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SPORTaktiv August 2016

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Alltagstraining für<br />

den Extrem einsatz:<br />

Herbert macht<br />

Klimmzüge nur an<br />

den Endgliedern seiner<br />

kleinen Finger.<br />

FOTOS: Herbert Ranggetiner<br />

KLEINER FINGER GANZ GROSS. In meinen<br />

Filmen oder Vorträgen zeige ich auch<br />

Sequenzen aus meinem Training. Unter<br />

anderem auch, wie ich mit dem ersten<br />

Glied meines kleinen Fingers an einem<br />

abschüssigen Griff unzählige Male ein<br />

30 Kilo schweres Gewicht nach oben ziehe.<br />

Oder Klimmzüge an den kleinen Fingern<br />

an einer 2 cm dicken Holzleiste.<br />

Das beeindruckt, verwundert – und ist<br />

für die meisten einfach nur ,,unmöglich‘‘.<br />

MIT DEM FINGER-TRAINING begann ich<br />

schon vor 20 Jahren: Ich erkannte recht<br />

schnell, dass Fingerkraft beim Klettern<br />

der Schlüssel zum Erfolg ist. Ich fing an,<br />

jeden Finger einzeln zu trainieren, um in<br />

Summe das maximale Kraftergebnis zu<br />

erzielen. Dass ich speziell den kleinen<br />

Finger in den letzten Jahren noch mehr<br />

trainierte, hat ganz einfach mit einem<br />

Projekt zu tun: eine Route, die bis zu 40<br />

Grad überhängt, ein Fels, dessen Struktur<br />

aus Dellen und Löchern besteht. Und<br />

in die Löcher an den Schlüsselstellen<br />

passt exakt das erste Glied des kleinen<br />

Fingers – die anderen sind zu dick! Um<br />

meine Versuche in der Route heil und unbeschadet<br />

zu überstehen, war dieses<br />

Training also einfach nötig.<br />

ÄRZTE SAGEN, dass eine solche Belastung<br />

des Fingers rein anatomisch unmöglich<br />

ist, da eine Sehne – im Gegensatz<br />

zu einem Muskel, der trainiert wird<br />

– nicht an Masse und Umfang zunehmen<br />

kann. Sie müsste also eigentlich reißen.<br />

Aus Erfahrung von meinen seilfreien Begehungen<br />

weiß ich aber: Man kann in<br />

Extremsituationen Energie in gewisse<br />

Körperteile leiten! Und dies ist hier der<br />

Schlüssel zum Erfolg: Qi, also die Lebensenergie,<br />

kann auf einen Punkt konzentriert<br />

werden. Nur nehmen sich die<br />

meisten Menschen keine Zeit mehr, um<br />

ihre Energie zu konzentrieren.<br />

ICH WEISS, JEDER MENSCH kann irgend<br />

etwas gut. Der eine macht halt Klimmzüge<br />

mit einem Finger, der andere ist ein<br />

Genie am PC und der Dritte ist halt beim<br />

Rasenmähen der King. Es passt, so wie<br />

es ist. Es gibt auch Statistiker, die belegen,<br />

dass ein Mensch mit 35 Jahren sein<br />

maximales Leistungsniveau erreicht hat.<br />

Soll ich deswegen mit 36 Jahren nur<br />

mehr Schach und Minigolf spielen? Ich<br />

mache einfach, was nötig ist, um es zu<br />

können. Das ist für mich eine simple und<br />

einfache Rechnung, bei der der Faktor<br />

Zeit keine Rolle spielt.<br />

Der Kletterprofi<br />

HERBERT RANGGETINER, 47,<br />

aus Mühlbach im Pinzgau (S),<br />

ist Profikletterer und einer der<br />

besten Extremkletterer Europas.<br />

Mehr als 600 Lines europaweit<br />

wurden von ihm als Erstem<br />

durchstiegen.<br />

In <strong>SPORTaktiv</strong> gibt Herbert nun<br />

regelmäßig einen Einblick in die<br />

faszinierende, für viele aber<br />

auch unbegreifliche Welt des<br />

Freikletterns. Dabei nimmt er<br />

sich in jeder Ausgabe eines bestimmten<br />

Themas an, erklärt<br />

Techniken und Abläufe – und<br />

lässt den Leser dabei auch an<br />

seiner ganz speziellen Lebensphilosophie<br />

teilhaben.<br />

Nr. 4; <strong>August</strong> / September <strong>2016</strong><br />

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