
Im Dialog wurden Vergleiche zu anderen großen Migrationsbewegungen<br />
und Integrationsprozessen in der deutschen<br />
Geschichte herangezogen. Die Beispiele wurden in Bezug<br />
auf die aktuelle Lage unterschiedlich interpretiert. Zum Teil<br />
wurden sie als Argument verwendet, dass Integration meistens<br />
gescheitert sei. So seien zum Beispiel viele der sogenannten<br />
„Gastarbeiter*innen“ und deren Kinder bis heute<br />
nicht wirklich integriert. Andere betonten, das schwierigere<br />
Integrationsprozesse in der Vergangenheit gemeistert worden<br />
seien. Es wurde außerdem gehofft, dass Deutschland<br />
aus den vergangenen Zeiten gelernt habe und daher wisse,<br />
wie der Integrationsprozess gestaltet werden solle.<br />
5.1.3 Diskriminierung und Rassimus<br />
Im Dialog wurde diskutiert, ob die Einstellung vieler Sachsen<br />
bereits als rassistisch und fremdenfeindlich beschrieben<br />
werden könne. Während die momentane Stimmung teilweise<br />
als radikalisiert und fremdenfeindlich wahrgenommen<br />
wurde, hielten weitere Teilnehmende die aktuellen<br />
Anti-Asyl-Proteste für eine legitime Meinungsäußerung. Die<br />
Ablehnung von geflüchteten Menschen durch viele deutsche<br />
Bürger*innen wurde an anderer Stelle als Zeichen<br />
gedeutet, dass die deutsche Gesellschaft noch nicht bereit<br />
für die Integration der geflüchteten Menschen sei. Nicht<br />
alles, was sich gegen den Zuzug von Menschen richte, sei<br />
fremdenfeindlich oder rassistisch.<br />
Diejenigen, die die Stimmung in Sachsen klar als rassistisch<br />
und fremdenfeindlich einschätzten, äußerten, dass Sachsen<br />
ein Problem mit Rechtsradikalismus und Rassismus habe.<br />
Dieses resultiere beispielsweise aus dem langen Schweigen<br />
der Politik über die fremdenfeindlichen Tendenzen im<br />
Land, aus dem Populismus von Seiten einiger sächsischen<br />
Politiker*innen und aus dem Defizit politischer Bildungsmaßnahmen.<br />
Das sich abzeichnende völkische Denken sei<br />
gefährlich und abzulehnen. Es ziehe einen Rechtsruck der<br />
Regierung und restriktive Gesetzte nach sich. Auch behindere<br />
die Vorverurteilung geflüchteter Menschen eine gelingende<br />
Integration und Gewalt gegen die selbigen erzeuge<br />
Gegengewalt. Ausländer*innen würden wie schon so oft als<br />
Sündenböcke für die Unzufriedenheit mancher Menschen<br />
im Land missbraucht.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Wer in ein Land einwandert hat die<br />
Pflicht sich zu assimilieren und anzupassen,<br />
nicht umgedreht.“<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Übt jemand Kritik ist er rechts und ein<br />
Rassist!“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
13
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.1 Gesellschaft<br />
5.1.1 Kultur<br />
5.1.2 Integration<br />
5.1.3 Diskriminierung/Rassismus<br />
5.1.4 Humanitäre Hilfe, Ethik & Moral<br />
5.1.3 Humanitäre Hilfe, Ethik & Moral<br />
Es wurde die Haltung geäußert, dass die Aufnahme geflüchteter<br />
Menschen eine moralische, humanitäre, ethische oder<br />
auch christliche Pflicht darstelle, der Folge zu leisten sei.<br />
Deutschland sei ein wohlhabendes Land, welches seinen<br />
Reichtum auch solidarisch verteilen solle. Zudem habe<br />
Deutschland eine Verantwortung zur Hilfeleistung, da es<br />
selbst eine Rolle bei der Verursachung von <strong>Flucht</strong>gründen<br />
spiele.<br />
In anderen Beiträgen wurde diese Forderung nach Hilfeleistung<br />
eingeschränkt. Nicht alle geflüchteten Menschen seien<br />
aus einer Notlage heraus geflohen. Für Bedürftige solle<br />
temporäre Hilfe geleistet werden, solange diese nicht in ihr<br />
Heimatland zurückkehren könnten. Menschen, die aus wirtschaftlichen<br />
Gründen nach Deutschland kommen, sollten<br />
keine solche Unterstützung erhalten.<br />
Letzterem standen andere Teilnehmende kritisch gegenüber,<br />
da auch die Suche nach einem besseren Leben ein<br />
legitimer <strong>Flucht</strong>grund sei. Diesbezüglich wurde auf die<br />
Zusammenhänge der deutschen Politik und der <strong>Flucht</strong>ursachen<br />
hingewiesen, die in der Diskussion zu kurz kämen.<br />
In der Diskussion wurde kritisch geäußert, dass die Hilfsbereitschaft<br />
in Sachsen Flüchtlingen gegenüber zu gering sei<br />
und nur von Teilen der Bevölkerung Mitgefühl gezeigt würde.<br />
Es wurde appelliert, dass auch in die Geschichte zurückgeblickt<br />
werden solle, um zu begreifen, dass auch Teile der<br />
deutschen Bevölkerung in <strong>Flucht</strong>situationen waren.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Nein, du bist nicht rechts und rassistisch,<br />
weil Du Kritik übst. Du übst Kritik, weil Du<br />
rechts und rassistisch bist.“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
14
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.2 Wirtschaft<br />
5.2.1 Arbeit<br />
5.2.2 Kosten und Ressourcen<br />
5.2.3 Demografie<br />
Weiterbildung<br />
Qualifikation<br />
Fachkräfte<br />
Potential<br />
Überalterung<br />
Innovation<br />
Verteilungskritik Bildung Renten<br />
Arbeitswille<br />
Arbeitskraft<br />
Familienpolitik<br />
Ungerechtigkeit<br />
Arbeitsplätze<br />
Sozialsystem<br />
Investitionen<br />
5.2.1 Arbeit<br />
In der Diskussion zu den Thesen „Flüchtlinge sind eine<br />
Bereicherung für Sachsen“ und „So viele Flüchtlinge lassen<br />
sich nicht integrieren“ wurde der Aspekt der Arbeit intensiv<br />
besprochen. Die Diskussion war deutlich zweigeteilt. Während<br />
einige die Zuwanderung von geflüchteten Menschen<br />
als eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt bezeichneten,<br />
nannten andere die Arbeitsmarktsituation als Grund gegen<br />
die Aufnahme von geflüchteten Menschen.<br />
Konkret wurde angeführt, dass es in Sachsen und in<br />
Deutschland eine hohe Arbeitslosigkeit und wenige Arbeitsplätze<br />
gebe und geflüchtete Menschen daher kaum Aussichten<br />
auf Jobs hätten. Durch eine stetige Automatisierung<br />
würden in der Zukunft darüber hinaus noch mehr Arbeitsplätze<br />
wegfallen. Es wurden auch Zweifel daran geäußert,<br />
ob es überhaupt einen Fachkräftemangel in Deutschland<br />
gebe. Es wurde gefolgert, dass durch den Zuzug von geflüchteten<br />
Menschen die Arbeitslosigkeit in Deutschland<br />
und die Ausgaben für Arbeitslosengeld stark ansteigen<br />
würden. Weiterhin wurde davon ausgegangen, dass Geflüchtete<br />
pauschal sehr niedrig qualifiziert seien. Sie würden<br />
daher mit niedrig qualifizierten Deutschen in Konkurrenz im<br />
Niedriglohnsektor treten.<br />
Andere Stimmen beurteilten die Arbeitsmarktsituation in<br />
Deutschland und vor allem in Sachsen konträr dazu. In<br />
Sachsen würden Arbeitskräfte gebraucht. Es bestehe besonders<br />
ein Mangel im Handwerk, an Auszubildenden und<br />
allgemein an Fachkräften. Geflüchtete Menschen hätten das<br />
Qualifizierungspotential, diese Stellen zu besetzen. Trotz der<br />
Aufnahme zahlreicher geflüchteter Menschen im Jahr 2015<br />
sei die Arbeitslosenquote so niedrig wie nie und weiterhin<br />
rückläufig. Sachsen sei auf Zuwanderung angewiesen, um<br />
ein wirtschaftlich starker Standort zu bleiben.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
Jungen Menschen solle daher eine Chance gegeben werden,<br />
in den Arbeitsmarkt zu finden.<br />
Das Thema Arbeitswille der Flüchtlinge wurde im Dialog<br />
behandelt. Die Ansichten dazu waren konträr. Zum einen<br />
wurde davon ausgegangen, dass der Arbeitswille der<br />
geflüchteten Menschen groß sei, da sie sehr schlechten<br />
Verhältnissen entflohen seien und für sich eine bessere Zukunft<br />
erarbeiten wollten. Sie seien daher auch bereit, Arbeiten<br />
zu übernehmen, die für die deutsche Bevölkerung nicht<br />
so attraktiv wären, wie z.B. in der Pflege. Dadurch könnten<br />
sie die Gesellschaft unterstützen. Dieser Meinung wurde im<br />
Online-Dialog die Überzeugung entgegengesetzt, dass den<br />
geflüchteten Menschen jeglicher Arbeits- und Ausbildungswille<br />
fehle.<br />
Andere wiederum beschrieben den Zuzug von geflüchteten<br />
Menschen als Potential für Innovationen. Sie brächten neue<br />
Ideen, Fachwissen und Gründergeist mit und könnten dadurch<br />
positiv zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands<br />
beitragen. Ihr Zuzug könne als eine Art „Jobmotor“ wirken.<br />
Hierfür sei allerdings eine gute Integration wichtig.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Unsere Bürger haben selbst nicht ausreichend<br />
Arbeit. Ausgebildete Akademiker<br />
bekommen auch schwer einen Job.“<br />
15
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.2 Wirtschaft<br />
5.2.1 Arbeit<br />
5.2.2 Kosten und Ressourcen<br />
5.2.3. Demografie<br />
Die Diskussion wurde darüber hinaus von den Themen<br />
Qualifizierung und Bildung bestimmt. Es wurden sehr unterschiedliche<br />
Meinungen zum Bildungsstand der geflüchteten<br />
Menschen geäußert.<br />
Zum einen gab es die Überzeugung, dass der Bildungsstand<br />
der geflüchteten Menschen sehr niedrig sei, sehr<br />
wenige von ihnen eine Berufsausbildung hätten und ein<br />
Großteil von ihnen Analphabeten seien. Sie seien daher<br />
nicht in den Arbeitsmarkt integrierbar. Stattdessen sollten<br />
Deutsche qualifiziert werden, um einen Fachkräftemangel<br />
auszugleichen. Eine andere Meinung dazu war, den Fachkräftemangel<br />
durch eine „geregelte“ Zuwanderung auszugleichen.<br />
Es gab allerdings Zweifel daran, ob Fachkräfte<br />
nach Deutschland einwandern wollen, da die USA, Kanada<br />
und Australien für hochqualifizierte Menschen attraktivere<br />
Arbeits- und Lebensbedingungen biete. Die Qualität der<br />
Bildungsabschlüsse geflüchteter Menschen wurde negativ<br />
beurteilt. So wurde der Standpunkt vertreten, dass Berufsund<br />
Universitätsabschlüsse aus den Heimatländern der<br />
geflüchteten Menschen ein niedrigeres Niveau hätten als<br />
deutsche Abschlüsse. In der Diskussion wurde unter anderem<br />
von dem „Hochtechnologieland Deutschland“ versus<br />
den „Niedrig-Technologieländern Syrien, Irak, Afghanistan“<br />
gesprochen.<br />
5.2.2 Kosten und Ressourcen<br />
Es wurde auf der einen Seite der Standpunkt vertreten, dass<br />
die Ausgaben für geflüchtete Menschen für Deutschland<br />
tragbar seien. Da Deutschland eines der reichsten Länder<br />
der Welt sei und sich daher in einer sehr guten finanziellen<br />
Position befände, könne es auch einer großen Anzahl an<br />
geflüchteten Menschen helfen und diese aufnehmen. Auch<br />
Sachsen könne seinen Teil dazu beitragen. Es wurde argumentiert,<br />
dass im Vergleich zu anderen Bereichen, wie der<br />
„Bankenrettung“, zu wenig Geld für geflüchtete Menschen,<br />
Sprachkurse, Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen bereitgestellt<br />
werde. Zudem betrügen die Ausgaben für Flüchtlinge<br />
lediglich einen sehr kleinen Anteil der Sozialausgaben in<br />
Deutschland. Es wurde betont, dass die Sozialleistungen, die<br />
geflüchtete Menschen erhielten, der Höhe des Arbeitslosengeld<br />
II entsprächen. Es sei auch bisher noch niemand persönlich<br />
finanziell belastet worden. Wegen der geflüchteten<br />
Menschen müsse nicht an anderen Stellen Geld eingespart<br />
werden. Sollte dies trotzdem der Fall sein, läge es an einer<br />
starren Finanzpolitik. Die Probleme, die derzeit mit dem<br />
Zuzug von geflüchteten Menschen in Verbindung gebracht<br />
würden, wie der Mangel an Sozialwohnungen, Mangel an<br />
Lehrpersonal und der Sanierungsstau an Schulen, seien allgemeine<br />
Probleme, mit der sich die Politik unabhängig vom<br />
Zuzug der Geflüchteten beschäftigen müsse.<br />
Andere Diskutanten gingen davon aus, dass die Fähigkeiten<br />
und Qualifikationen der geflüchteten Menschen sehr divers<br />
seien. Es sei sehr wichtig, Sprachkenntnisse zu vermitteln<br />
und die Menschen auszubilden, bei denen der Bedarf bestehe.<br />
Nur dann könnten sie durch ein Einkommen und das<br />
Zahlen von Steuern der Gesellschaft etwas zurückgeben.<br />
Weiterhin wurde hinterfragt, worauf die Einschätzung derer<br />
beruhe, die von einem sehr niedrigen Bildungsstand der<br />
geflüchteten Menschen ausgingen.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Dabei gäbe es gute Chancen jungen<br />
Menschen eine Perspektive in Sachsen zu<br />
geben und damit auch Sachsen eine Perspektive<br />
zu geben.“<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Vorher war auch nie Geld für die Bevölkerung<br />
da“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
16
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.2 Wirtschaft<br />
5.2.1 Arbeit<br />
5.2.2 Kosten und Ressourcen<br />
5.2.3. Demografie<br />
Aus einer gegensätzlichen Perspektive wurde argumentiert,<br />
dass die Kosten, welche durch die aktuelle Situation entständen,<br />
viel zu hoch seien. Es käme zu einer dauerhaften<br />
Belastung der Sozialsysteme, des Bildungssystems und<br />
des Wohnungsmarktes. Es fehle zudem an finanziellen und<br />
personellen Ressourcen, um die Kosten der Ausbildung und<br />
weiteren Integrationsmaßnahmen zu finanzieren. Weiter sei<br />
unklar, wer die entstehenden Kosten übernehmen werde.<br />
Es bestand die Überzeugung, dass die öffentlichen Ausgaben,<br />
die aktuell für geflüchtete Menschen getätigt werden,<br />
direkt zu Lasten der Bevölkerung gingen. So wurden sowohl<br />
eine Anhebung der Grundsteuer, als auch die Kündigungen<br />
von Gewerberäumen in direkten Bezug zu Ausgaben für die<br />
Unterbringung von geflüchteten Menschen gestellt.<br />
Neben der Debatte um die Kosten, die durch den Zuzug von<br />
geflüchteten Menschen entstehen könnten, wurde auch<br />
über einen möglichen wirtschaftlichen Nutzen debattiert.<br />
Es wurde darauf verwiesen, dass die Menschen, die nach<br />
Deutschland kämen, auf lange Sicht mehr in die Sozialkassen<br />
einzahlen würden, als sie aus diesen beziehen würden.<br />
Menschen mit Migrationsgeschichte, die schon länger in<br />
Deutschland lebten, unterstützten durch ihre Sozialabgaben<br />
die Gesamtbevölkerung. Die Geschichte habe gezeigt, dass<br />
Länder immer von Einwanderung profitiert hätten, auch<br />
wenn die Kosten und Investitionen zu Beginn hoch gewesen<br />
seien.<br />
Es wurde betont, dass der finanzielle Aufwand und die<br />
Kosten für mögliche Ausbildungen für geflüchtete Menschen<br />
sich lohnten, da diese später in die Rentenkassen und<br />
Krankenkassen einzahlten und Steuern bezahlten. Weiterhin<br />
wurde darauf hingewiesen, dass auch der sächsische<br />
Landeshaushalt davon auf Dauer profitieren würde.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Es ist mir unbegreiflich, warum man<br />
Menschen gegen Menschen argumentativ<br />
ausspielen muss…“ -<br />
Die Ausgaben, die durch den Zuzug von geflüchteten<br />
Menschen getätigt werden, wurden in der Diskussion<br />
auch als Chance für Investitionen bewertet. Es entständen<br />
Arbeitsplätze, die Wirtschaft würde belebt und Investitionen<br />
würden getätigt. In einem Beitrag wurde dies mit einer<br />
Art „Konjunkturprogramm“ verglichen. Ein weiterer positiver<br />
Nebeneffekt sei, dass nun Bereiche, an denen bisher<br />
gespart wurde, wie der soziale Wohnungsbau, Bildung und<br />
Kinderbetreuung, nun auf Grund der Dringlichkeit gestärkt<br />
würden. Eine konträre Meinung dazu war, dass sich lediglich<br />
einige Gewerbe, die „Asyl-Industrie“, durch Steuergelder<br />
bereicherten. Als weitere gewinnbringende Folge für ein<br />
exportorientiertes Land wie Deutschland wurde angeführt,<br />
dass geflüchtete Menschen, die später wieder in ihre<br />
Heimat zurückkehrten, wichtige Kontakte für zukünftige<br />
wirtschaftliche Beziehungen darstellten.<br />
In der Diskussion wurde ein starkes Bild eines „wir“ und<br />
„die Anderen“ gezeichnet. Unter „wir“ wurde die „deutsche“<br />
Bevölkerung und unter „die Anderen“ die geflüchteten<br />
Menschen, aber auch allgemein Menschen mit Migrationsgeschichte<br />
gefasst. In Bezug auf die Verteilung staatlicher<br />
finanzieller Mittel und Hilfeleistungen wurde von dieser Seite<br />
klar formuliert, dass nur die „deutsche“ Bevölkerung Anspruch<br />
auf diese Hilfe habe. Es wurde daher stark kritisiert,<br />
das Mittel für geflüchtete Menschen ausgegeben würden,<br />
während an anderen Stellen Leistungen gestrichen würden.<br />
In der Diskussion wurde ein starkes Ungerechtigkeitsgefühl<br />
geäußert. Es wurde befürchtet, dass durch die Ausgaben<br />
für geflüchtete Menschen das Lebensniveau insgesamt in<br />
Deutschland abgesenkt werde und eine Konkurrenzsituation<br />
hinsichtlich der Ressourcenverteilung eintrete. Zusätzlich<br />
wurde es als ungerecht empfunden, dass Menschen Sozialleistungen<br />
beziehen, die vorab keine Abgaben gezahlt hätten.<br />
Diesem Standpunkt wurde entgegnet, dass ausreichend<br />
finanzielle Mittel für alle vorhanden seien. Diese seien<br />
innerhalb Deutschlands nur ungerecht verteilt. Die reicheren<br />
Mitglieder der Gesellschaft müssten stärker belangt<br />
werden, zum Beispiel durch eine Finanztransaktionssteuer<br />
auf europäischer Ebene oder einer Vermögenssteuer.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
17
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.2 Wirtschaft<br />
5.2.1 Arbeit<br />
5.2.2 Kosten und Ressourcen<br />
5.2.3. Demografie<br />
Des Weiteren wurde darauf verwiesen, dass nötige Investitionen,<br />
beispielsweise im Bildungsbereich, kein Grund<br />
dafür seien, andere Menschen nicht zu unterstützen. Es<br />
wäre nicht zielführend, die Schwächsten einer Gesellschaft<br />
gegeneinander auszuspielen. Weiter wurde ein globales<br />
Umdenken gefordert, welches der neuen geopolitischen<br />
Situation angemessen sei. Konkret sollten mehr Investitionen<br />
getätigt werden, eine Stärkung des Binnenmarktes<br />
stattfinden sowie eine stärkere Umverteilung von „oben“<br />
nach „unten“ erfolgen. Andere Teilnehmende machten<br />
darauf aufmerksam, dass die deutsche Wiedervereinigung<br />
bewältigt wurde, obwohl die Bürger*innen der ehemaligen<br />
DDR bis zu diesem Zeitpunkt nicht in das westdeutsche<br />
Sozialsystem eingezahlt hätten.<br />
Im Dialog wurde außerdem nach Erklärungsansätzen gesucht,<br />
warum Teile der Bevölkerung Geflüchtete als Konkurrenz<br />
um finanzielle Leistungen und Mittel ansehen. Die<br />
Einkommensverhältnisse in den ostdeutschen Bundesländern,<br />
die bis heute schlechter seien als die im Westen, sowie<br />
eine hohe Arbeitslosigkeit, und sinkende Löhne wurden als<br />
Gründe angeführt.<br />
5.2.3 Demografie<br />
Zum Thema demografischer Wandel wurde im Online-Dialog<br />
kontrovers diskutiert. Zum Teil wurde der demografische<br />
Wandel nicht zwangsläufig als ein Problem<br />
wahrgenommen, welcher durch den Zuzug von Menschen<br />
ausgeglichen werden müsse. Es wurde darauf verwiesen,<br />
dass ein möglicher Arbeitskräftemangel durch technologische<br />
Innovationen ausgeglichen werden könne.<br />
Weiter habe der demografische Wandel auch einen positiven<br />
Effekt, da eine geringere Bevölkerung automatisch eine<br />
Schonung der Ressourcen bedeute.<br />
Demgegenüber stand die Einschätzung, dass durch den<br />
demografischen Wandel mit negativen Folgen zu rechnen<br />
sei. Hier wurden beispielsweise Überalterung und damit<br />
verbundene knappe Renten, Landflucht, Gemeindesterben<br />
oder Fachkräftemangel genannt. Diese könnten durch den<br />
Zuzug von geflüchteten Menschen abgemildert werden.<br />
Weiter wurde angemerkt, dass ältere Menschen sich in<br />
vielen Fällen nicht ausreichend in die Gesellschaft einbrächten.<br />
Durch junge Menschen würde die Region neue Impulse<br />
bekommen und dadurch zukunftsfähiger werden.<br />
Es wurde zu bedenken gegeben, dass der Grund für die<br />
Abwanderung aus strukturschwachen Regionen oftmals<br />
ein Mangel an beruflichen Perspektiven sei. An diesem<br />
Umstand könne auch der Zuzug von Flüchtlingen nichts<br />
ändern. Im Gegenteil sei die Integration in diesen Gebieten<br />
eine besondere Herausforderung.<br />
Diesbezüglich wurde außerdem die Befürchtung geäußert,<br />
dass ein Bevölkerungswachstum die Konkurrenzsituation<br />
um Ressourcen wie Arbeitsplätze und Wohnraum verschärfen<br />
würde. Zudem wurde angenommen, dass geflüchtete<br />
Menschen die größeren städtischen Zentren als Wohnort<br />
vorziehen würden. Weiter wurde argumentiert, dass eine<br />
am Arbeitsmarkt orientierte Zuwanderung erfolgen müsse,<br />
um die demografische Entwicklung positiv zu beeinflussen.<br />
In weiteren Beiträgen wurde gefordert, dass dem Bevölkerungsrückgang<br />
durch mehr Geburten innerhalb Deutschlands<br />
und nicht durch Zuwanderung entgegengewirkt werden<br />
solle. Familien sollten gefördert werden, damit Kinder<br />
für Familie nicht berufliche und finanzielle Nachteile bedeuteten.<br />
Es solle außerdem mehr in Betreuung und Bildung<br />
von Kindern investiert werden.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Eine größere Diversität hilft meiner Meinung<br />
einer Gesellschaft sich neuen Herausforderungen<br />
anzupassen. Flüchtlinge<br />
sind überwiegend jung und helfen so, den<br />
demographischen Wandel abzumildern.“<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Aber auch mit ihnen würde das deutsche<br />
Demografieproblem nicht gelöst, da es<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit dann kein<br />
„deutsches Deutschland“ mehr geben<br />
wird.“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
18
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.3 Politik und Recht<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Demokratie<br />
Grundgesetz Medien EU<br />
Asylpolitik<br />
Kompromissfähigkeit<br />
Meinungsbildung<br />
Machterhaltung<br />
Bezugsverlust<br />
Kompromisse<br />
<strong>Flucht</strong>ursachen<br />
Bleiberecht Engagement Partizipation Radikalisierung<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
Dem Dialog lagen sehr unterschiedliche Vorstellungen von<br />
Demokratie zu Grunde. Streit, Kritik, Kompromissfähigkeit,<br />
Beteiligung der Bürger*innen und freie Meinungsäußerung<br />
sind Beispiele demokratischer Grundwerte, welche in die<br />
Diskussion eingebracht wurden. Als gemeinsame Basis für<br />
die Demokratie wurde das Grundgesetz hervorgehoben.<br />
Dieses diene als Grundlage und müsse von geflüchteten wie<br />
auch einheimischen Menschen bedingungslos anerkannt<br />
werden. Hierbei wurden besonders das Demonstrationsrecht,<br />
das Versammlungsrecht, freie Wahlen und die Presseund<br />
Meinungsfreiheit positiv herausgestellt. Kontrovers diskutiert<br />
wurde über den Grundwert der „Meinungsfreiheit“.<br />
Es gab unterschiedliche Ansichten dazu, ob Meinungsvielfalt<br />
in Deutschland zugelassen werde.<br />
Auch die Berichterstattung der Medien wurde im Dialog in<br />
Bezug auf die Meinungsbildung thematisiert. Es wurde eine<br />
einseitige Berichterstattung kritisiert, die nicht alle Perspektiven<br />
und Positionen widerspiegle. Den Medien wurde Zensur<br />
und die Verbreitung von Unwahrheiten vorgeworfen.<br />
Andere Stimmen sahen die Pressefreiheit in Deutschland<br />
gegeben. Im Dialog wurde auch der Vorwurf erhoben, dass<br />
die Medien vor allem negative Einzelfälle in der <strong>Flucht</strong>thematik<br />
präsentierten, die ein negatives Klima gegenüber den<br />
geflüchteten Menschen erzeugten. Die Berichterstattung<br />
sei zudem oft undifferenziert und zu emotional. Ein Beitrag<br />
wies darauf hin, dass der Presse nur ein Teil der Verantwortung<br />
für gesellschaftliche Prozesse zugeschrieben werden<br />
dürfe.<br />
Auch die demokratische Praxis in Sachsen wurde sehr<br />
unterschiedlich wahrgenommen. Zum einen fehle vielen<br />
Bürger*innen ein Verständnis dafür, dass Demokratie kein<br />
Prozess „von oben nach unten“ sei, sondern auch eigenes<br />
Engagement erfordere. Ein weiterer Diskussionspunkt,<br />
insbesondere in Bezug auf die These „Deutschland ist eine<br />
Schönwetterdemokratie“, war die Stabilität der deutschen<br />
Demokratie. Auf der einen Seite bestand die Meinung, dass<br />
trotz des Erstarkens radikaler und rechtspopulistischer<br />
Parteien und Gruppierungen die deutsche Demokratie ein<br />
stabiles und funktionierendes System sei. Andere argumentierten,<br />
dass es keine vollkommen gefestigte Demokratie<br />
gebe, da diese immer wieder von extremistischen Kräften<br />
herausgefordert werde. Am anderen Ende des Meinungsspektrums<br />
vertraten die Teilnehmenden die Ansicht, dass<br />
aufgrund einer überforderten Regierung und schlecht funktionierenden<br />
staatlichen Strukturen derzeitig nicht mehr<br />
von einer Demokratie gesprochen werden könne. Teilweise<br />
wurde der Zustand auch mit dem DDR-Regime verglichen<br />
oder von der Diktatur einer Partei gesprochen.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Im Vergleich zu anderen europäischen<br />
Staaten steht es bei uns nicht schlechter<br />
um die Demokratie. Dass grundsätzliche<br />
Kritik und Radikalisierung mit größeren<br />
politischen Herausforderungen zunehmen,<br />
ist normal.“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
19
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.3 Politik und Recht<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
In verschiedenen Bereichen des Dialogs wurde Kritik an<br />
der aktuellen Politik in Deutschland geübt. Diese bezog sich<br />
sowohl auf die Bundesregierung, die Landes- und Kommunalpolitik<br />
in Sachsen als auch auf die deutsche Parteienlandschaft.<br />
Es wurde der Politik vorgeworfen, dass ein Desinteresse<br />
an den Meinungen der Bürger*innen bestehe. Begriffe wie<br />
„Scheindemokratie“ und „Scheinpolitik“ wurden verwendet,<br />
um die Überzeugung auszudrücken, dass Politiker*innen<br />
nicht mehr zum Wohle der Bevölkerung handelten, sondern<br />
im Sinne der Macht- und Positionserhaltung. Aus diesen<br />
Gründen würden sich immer mehr Menschen von den regierenden<br />
Parteien abwenden und es käme zunehmend zu<br />
einer Radikalisierung innerhalb der Bevölkerung. Es wurde<br />
der Wunsch nach einer größeren Einbindung von Bürger*innen<br />
in politische Entscheidungen deutlich. Konkret<br />
wurde mehr direkte Demokratie gefordert, beispielsweise<br />
durch mehr Volksentscheide und Volksabstimmungen. Als<br />
positiv wurde in einem Beitrag bewertet, dass auf kommunaler<br />
Ebene zunehmend partizipative Prozesse eingeleitet<br />
würden.<br />
Andere Teilnehmende konnten die geäußerte Kritik an den<br />
politischen Parteien nicht nachvollziehen. Die Meinung der<br />
Öffentlichkeit würde die Politiker*innen durchaus interessieren<br />
und sie würden ihre Politik daran anpassen.<br />
Dies sei beispielsweise im Rechtsruck der etablierten Parteien<br />
zu erkennen. Auch vermittle ein zweigeteiltes Bild von<br />
den Politiker*innen auf der einen und der „übergangenen<br />
Bevölkerung“ auf der anderen Seite einen falschen Eindruck.<br />
Es gäbe keinen von der Bevölkerung oder den Parteien<br />
allgemein als richtig akzeptierten Weg. Zudem sei es normal,<br />
dass Politiker*innen in ihren Inhalten Kompromisse<br />
eingehen müssten, da sie schließlich zumeist in Koalitionen<br />
zusammenarbeiteten.<br />
Ein weiterer Kritikpunkt an der deutschen Parteienlandschaft<br />
war, dass sich die Parteien der Mitte des politischen<br />
Spektrums in ihren Inhalten kaum noch unterschieden.<br />
Kleinere Parteien würden zu schnell als antidemokratisch<br />
und extremistisch eingestuft. Es wurde der Standpunkt<br />
vertreten, dass auch national-konservative Ansichten zum<br />
Meinungsspektrum der Gesellschaft gehörten. An anderer<br />
Stelle in der Diskussion wurde Kritik an den Wähler*innen<br />
der AfD geübt, denen es hauptsächlich um das Protestwählen<br />
ginge und nicht um das parteipolitische Programm.<br />
Auch wurde der Wunsch geäußert, dass sich die Politik<br />
klarer gegen rechte Tendenzen positionieren solle.<br />
Bezüglich der Kommunal- und Landespolitik in Sachsen<br />
wurde ein zu starker Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung<br />
bemängelt. Es gäbe kaum Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung<br />
für die sozio-ökonomisch schwächeren Bevölkerungsschichten.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
Es gibt keine Demokratie mehr. Die Regierung<br />
trifft Entscheidungen entgegen der<br />
Meinung des Volkes.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Die deutsche Demokratie funktioniert,<br />
auch unter Zuhilfenahme von Protestparteien<br />
und Bewegungen. Es fehlt an Politikund<br />
Prozessverständnis, gerade auch in<br />
Sachsen.“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
20
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.3 Politik und Recht<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Auch würden Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu wenig<br />
von Politiker*innen thematisiert und problematisiert sowie<br />
nur selten angegangen. Weiterhin bedürfe es einer engeren<br />
Zusammenarbeit der sächsischen Kommunen in der Erarbeitung<br />
einer gemeinsamen Strategie, wie die Herausforderung<br />
des Zuzugs von geflüchteten Menschen gemeistert<br />
werden könne. Eine gemeinsame Strategie wurde auch für<br />
die EU-Ebene gefordert.<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
In der Diskussion wurde betont, dass Deutschland mitverantwortlich<br />
für zahlreiche <strong>Flucht</strong>ursachen sei. Durch koloniale<br />
Kontinuitäten, beispielsweise im Zuge unfairer Exportpolitik<br />
und Ausbeutung, durch Waffenexporte in Krisengebiete<br />
und durch Deutschlands Rolle als einer der Hauptverursacher<br />
des Klimawandels, trüge Deutschland dazu bei, dass<br />
Menschen in die <strong>Flucht</strong> getrieben würden. Eine ernsthafte<br />
<strong>Flucht</strong>ursachenbekämpfung sei versäumt worden.<br />
Das Argument der <strong>Flucht</strong>ursachenbekämpfung wurde auch<br />
dahingehend verwendet, dass eine Unterstützung der geflüchteten<br />
Menschen innerhalb Deutschlands nicht relevant<br />
sei. Stattdessen sollten die Hilfsleistungen in den Herkunftsländern<br />
der geflüchteten Menschen erfolgen. Dort sei Hilfe<br />
wirkungsvoller und notwendiger. Dem gegenüber stand die<br />
Ansicht, dass eine Aufnahme Geflüchteter in Deutschland<br />
auch als eine Hilfe für deren Herkunftsländer verstanden<br />
werden könne. Indem Flüchtlinge in Deutschland eine<br />
Ausbildung erhielten, würden sie nach der Rückkehr in ihr<br />
Herkunftsland diese erlernten Fähigkeiten dort einsetzten<br />
können.<br />
Die Zusammenarbeit mit den Ländern der EU sei wichtig,<br />
um beispielsweise Hilfe im Mittelmeer zu leisten. Teils wurde<br />
kritisiert, dass die EU nicht fähig sei, ihre Außengrenzen<br />
zu sichern. Die Haltung Deutschlands wurde aber auch so<br />
wahrgenommen, dass zu viel Verantwortung an andere Länder<br />
abgegeben würde, beispielsweise an die Länder an den<br />
EU-Außengrenzen.<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
Zu den Thesen „Dank der Flüchtlinge politisieren sich<br />
die Sachsen“ und „Aktuell zeigt sich: Deutschland ist eine<br />
Schönwetterdemokratie“ wurde über einen stattfindenden<br />
Politisierungsprozess innerhalb der Bevölkerung sowie eine<br />
höhere politische Beteiligung der Bürger*innen diskutiert.<br />
Es wurde die Meinung vertreten, dass sich im Zuge der<br />
Thematik „<strong>Flucht</strong>“ mehr Menschen mit Politik beschäftigten<br />
und intensivere öffentliche sowie private Diskussionen<br />
stattfänden. Auch die höhere Beteiligung an Demonstrationen,<br />
Wahlbeteiligung und ein verstärktes ehrenamtliches<br />
Engagement seien Zeichen für eine Politisierung. Diese<br />
Entwicklung wurde auch anders bewertet und nur zum Teil<br />
oder sogar gar nicht der aktuellen Debatte zugerechnet.<br />
Als alternative Ursachen wurden Unzufriedenheit mit der<br />
aktuellen Politik und eine unsichere Zukunftsperspektive<br />
genannt.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Politische Themen sind mittlerweile<br />
Alltag.....im Job und Privat.“<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Deutschland hat es verlernt zu streiten<br />
und Dissens zu ertragen. Es ist gut, dass<br />
daran gerüttelt wird“<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
21
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.3 Politik und Recht<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Es wurde bemängelt, dass es weder in der Politik, noch in<br />
der Bevölkerung eine Streitkultur gebe. Streiten zu können,<br />
sei aber ein wichtiger Bestandteil einer Demokratie. Es<br />
fehle an politischer Bildung für die Bevölkerung, um mehr<br />
sachliche Diskussionen zu ermöglichen. Der Umgang mit<br />
kontroversen Meinungen müsse geschult werden, damit<br />
Haltungen ernst genommen würden, anstatt Pauschalverurteilungen<br />
vorzunehmen. Weiterhin wurde kritisiert, dass<br />
es oft an Sachlichkeit und an rationalen Argumenten von<br />
Diskussionsteilnehmenden fehle. Eine Dramatisierung und<br />
Polarisierung führe zu einer Frontenbildung und Spaltung<br />
der Gesellschaft und helfe nicht dabei, Probleme konstruktiv<br />
zu lösen. Eine Polarisierung wurde aber auch als positiv<br />
angesehen, da diese zu einer nötigen und überfälligen<br />
Auseinandersetzung führe.<br />
Die verwendete Sprache in der <strong>Flucht</strong>-Debatte wurde kontrovers<br />
diskutiert. Es wurde betont, dass der Diskurs über<br />
die Thematik <strong>Flucht</strong> sehr stark von negativ besetzten Begriffen<br />
und Bildern, wie „Flut“, „Ansturm“, „Invasion“, beeinflusst<br />
sei. Dagegen wurde argumentiert, dass eine „politisch<br />
korrekte“ Sprache ein Hindernis für einen offenen Austausch<br />
darstelle. Teilnehmende des Dialoges fühlten sich zu<br />
Unrecht mit den Zuschreibungen „rechts“ und „rassistisch“<br />
konfrontiert. Sie sahen ihre Aussagen lediglich als Kritik an,<br />
die in einer Demokratie gewährleistet sein solle. Der in der<br />
Diskussion verwendete Begriff des „Volkes“ wurde wiederum<br />
von anderen Teilnehmenden kritisiert und abgelehnt,<br />
da dieser einen rassistischen Volksbegriff impliziere.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Das sind kaum Flüchtlinge! 70 - 80 % der<br />
ankommenden sind Sozialschmarozer und<br />
potentielle Kriminelle! [sic!]“<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
In der Diskussion wurde zum einen die Meinung vertreten,<br />
dass die Kriminalitätsrate durch den Zuzug von Geflüchteten<br />
gestiegen sei. Diskutierende beschrieben geflüchtete<br />
Menschen zum Teil pauschal als kriminell und gewalttätig.<br />
Andere Teilnehmende kritisierten diese Aussagen als undifferenziert<br />
und verallgemeinernd. Weder seien geflüchtete<br />
Menschen krimineller als andere, noch dürfe eine Gruppe<br />
von Menschen für die Straftaten Einzelner verantwortlich<br />
gemacht werden. Stattdessen wurde ein Anstieg von Gewalt<br />
und Kriminalität durch Rechtsextreme ausgemacht. Insbesondere<br />
Gewalt gegen geflüchtete Menschen und Angriffe<br />
auf deren Unterkünfte wurden hervorgehoben. Es wurde<br />
auch Gewalt von linken Gruppen und der Antifa thematisiert.<br />
Eine Ursache für Kriminalität unter geflüchteten Menschen<br />
wurde in der deutschen Flüchtlingspolitik gesehen. Insbesondere<br />
die Perspektivlosigkeit von Flüchtlingen in Deutschland,<br />
beispielsweise durch die Verwehrung eines Bleiberechtes,<br />
dränge diese in die Kriminalität. Kriminalität habe<br />
häufig soziale Ursachen und sei daher eher in den sozialen<br />
Verhältnissen und in den Gewalt- und Kriegserfahrungen<br />
der Menschen begründet.<br />
Weiterhin wurde die Einschätzung geäußert, dass geflüchtete<br />
Menschen häufig nicht für ihre Straftaten belangt würden.<br />
Dieser Annahme wurde widersprochen und auf den<br />
funktionierenden Rechtsstaat verwiesen. Die zuständigen<br />
Gerichte sollten Entscheidungen über Schuld und Unschuld<br />
fällen und nicht die Bevölkerung.<br />
Es wurde debattiert, ob durch die Aufnahme von geflüchteten<br />
Menschen die Terrorgefahr in Deutschland steige. Teilnehmende<br />
vertraten den Standpunkt, dass mit den geflüchteten<br />
Menschen auch Islamisten und Terroristen einreisten<br />
und dadurch die innere Sicherheit gefährdeten. Dem wurde<br />
entgegengesetzt, dass Terrorismus nicht durch einen Einreisestopp<br />
zu verhindern sei, sondern durch diplomatische<br />
und politische Entscheidungen.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
22
5. Inhaltliche Auswertung<br />
5.3 Politik und Recht<br />
5.3.1 Demokratische Grundwerte<br />
5.3.2 Kritik an aktueller Politik<br />
5.3.3 Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit<br />
5.3.4 Beteiligung, Politisierung & Streitkultur<br />
5.3.5 Sicherheit und Kriminalität<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
5.3.6 Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
Im Dialog wurde das deutsche Asylsystem kritisiert. Zum<br />
einen bemängelten Diskutierende die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für geflüchtete Menschen in Deutschland, wie<br />
beispielsweise das Arbeitsverbot, die lange Bearbeitungszeit<br />
der Anträge und eine zu geringe finanzielle Unterstützung<br />
der Asylantragstellenden. Die insgesamt sehr unsichere<br />
Bleibesituation in Untätigkeit verhindere eine Integration.<br />
Auch fehlten personelle Ressourcen in den zuständigen Behörden.<br />
Insgesamt bräuchte es eine Umstrukturierung der<br />
Verwaltung und ein Absenken der bürokratischen Hürden.<br />
Der Rechtsruck in der Politik führe jedoch eher zu restriktiveren<br />
Gesetzen.<br />
Teilnehmende, die die Aufnahme geflüchteter Menschen<br />
eher ablehnten, kritisierten, dass Abschiebungen nicht<br />
konsequent durchgeführt und die Grenzen nicht gut genug<br />
gesichert würden. Einwanderung solle besser gesteuert<br />
und organisiert werden. Gefordert wurde daher ein neues<br />
Einwanderungsgesetz, welches Integration aller Zugezogenen<br />
verpflichtend mache. Es solle außerdem eine Unterscheidung<br />
zwischen Menschen vorgenommen werden, die<br />
aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen und<br />
Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen. Ein Teil der Diskutierenden<br />
vertrat die Ansicht, dass nur Menschen, die vor<br />
Krieg und politischer Verfolgung flöhen, temporäre Aufnahme<br />
und Schutz in Deutschland gewährt werden solle. Die<br />
Diskussion über Integration wurde von Diskutanten dieser<br />
Überzeugung als überflüssig angesehen, da sie keinen dauerhaften<br />
Aufenthalt von geflüchteten Menschen anstrebten.<br />
Die Diskussion zu einer Einteilung der geflüchteten Menschen<br />
nach ihren <strong>Flucht</strong>gründen war umstritten. Zustimmung<br />
wurde damit begründet, dass Menschen, die aus<br />
wirtschaftlichen Gründen fliehen, nicht politisch verfolgt<br />
und daher keine „Flüchtlinge“ nach der Genfer Flüchtlingskonvention<br />
seien. Damit hätten sie keinen Anspruch auf<br />
Unterstützung in Deutschland. Diese Menschen sollten nach<br />
den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgewählt werden.<br />
Es wurde aber auch Ablehnung gegen diese Unterscheidung<br />
geäußert, da es nicht im Ermessen anderer Personen<br />
liege zu entscheiden, was ein echter <strong>Flucht</strong>grund sei. Auch<br />
ökonomische Perspektivlosigkeit könne ein legitimer <strong>Flucht</strong>grund<br />
sein. Die dahinter liegende Weltsicht, die Menschen<br />
in „nützliche“ und „nutzlose“ einteilt, wurde als sehr gefährlich<br />
angesehen, da eine solche Vorstellung zu Diskriminierung<br />
und Gewalt führen könne.<br />
Zitat aus dem Dialog:<br />
„Dürfen alle PEGIDA-Gänger wegen eines<br />
kleinkriminellen Lutz Bachmann als kriminell<br />
bezeichnet werden? Nein. Dürfen alle<br />
Flüchtlinge wegen einigen wenigen Kleinkriminellen<br />
als kriminell bezeichnet werden?<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
23
Reflexion<br />
Lasst uns weiter streiten!<br />
Der erste Online-Dialog der Sächsischen Landeszentrale für<br />
politische Bildung „<strong>Gesellschaftskrise</strong>: <strong>Flucht</strong>“ stieß auf hohe<br />
Resonanz und zeichnete sich durch eine sehr hohe Beteiligung<br />
sowie Medienwirksamkeit aus.<br />
In insgesamt circa 2.300 Beiträgen haben die Teilnehmenden<br />
sechs Wochen lang über die gesellschaftlichen Auswirkungen<br />
des Themas <strong>Flucht</strong> gestritten. Wie der Auswertungsbericht<br />
zeigt, ist „Streit“ hier durchaus wörtlich zu verstehen,<br />
denn die Diskussionen wurden sehr kontrovers und nicht<br />
immer nur sachlich geführt: Insgesamt 257 Beiträge bzw.<br />
Kommentare mussten von der Moderation wegen Verstößen<br />
gegen die Dialogregeln gesperrt werden. Teilweise wurde<br />
auch von Seiten der Teilnehmenden die Unsachlichkeit<br />
der Beiträge und das Fehlen von Belegen zu Äußerungen in<br />
der Diskussion bemängelt.<br />
Die Online-Plattform wurde aber dennoch von den Teilnehmenden<br />
als ein bereicherndes Format für einen stärkeren<br />
gesellschaftlichen Austausch bewertet: durch den<br />
moderierten Dialog könnten sachlichere und produktivere<br />
Dialogräume geschaffen werden als dies in anderen digitalen<br />
Formaten möglich sei. Anhand der konträren Ansichten<br />
kristallisierten sich zahlreiche Konfliktlinien heraus und<br />
eröffneten einen Einblick in das gesellschaftliche Meinungsspektrum.<br />
Auch in Zukunft wird auf dem Portal „lasst-uns-streiten.<br />
de“ zu regelmäßigen Streitgesprächen über aktuelle gesellschaftliche<br />
Themen eingeladen.<br />
Es sind auch andere Veranstaltungsformate angedacht,<br />
um an die Themenschwerpunkte der Dialoge anzuknüpfen<br />
und die Streitkultur in Sachsen weiter zu fördern. Im<br />
Online-Dialog wurde als weiteres Veranstaltungsformat ein<br />
thematisches Planspiel vorgeschlagen. Außerdem wurden<br />
Vor-Ort-Veranstaltungen gewünscht, in denen geflüchtete<br />
und einheimische Menschen in Kontakt und Dialog treten<br />
können. Alle Verbesserungsvorschläge und Anregungen<br />
zum ersten Dialog wurden gesammelt und werden wenn<br />
möglich für die kommenden Dialoge aufgegriffen. So wurde<br />
von einigen Teilnehmenden beispielsweise die Formulierung<br />
der Dialogthesen kritisiert. Diese seien suggestiv verfasst<br />
und führten zu pauschalen Äußerungen. Gleichzeitig<br />
wurde für eine Verwendung einfacher Sprache plädiert, um<br />
schwierige und missverständliche Begriffe wie zum Beispiel<br />
„Schönwetterdemokratie“ zu vermeiden. Bei den Hintergrundinformationen<br />
wurden zum Teil Aspekte vermisst.<br />
Auch zur Übersichtlichkeit und Strukturierung der Plattform<br />
sind einige Anregungen eingegangen. Diese Rückmeldungen<br />
werden in der Konzeptionierung zukünftiger Dialoge<br />
bedacht, um die Qualität der weiteren Online-Dialoge kontinuierlich<br />
zu verbessern.<br />
Lasst uns weiter streiten! Und zwar ab dem 8.8.2016 auf<br />
www.lasst-uns-streiten.de zum Thema<br />
„Rechtsradikalimus und Rechtsextremismus in<br />
Sachsen“.<br />
Dieser Bericht wurde im Auftrag der SLpB durch Zebralog erstellt.<br />
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