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03.08.2016 Aufrufe

TENNIS SPECIAL GÜNTER BRESNIK ÜBER ... TALENT WIR HABEN EINE GUTE UND EINE SCHLECHTE NACHRICHT. Die schlechte Nachricht ist, dass es so etwas wie Talent leider nicht gibt. Die gute lautet: Jeder kann Profi werden – wenn er es wirklich will. Das jedenfalls zeigt die Erfahrung von Trainerlegende Günter Bresnik. Günter, was verstehen Sie unter dem Begriff „Talent“? Als talentiert werden Menschen bezeichnet, die über außergewöhnliche Begabungen verfügen. Was den Sport angeht, bin ich allerdings der Meinung, dass es so etwas wie ein Talent überhaupt nicht gibt. Es gibt kein Talent? Nein. Jedenfalls ist mir als Trainer kein Sportler über den Weg gelaufen, dem aufgrund seines Talentes irgendetwas zugeflogen wäre. Warum sind manche Sportler dann erfolgreich und andere nicht? Weil sie die Fähigkeit besitzen, über einen langen Zeitraum hart an sich zu arbeiten. Aber zeigt sich nicht immer wieder, dass manche Kinder talentierter für einen Sport sind als andere? Der kanadische Journalist Malcolm Gladwell beschreibt dazu ein schönes Beispiel in seinem Buch „Überflieger“. Im Rahmen einer Untersuchung wurde herausgefunden, dass die besten Eishockeyspieler zwischen Jänner und März geboren werden … … weil sie eine besondere Affinität zum Winter haben? Nein, weil sie durch die Einteilung in Jahrgänge immer die ältesten sind. Sie sind anderen körperlich überlegen, erhalten deshalb schon in der Jugend mehr Einsatzzeit. Im Nachhinein bezeichnet man diese Spieler als Talente. Tatsächlich hatten sie nur bessere Möglichkeiten, früh an sich zu arbeiten. Und ein so eleganter Tennisspieler wie Roger Federer? Hat der nicht mehr Der Erfolgstrainer GÜNTER BRESNIK wurde am 21. April 1961 in Wien geboren. Bis heute betreute er insgesamt 27 Spieler unter den Top 100 der Welt, darunter Boris Becker, Henri Leconte und Patrick McEnroe. Von 1992 bis 1993 sowie von 1998 bis 2004 war er Kapitän des österreichischen Davis-Cup-Teams. Heute betreibt Bresnik eine internationale Tennis-Akademie in der Wiener Südstadt. Mit Dominic Thiem betreut er einen der derzeit hoffnungsvollsten Nachwuchsspieler der Welt, der es heuer bereits bis auf Platz 7 der Weltrangliste schaffte. Günter Bresnik lebt mit seiner Frau und vier Töchtern in Innermanzing (Niederösterreich). Talent als andere? Im Jahr 2009 konnte ich mit meinem Spieler Stefan Koubek, damals unter den Top 20 der Welt, gemeinsam mit Roger Federer auf Sardinien trainieren. Koubek war bekannt als besonders fitter Spieler. Aber die Einheiten von Federer waren so intensiv, die konnte der Stefan gar nicht alle mitge- hen. Ob Tennisspieler oder Geigenvirtuose – je leichter es aussieht, desto mehr Arbeit steckt dahinter. Es geht also nur um Disziplin und Konsequenz? Im Prinzip ja. Die Fähigkeit dieser sogenannten „Talente“ liegt darin, etwas immer wieder zu wiederholen. Ich halte es nicht für genial, wenn einer ein Ass mit 220 km/h auf die Linie serviert und danach fünf Doppelfehler produziert. Für mich ist derjenige das Genie, der 30-mal hintereinander mit 200 km/h in einen bestimmten Bereich servieren kann. Das kann nur über eine hohe Anzahl von Wiederholungen trainiert werden. Aber ist diese Charaktereigenschaft, hart an sich zu arbeiten, nicht auch angeboren? Ich denke, das ist vor allem Erziehung. Ein Spieler muss mir zuhören und vertrauen. Wenn er alle Fehler selbst machen möchte, hinkt er immer hinterher. Und wenn sich ein Zehnjähriger nach einer Niederlage in die Ecke setzt und plärrt, dann akzeptiere ich das nicht. Da gibt es kein Mitleid. Stattdessen frage ich ihn: Warum hast du verloren? Was kannst du beim nächsten Mal besser machen? So bringe ich junge Spieler dazu, über sich nachzudenken und an sich zu arbeiten. Mit der richtigen Erziehung und Opferbereitschaft kann also jeder Profi werden? Natürlich hängt das vom Alter ab. Wenn mir das mit 14 Jahren einfällt, ist es wohl zu spät. Aber wer die unbedingte Leidenschaft für einen Sport FOTOS: gepa-pictures TEXT: Axel Rabenstein 96 SPORTaktiv

Skyrunning ist für Emelie Forsberg viel mehr als bloß ein Wettkampf: Das Erleben der Natur, das Rundumschauen in der Kulisse der Bergwelt begeistert die schwedische Ausnahmeläuferin. Der Lehrer und sein Vorzugsschüler: Günter Bresnik und Dominic Thiem sind dank harter Arbeit an der Weltspitze angekommen. mitbringt, kann alles erreichen. Daher nervt mich auch dieses Gerede von der verlorenen Jugend. Ein Tennisprofi macht schließlich seine Leidenschaft zum Beruf, also entbehrt er nichts. Heißt also: Talent gibt es nicht. Was ich brauche, ist Leidenschaft … Die Leute schimpfen mich immer, wenn ich sage, es gebe kein Talent. Ein Kind müsse doch ein spezielles Ballgefühl haben oder geschickter sein als andere. Aber ich kann einem Kind das Ballgefühl beibringen. Natürlich ist es von Vorteil, wenn ein Basketballspieler zwei Meter groß ist und nicht 1,60. Aber der Grund, warum am Ende der eine erfolgreich ist und der andere nicht, ist immer die harte Arbeit. Sie haben bis heute 27 Spieler unter den Top100 trainiert, auch die ehema- lige Nummer 1, Boris Becker. Wie kann man ihn und Ihren heutigen Schützling Dominic Thiem vergleichen? Beide verfügen über eine außergewöhnlich hohe Arbeitsbereitschaft. Und beide kommen im entscheidenden Moment nahe an ihre Höchstleistung. Wenn ich mir jemanden aussuchen müsste, der um mein Leben spielt – dann würde ich Boris Becker neh- Nr. 4; August / September 2016 97

TENNIS SPECIAL<br />

GÜNTER BRESNIK ÜBER ...<br />

TALENT<br />

WIR HABEN EINE GUTE UND EINE SCHLECHTE NACHRICHT.<br />

Die schlechte Nachricht ist, dass es so etwas wie Talent leider nicht gibt.<br />

Die gute lautet: Jeder kann Profi werden – wenn er es wirklich will. Das<br />

jedenfalls zeigt die Erfahrung von Trainerlegende Günter Bresnik.<br />

Günter, was verstehen Sie unter dem<br />

Begriff „Talent“?<br />

Als talentiert werden Menschen<br />

bezeichnet, die über außergewöhnliche<br />

Begabungen verfügen. Was den<br />

Sport angeht, bin ich allerdings der<br />

Meinung, dass es so etwas wie ein Talent<br />

überhaupt nicht gibt.<br />

Es gibt kein Talent?<br />

Nein. Jedenfalls ist mir als Trainer<br />

kein Sportler über den Weg gelaufen,<br />

dem aufgrund seines Talentes irgendetwas<br />

zugeflogen wäre.<br />

Warum sind manche Sportler dann erfolgreich<br />

und andere nicht?<br />

Weil sie die Fähigkeit besitzen,<br />

über einen langen Zeitraum hart an<br />

sich zu arbeiten.<br />

Aber zeigt sich nicht immer wieder,<br />

dass manche Kinder talentierter für<br />

einen Sport sind als andere?<br />

Der kanadische Journalist Malcolm<br />

Gladwell beschreibt dazu ein<br />

schönes Beispiel in seinem Buch<br />

„Überflieger“. Im Rahmen einer Untersuchung<br />

wurde herausgefunden, dass<br />

die besten Eishockeyspieler zwischen<br />

Jänner und März geboren werden …<br />

… weil sie eine besondere Affinität<br />

zum Winter haben?<br />

Nein, weil sie durch die Einteilung<br />

in Jahrgänge immer die ältesten sind.<br />

Sie sind anderen körperlich überlegen,<br />

erhalten deshalb schon in der Jugend<br />

mehr Einsatzzeit. Im Nachhinein bezeichnet<br />

man diese Spieler als Talente.<br />

Tatsächlich hatten sie nur bessere Möglichkeiten,<br />

früh an sich zu arbeiten.<br />

Und ein so eleganter Tennisspieler wie<br />

Roger Federer? Hat der nicht mehr<br />

Der Erfolgstrainer<br />

GÜNTER BRESNIK wurde am 21. April<br />

1961 in Wien geboren. Bis heute betreute<br />

er insgesamt 27 Spieler unter den<br />

Top 100 der Welt, darunter Boris Becker,<br />

Henri Leconte und Patrick McEnroe. Von<br />

1992 bis 1993 sowie von 1998 bis 2004<br />

war er Kapitän des österreichischen Davis-Cup-Teams.<br />

Heute betreibt Bresnik<br />

eine internationale Tennis-Akademie in<br />

der Wiener Südstadt. Mit Dominic Thiem<br />

betreut er einen der derzeit hoffnungsvollsten<br />

Nachwuchsspieler der Welt,<br />

der es heuer bereits bis auf Platz 7 der<br />

Weltrangliste schaffte. Günter Bresnik<br />

lebt mit seiner Frau und vier Töchtern in<br />

Innermanzing (Niederösterreich).<br />

Talent als andere?<br />

Im Jahr 2009 konnte ich mit meinem<br />

Spieler Stefan Koubek, damals<br />

unter den Top 20 der Welt, gemeinsam<br />

mit Roger Federer auf Sardinien trainieren.<br />

Koubek war bekannt als besonders<br />

fitter Spieler. Aber die Einheiten<br />

von Federer waren so intensiv, die<br />

konnte der Stefan gar nicht alle mitge-<br />

hen. Ob Tennisspieler oder Geigenvirtuose<br />

– je leichter es aussieht, desto<br />

mehr Arbeit steckt dahinter.<br />

Es geht also nur um Disziplin und<br />

Konsequenz?<br />

Im Prinzip ja. Die Fähigkeit dieser<br />

sogenannten „Talente“ liegt darin, etwas<br />

immer wieder zu wiederholen. Ich<br />

halte es nicht für genial, wenn einer<br />

ein Ass mit 220 km/h auf die Linie serviert<br />

und danach fünf Doppelfehler<br />

produziert. Für mich ist derjenige das<br />

Genie, der 30-mal hintereinander mit<br />

200 km/h in einen bestimmten Bereich<br />

servieren kann. Das kann nur<br />

über eine hohe Anzahl von Wiederholungen<br />

trainiert werden.<br />

Aber ist diese Charaktereigenschaft,<br />

hart an sich zu arbeiten, nicht auch<br />

angeboren?<br />

Ich denke, das ist vor allem Erziehung.<br />

Ein Spieler muss mir zuhören<br />

und vertrauen. Wenn er alle Fehler<br />

selbst machen möchte, hinkt er immer<br />

hinterher. Und wenn sich ein Zehnjähriger<br />

nach einer Niederlage in die Ecke<br />

setzt und plärrt, dann akzeptiere ich<br />

das nicht. Da gibt es kein Mitleid. Stattdessen<br />

frage ich ihn: Warum hast du<br />

verloren? Was kannst du beim nächsten<br />

Mal besser machen? So bringe ich<br />

junge Spieler dazu, über sich nachzudenken<br />

und an sich zu arbeiten.<br />

Mit der richtigen Erziehung und Opferbereitschaft<br />

kann also jeder Profi<br />

werden?<br />

Natürlich hängt das vom Alter ab.<br />

Wenn mir das mit 14 Jahren einfällt,<br />

ist es wohl zu spät. Aber wer die unbedingte<br />

Leidenschaft für einen Sport<br />

FOTOS: gepa-pictures<br />

TEXT: Axel Rabenstein<br />

96<br />

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