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SOCIETY 368 / 2015

Nr. 368 I Nr. 2 - 2015

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DIPLOMATIE<br />

LUXEMBURG<br />

Da arbeiten natürlich auch Österreicher, die eine<br />

Gemeinschaft gebildet haben.<br />

Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Botschafter<br />

in Österreich?<br />

Ein Botschafter hat dafür zu sorgen, dass die<br />

Kontakte zwischen den beiden Regierungen gut<br />

funktionieren. Da kann ich mich glücklich schätzen,<br />

weil sie tatsächlich sehr gut funktionieren.<br />

Ich sollte auch ein Auge haben auf die Lage meiner<br />

Mitbürger in Österreich. Wir wissen nicht<br />

ganz genau, wie viele Luxemburger sich hier niedergelassen<br />

haben, aber wir nehmen an, dass es<br />

so achthundert bis tausend Leute sind. Wir laden<br />

sie ein, den Nationalfeiertag bei uns zu feiern, soweit<br />

wir sie erfassen können. Es gibt die Luxemburgisch-Österreichische<br />

Gesellschaft (LÖG) und<br />

einen Studentenclub, damit es so eine Art soziale<br />

Struktur gibt. Ich stelle fest, dass das alles reibungslos<br />

läuft.<br />

Wie sehen die wirtschaftlichen Beziehungen<br />

aus?<br />

Die österreichische Wirtschaft blickt mehr<br />

nach Osten und zum Balkan. Luxemburg hat eine<br />

Wirtschaft, die sich stark am internationalen Finanzwesen<br />

orientiert. Wir haben eines der größten<br />

internationalen Finanzzentren auf der Welt.<br />

Das wollen wir auch so beibehalten, weil ohne dem<br />

könnte unsere Wirtschaft nicht funktionieren.<br />

Ein anderer wichtiger Wirtschaftszweig, der auch<br />

für Österreich bedeutend ist, ist die Stahlindustrie.<br />

Da sind wir mitunter Konkurrenten. Es gibt<br />

aber auch Beispiele für eine gute Zusammenarbeit<br />

zwischen luxemburgischen und österreichischen<br />

Firmen, etwa in der Holzverarbeitung und<br />

in der hochmodernen Keramikindustrie.<br />

Die Finanzindustrie ist heftig in Kritik geraten<br />

seit den Turbulenzen im Jahr 2008. Was ist<br />

Ihre Meinung dazu? Mehr Regulierung?<br />

Seit 2008 ist sehr viel reguliert worden. Aber<br />

man darf auch nicht übertreiben. Wenn man zu<br />

viel reguliert, wird die Aktivität eingeschränkt.<br />

Viele Leute beklagen sich heute, dass es schwierig<br />

ist, Kredite zu bekommen, und es daher nicht<br />

sehr einfach ist, zu investieren. Die Finanzinstitute<br />

nehmen ihre soziale Rolle nicht immer voll<br />

wahr. Luxemburg muss dafür sorgen, dass wir auf<br />

diesem Gebiet konkurrenzfähig bleiben und weltwirtschaftlich<br />

in der vordersten Linie mitmachen<br />

können. Deshalb passen wir unsere Gesetze an die<br />

Anforderungen an, etwa beim Bankgeheimnis,<br />

das wir progressiv abschaffen, so wie Österreich<br />

übrigens auch.<br />

Eines der Hauptthemen der EU ist „Investitionen<br />

für mehr Wachstum freisetzen“. Wer soll<br />

die Investitionen freisetzen und wohin sollen<br />

die Investitionen fließen?<br />

Kommissionspräsident Juncker hat vorgeschlagen,<br />

aus einem relativ kleinen Kern von öffentlichem<br />

Geld ein größeres Ganzes zu machen, wo<br />

»Die europäische<br />

Außenpolitik<br />

hat noch nicht<br />

genug Reife<br />

erreicht.<br />

«<br />

Hubert<br />

Würth<br />

der kleine Kern eine Anregung gibt, um Privatinvestoren<br />

zu veranlassen, Projekte mitzuentwickeln<br />

und umzusetzen. Das ist die Frage: Kann man von<br />

25 Milliarden auf 300 Milliarden kommen? Das ist<br />

ungefähr die Größenordnung. Wir sollten dafür<br />

sorgen, dass die Investitionen in der EU stimuliert<br />

werden. Ohne Investitionen ist es für eine Wirtschaft<br />

sehr schwierig lebendig zu bleiben.<br />

Ein anderes Thema – die Rolle der Monarchie<br />

in Luxemburg. Wie sieht es damit aus?<br />

Luxemburg ist beim Wiener Kongress 1815 ein<br />

Großherzogtum geworden. Damals gab es noch<br />

andere derartige Gründungen, die mittlerweile<br />

verschwunden sind. Heute ist Luxemburg das einzige<br />

Großherzogtum der Welt. Unsere Monarchie<br />

geht zurück auf den holländischen König, der<br />

beim Wiener Kongress Luxemburg als Kompensation<br />

für andere Gebiete bekommen hat. Wegen<br />

familieninternen Regelungen hat die holländische<br />

Krone Luxemburg an einen anderen Zweig<br />

der Familie im Jahre 1889 abgegeben – die Familie<br />

Nassau-Weilburg. Diese Familie ist jetzt noch<br />

immer in Luxemburg. Nach den napoleonischen<br />

Kriegen, nach zwanzig Jahren französischer Herrschaft<br />

in Luxemburg, wurden andererseits die<br />

Grundlagen für eine republikanische, demokratische<br />

Gesinnung gelegt. Das hat nach unserer Unabhängigkeit<br />

dazu geführt, dass wir unseren Staat<br />

auf diesen Grundlagen aufgebaut haben. Somit<br />

haben wir einerseits eine Monarchie, die in der<br />

Bevölkerung eine große Zustimmung erfährt, und<br />

andererseits einen Staat, der demokratische Prinzipien<br />

voll respektiert und auch darauf aufgebaut<br />

ist. Heute bleibt Luxemburg in der Vergangenheit<br />

verwurzelt, aber ist trotzdem sehr bereit, sich an<br />

die Zukunft anzupassen. Es gibt den Spruch „Wir<br />

wollen bleiben, was wir sind“. Aber wir wissen,<br />

dass, wenn wir Luxemburger bleiben wollen, wir<br />

uns anpassen müssen. Wir wollen an vorderster<br />

Spitze dabei sein, und nicht als Nachzügler.<br />

Sie sind schon einige Jahre in Wien Botschafter.<br />

Wie gefällt es Ihnen hier?<br />

Wir (meine Frau und ich) sind im Herbst 2011<br />

in Wien angekommen. Vorher haben wir Wien<br />

nicht gekannt. Allerdings haben wir Österreich<br />

gekannt, ich war als Pfadfinder hier und später,<br />

um in den Tiroler Bergen Schi zu fahren. Es ist ein<br />

landschaftlich wundervolles Land.<br />

Was schätzen Sie an Wien?<br />

Besonders schön an Wien ist der Maßstab: Das<br />

ist eine große Stadt, aber keine übergroße Stadt.<br />

Es ist natürlich so, dass Wien es fertig gebracht<br />

hat, seine Vergangenheit in die Zukunft hinüber<br />

zu retten – speziell die Gebäude. Natürlich ist<br />

Wien die Hauptstadt einer Republik, und sie hat<br />

geografisch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs<br />

einen großen Vorteil: die Öffnung nach Osten. Sie<br />

ist kulturell sehr reich und anregend für die Menschen.<br />

Die Lebensqualität ist gut und das Leben ist<br />

angenehm für Familien.<br />

•<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong> | 33

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