Armin_Mahler_Interview_BWN_AMc
Juli 2016
- Seite 2 und 3: ÜBERBLICK INHALT 01/16 ZUR PERSON
- Seite 4 und 5: 2 ARMIN MAHLER Wie wird man Leiter
- Seite 6 und 7: 4 ARMIN MAHLER Nach einiger Zeit da
- Seite 8 und 9: 6 ARMIN MAHLER ähnliches. Für all
- Seite 10 und 11: 8 ARMIN MAHLER Ca. 800 000 Exemplar
- Seite 12 und 13: 10 ARMIN MAHLER gut geölte Maschin
- Seite 14 und 15: 12 ÜBER UNS Unser Verein Börsen-
- Seite 16: Juli 2016 BWN@LEADERSHIPLECTURE „
Juli 2016
ÜBERBLICK<br />
INHALT 01/16<br />
ZUR PERSON ............................................................................................................................. 1<br />
DAS INTERVIEW MIT ARMIN MAHLER ...................................................................... 2<br />
DAS TEAM DAHINTER ....................................................................................................... 11<br />
ÜBER UNS ............................................................................................................................... 12<br />
IMPRESSUM ........................................................................................................................... 13
1<br />
ZUR PERSON<br />
<strong>Armin</strong> <strong>Mahler</strong><br />
<strong>Armin</strong> <strong>Mahler</strong> ist seit 1991 Ressortleiter für den Bereich Wirtschaft beim SPIEGEL<br />
Verlag. Höhepunkt seiner Karriere war die Ernennung zum Vorsitzenden der<br />
SPIEGEL Mitarbeiter KG im Jahr 2007.<br />
Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilian-Universität<br />
in München, begann <strong>Mahler</strong> in den 80er Jahren ein Volontariat bei den Stuttgarter<br />
Nachrichten. 1982 wechselte er zur Wirtschaftswoche. Drei Jahre später zum manager<br />
magazin. Bereits damals war das manager magazin Teil des SPIEGEL Verlags. Nach<br />
einem internen Wechsel zum SPIEGEL Verlag im Jahr 1988, wurde <strong>Mahler</strong><br />
1991 Leiter des Wirtschaftsressorts.<br />
Von 2004 bis 2013 war <strong>Mahler</strong> Geschäftsführer der SPIEGEL Mitarbeiter KG, die eine<br />
Mehrheitsbeteiligung am SPIEGEL Verlag hält. <strong>Mahler</strong> wurde 2007 zusätzlich<br />
Vorsitzender der SPIEGEL Mitarbeiter KG.<br />
<strong>Mahler</strong> gehört zu Deutschlands renommiertesten Wirtschaftsjournalisten.<br />
LEADER
2<br />
ARMIN MAHLER<br />
Wie wird man Leiter des Wirtschaftsressorts<br />
des SPIEGEL, Herr <strong>Mahler</strong>?<br />
Hamburg, den 17. Juni 2016<br />
Er gehört zu Deutschlands renommiertesten Wirtschaftsjournalisten.<br />
<strong>Armin</strong> <strong>Mahler</strong>, 62, im <strong>Interview</strong> über seinen beruflichen Aufstieg zum Vorsitzenden der<br />
SPIEGEL Mitarbeiter KG, Erfolg- und Misserfolg und dem Streben nach Spaß an der<br />
Arbeit.<br />
Axel Metzger:<br />
Herr <strong>Mahler</strong>, wie definieren Sie Erfolg?<br />
<strong>Armin</strong> <strong>Mahler</strong>: Erfolg ist für mich<br />
vor allem, zu zeigen, womit man<br />
zufrieden ist. Im Beruf und auch im<br />
Privaten.<br />
Eine Situation zu erreichen, in der<br />
man zufrieden ist, mit sich und<br />
dem, was man erreicht hat.<br />
Metzger: Sind Sie nach ihren<br />
eigenen Maßstäben zufrieden?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ja.<br />
Metzger: Und erfolgreich?<br />
<strong>Mahler</strong>: So gesehen, ja.<br />
Metzger: Sie haben an der<br />
Ludwig-Maximilian-Universität in<br />
München studiert.<br />
Woher kam die Intuition?<br />
<strong>Mahler</strong>: Also das Studium an der<br />
LMU war eigentlich ein Zufall. Ich<br />
wollte Journalist werden. Ich<br />
wollte eigentlich immer Journalist<br />
werden. So, wie viele Journalisten<br />
eigentlich schon immer Journalist<br />
werden wollten. Ich habe gerne<br />
geschrieben. Ich wollte nicht<br />
unbedingt die Welt verbessern,<br />
sondern ich habe einfach gerne<br />
geschrieben, dass hat mir schon<br />
immer Spaß gemacht. Sowohl für<br />
die Lokalzeitung als auch für<br />
Jugendzeitungen, die es damals<br />
gab. Die überregional von<br />
Rockkonzerten, Kritiken von<br />
Musikkonzerten und ähnlichem<br />
berichtet haben. Und dann war<br />
klar: Ich werde Journalist oder<br />
Manager einer Plattenindustrie.<br />
Das Wirtschaftliche war da eben<br />
auch irgendwie mit drin. Dann<br />
habe ich einen Klassenkameraden<br />
kennengelernt, dessen Bruder<br />
wiederum jemanden kannte, der<br />
bei den Stuttgarter Nachrichten im<br />
Wirtschaftsressort gearbeitet hat.<br />
Der meinte zu mir: Du musst auf<br />
jeden Fall studieren! Wenn du<br />
Journalist werden willst, musst du<br />
auf jeden Fall studieren. Ich hatte<br />
eigentlich gar nicht so große Lust<br />
dazu, weil ich eigentlich etwas<br />
machen wollte! Nicht noch mehr<br />
Prüfungen schreiben. Aber ich<br />
habe dann gesagt: „Ja okay. Was<br />
könnte man denn jetzt studieren?“.<br />
Zwar gab es Kommunikationswissenschaften,<br />
aber besser wäre<br />
dann doch irgendwas Handfestes -<br />
wie Jura oder Wirtschaft. Dann<br />
habe ich gedacht: „Die Wirtschaft<br />
teilt sich in 2 Teile auf - in BWL<br />
und VWL. VWL ist ein bisschen<br />
schwierig, da muss man viel<br />
arbeiten. Und BWL kann man in<br />
acht Semestern studieren, ohne<br />
dass man sich überanstrengt. Das<br />
Studium war für mich eigentlich<br />
nur Mittel zum Zweck. Ich habe<br />
das nicht gemacht, weil ich gerne<br />
studieren wollte, sondern um<br />
danach als Journalist bessere Chancen<br />
zu haben. Der Zeitgeist der<br />
Wirtschaft war damals – wir reden<br />
jetzt von den 70er Jahren, in den<br />
Nachwehen der 68er, die mich ja<br />
am Rande erwischt haben –<br />
folgendermaßen: Die Wirtschaft ist<br />
etwas ganz Böses. Alle meine<br />
Freunde haben mich für verrückt<br />
erklärt! Wie kann man BWL<br />
studieren? Das war nicht wie<br />
heute! BWL hat man damals nicht<br />
studiert.<br />
Eher Studiengänge wie Politologie<br />
und vielleicht auch Jura. Vielleicht<br />
noch VWL, aber BWL, das ging<br />
gar nicht. Das hat man studiert,<br />
wenn man Sohn eines<br />
Unternehmers war oder die<br />
Tochter eines Unternehmers<br />
kennenlernen wollte. Es entsprach<br />
nicht dem Zeitgeist. Ich fand es<br />
aber gut, weil es in sich logisch ist.<br />
Und es war effizient zu<br />
bewerkstelligen.<br />
Metzger: Betriebswirtschaft ist ein<br />
eher mathematischer Studiengang.
3<br />
ARMIN MAHLER<br />
Es gibt keinen journalistischen<br />
Bezug. Hat das irgendwie Ihre<br />
Entscheidungen beeinflusst?<br />
<strong>Mahler</strong>: Naja, so mathematisch<br />
war das damals nicht. Vor allem,<br />
weil ich mir auch Bereiche wie<br />
Unternehmenspsychologie und<br />
Marketing rausgesucht habe. Eher<br />
die weicheren Fächer.<br />
Metzger: Gibt es da irgendeine<br />
Anekdote dazu? Gibt es irgendeine<br />
Geschichte, die Sie erzählen<br />
können?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ich habe, wie gesagt,<br />
immer gerne geschrieben und als<br />
kleines Kind viel Karl May gelesen.<br />
Etwas Ähnliches gibt’s heute ja gar<br />
nicht mehr. Ich schrieb damals<br />
ganze Schulhefte voll mit<br />
Geschichten im Karl-May-Stil.<br />
Aber ich merkte bald: Für<br />
Schriftsteller reicht‘s vielleicht<br />
nicht. So selbstkritisch war ich<br />
schon. Zu Schulzeiten habe ich<br />
auch, noch in der Grundschule und<br />
in der ersten Klasse des<br />
Gymnasiums, eine Zeitung<br />
gemacht. Damals hatte man ja<br />
noch nicht mal einen Kopierer. Ich<br />
musste die Geschichten mit der<br />
Schreibmaschine abtippen, mit<br />
Kohlepapier dazwischen. Man<br />
konnte so aber höchstens fünf<br />
Seiten auf einmal beschriften.<br />
Dann musste man noch einmal<br />
alles abtippen, bis man schließlich<br />
zehn Exemplare beisammenhatte,<br />
die man dann für 40 oder 50<br />
Pfenning an die Familie verkaufen<br />
Spiegel Gebäude in Hamburg<br />
konnte. Und dann musste man<br />
auch noch ein Cover machen und<br />
mit Buntstiften ausmalen. Das war<br />
sehr aufwendig, hat aber großen<br />
Spaß gemacht. Wir haben<br />
sozusagen einen Verlag gegründet.<br />
Metzger: Gab es ein Vorbild oder<br />
einen Mentor?<br />
<strong>Mahler</strong>: Nein, ein Vorbild gab es<br />
nicht. Vorbilder gab es dann<br />
natürlich später, als ich richtig<br />
Journalist werden wollte. Als ich in<br />
München studiert habe und unter<br />
anderem von vorn bis hinten, jeden<br />
Tag, die Süddeutsche gelesen<br />
habe. Da gab es Leute wie Herbert<br />
Riehl-Heyse. Der war einer der<br />
ganz Großen, er schrieb auf Seite<br />
drei der Süddeutschen. Heute<br />
immer noch meine Lieblingszeitung.<br />
Und so ein Schreiber<br />
wollte ich zuallererst werden. Also<br />
insofern war ich dann doch nicht<br />
erfolgreich, denn ein solcher<br />
Schreiber bin ich nicht geworden.<br />
Metzger: Haben Sie dann direkt<br />
nach dem Studium bei der<br />
WirtschaftsWoche angefangen?<br />
<strong>Mahler</strong>: Nein. Ich habe während<br />
des Studiums, über eben diesen<br />
Schulfreund, von dem ich vorhin<br />
berichtet habe, Kontakt zum<br />
damaligen Leiter des Wirtschaftsressorts<br />
der Stuttgarter Nachrichten<br />
gehabt. Der mir gesagt<br />
hatte, ich solle studieren. In seinem<br />
Ressort habe ich dann während des<br />
Studiums ein Praktikum gemacht,<br />
für diese Redaktion habe ich auch<br />
während des Studiums Termine in<br />
München wahrgenommen.<br />
Veranstaltungen, bei denen man<br />
sich als Student auch gut<br />
durchfuttern konnte (lacht). Nach<br />
dem Studium hat er mir angeboten,<br />
dass ich in der Redaktion Volontär<br />
werden könne. Gleichzeitig hat mir<br />
die Uni angeboten zu promovieren.<br />
Ich dachte: Naja, Doktor <strong>Mahler</strong> -<br />
das gab’s so in der Familie noch<br />
nicht, ein Doktortitel wäre<br />
vielleicht noch besser als Voraussetzung<br />
für die Karriere. Was<br />
Quatsch ist. Ich habe mich dann<br />
auf meine eigentliche Intuition<br />
besonnen, denn eigentlich habe ich<br />
ja studiert, um schnell fertig zu sein<br />
und Journalist zu werden. Noch<br />
länger an der Uni zu bleiben, wäre<br />
dann ja völliger Unsinn gewesen.<br />
Da diese Volontärsplätze wahnsinnig<br />
begehrt waren und es nicht<br />
so leicht war, einen zu kriegen,<br />
habe ich schnell zugesagt. Wobei<br />
mich meine BWL-Freunde wieder<br />
für verrückt erklärt haben. Denn<br />
damals hat man studiert, um<br />
danach – wenn man nicht gerade<br />
die Unternehmenstochter kennengelernt<br />
hatte – bei Siemens oder<br />
einem anderen großen Konzern<br />
anzufangen. Für damals 5.000 DM<br />
oder einem ähnlich hohen<br />
Einstiegsgehalt. Das war damals<br />
das ganz große Ziel für Münchner<br />
BWLer.<br />
Ich habe eben ein Volontariat für<br />
1.200 DM gemacht. Das war eine<br />
Ausbildung. Da gab‘s nicht viel<br />
Geld. Aber es hat mir sehr viel<br />
Spaß gemacht. Die Ausbildung<br />
dauerte gewöhnlich drei Jahre,<br />
konnte aber auf 2 bis 2,5 Jahre<br />
verkürzt werden. Das Wirtschaftsressort<br />
der Stuttgarter Nachrichten<br />
bestand aber aus nur fünf<br />
Leuten, weil es eine regionale,<br />
kleine Zeitung war und immer<br />
noch ist. Und es war nicht<br />
absehbar, dass einer der<br />
Wirtschaftsredakteure in näherer<br />
Zukunft gehen würde. Warum<br />
sollten die auch weg? Deshalb war<br />
da für mich kein Platz im<br />
Wirtschaftsressort, und ich bin ins<br />
Lokalressort gegangen, als Lokalredakteur,<br />
das war eine tolle Zeit.<br />
Einfach, weil man dort jeden Tag<br />
Geschichten schreiben konnte, in<br />
allen denkbaren Stilformen.
4<br />
ARMIN MAHLER<br />
Nach einiger Zeit dachte ich mir<br />
aber: Wenn ich das jetzt länger<br />
mache, bin ich Lokalredakteur. Ich<br />
will aber Wirtschaftsredakteur<br />
werden. Das war mir nach dem<br />
Studium und nach dem Praktikum<br />
letztendlich klar. Und deshalb habe<br />
ich mich bei überregionalen<br />
Wirtschaftsmedien beworben. Bei<br />
der WirtschaftsWoche, dem<br />
Handelsblatt usw. Die WirtschaftsWoche<br />
hat mich genommen.<br />
Metzger: Was war Ihr erster Job?<br />
War das im wirtschaftspolitischen<br />
Bereich?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ja, ich wurde für<br />
Wirtschaftspolitik eingeteilt, weil<br />
da gerade eine Stelle frei war. Aber<br />
ich wurde dann relativ schnell<br />
Reporter, der sich um alle Themen<br />
kümmern konnte und direkt der<br />
Chefredaktion unterstellt war.<br />
Das war genau das, was ich wollte.<br />
Metzger: Warum machte die<br />
Arbeit Spaß?<br />
<strong>Mahler</strong>: Als Reporter kann man<br />
sich ein Thema aussuchen, über<br />
alle Ressorts hinweg. Damals war<br />
ich ja keinem Ressortleiter,<br />
sondern der Chefredaktion<br />
unterstellt. Das hat mich nicht so<br />
eingezwängt. Wenn die Chefredaktion<br />
wollte, dass ich eine<br />
politische Titelgeschichte machen<br />
soll, dann schrieb ich eben einen<br />
politischen Titel. Das hat die<br />
Kollegen im damaligen Hauptstadtbüro<br />
in Bonn natürlich<br />
wahnsinnig geärgert.<br />
Aber wenn die Chefredaktion<br />
hinter mir stand, konnte ich alles<br />
machen, wozu ich Lust hatte.<br />
Unter anderem konnte ich auch<br />
deswegen relativ schnell große<br />
Titelgeschichten, Aufmacher und<br />
Serien schreiben, zum Beispiel eine<br />
Serie über die Probleme des<br />
demographischen Wandels. Das<br />
Thema ist ja heute noch aktuell.<br />
Sich das Thema aussuchen zu<br />
können, ist großartig. Dazu<br />
kommt, dass man praktisch – und<br />
beim SPIEGEL gilt das noch<br />
mehr, weil der Name noch besser<br />
ist – mit fast jedem reden kann.<br />
Wenn man jemanden anruft und<br />
sagt: Hier ist der SPIEGEL. Ich<br />
würde Sie gerne treffen und mal<br />
über dies oder das reden, sagen die<br />
meisten: OK, kommen Sie vorbei.<br />
Dann fährt man hin, ob das ein<br />
Vorstand oder ein Politiker ist.<br />
Man kriegt fast immer einen<br />
Termin. Auch mit allen Fachleuten.<br />
Das ist das Faszinierende<br />
an meinem Beruf.<br />
Metzger: Wie lange waren Sie<br />
dann bei der Wirtschaftswoche?<br />
<strong>Mahler</strong>: Jetzt muss ich rechnen.<br />
Das waren ungefähr für drei Jahre.<br />
1980 habe ich mein Volontariat<br />
begonnen, und von ’82 bis '85 war<br />
ich bei der Wirtschaftswoche.<br />
Metzger: Was war der<br />
Beweggrund für den Wechsel zum<br />
manager magazin?<br />
<strong>Mahler</strong>: Damals gab es einen<br />
kleinen Aufstand bei der<br />
Wirtschaftswoche. Der Chefredakteur<br />
musste gehen. Daraufhin<br />
hat der Stellvertreter das Blatt<br />
gemacht. Viele junge Leute,<br />
darunter ich, hatten aber andere<br />
Vorstellungen als der sehr<br />
konservative Verleger. Wir waren<br />
ihm zu wirtschaftskritisch. Der<br />
Verleger holte deshalb Professor<br />
Wolfram Engels als Herausgeber,<br />
der sollte die Fahne der<br />
Marktwirtschaft in der Redaktion<br />
hoch halten. Als dann der damalige<br />
stellv. Chefredakteur und noch ein<br />
paar andere eine kritische Serie<br />
über die Atomkraft veröffentlichten<br />
– ich war daran nicht beteiligt -.<br />
wurde der stellv. Chefredakteur<br />
gefeuert. Daraufhin gab es einen<br />
kleinen Aufstand. Viele, meist<br />
junge Redakteure gingen. Ich<br />
überlegte mir das auch. Dieser<br />
stellv. Chefredakteur, mit dem ich<br />
befreundet war, ging dann zum<br />
manager magazin. Er empfahl<br />
mich Werner Funk, dem Chef des<br />
manager magazins, das zum<br />
SPIEGEL-Verlag gehörte. Und<br />
der machte mir ein Angebot, nach<br />
Hamburg zu kommen.<br />
Ich fand Hamburg ohnehin toll.<br />
Das ist ja das Witzige. Denn ich<br />
wollte mein Leben lang zum<br />
SPIEGEL.<br />
Lernen von Denkern<br />
und<br />
Machern
5<br />
ARMIN MAHLER<br />
<strong>Armin</strong> <strong>Mahler</strong> in seinem Hamburger SPIEGEL Büro<br />
Metzger: Warum?<br />
<strong>Mahler</strong>: Der SPIEGEL war<br />
damals die Marke. Das war das<br />
Magazin. Heute ist das immer<br />
noch so. Aber die Wirkung und die<br />
Auflage waren zu dieser Zeit noch<br />
größer als heute. Darum wollte ich<br />
immer dort hin. Die meisten<br />
Journalisten wollten zum<br />
SPIEGEL oder damals auch zum<br />
Stern. Der genoss noch einen<br />
guten Ruf. Das war vor dem<br />
Skandal um die gefälschten Hitler-<br />
Tagebücher.<br />
Außerdem kommt hinzu: Wenn<br />
Du als Journalist nach Hamburg<br />
gehst, hast Du drei potentielle<br />
Arbeitgeber, ohne die Wohnung<br />
wechseln zu müssen. Die<br />
sogenannte Qualitätspresse - die<br />
damals noch gar nicht so genannt<br />
wurde - saß in Hamburg:<br />
SPIEGEL, Stern und die Zeit.<br />
Mein erster Arbeitgeber in<br />
Hamburg, das manager magazin,<br />
hatte auch einen ganz guten Ruf.<br />
Als ich dann in Hamburg ankam,<br />
hatte sich aber derjenige, der mich<br />
empfohlen hatte, schon mit dem<br />
Chefredakteur verkracht. Aber ich<br />
war da. Irgendwann, gar nicht so<br />
lange danach, ungefähr drei Jahre<br />
später, im Jahr 1988 hat das<br />
Wirtschaftsressort des SPIEGEL<br />
dann einen Redakteur gesucht.<br />
Werner Funk, mein erster<br />
Chefredakteur beim manager<br />
magazin, war inzwischen Chefredakteur<br />
des SPIEGEL geworden.<br />
Das Wirtschaftsressort<br />
des SPIEGEL wollte jemand<br />
einstellen, der Werner Funk nicht<br />
gefiel. Er meinte: „Guckt euch doch<br />
mal den <strong>Mahler</strong> an.“ So kam ich<br />
zum SPIEGEL. Das, obwohl es<br />
damals eigentlich die Regel gab,<br />
dass der SPIEGEL niemanden<br />
vom manager magazin holen dürfe.<br />
Der Grund war einfach: Der<br />
SPIEGEL hatte den größeren<br />
Namen. Für das manager magazin<br />
war es nicht so einfach, gute Leute<br />
zu finden. Dort herrschte immer<br />
die Angst, dass sich der SPIEGEL<br />
sozusagen die Rosinen aus der<br />
Redaktion rauspickt. Deswegen<br />
gab es diese Regel.<br />
Um die Regel zu durchbrechen,<br />
habe ich gesagt, ich würde sonst<br />
zum Stern gehen, weil mir der<br />
Monatsrhythmus des manager<br />
magazins nicht gefiele. Deshalb<br />
wurde entschieden: „Wenn er<br />
sowieso gehen würde, dann soll er<br />
lieber bei uns im eigenen Haus<br />
wechseln.“ So hat man es intern<br />
verkauft. Das war nicht ganz falsch,<br />
aber auch nicht ganz richtig.<br />
Tatsächlich hatte ich ja noch kein<br />
Angebot vom Stern, ich hatte mich<br />
dort nur einmal vorgestellt. Aber es<br />
gab gerade keine freie Stelle.<br />
Metzger: Dann waren Sie<br />
beim Wirtschaftsressort des<br />
SPIEGELs. Sie wurden relativ<br />
schnell Leiter. Wie kam es dazu?<br />
<strong>Mahler</strong>: Das war schon ziemlich<br />
ungewöhnlich, dass ich so schnell<br />
befördert wurde. Da war viel Glück<br />
im Spiel und eine Reihe von<br />
Zufällen. Das gehört immer dazu.<br />
Ich war ja beim SPIEGEL nur<br />
einer unter vielen guten Leuten. Es<br />
gab für jedes Themengebiet einen<br />
Spezialisten. Deshalb war es für<br />
mich gar nicht so leicht,<br />
Geschichten zu schreiben, die dann<br />
veröffentlicht wurden.<br />
Alle wichtigen Themengebiete<br />
waren ja verteilt. Ein Redakteur<br />
war für die Automobilindustrie<br />
zuständig, einer für die Banken.<br />
Einer für die volkswirtschaftlichen<br />
Themen, wie Konjunktur und
6<br />
ARMIN MAHLER<br />
ähnliches. Für alles gab es<br />
Fachleute. Das ist übrigens noch<br />
heute so. Anfangs dachte ich: Was<br />
soll ich eigentlich hier? Haben die<br />
mich nur eingestellt, weil ein Stuhl<br />
frei war? Ich musste dann meist<br />
Sachen bearbeiten, um die sich<br />
niemand gekümmert hat.<br />
Nahrungsmittelindustrie, Maschinenbau<br />
und andere Nischen.<br />
Das habe ich dann auch gemacht<br />
und hatte auch ein paar gute<br />
Geschichten im Heft. Es waren<br />
aber nicht die großen, Titel oder<br />
Aufmacher. Dann fiel die Mauer.<br />
Erst einmal fiel sie noch gar nicht<br />
richtig, anfangs wurde sie nur<br />
löchrig. Aber im Sommer ´89<br />
konnte man plötzlich einreisen, mit<br />
Visum, und von Ostberlin aus<br />
Termine machen, man konnte<br />
reisen, recherchieren und<br />
schreiben. Zwar war alles noch ein<br />
bisschen kompliziert, aber<br />
spannend und neu. Es gab aber<br />
viele Leute, denen solche Reisen<br />
einfach zu unbequem waren und<br />
die lieber vom Schreibtisch aus die<br />
bekannten Themen bearbeiteten.<br />
So bekamen wir jungen<br />
Journalisten plötzlich riesengroßen<br />
Chancen. Plötzlich war alles,<br />
womit die Wirtschaftsseiten bisher<br />
gefüllt waren, uninteressant. Es<br />
standen nur noch andere<br />
Geschichten drin, neue, frische<br />
Themen, die einem fast aus der<br />
Hand gerissen wurden. Die<br />
Jungen hatten plötzlich die<br />
Chance, die Seiten zu füllen. Ich<br />
bin ziemlich viel rumgereist durch<br />
dieses völlig unbekannte Land. Ich<br />
habe die alten Kombinatsdirektoren<br />
getroffen. Das war<br />
zuvor unvorstellbar. Die hatten<br />
zigtausende Leute unter sich. Und<br />
plötzlich steht da so ein junger<br />
Journalist vor ihnen und sagt: „Ich<br />
bin vom SPIEGEL“. Das konnten<br />
die gar nicht fassen.<br />
Sie wollten wissen: „Wie sind Sie<br />
da reingekommen?“ Damals<br />
herrschte ja fast Anarchie, wir sind<br />
einfach am Pförtner vorbei. Keiner<br />
wusste mehr: Was gilt jetzt? Darf<br />
der rein? Darf der nicht rein? Man<br />
hat uns oft einfach reingelassen. So<br />
konnte ich beschreiben, wie es<br />
wirklich in den Fabriken der DDR<br />
aussah. Man saß dann abends in<br />
den Devisen-Hotels in Ost-Berlin<br />
oder Dresden zusammen mit den<br />
ganzen Unternehmensberatern<br />
und Geschäftemachern, die auch<br />
unterwegs waren. Das war eine<br />
wahnsinnig spannende Zeit. Es<br />
gab so viele tolle Geschichten zu<br />
erzählen. Und da habe ich mir<br />
einen Namen gemacht. Mein<br />
größter Erfolg war, dass ich die<br />
Titelgeschichte zur deutschdeutschen<br />
Währungsunion<br />
schreiben durfte. Es hieß dann<br />
irgendwann, dass das Ressort<br />
einen jungen Stellvertreter braucht,<br />
der so langsam, langfristig<br />
aufgebaut werden soll. Das war<br />
dann ich. Und kaum war ich da,<br />
wurde ein halbes Jahr später<br />
plötzlich der Chefredakteur vom<br />
SPIEGEL gefeuert. Wolfgang<br />
Kaden, der Ressortleiter der<br />
Wirtschaft, wurde sein Nachfolger.<br />
Und so bin ich plötzlich – sonst<br />
hätte ich vielleicht zehn Jahre<br />
warten müssen – Ressortleiter<br />
geworden.<br />
Wie gesagt, es war viel Glück im<br />
Spiel. Erst fiel die Mauer. Dann<br />
wurde der Ressortleiter<br />
Chefredakteur.<br />
Metzger: Und von ´91 bis zum<br />
heutigen Tag sind Sie immer in<br />
dieser Position geblieben?<br />
<strong>Mahler</strong>: Genau!<br />
Metzger: Was war der spannendste<br />
Artikel, den Sie je geschrieben<br />
haben?<br />
<strong>Mahler</strong>: Als ich noch selbst<br />
geschrieben habe, war das<br />
Das Angebot der SPIEGEL Gruppe<br />
tatsächlich die Geschichte über die<br />
deutsch-deutsche-Währungsunion.<br />
Die Politiker und auch die meisten<br />
Wirtschaftsführer haben damals<br />
behauptet: „Das ist ja alles gar kein<br />
Problem! Wir zahlen die<br />
Wiedervereinigung praktisch aus<br />
der Portokasse“. Und ich dachte:<br />
Das kann doch nicht wahr sein! Ich<br />
hatte ja die Fabriken gesehen und<br />
wusste, wie die aussahen! Das war<br />
wie im Industriemuseum. Man<br />
konnte nicht einmal kurz<br />
durchwischen und dann<br />
weiterproduzieren.<br />
In meiner Titelgeschichte stand<br />
dann: Das ist das größte<br />
Experiment der Wirtschaftsgeschichte<br />
- wie man eben auf die<br />
Trommel haut. Mein Ressortleiter<br />
Kaden hat mir und meinen<br />
Recherchen vertraut, obwohl es<br />
viel Gegenwind gab.<br />
Aber als Ressortleiter war ich<br />
natürlich auch an vielen<br />
spannenden Geschichten beteiligt,<br />
investigative Geschichten, die ich<br />
selbst persönlich gar nicht<br />
geschrieben habe.<br />
Als Leiter des Wirtschaftsressorts<br />
war die internationale Finanzkrise<br />
die spannendste Zeit. Da haben<br />
wir, glaube ich, sechs Wochen<br />
hintereinander eine Titelgeschichte<br />
gemacht. Nur das<br />
Wirtschaftsressort über die<br />
Finanzkrise.
7<br />
ARMIN MAHLER<br />
Metzger: Sie sagen, dass Sie nicht<br />
mehr selbst schreiben. Wie sieht ihr<br />
Tagesablauf heute aus? Wie leiten<br />
Sie das Ressort?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ich schreibe schon noch,<br />
aber eher Analysen und<br />
Kommentare. Aktuell habe ich<br />
zwei Stellvertreter. Wir wechseln<br />
uns ab, bei dem, was wir „Geschäfte<br />
führen“ nennen. Einer hat<br />
sozusagen immer den Hut auf und<br />
macht die Tagesarbeit. Die<br />
anderen kümmern sich um große<br />
Geschichten und längerfristige<br />
Projekte.<br />
<strong>Armin</strong> <strong>Mahler</strong> (links) im <strong>Interview</strong> mit Friederike Sasse<br />
Die Tagesarbeit beginnt damit,<br />
dass man morgens erstmal die<br />
Zeitung – oder besser – die<br />
Zeitungen und die Online-Medien<br />
liest. Bei den digitalen Ausgaben<br />
beginnt man mit dem Lesen<br />
meistens schon am Vorabend.<br />
Dann überlegt man sich, was das<br />
Gelesene jetzt für unsere<br />
Berichterstattung bedeutet. Jeden<br />
Morgen wird mit den anderen<br />
Ressortleitern und der Chefredaktion<br />
in einer Konferenz<br />
besprochen, wie das Heft<br />
aufgebaut wird. Das entwickelt<br />
sich stufenweise über die ganze<br />
Woche hinweg. Seit Februar<br />
vergangenen Jahres erscheinen wir<br />
am Samstag. Deswegen finden die<br />
Konferenzen der einzelnen<br />
Ressorts freitags statt. Per Video<br />
sind unsere Korrespondenten in<br />
Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und<br />
München zugeschaltet. Sie<br />
berichten, an welchen Geschichten<br />
sie arbeiten. Und wir diskutieren,<br />
welche Geschichten man zusätzlich<br />
machen müsste. Dann wird<br />
festgelegt, wer wie was wann<br />
liefert. Entweder für das nächste<br />
Heft oder, falls es eine etwas<br />
größere, längerfristige Geschichte<br />
ist, für eine spätere Ausgabe.<br />
Schlussendlich macht der<br />
geschäftsführende Ressortleiter<br />
daraus eine wöchentliche Themenliste.<br />
Um 15 Uhr ist die nächste<br />
Konferenz. Alle Ressortleiter<br />
sitzen zusammen und tragen kurz<br />
vor, worüber ihre Ressorts in der<br />
nächsten Ausgabe schreiben<br />
werden - soweit man das am<br />
Freitag eben schon sagen kann.<br />
Damit man immer weiß, an<br />
welchen Themen die anderen<br />
gerade arbeiten.<br />
Außerdem wird diskutiert, was die<br />
Titelgeschichte werden soll. Heute<br />
wird zum Beispiel diskutiert, wie<br />
wir mit dem Brexit umgehen. Aber<br />
natürlich wird diese Planung von<br />
Montag bis Donnerstag täglich<br />
aktualisiert. Wenn etwas Wichtiges<br />
passiert, können wir auch noch am<br />
Donnerstag einen aktuellen Titel<br />
stemmen.<br />
Am Montag gibt es die große<br />
Konferenz, die allen Mitarbeitern<br />
offen steht. Ein Mitarbeiter,<br />
manchmal auch ein Gast, hat die<br />
Aufgabe, das ganze Heft zu<br />
kritisieren. Das sind oft spannende<br />
Diskussionen. Danach wird im<br />
kleineren Kreis die Planung vom<br />
Freitag fortgeschrieben: Was ist<br />
über das Wochenende passiert?<br />
Was nehmen wir als Titel? Was<br />
sind die größten Geschichten?<br />
Metzger: Haben Sie Artikel im<br />
Petto, die sie jetzt noch nicht<br />
veröffentlichen? Wie wird<br />
abgewogen, was der richtige<br />
Zeitpunkt ist?<br />
<strong>Mahler</strong>: Nein, das kann man sich<br />
gar nicht leisten. Wenn man eine<br />
ausrecherchierte Geschichte hat,<br />
muss sie raus. Die Gefahr, dass ein<br />
anderes Medium einem die<br />
Geschichte wegschnappt, ist viel zu<br />
groß. Der Konkurrenzdruck ist<br />
stark. Etwas zurückzuhalten kann<br />
man sich nicht leisten.<br />
Metzger: Aus welchem Grund<br />
haben Sie 2004 für den Vorsitz für<br />
die SPIEGEL Mitarbeiter KG<br />
kandidiert?<br />
<strong>Mahler</strong>: Man kann nicht für den<br />
Vorsitz der Mitarbeiter KG<br />
kandidieren, sondern nur als<br />
Mitglied der Geschäftsführung.<br />
Die besteht aus fünf Köpfen und<br />
wählt den Vorsitzenden aus ihren<br />
Reihen. Vorsitzender wurde ich<br />
erst 2007, in der nächsten<br />
Wahlperiode.<br />
Der SPIEGEL Mitarbeiter KG<br />
gehört die Mehrheit des<br />
Unternehmens. Innerhalb des<br />
Verlags ist sie eine sehr wichtige,
8<br />
ARMIN MAHLER<br />
Ca. 800 000<br />
Exemplare verkaufte<br />
DER SPIEGEL im<br />
ersten Quartal 2016<br />
aber auch sehr schwierige<br />
Konstruktion. Sie schützt uns vor<br />
Übernahmen. Und wir haben die<br />
einmalige Chance, die Geschicke<br />
unseres Arbeitgebers als größter<br />
Gesellschafter selbst zu<br />
bestimmen. Aber da gibt es<br />
natürlich auch eine Menge<br />
Konflikte. Als Vorsitzender ist man<br />
gleichzeitig Untergebener und<br />
Chef des Chefredakteurs, den wir<br />
damals auch entlassen haben...<br />
Die Konstruktion hat auch den<br />
Vorteil, das den Mitarbeitern die<br />
Hälfte des Gewinns zusteht. Und<br />
der war in den goldenen Zeiten des<br />
Print-Geschäfts beträchtlich.<br />
Oft denken die Kollegen, die einen<br />
in dieses Amt gewählt haben, man<br />
müsse ihre Interessen vertreten.<br />
Das muss man auch. Aber vor<br />
allem ist man Vertreter des größten<br />
Anteilseigners, man muss das Wohl<br />
des Ganzen im Auge haben. Wer<br />
die Zukunft des Unternehmens<br />
mitbestimmt, vertritt nicht<br />
unbedingt die Interessen des<br />
Einzelnen. Das ist vor allem dann<br />
ein Problem, wenn es nicht mehr so<br />
gut läuft. Wenn über Sparprogramme,<br />
möglicherweise sogar<br />
über Entlassungen und über<br />
Stellenabbau gesprochen wird.<br />
Dann kann man nur darauf achten,<br />
dass mit den Betroffenen fair<br />
umgegangen wird. Schützen kann<br />
man sie nicht.<br />
Sie haben noch gefragt, warum ich<br />
das damals gemacht habe.<br />
Historisch gesehen war in der<br />
Geschichte der Mitarbeiter KG<br />
fast immer jemand aus dem<br />
Wirtschaftsressort in der KG-<br />
Geschäftsführung vertreten. Es<br />
macht ja auch Sinn, jemanden zu<br />
nehmen, der wirtschaftlichen<br />
Sachverstand hat. Damals waren<br />
wir ja zusätzlich noch für das<br />
Medienressort mitverantwortlich,<br />
das mittlerweile abgeschafft ist.<br />
Dadurch hatte man einen guten<br />
Einblick in das, was andere Verlage<br />
treiben. Als ich von ein paar Leuten<br />
gefragt wurde, ob ich nicht<br />
kandidieren wolle, habe ich aber<br />
erst einmal gezögert. Praktisch ist<br />
das ja eine zusätzliche Belastung,<br />
neben dem normalen, manchmal<br />
auch ziemlich stressigen Job.<br />
Gerade dann, wenn schwierige<br />
Entscheidungen anstehen.<br />
Aber ich dachte: Einer muss es ja<br />
machen, und dann mach’s lieber<br />
ich, bevor’s irgendeiner macht<br />
(lacht), der vielleicht nichts von<br />
Wirtschaft versteht und der nicht<br />
so rational - ich empfinde mich als<br />
einen relativ rationalen Menschen –<br />
handelt.<br />
Metzger: Sie sind jetzt Leiter des<br />
Wirtschaftsressorts, waren<br />
mehrere Jahre im Rahmen der<br />
Mitarbeiter KG, sozusagen Chef<br />
des SPIEGEL. Da hat man doch<br />
alles erreicht, was man beim<br />
SPIEGEL erreichen kann, oder?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ja, es kommt auch immer<br />
darauf an, was man will…<br />
Metzger: Was wollen Sie?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ich wollte nicht mehr, aber<br />
natürlich kann man noch mehr<br />
wollen. Man kann Chefredakteur<br />
werden wollen, beim SPIEGEL<br />
oder, wenn man’s hier nicht wird,<br />
woanders. Man kann in die<br />
Industrie wechseln und für viel<br />
Geld Leiter der Kommunikationsabteilung<br />
eines großen Konzerns<br />
werden, mit hunderten zu<br />
koordinierenden Leuten weltweit.<br />
Theoretisch ist das alles möglich.<br />
Es gab auch schon Leute beim<br />
SPIEGEL, die solche Karrieren<br />
gemacht haben. Für mich kam das<br />
nie in Frage. Das wollte ich nie. Ich<br />
bin zufrieden, wo ich bin, und es<br />
macht mir nach wie vor Spaß. Ich<br />
will auch nichts tun, von dem<br />
glaube, dass ich es vielleicht nicht<br />
so gut mache wie das, was ich jetzt<br />
mache. Ich war und bin<br />
Wirtschaftsjournalist.<br />
Manche Menschen wollen auch<br />
einfach zu viel. Das ist ein großes<br />
Problem, für sie und andere. Viele<br />
Leute kommen aus lauter Ehrgeiz<br />
in Positionen, wo sie nicht mehr so<br />
gut sind. Man muss schon wissen,<br />
wo die eigenen Grenzen sind. Ich<br />
weiß das.<br />
Metzger: Haben Sie vor, beim<br />
SPIEGEL zu bleiben?<br />
<strong>Mahler</strong>: Naja, die Frage stellt sich<br />
ja nicht mehr so wahnsinnig, weil<br />
ich schon langsam in Richtung<br />
Ruhestand gehe. Es gibt bei uns<br />
Vorruhestandregelungen, die viele<br />
Leute, die teilweise jünger sind als<br />
ich, in Anspruch nehmen. Ich nicht.<br />
Mir macht es Spaß beim<br />
SPIEGEL. Ich bleibe noch gerne<br />
hier. Aber ich bin über 60. Da<br />
wechselt man nicht mehr. Man<br />
würde auch kaum noch irgendwo<br />
eingestellt. Die meisten wollen sich<br />
ja verjüngen, wenn sie jemanden<br />
einstellen.<br />
Axel Metzger in der Eingangshalle des<br />
SPIEGEL in Hamburg
9<br />
ARMIN MAHLER<br />
Metzger: Was macht Ihnen an<br />
Ihrer Arbeit keinen Spaß?<br />
<strong>Mahler</strong>: Die vielen Konferenzen.<br />
Auch diese Routine.<br />
Andererseits kann man die<br />
Wirtschaftsberichterstattung beim<br />
SPIEGEL relativ frei gestalten,<br />
weil die Chefredaktion einem viele<br />
Freiheiten gibt und wenig<br />
reinredet. Zur Zeit interessiert uns<br />
vor allem das Thema<br />
Digitalisierung. Das ist ja das<br />
Spannende an meinem Job: Das es<br />
immer etwas Neues gibt. Erst die<br />
Finanzkrise, jetzt die<br />
Digitalisierung. Zwischendurch<br />
immer mal wieder große<br />
Unternehmensskandale, VW zum<br />
Beispiel. Vorher waren die New<br />
Economy und die Globalisierung<br />
dominierende Themen. Es gibt<br />
immer diese Riesen-Wellen, bei<br />
denen plötzlich ganz neue Themen<br />
aufkommen. Es wird nie<br />
langweilig. Aktuell sind die<br />
Entwicklungen so schnell und auch<br />
grundlegend, dass man selbst<br />
gespannt ist, wo das alles hinführt.<br />
Man will erfahren, wie bestimmte<br />
Unternehmen und bestimmten<br />
Brachen in der deutschen Industrie<br />
mit der Digitalisierung umgehen.<br />
Und beschäftigt sich mit der Frage,<br />
ob wir in Zukunft alle von<br />
Facebook oder Google bestimmt<br />
werden. „Können wir da mithalten?<br />
Wie müssen sich die Unternehmen<br />
ändern?“ Die Medien betrifft das<br />
natürlich ganz besonders. Aber es<br />
betrifft auch die klassische<br />
Industrie, die vor zwei bis drei<br />
Jahren noch nicht geahnt hat, dass<br />
sich ihr Geschäftsmodell ändern<br />
wird. Da dicht dabei zu sein, macht<br />
mir immer noch großen Spaß!<br />
Metzger: Gibt es auch Misserfolge,<br />
von denen Sie sagen: Das hat mich<br />
enttäuscht? Das muss ich besser<br />
machen? Daraus habe ich gelernt?<br />
<strong>Mahler</strong>: Als Geschäftsführer der<br />
Die Eingangshalle der SPIEGEL Gruppe in Hamburg<br />
Mitarbeiter KG ist man natürlich<br />
auch an unbequemen Entscheidungen<br />
beteiligt. Ich sage<br />
beteiligt, weil das ja immer ein<br />
Kollektiv ist, das entscheidet. Und<br />
weil am Ende auch die anderen<br />
Gesellschafter zustimmen müssen,<br />
und dann braucht es noch<br />
Führungskräfte, die diese<br />
Entscheidungen umsetzen.<br />
Da ist im Nachhinein betrachtet<br />
natürlich nicht alles so gut gelaufen,<br />
wie ich mir das vorgestellt habe. In<br />
meinem eigentlichen Job, als<br />
Ressortleiter, war natürlich auch<br />
nicht alles toll. Auch der<br />
SPIEGEL hat die Finanzkrise<br />
nicht kommen sehen. Und auch<br />
nicht jede Personalentscheidung<br />
war richtig. Das gehört aber dazu.<br />
Wenn man einen Strich drunter<br />
macht, bin ich zufrieden. Die<br />
Erfolge müssen halt die<br />
Misserfolge überwiegen.<br />
Metzger: Wie läuft eine Recherche<br />
für eine Titelgeschichte, wie aktuell<br />
über den Brexit, ab?<br />
<strong>Mahler</strong>: Diese Titelgeschichte zum<br />
Brexit wurde von unserem<br />
Londoner Korrespondenten für<br />
das Auslandsressort geschrieben.<br />
Damit hatte ich nur am Rande zu<br />
tun. Mein Ressort lieferte nur zu,<br />
was der Brexit für die Wirtschaft<br />
bedeuten würde. Unser<br />
Frankfurter Korrespondent<br />
analysierte, wie die Finanzmärkte<br />
reagieren werden. Ein Kollege<br />
ging die ganzen Studien der<br />
Ökonomen zu dem Thema durch.<br />
Auf dem Cover zur Brexit-Debatte<br />
stand: „Bitte geht nicht!“. Wir<br />
wollten unsere Haltung deutlich<br />
machen: Europa braucht<br />
Großbritannien. Der Titel wurde<br />
auch ins Englische übersetzt, die<br />
Ausgabe enthält noch weitere<br />
zweisprachige Geschichten. Das<br />
war eine Entscheidung der<br />
Chefredaktion.<br />
Grundsätzlich läuft die Konzeption<br />
einer Titelgeschichte so ab: Der<br />
Autor bespricht mit seiner<br />
Ressortleitung, wie er sich die<br />
Geschichte vorstellt. Er überlegt<br />
sich, welche Zulieferungen er von<br />
welchen Kollegen, manchmal auch<br />
aus anderen Ressort, er braucht.<br />
Am Ende erstellt er ein Exposée.<br />
Das wird dann mit der<br />
Chefredaktion abgestimmt.<br />
Die Beteiligten tragen alle<br />
besprochenen Fakten und Szenen<br />
zusammen und derjenige, der die<br />
Linie vorher festgelegt hat, schreibt<br />
sie zu einer großen Erzählung<br />
zusammen. Es ist eine<br />
Gemeinschaftsarbeit und entsteht<br />
im Team. Der SPIEGEL ist eine
10 ARMIN MAHLER<br />
gut geölte Maschine. Eine solche<br />
Geschichte, kann, wenn es sein<br />
muss, innerhalb von ein paar<br />
Stunden entstehen und zur<br />
Titelgeschichte werden. Einer legt<br />
fest, wo’s langgeht, und viele liefern<br />
zu. Dann funktioniert’s.<br />
Friederike Sasse: Man kennt den<br />
Enthüllungsjournalismus ja oft aus<br />
Filmen, aber ist Recherchearbeit<br />
wirklich immer so spannend wie es<br />
dargestellt wird?<br />
<strong>Mahler</strong>: Enthüllungen sind<br />
eigentlich immer spannend. Das<br />
Ziel ist ja, etwas zu enthüllen. Dazu<br />
gehört, dass man ganz vielen<br />
Leuten auf die Zehen tritt, die nicht<br />
wollen, dass das enthüllt wird.<br />
Sonst wäre es ja keine Enthüllung.<br />
Bis zum Erscheinungsdatum und<br />
noch darüber hinaus bleibt es sehr<br />
spannend. Natürlich ist auch viel<br />
Routinearbeit dabei. Man muss zu<br />
Ämtern gehen und Unterlagen<br />
durcharbeiten, heutzutage kommt<br />
ganz viel Datenrecherche dazu.<br />
Wir bauen gerade eine Abteilung<br />
auf, die sich nur darauf konzentrieren<br />
soll, riesige Datenmengen,<br />
die man zum Teil<br />
bekommt, zu durchforsten und die<br />
wichtigen, relevante Informationen<br />
heraus zu filtern. Das ist technisch<br />
sehr komplex und nicht mehr ganz<br />
meine Welt, aber es gibt Leute, die<br />
sich da richtig reinknien.<br />
Sasse: Glauben Sie, dass es<br />
Charakterzüge gibt, die für<br />
erfolgreiche Menschen wichtig<br />
sind?<br />
<strong>Mahler</strong>: Für mich ist Loyalität<br />
wichtig. Aber ich weiß natürlich,<br />
dass es auch erfolgreiche Leute<br />
gibt, die das nicht sind. Ich finde<br />
zwar schlimm, dass es so ist (lacht).<br />
Aber es geht ja nicht nach meinen<br />
Kriterien.<br />
Sasse: Welchen Rat würden Sie<br />
jungen Studenten mitgeben?<br />
<strong>Mahler</strong>: Man kann nicht in die<br />
Im Gespräch mit Friederike Sasse<br />
Zukunft schauen! Wenn ich<br />
gefragt werde, wie der Journalismus<br />
in 10 Jahren aussieht, weiß ich<br />
das nicht. Ich weiß nur: Man<br />
verbringt viel Zeit im Job und muss<br />
einfach machen, was einem Spaß<br />
macht. Man darf keine Arbeit<br />
anfangen, von der man denkt, dass<br />
es eine Quälerei würde, oder die<br />
man nur macht, um Kohle zu<br />
verdienen.<br />
Denn dann sitzt man hier. Das ist<br />
kein 8-Stunden-Job. Hier sitzt man<br />
oft bis tief in die Nacht und<br />
beschäftigt sich auch am<br />
Wochenende mit seiner Arbeit.<br />
Wenn es einem keinen Spaß<br />
machen würde, wäre das ja<br />
furchtbar...<br />
Sasse: Herr <strong>Mahler</strong>, wir danken<br />
Ihnen für das Gespräch.<br />
Q&A<br />
Was ist ihr wichtigster Charakterzug?<br />
<strong>Mahler</strong>: Ich denke, ich bin<br />
besonnen.<br />
Was sehen Sie als wichtigste<br />
Eigenschaft für angehende<br />
Führungskräfte?<br />
<strong>Mahler</strong>: Führungskraft kann auch<br />
jemand mit schlechten Eigenschaften<br />
werden, wenn er die<br />
nötige Durchsetzungskraft hat.<br />
Man braucht auf jeden Fall<br />
Durchsetzungsstärke.<br />
Was motiviert Sie am meisten?<br />
<strong>Mahler</strong>: Die Arbeit an sich.<br />
Mich motiviert es, eine große<br />
Geschichte zu konzipieren oder<br />
selbst zu schreiben, von der ich<br />
sagen kann: „Das ist richtig gut<br />
geworden, das gibt es in dieser<br />
Qualität sonst nicht!“
11<br />
DAS TEAM DAHINTER<br />
Das <strong>Interview</strong>team<br />
Gesprächsleitung<br />
Axel Metzger<br />
Studium Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt BWL an der<br />
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Seit Januar 2016 Vorstandsvorsitzender des <strong>BWN</strong> e.V.<br />
Stellv. Gesprächsleitung<br />
Friederike Sasse<br />
Studium Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt BWL an der<br />
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Seit Mai 2016 Teil der „Leadershiplecture“<br />
Mitglied der Redaktion<br />
Felix Zeißner<br />
Studium Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt BWL an der<br />
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Seit Mai 2016 Teil der „Leadershiplecture“
12<br />
ÜBER UNS<br />
Unser Verein<br />
Börsen- und Wertpapierverein Nürnberg (<strong>BWN</strong>) e.V.<br />
Wir sind eine unabhängige studentische Vereinigung an der Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen-Nürnberg. Unser Ziel ist es, interessierten Personen einen die universitären Vorlesungen<br />
ergänzenden Einblick in die Theorie und Praxis des Börsenwesens zu ermöglichen.<br />
Die Idee<br />
Das schließt andere Themen jedoch nicht aus. Vielmehr ist es unsere Intuition im Rahmen der<br />
LEADERSHIPLECTURE, eine Plattform zu bieten, um von erfolgreichen Menschen lernen zu<br />
können.<br />
Jeder definiert das Thema Erfolg anders. Diese Vielfalt wollen wir auffangen.<br />
Der <strong>BWN</strong><br />
Unser Verein zählt derzeit mehr als 500 Mitglieder, darunter Studenten aus unterschiedlichen<br />
Fachrichtungen.<br />
Mit unseren 500 Mitgliedern gehören wir damit zu den drei größten Börsenvereinen Deutschlands.<br />
Wir beschäftigen uns mit Börsen- und Finanzmarktthemen, in der Theorie als auch in der Praxis.<br />
Gemeinsam mit unseren Partnern organisieren wir dazu Workshops und Fachvorträge.<br />
Darüber hinaus wollen wir allen Interessierten einen exklusiven Einblick in verschiedene Bereich der<br />
Finanzbranche bieten und direkten Kontakt zu Arbeitgebern der Branche herstellen.<br />
Interesse?<br />
Haben wir dein Interesse geweckt?<br />
Dann komm bei uns vorbei.<br />
Lange Gasse 20<br />
90403 Nürnberg<br />
Raum: 2.226<br />
oder online unter www.bwn-online.org
13<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>BWN</strong>@LEADERSHIPLECTURE<br />
„Lernen von Denkern und Machern“<br />
Börsen- und Wertpapierverein Nürnberg e.V.<br />
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Gegründet 1986<br />
90403 Nürnberg<br />
Lange Gasse 20<br />
E-Mail: info@bwn-online.org<br />
© All rights reserved<br />
Leitung:<br />
stellv. Leitung:<br />
Redaktion:<br />
Axel Metzger<br />
Friederike Sasse, Dominik Straußberger<br />
Felix Zeißner<br />
Fabian Kosider<br />
Tobias Burger<br />
Vorstand, Stand: Juli 2016<br />
Axel Metzger (Vorstandsvorsitzender)<br />
Philip Quitterer (stellv. Vorsitzender),<br />
Kilian Dirscherl, Julian Glöckler, Verena Lieret,<br />
Dominik Straußberger, Josef Schütz<br />
Beirat, Stand: Juli 2016<br />
Alexander Schmidt (Sprecher des Beirats)<br />
Philipp Hartmannsgruber, Waylap Wong, Jörg Heilmair
Juli 2016<br />
<strong>BWN</strong>@LEADERSHIPLECTURE<br />
„Lernen von Denkern und Machern“<br />
Lange Gasse 20<br />
90403 Nürnberg<br />
Börsen- und Wertpapierverein Nürnberg e.V.<br />
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg