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Nr. 14 (II-2016) - Osnabrücker Wissen

Nr. 14 (II-2016) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de

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LEBEN & GESELLSCHAFT<br />

Lebenshilfe durch<br />

Aberglauben?<br />

Wir leben in einer hochkomplexen Welt, sind ständig umgeben von Phänomenen, die wir nicht<br />

vollständig verstehen. Schicksalsschläge ereilen uns scheinbar aus dem Nichts. Aberglaube<br />

verspricht nicht nur Halt, sondern auch Erklärung für das Unerwartete. In Ausgabe 13 haben wir<br />

uns mit der Präsenz dieser Zahl im <strong>Osnabrücker</strong> Leben beschäftigt. Im zweiten Teil steht das<br />

Phänomen Aberglaube im Mittelpunkt.<br />

Wo könnte etwas<br />

dran sein?<br />

Eigentlich gilt Aberglaube<br />

als überholt, meint<br />

Jürgen Schare, Weltanschauungsbeauftragter<br />

der Evangelisch-lutherischen<br />

Landeskirche<br />

Hannover. „Dennoch<br />

glauben viele Menschen<br />

an seine Wirksamkeit.<br />

Dabei ist man<br />

nicht immer konsequent:<br />

Wünschelruten<br />

sind in Ordnung, das<br />

Lesen aus der Hand<br />

Jetzt schlägt's 13 (Teil 2)<br />

wird abgelehnt“, erzählt Schare gegenüber<br />

„<strong>Osnabrücker</strong> <strong>Wissen</strong>“. Manche sind<br />

überzeugt, es könnte doch etwas dran<br />

sein.<br />

Ludger Plogmann, beim Bistum Osnabrück<br />

für den Bereich Sekten und Weltanschauungen<br />

zuständig, unterscheidet<br />

Aberglauben im engeren und im weiteren<br />

Sinne. „Im engeren Sinn geht es um den<br />

richtigen oder den rechten Glauben. In<br />

diesem Sinn wird heute jedoch nicht mehr<br />

von Aberglaube gesprochen, sondern vielmehr<br />

von unterschiedlichen Glaubenskonzepten.“<br />

Aus christlicher Sicht verlange<br />

christlicher Glaube eine klare Entscheidung<br />

für Gott. Andere, fremde Glaubensinhalte<br />

seien ausgeschlossen. „Insofern<br />

spielt die Frage nach dem Aberglauben für<br />

Religion auch heute noch eine Rolle: Nämlich<br />

als Abgrenzungs- und Definitionsaufgabe“,<br />

betont Plogmann. Im weiteren<br />

Sinn gehe es um Fragen des „Volksaberglaubens“<br />

- z. B. die Zahl 13.<br />

Die 13: Glücksoder<br />

Unglückszahl?<br />

Sabine Meyer vom Erzähltheater<br />

Osnabrück erklärt, warum die 13 vielfach<br />

als Unglückszahl angesehen wird.<br />

„Die Zahl 13 bricht die 12 (= das volle<br />

Dutzend) – von 12 auf 13 geschieht der<br />

Bruch des Glücks zum Unglück.<br />

Sabine Meyer © Max Ciolek / Traumfänger © ruslan1117, fotolia / Tasse © sek1111, fotolia / Pendel © weseetheworld, fotolia / Portait Kuhl und Schnare © Privat / Kartenlegerin © Kzenon, fotolia.de<br />

12 gilt als Glückszahl (12 Monate, ein Tag<br />

besteht aus 2 x 12 Stunden, 12 Sternzeichen).<br />

An der Zahl 13 werde aber auch<br />

deutlich, wie zufällig diese Orientierungen<br />

oft sind, betont Plogmann. „Gilt die 13 in<br />

der westlichen Kultur als Unglückszahl,<br />

so ist sie in der jüdischen Kultur und<br />

auch in östlichen Ländern wie Japan eine<br />

Glückszahl.“<br />

Wo wurzelt der Aberglaube?<br />

„Ursprünglich ist damit eine von der offiziellen<br />

Dogmatik der Kirche abweichende<br />

Glaubensform gemeint. In der Psychologie<br />

werden irrationale, also rational nicht<br />

begründbare, Überzeugungen darunter<br />

verstanden (von vielen naturwissenschaftlich<br />

orientierten Psychologen, z.B. auch<br />

das von C.G. Jung untersuchte kollektive<br />

Unbewusste)“, erläutert Prof. Dr. Julius<br />

Kuhl, Psychologe an der Universität<br />

Osnabrück. Die Wurzeln des Aberglaubens<br />

verortet er auf einer Ebene des Unbewussten.<br />

„Sie enthält eine dem Bewusstsein<br />

nicht zugängliche Form von Erfahrungswissen.<br />

Die elementare Form<br />

des intuitiven Erfahrungswissens ist<br />

Sabine Meyer, Erzähltheater Osnabrück<br />

stark handlungsgebunden, d.h. sie<br />

entsteht durch intuitives Verhalten.<br />

Die intuitive Verhaltenssteuerung<br />

ist zwar nicht<br />

oder nur in engen Grenzen<br />

rational erklärbar<br />

- z.B. intuitive Bewegungssteuerung<br />

beim Paartanz auf<br />

einer dicht besetzten Tanzfläche.<br />

Aber sie ist trotzdem eine<br />

gute Basis für Ahnungen, die uns<br />

zuweilen wie Aberglaube vorkommen.“<br />

Wobei hilft<br />

Aberglaube heute?<br />

„Aberglauben macht eine komplizierte<br />

Welt einfacher. Der Aberglaube suggeriert<br />

uns, wir könnten mit magischen<br />

Mitteln und Methoden Einfluss nehmen<br />

auf das, was mit uns geschieht“, sagt Jürgen<br />

Schare. „Wir erleben immer wieder,<br />

dass das Leben sich nicht berechnen lässt.<br />

Trotz guter Planung geht etwas schief.<br />

Darum möchten wir Sicherheit, möchten<br />

Einfluss nehmen auf das, was mit uns<br />

passiert. Und wir möchten wissen,<br />

warum uns etwas passiert, wer schuld<br />

daran ist.“<br />

Ähnlich sieht das auch Plogmann: „Wir<br />

wissen, dass z.B. an den Mythen um<br />

Freitag den 13. eigentlich nichts dran ist.<br />

Aber es geht darum, unsere Ängste zu beseitigen<br />

oder einzudämmen. Oft stehen<br />

diese Formeln oder Handlungen dann in<br />

einem magischen Zusammenhang. Tue<br />

ich dies, dann passiert das, vermeide ich<br />

dies, passiert das und das andere nicht.<br />

Dabei wird einem die Entscheidungsgewalt<br />

vielfach abgenommen. Es sind<br />

die Sterne, der Zufall, die Energie<br />

oder ähnliche Dinge, die über<br />

unser Leben bestimmen. Aberglaube<br />

kann also im Extremfall<br />

zu einem System der Unfreiheit<br />

werden.“<br />

Welche Möglichkeiten<br />

kann Aberglaube bieten?<br />

Aberglaube kann das Sicherheitsbedürfnis<br />

der Menschen befriedigen,<br />

meint auch Kuhl. „Er kann aber auch<br />

den Geist öffnen, für Dinge, die wir nicht<br />

sofort erklären können: Ahnungen,<br />

Intuitionen ernst nehmen, muss nicht<br />

bedeuten in irrationalen Fundamentalismus<br />

abzugleiten, obwohl das eines der<br />

Risiken ist: Es kann auch öffnen für eine<br />

innere Weite, die den Möglichkeitsraum<br />

der Fantasie erschließt. Der rationale<br />

Verstand, am besten verbunden mit der<br />

rationalen Form der Intuition, kann dann<br />

immer noch einsteigen und abwägen,<br />

bewerten, entscheiden, was von den<br />

Ahnungen und Ideen einer Realitätsprüfung<br />

ausgesetzt wird und was nicht.“<br />

| YK<br />

Bringen Scherben wirklich Glück?<br />

Schützen Traumfänger wirklich vor Albträumen?<br />

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