Veranstaltungskalender Straßenmusik in Darmstadt Am ... - P-Magazin
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Fe<strong>in</strong>d der Langeweile<br />
<strong>Straßenmusik</strong> <strong>in</strong> <strong>Darmstadt</strong><br />
Wer bei e<strong>in</strong>em Spaziergang durch <strong>Darmstadt</strong>s<br />
sonnige Innenstadt e<strong>in</strong>mal genau h<strong>in</strong>hört, wird<br />
feststellen: Sommer kl<strong>in</strong>gt anders als W<strong>in</strong>ter!<br />
Unter das anschwellende Gemurmel der Menschenströme,<br />
Läden und Cafés mischt sich<br />
Vogelgezwitscher – und Musik.<br />
An e<strong>in</strong>em warmen Samstagnachmittag begrüßen<br />
Panflötenklänge der allseits bekannten <strong>in</strong>dianischen<br />
combo den Stadtbummler schon am luisenplatz.<br />
Zwei K<strong>in</strong>der bleiben stehen und zeigen begeistert<br />
mit dem F<strong>in</strong>ger auf die federgeschmückten<br />
Musiker. „So e<strong>in</strong> Gedudel“, schimpft e<strong>in</strong> anderer im<br />
Vorbeilaufen. An der Ecke vor Zara steht e<strong>in</strong> Mann<br />
<strong>in</strong> lederhosen und gibt mit se<strong>in</strong>er Gitarre die größten<br />
Rockballaden des letzten Jahrhunderts zum<br />
Besten: „Knock, knock, knock<strong>in</strong>‘ on heaven‘s door...“<br />
Das Stichwort <strong>Straßenmusik</strong> weckt bei vielen<br />
gemischte Gefühle. Man denke an „Ave Maria“ aus<br />
der Konserve, begleitet von zittriger Geige oder<br />
diversen anderen <strong>in</strong>strumenten, vorgetragen von<br />
e<strong>in</strong>samen Musikern, die mit Sammelbecher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Ecke stehen, während Passanten vorbeiziehen. Oder<br />
vielleicht kommt jemandem der kle<strong>in</strong>e Junge am<br />
Akkordeon <strong>in</strong> den Kopf, der noch im W<strong>in</strong>ter frierend<br />
spielte und dessen Geschichte wir nicht kennen.<br />
Noch immer werden <strong>Straßenmusik</strong>er häufig als e<strong>in</strong>e<br />
Art Bettler gesehen. „Die Straßen werden oft als<br />
letzte Möglichkeit betrachtet, für Musiker, die <strong>in</strong> den<br />
clubs niemand will oder die ke<strong>in</strong>er kennt. Aber das<br />
stimmt nicht. <strong>Straßenmusik</strong> ist e<strong>in</strong>e richtige Kunst<br />
für sich, <strong>in</strong> der du gut se<strong>in</strong> musst, sonst hört dir niemand<br />
zu“, erzählt Samuel harfst, wenn man so will<br />
der Star unter <strong>Darmstadt</strong>s <strong>Straßenmusik</strong>ern, neben<br />
der One-Man-Band Slippery Mike (www.e<strong>in</strong>applaus.<br />
de/slippery-mike_av35b32c.html).<br />
E<strong>in</strong> Spaziergang durch die sommerliche Stadt<br />
br<strong>in</strong>gt die Sonnenseiten der <strong>Straßenmusik</strong> hervor:<br />
Sie macht die Stadt lebendig, br<strong>in</strong>gt Kultur und<br />
Abwechslung im Alltag der Menschen unter und ist<br />
somit e<strong>in</strong> großer Fe<strong>in</strong>d der langeweile. An sonnigen<br />
Tagen wie diesen sitzen an vielen Ecken <strong>Straßenmusik</strong>er<br />
und spielen lieder, die so unterschiedlich<br />
s<strong>in</strong>d wie ihre Macher. Vorbei eilende leute werfen<br />
+++ hEY P! AllES GUTE ZUM B-DAY ich liEBE Dich Michi! +++<br />
e<strong>in</strong>en Blick auf sie, viele gehen vorbei, manche bleiben<br />
stehen und hören zu. „Das ist das Schwierige“,<br />
erklärt Samuel, „die leute hören Dich und entscheiden<br />
dann <strong>in</strong> zwei oder drei Sekunden, ob sie stehen<br />
bleiben oder weiterlaufen.“ Samuel harfst ist Gitarrist<br />
und Sänger des gleichnamigen hessischen<br />
Neofolk-Trios, zu dem noch e<strong>in</strong> cello, gespielt von<br />
Dom<strong>in</strong>ik Schweiger oder Dirk Menger, und cajón/<br />
Percussion von David harfst gehören (www.samuelharfst.de).<br />
Sie g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Gießen auf dieselbe Schule,<br />
und zusammen haben sie schon auf den Straßen<br />
der meisten großen Städte Deutschlands gespielt,<br />
dazu unzählige Konzerte auf kle<strong>in</strong>en Feiern oder<br />
vor Tausenden auf Festivals gegeben – mit Erfolg.<br />
ihre im eigenen Studio aufgenommenen Platten<br />
verkaufen sich gut, im herbst soll Album Nummer<br />
fünf veröffentlicht werden. Warum sie trotzdem<br />
noch auf der Straße spielen? „Das ist irgendwie so<br />
unser D<strong>in</strong>g“, erklärt Samuel.<br />
Zum ersten Mal stand er mit sechs Jahren auf<br />
der Straße und hat Musik gemacht. Um sich Taschengeld<br />
zu verdienen: „ich wollte unbed<strong>in</strong>gt<br />
e<strong>in</strong>en hamster!“ Wiederbelebt wurde die idee der<br />
<strong>Straßenmusik</strong> erst 2005, als Samuel <strong>in</strong> Sydney, wo<br />
er Theologie studierte, das Geld ausg<strong>in</strong>g. „ich saß<br />
da und hab gespielt, fünf Stunden am Stück.“ E<strong>in</strong><br />
Knochenjob, weil man <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Sekunde nachlassen<br />
darf. Die Musik ist seit dem Ende se<strong>in</strong>es Studiums<br />
Samuels Beruf und die ganze Band weiß, dass es<br />
mehr braucht, als sich auf die Straße zu stellen<br />
und vor sich h<strong>in</strong>zuspielen, um bekannt zu werden:<br />
„Wir träumen groß, aber hellwach.“ Sie wissen um<br />
die Wichtigkeit von e<strong>in</strong>gängigen, aber orig<strong>in</strong>ellen<br />
Songs, enormer Präsenz und vollem E<strong>in</strong>satz, um<br />
die Aufmerksamkeit der leute zu gew<strong>in</strong>nen. „Wenn<br />
ich e<strong>in</strong>en Künstler sehe, dann will ich nicht weniger<br />
sehen, als dass der se<strong>in</strong> komplettes herz da<br />
re<strong>in</strong>schmeißt“, sagt Samuel, und das ist auch se<strong>in</strong><br />
Anspruch an sich und se<strong>in</strong>e Musik.<br />
<strong>Straßenmusik</strong> kann nicht nur der Bereicherung<br />
des kulturellen Stadtlebens dienen. Schafft man<br />
es, Publikum e<strong>in</strong>zufangen, steigert man auch den<br />
eige nen Bekanntheitsgrad. Als Samuel neulich im<br />
„cielo“ nachfragte, ob man vor dessen Türe spielen<br />
dürfe, buchte man das Trio kurzerhand für e<strong>in</strong><br />
Konzert im hauseigenen club. Ähnlich lief es<br />
mit der Traisaer Kirche: Konfirmanden, die das Trio<br />
<strong>in</strong> <strong>Darmstadt</strong> hörten, verpflichteten es für e<strong>in</strong>en<br />
Auftritt dort.<br />
Auch macht man als <strong>Straßenmusik</strong>er persönliche<br />
Erfahrungen: „Man lernt Gelassenheit“, resümiert<br />
Samuel. Schließlich s<strong>in</strong>d die Umstände der Straßen<br />
unberechenbar und das Publikum nicht der Musik<br />
wegen gekommen, wie auf e<strong>in</strong>em Konzert. „hier<br />
s<strong>in</strong>d nicht nur Menschen unterwegs, die dir zuhören<br />
möchten, was auch e<strong>in</strong>e herausforderung für das<br />
Selbstbewusstse<strong>in</strong> se<strong>in</strong> kann.“ Denn: Was für den<br />
e<strong>in</strong>en zauberhafte Musik ist, mag für andere nur<br />
e<strong>in</strong>e lärmbelästigung se<strong>in</strong>. Deshalb darf auf <strong>Darmstadt</strong>s<br />
Straßen nur von 8 bis 20 Uhr gespielt werden,<br />
nie länger als e<strong>in</strong>e halbe Stunde am gleichen<br />
Ort und nur ohne laute Verstärker (alle „Spielregeln“<br />
s<strong>in</strong>d zu f<strong>in</strong>den auf www.darmstadt.de).<br />
Wer cDs verkaufen will, braucht außerdem e<strong>in</strong>en<br />
+++ DAS lEBEN iST KEiN P-ONYhOF. +++<br />
Samuel Harfst<br />
Gewerbesche<strong>in</strong>. Grundsätzlich endet das Recht zu<br />
spielen, wenn sich jemand gestört fühlt, weshalb<br />
es um so wichtiger ist, mit e<strong>in</strong>em wohl gewählten<br />
Programm auf die Straßenbühne zu treten.<br />
„ich glaube, es gibt e<strong>in</strong> großes Kultur<strong>in</strong>teresse <strong>in</strong><br />
<strong>Darmstadt</strong> und die leute aus den läden waren immer<br />
nett“, f<strong>in</strong>det Samuel. Auch die Schüler<strong>in</strong>nen<br />
leonie und Anette haben im Geigenduett geme<strong>in</strong>sam<br />
die Straße erprobt: „E<strong>in</strong>erseits ist es für uns<br />
selbst immer wieder e<strong>in</strong>e herausforderung, gleichzeitig<br />
ist es schön, durch se<strong>in</strong> hobby mit Fremden<br />
<strong>in</strong>s Gespräch zu kommen und anderen Freude zu<br />
bereiten – besonders wenn kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der mit großen<br />
Augen bewundernd zuschauen.“<br />
Also: Ohren auf beim nächsten Stadtgang. Denn<br />
vielleicht wird der langweilige Supermarkte<strong>in</strong>kauf<br />
das nächste Mal zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Konzert <strong>in</strong> der<br />
Sonne. (Tabea Köbler)<br />
Foto: www.samuelharfst.de