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SOCIETY 368 / 2015

Nr. 368 I Nr. 2 - 2015

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DIPLOMATIE<br />

DÄNEMARK<br />

»Die letzten zwei Jahre bin<br />

ich mit dem Fahrrad zum<br />

Neujahrsempfang des<br />

Bundespräsidenten<br />

gefahren.<br />

Liselotte Plesner<br />

«<br />

sind ein wichtiges Exportprodukt – es gibt mehr<br />

und mehr Bedarf danach in Österreich. Wir sind<br />

außerdem für Hörgeräte und Insulin einer der<br />

größten Produzenten. Auch dänische Mode und<br />

besonders Design sind beliebt. Die berühmten dänischen<br />

Designern und Architekten aus der Mitte<br />

des Jahrhunderts, aber auch Vertreter der neuen<br />

Generation, sind gut vertreten. Ich glaube, die<br />

Österreicher mögen ganz gerne den dänischen<br />

Stil, der sehr schlicht und elegant ist. Er ist gut zu<br />

kombinieren.<br />

Haben Sie in nächster Zeit kulturelle oder<br />

wirtschaftliche Projekte geplant, auch in<br />

Zusammenarbeit mit Österreich?<br />

Wir nehmen bei den vielen Filmfestivals in<br />

Wien teil, denn die Filmbranche in Dänemark<br />

ist auch recht stark. Wirtschaftlich haben wir<br />

das Projekt Danish Health Circle gestartet. Wir<br />

haben Spezialisten aus Dänemark hergebracht,<br />

um Impulse zu geben, und dann werden wie in<br />

einem Symposium zusammen Ideen entwickelt.<br />

Teilnehmer sind Unternehmen, Entscheidungsträger,<br />

Primärversorger und Krankenkassen aus<br />

dem Gesundheitsbereich. Ziel ist es, von den Erfahrungen<br />

anderer Länder zu lernen. Das Interesse<br />

vor allem aus der Wissenschaft ist groß. Alle<br />

Gesundheitssysteme müssen immer weiterentwickelt<br />

und angepasst werden. Das Projekt findet<br />

mehrmals im Jahr statt und die Botschaft ist vor<br />

Ort, um zu unterstützen.<br />

CURRICULUM<br />

VITAE<br />

Liselotte Plesner war nach<br />

ihrem Studienabschluss<br />

1987 in Politikwissenschaft<br />

an der Universität Aarhus<br />

bis 1991 im Außenministerium<br />

in Kopenhagen<br />

tätig. Nach diplomatischen<br />

Posten in Bonn und Rom<br />

sowie leitenden Positionen<br />

im Dänischen Außenministerium<br />

führte sie 2008 ihre<br />

erste Akkreditierung als<br />

Botschafterin nach Israel.<br />

Seit 2013 ist sie Botschafterin<br />

und Ständige Vertreterin<br />

bei den Vereinten<br />

Nationen, UNIDO, UNODC,<br />

OSZE, CTBTO und IAEO.<br />

Zusätzlich ist sie seit 2014<br />

als Dänische Botschafterin<br />

auch für Mazedonien und<br />

die Slowakei, und seit <strong>2015</strong><br />

für Slowenien verantwortlich.<br />

Liselotte Plesner und<br />

ihr Gatte Nicolai haben<br />

einen Sohn.<br />

Wie ist Dänemarks Einstellung zur Flüchtlingspolitik,<br />

vor allem was Deutschland<br />

betrifft?<br />

Viele wollen nach Deutschland, aber auch<br />

in Dänemark haben wir relativ viele syrische<br />

Flüchtlinge aufgenommen. Für die Dänische<br />

Regierung hat es die größte Priorität, diese Herausforderung<br />

aktiv anzugehen. Wir haben seit<br />

längerer Zeit unseren Schwerpunkt darauf gelegt,<br />

die Nachbarstaaten der Krisenländer dabei<br />

zu unterstützen, temporäre Aufenthaltsorte<br />

aufzubauen. Es ist wichtig, dass die Flüchtlinge<br />

einen Ort haben, an dem sie bleiben können, bis<br />

es besser wird, und sie sich dann wieder in ihrer<br />

Heimat re-integrieren können. Das sind hauptsächlich<br />

Jordanien und der Libanon aber auch die<br />

Türkei. Es gibt auch ein EU-Hilfsprogramm, bei<br />

dem Dänemark der größte Finanzierer ist. Vor<br />

Ort zu helfen kostet viel Geld. Von 2010 bis 2014<br />

hat Dänemark 1,2 Milliarden Euro an humanitärer<br />

Hilfe geleistet. Wir sind ja ein kleines Land<br />

mit 5,5 Millionen Einwohnern, aber in absoluten<br />

Zahlen ist Dänemark weltweit an zehnter Stelle<br />

der Länder, die die größte humanitäre Hilfe leisten.<br />

Das ist eine große Leistung der Regierung.<br />

Dänemark ist eines der fünf Länder auf der Welt,<br />

die das Ziel der UNO, mit 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes<br />

in Entwicklungshilfe zu investieren,<br />

erreichen. Wir haben ein Opt-Out in der<br />

EU bei Fragen über rechtliche und innere Angelegenheiten,<br />

so dass wir nicht dazu gezwungen<br />

sind, diese EU Entscheidungen mitzutragen.<br />

Die Regierung hat trotzdem kürzlich bekannt<br />

gegeben, dass sie weitere circa hundert Millionen<br />

Euro u.a. zur Behebung des Notstands in den<br />

Nachbarstaaten beisteuern will.<br />

Es gab einen Terroranschlag im Februar in<br />

Kopenhagen. Was wurde unternommen, damit<br />

so etwas nicht wieder passieren kann?<br />

Wir können relativ schnell reagieren, wenn etwas<br />

passiert. Bei dem Anschlag auf ein Kulturcafé<br />

und eine Synagoge mit zwei Toten und mehreren<br />

Verletzten hat es der Täter allerdings nicht geschafft,<br />

die Gebäude zu betreten. Das hätte wahrscheinlich<br />

noch mehr Opfer bedeutet. Nach dem<br />

Anschlag in Kopenhagen wurden zusätzliche 18<br />

Millionen Euro in die Polizei investiert, damit es<br />

eine bessere Überwachung und einen besseren<br />

Schutz von jüdischen Gemeinden und anderen<br />

besonders bedrohten Gruppen gibt. Außerdem<br />

gibt es das Aarhus-Modell, ein Pilotprojekt zur<br />

Deradikalisierung seit 2005. Wichtig ist hier die<br />

Wiedereingliederung, aber auch die Prävention,<br />

unter dem Motto Integration statt Ausgrenzung.<br />

Wir haben circa elf Prozent Ausländer in Dänemark,<br />

davon circa fünf Prozent Muslime. Ziel ist<br />

es, dass gar keine junge Leute nach Syrien ausreisen,<br />

um zu kämpfen. Falls es aber doch passieren<br />

sollte, bekommen sie Betreuung von einem<br />

Mentor, wenn sie zurückkommen. Wir haben in<br />

Dänemark mehr die skandinavische Kultur von<br />

„alles ist erlaubt“, und setzen Radikalismus lieber<br />

aktive Sozialarbeit anstatt Verbote entgegen. Dieses<br />

Modell ist durch die derzeitige starke Radikalisierung<br />

weltweit berühmt geworden. Die Behörden<br />

von Aarhus haben ihr Modell sogar Präsident<br />

Obama präsentiert, und viele andere Länder sind<br />

interessiert. Nach dem Anschlag haben wir noch<br />

viel mehr auf dieses Modell, das wirklich gute Ergebnisse<br />

bringt, gesetzt, und präsentieren es als<br />

best-practice-Beispiel. Dafür ist eine sehr enge Kooperation<br />

zwischen der Polizei und den sozialen<br />

Behörden nötig, auch wenn einige bürokratische<br />

Hindernisse im Weg stehen.<br />

Haben Sie ein Lebensmotto?<br />

Carpe Diem.<br />

•<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong> | 27

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