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SOCIETY 368 / 2015

Nr. 368 I Nr. 2 - 2015

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DIPLOMATIE<br />

RUSSLAND<br />

Russland ist ein<br />

Teil Europas<br />

S.E. Botschafter Dmitrij Ljubinskij spricht im <strong>SOCIETY</strong>-Interview<br />

über die Folgen der EU-Sanktionen, den Ukraine-Konflikt, die<br />

Rolle Moskaus im Syrien-Krieg und das Verhältnis zu den USA.<br />

INTERVIEW: HERMINE SCHREIBERHUBER<br />

FOTOS: <strong>SOCIETY</strong>/PROCHNOW<br />

K<br />

önnen Sie den Standort<br />

Russlands in Europa definieren?<br />

Es kann kein Zweifel bestehen,<br />

dass Russland ein<br />

Teil Europas ist. Europa ist<br />

nicht nur die Europäische Union. Aus der<br />

Geschichte, aus all unseren gesellschaftlichen,<br />

kulturellen Verbindungen kann<br />

man eine Schlussfolgerung ziehen – dass<br />

Russland natürlich ein Teil Europas ist.<br />

Und unsere wichtigsten Partner sind auch<br />

in Europa.<br />

Wie steht es um die politischen-wirtschaftlichen<br />

Beziehungen nach den im<br />

Ukraine-Konflikt verhängten EU-Sanktionen?<br />

Bitte um eine Zwischenbilanz.<br />

Im Laufe des letzten Jahres wurde die<br />

Einführung dieser Sanktionen – das war<br />

nicht unsere Wahl – auf beiden Seiten<br />

kritisch verfolgt. Es geht nicht nur um<br />

das Handelsvolumen, es geht auch um gemeinsames<br />

Vertrauen. Wir glauben, dass<br />

solche Sanktionen völkerrechtswidrig<br />

sind, denn Sanktionsmaßnahmen dürfen<br />

nur durch Entscheidungen der UNO, des<br />

UNO-Sicherheitsrates verhängt werden.<br />

Das ist nicht der Fall. Aber das Wichtigste<br />

ist das fehlende, das sinkende Vertrauen<br />

von beiden Seiten. Man sagt uns, es wird<br />

keinesfalls mehr Business as usual geben.<br />

Das ist auch unsere Reaktion und unsere<br />

Lehre aus dieser Geschichte.<br />

Aber in Anbetracht der letzten Entwicklungen<br />

in Europa, dieser Flüchtlingswelle<br />

und der Terroranschläge in Paris<br />

und davor in mehreren Staaten, kann<br />

man meiner Meinung nach nur eine<br />

Schlussfolgerung ziehen: Wir sind aufeinander<br />

angewiesen. Wir sehen gemeinsame<br />

Gefahren. Das wird auch bei unseren<br />

europäischen Partnern immer mehr so<br />

verstanden. Gerade in diesem Moment<br />

versteht man, dass beide Seiten die Kräfte<br />

vereinigen müssen, um gemeinsame<br />

Gefahren und Herausforderungen zu bekämpfen.<br />

Nur in ernster Zusammenarbeit<br />

zwischen Russland und der EU können<br />

wir unsere gemeinsamen Probleme lösen.<br />

Weil wir einen gemeinsamen Kontinent<br />

haben, müssen wir eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur<br />

im europäischen<br />

oder richtiger gesagt im eurasischen<br />

Raum entwickeln. Aus solchen Krisen<br />

muss man die Lehren ziehen.<br />

Wie beurteilen Sie den Schaden für<br />

Europa?<br />

Das Handelsvolumen zwischen Russland<br />

und der EU ist im letzten Jahr kräftig<br />

gesunken – über 20 Prozent. Mit Österreich<br />

ein bisschen weniger, aber trotzdem<br />

um 18 Prozent minus. Man merkt aus den<br />

Kontakten mit Geschäftskreisen auch<br />

hier zulande, dass die Leute unzufrieden<br />

sind. Weil die wichtigen Entscheidungsträger<br />

im Business-Bereich auf die aktuelle<br />

Lage reagieren. So ist in Österreich das<br />

»Die Beziehungen zu den<br />

USA sind nicht unproblematisch,<br />

sie sind in<br />

gewissem Sinne<br />

angespannt.<br />

«<br />

Dmitrij Ljubinskij<br />

Volumen im Tourismus sehr stark gesunken<br />

– 25 Prozent minus aus Russland. Das<br />

ist möglicherweise nicht so entscheidend<br />

für die Industrie, aber für Klein- und Mittelbetriebe<br />

bedeutet das sehr viel. Deshalb<br />

sind wir in Gesprächen mit der österreichischen<br />

Regierung, welche Maßnahmen<br />

zu treffen wären, um diese Situation zu<br />

korrigieren.<br />

Wie sind die Auswirkungen auf der<br />

russischen Seite?<br />

Das war nicht unsere Entscheidung.<br />

Wir waren unsererseits gezwungen, Gegenmaßnahmen<br />

zu treffen. Etwa im Agrarsektor,<br />

und das betrifft natürlich österreichische<br />

Erzeuger. Wir sind darüber<br />

nicht glücklich. Doch der erste Schritt<br />

muss von der europäischen Seite gemacht<br />

werden. Für die russische Wirtschaft bedeutete<br />

das merkwürdigerweise auch<br />

mögliche Pluspunkte. Wenn man unter<br />

Sanktionen lebt, muss man Schritte unternehmen,<br />

um die eigene Produktion<br />

rascher zu entwickeln. Das macht die<br />

russische Regierung. Viele russische Unternehmen<br />

sehen in dieser Situation eine<br />

Chance, sich schneller zu entwickeln. Das<br />

bedeutet für Kooperationen mit unseren<br />

westlichen Partnern, dass die Produktion<br />

mehr auf russischen Boden verlegt werden<br />

muss, auch wenn es um gemeinsame<br />

Projekte geht.<br />

Können Sie das Verhältnis Russland-<br />

USA beschreiben – vor dem Hintergrund<br />

des Terrorismus und des Syrien-Krieges?<br />

Die Beziehungen zwischen Russland<br />

und den USA spielen und spielten eine<br />

sehr wichtige strategische Rolle. Natürlich<br />

sind sie nicht unproblematisch,<br />

sie sind in gewissem Sinne angespannt.<br />

Trotzdem besteht auf beiden Seiten die<br />

Bereitschaft, den Dialog weiterzufüh-<br />

➢<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong> | 57

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