03.08.2016 Aufrufe

SPORTaktiv August 2016

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

TENNIS SPECIAL<br />

Es gibt kein Talent,<br />

sondern nur harte<br />

Arbeit: Günter<br />

Bresnik ist jede Minute<br />

fokussiert auf<br />

die Trainingsarbeit<br />

mit seinen Spielern.<br />

men. Für ein Match an einem bestimmten<br />

Tag, bei dem es um alles<br />

geht, wäre er die beste Besetzung.<br />

Welchen Ihrer vielen Spieler halten Sie<br />

für den begabtesten?<br />

Das ist für mich Ernest Gulbis. Er<br />

kann sehr hart arbeiten, und er hat zudem<br />

von Mutter Natur eine besondere<br />

Reaktionsfähigkeit und Auffassungsgabe<br />

für Spielsituationen mitbekommen.<br />

Er ist schnell mit den Beinen,<br />

schnell mit den Armen und schnell im<br />

Kopf.<br />

Trotzdem haben Sie sich auf Dominic<br />

Thiem konzentriert. Und Gulbis hat<br />

sich deshalb von Ihnen getrennt, sucht<br />

derzeit einen neuen Trainer.<br />

Zu Dominic habe ich einfach eine<br />

besondere Beziehung, ich trainiere ihn<br />

seit 14 Jahren. Und er beeindruckt<br />

mich noch immer mit seiner Leidenschaft<br />

für diesen Sport.<br />

Wie äußert sich das im täglichen<br />

Training?<br />

Neulich sagte mir sein Onkel,<br />

wenn ich Dominic etwas erkläre, sehe<br />

der mich immer noch an, als würde er<br />

mir das erste Mal gegenüber stehen. Irgendein<br />

kluger Mensch hat mal gesagt:<br />

Erfolgreiche Leute versuchen zu verstehen<br />

… und nicht verstanden zu werden.<br />

Dominic will mir nicht erklären,<br />

warum etwas nicht funktioniert hat.<br />

Er will besser werden. Und sucht nicht<br />

nach Ausreden.<br />

Auch nicht nach einem unglücklich<br />

verlorenen Match?<br />

Dann sitzt er in der Kabine, kann<br />

sich an jeden einzelnen Punkt erinnern,<br />

und wir analysieren, was er optimieren<br />

kann. Es gibt nichts Leichteres<br />

als zu verlieren. Aber um zu gewinnen,<br />

gibt es oft nur einen einzigen Weg. Ein<br />

Champion findet eine Lösung für jedes<br />

Problem. Ein Verlierer findet ein Problem<br />

in jeder Lösung. Große Spieler gewinnen<br />

auch Punkte, die schon verloren<br />

scheinen. Aber nicht, weil sie eine<br />

göttliche Eingebung haben. Sondern<br />

weil sie solche Lösungen tausende<br />

Male trainiert haben. Deshalb wissen<br />

sie, wie man einen Slice spielt, der den<br />

Gegner zehn Meter zur Seite raustreibt<br />

– und platzieren diesen im richtigen<br />

Augenblick perfekt im Feld.<br />

Jeder noch so große Champion ist also<br />

„nur“ ein harter Arbeiter?<br />

Federer war früher ein Heißsporn<br />

und hat Schläger zerhauen. Heute ist<br />

er besonnen und gilt als Gentleman.<br />

Das hat er sich angeeignet. Djokovic ist<br />

mit 18 Jahren regelmäßig im 5. Satz<br />

mit Krämpfen eingegangen – heute ist<br />

er einer der fittesten Tennisspieler aller<br />

Zeiten. Und Murray läuft bis zum Umfallen<br />

400-Meter-Intervalle. Wenn du<br />

fünf Stunden lang vom ersten bis zum<br />

letzten Ballwechsel fast auf dem gleichen<br />

Niveau spielst, dann hat das<br />

nichts mit Talent zu tun.<br />

Versuchen Sie als Trainer Schwächen<br />

auszumerzen, um einen kompletten<br />

Spieler zu schaffen? Oder setzen Sie<br />

vor allem auf die Stärken?<br />

Ich bin ja nicht der liebe Gott, der<br />

jemanden erzeugen kann. Es kommt<br />

darauf an, zu welcher Zeit man welchen<br />

Spieler bekommt. Ich lege höchsten<br />

Wert auf technische Fähigkeiten.<br />

Ebenso auf Schnelligkeit und Koordination.<br />

Konditionellen Rückstand<br />

kann man auch später noch aufholen.<br />

Wie sieht es mit der Spielweise aus?<br />

Manche warten auf Fehler, andere<br />

wollen den Punkt machen. Das sind<br />

unterschiedliche Ansätze. Und so<br />

musst du die Leute auch trainieren.<br />

Wenn ich allerdings einen 5- oder<br />

6-Jährigen kriege, dann werde ich versuchen,<br />

ihm einzuhauchen, was mir<br />

liegt: aggressives Tennis. Weil ich<br />

mich dem anderen nicht ausliefern<br />

möchte.<br />

Zum Ende muss noch diese eine Frage<br />

sein: Haben auch Sie kein Talent?<br />

Ich bin ein gutes Beispiel! Vom<br />

Tennis hatte ich lange keine Ahnung,<br />

erst mit 15 habe ich damit angefangen.<br />

Aber ich wurde so erzogen, dass ich<br />

meine Ziele erreichen kann, wenn ich<br />

es möchte. Ich stamme aus einer Arztfamilie.<br />

Als klar war, dass ich Tennistrainer<br />

werde, hat mein Vater gesagt:<br />

Günter, mir ist egal, was du machst.<br />

Hauptsache, du machst es gut.<br />

FOTO: gepa-pictures<br />

98<br />

<strong>SPORTaktiv</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!