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Alltagstraining für<br />
den Extrem einsatz:<br />
Herbert macht<br />
Klimmzüge nur an<br />
den Endgliedern seiner<br />
kleinen Finger.<br />
FOTOS: Herbert Ranggetiner<br />
KLEINER FINGER GANZ GROSS. In meinen<br />
Filmen oder Vorträgen zeige ich auch<br />
Sequenzen aus meinem Training. Unter<br />
anderem auch, wie ich mit dem ersten<br />
Glied meines kleinen Fingers an einem<br />
abschüssigen Griff unzählige Male ein<br />
30 Kilo schweres Gewicht nach oben ziehe.<br />
Oder Klimmzüge an den kleinen Fingern<br />
an einer 2 cm dicken Holzleiste.<br />
Das beeindruckt, verwundert – und ist<br />
für die meisten einfach nur ,,unmöglich‘‘.<br />
MIT DEM FINGER-TRAINING begann ich<br />
schon vor 20 Jahren: Ich erkannte recht<br />
schnell, dass Fingerkraft beim Klettern<br />
der Schlüssel zum Erfolg ist. Ich fing an,<br />
jeden Finger einzeln zu trainieren, um in<br />
Summe das maximale Kraftergebnis zu<br />
erzielen. Dass ich speziell den kleinen<br />
Finger in den letzten Jahren noch mehr<br />
trainierte, hat ganz einfach mit einem<br />
Projekt zu tun: eine Route, die bis zu 40<br />
Grad überhängt, ein Fels, dessen Struktur<br />
aus Dellen und Löchern besteht. Und<br />
in die Löcher an den Schlüsselstellen<br />
passt exakt das erste Glied des kleinen<br />
Fingers – die anderen sind zu dick! Um<br />
meine Versuche in der Route heil und unbeschadet<br />
zu überstehen, war dieses<br />
Training also einfach nötig.<br />
ÄRZTE SAGEN, dass eine solche Belastung<br />
des Fingers rein anatomisch unmöglich<br />
ist, da eine Sehne – im Gegensatz<br />
zu einem Muskel, der trainiert wird<br />
– nicht an Masse und Umfang zunehmen<br />
kann. Sie müsste also eigentlich reißen.<br />
Aus Erfahrung von meinen seilfreien Begehungen<br />
weiß ich aber: Man kann in<br />
Extremsituationen Energie in gewisse<br />
Körperteile leiten! Und dies ist hier der<br />
Schlüssel zum Erfolg: Qi, also die Lebensenergie,<br />
kann auf einen Punkt konzentriert<br />
werden. Nur nehmen sich die<br />
meisten Menschen keine Zeit mehr, um<br />
ihre Energie zu konzentrieren.<br />
ICH WEISS, JEDER MENSCH kann irgend<br />
etwas gut. Der eine macht halt Klimmzüge<br />
mit einem Finger, der andere ist ein<br />
Genie am PC und der Dritte ist halt beim<br />
Rasenmähen der King. Es passt, so wie<br />
es ist. Es gibt auch Statistiker, die belegen,<br />
dass ein Mensch mit 35 Jahren sein<br />
maximales Leistungsniveau erreicht hat.<br />
Soll ich deswegen mit 36 Jahren nur<br />
mehr Schach und Minigolf spielen? Ich<br />
mache einfach, was nötig ist, um es zu<br />
können. Das ist für mich eine simple und<br />
einfache Rechnung, bei der der Faktor<br />
Zeit keine Rolle spielt.<br />
Der Kletterprofi<br />
HERBERT RANGGETINER, 47,<br />
aus Mühlbach im Pinzgau (S),<br />
ist Profikletterer und einer der<br />
besten Extremkletterer Europas.<br />
Mehr als 600 Lines europaweit<br />
wurden von ihm als Erstem<br />
durchstiegen.<br />
In <strong>SPORTaktiv</strong> gibt Herbert nun<br />
regelmäßig einen Einblick in die<br />
faszinierende, für viele aber<br />
auch unbegreifliche Welt des<br />
Freikletterns. Dabei nimmt er<br />
sich in jeder Ausgabe eines bestimmten<br />
Themas an, erklärt<br />
Techniken und Abläufe – und<br />
lässt den Leser dabei auch an<br />
seiner ganz speziellen Lebensphilosophie<br />
teilhaben.<br />
Nr. 4; <strong>August</strong> / September <strong>2016</strong><br />
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