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SOCIETY 368 / 2015

Nr. 368 I Nr. 2 - 2015

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DIVERSITÄT<br />

MIGRATION<br />

doskop<br />

2004 gab es schon eine themenspezifische<br />

Ausstellung im Wien Museum. Gibt es da einen<br />

Zusammenhang?<br />

2004 gab es die Ausstellung „Gastarbajteri.<br />

40 Jahre Arbeitsmigration“, bei der Teile aus<br />

unserem Team auch mitgearbeitet haben. Der<br />

Großteil der dort gezeigten Materialien wurde den<br />

LeihgeberInnen wieder zurückgegeben, bis auf<br />

wenige Ausnahmen ging das nicht in die Sammlung<br />

des Wien Museums ein.<br />

Um welche Objekte handelt es sich? Können<br />

Sie mir ein paar Beispiele nennen?<br />

Jede Art von Objekten. Wir haben beispielsweise<br />

ein Schild, das hing in einer Wiener Parkanlage<br />

im 15. Bezirk und wurde 1995/96 installiert. Mittels<br />

Karikaturen und Texten sollte vermittelt werden,<br />

wie man sich in öffentlichen Parkanlagen verhalten<br />

soll. Das zeigt, was für Sorgen und Probleme in<br />

den 90er Jahren im öffentlichen Raum existierten<br />

und was dagegen unternommen wurde. Es gibt<br />

mittlerweile nicht mehr viele dieser Schilder. Wir<br />

haben dieses hier mit offizieller Genehmigung<br />

abmontieren lassen. Es hat einen paternalistische<br />

Tonfall, auf den auch reagiert worden ist, wie man<br />

heute noch an Spuren von Kommentaren auf dem<br />

Schild sehen kann. Wir haben sehr viele private<br />

Eine Postkarte in drei<br />

verschiedenen Sprachen<br />

soll Anregungen geben,<br />

welche Objekte gesucht<br />

werden. Dies können Fotos<br />

und Dokumente, aber auch<br />

Objekte aus dem Alltag wie<br />

eine Musikkasette oder eine<br />

Packung Kaffee sein.<br />

INFO<br />

Projektteam Migration<br />

sammeln: Arif Akkılıç, Vida<br />

Bakondy, Ljubomir Brati,<br />

Regina Wonisch<br />

www.migrationsammeln.info<br />

wienmuseum@<br />

migrationsammeln.at<br />

Fotos bekommen, die die Menschen in ihrer Freizeit,<br />

aber auch im Arbeitsleben ablichten. Sie eröffnen<br />

eine andere Perspektive, weil sie Selbstrepräsentationen<br />

der Menschen zeigen und nicht den<br />

fremden Blick auf sie. Ein weiteres Beispiel ist eine<br />

Kassette mit Liedern und Werbeeinschaltungen für<br />

Kredite aus den 1980er Jahren, die von einer jugoslawischen<br />

Bank dezidiert für MigrantInnen produziert<br />

worden ist. Die Ideen zu den Objekten entstehen<br />

aus den persönlichen Geschichten, manche liegen<br />

auf der Hand und manche müssen sich erst entwickeln.<br />

Ein Beispiel: Eine Frau, die in den 1970ern aus<br />

Rijeka nach Österreich gekommen ist, hat von<br />

ihrem ersten Lohn zwei Kochtöpfe erworben. Das<br />

war ihre erste Investition. Sie konnte sich danach<br />

nichts mehr zum Essen kaufen und musste eine<br />

Woche bis zur nächsten Auszahlung warten. Sie<br />

ist eigentlich technische Zeichnerin, hat aber zunächst<br />

als Hilfskraft gearbeitet, bis ihre Ausbildung<br />

anerkannt wurde. Wir müssen im Gespräch<br />

immer wieder zusammen herausfinden, was das<br />

Objekt erzählt. Wir wollen nicht unwichtige Dinge<br />

sammeln, sondern etwas, was auch von den Rahmenbedingungen<br />

und Lebenssituationen erzählt.<br />

Von Einzelpersonen eher persönliche Sachen, von<br />

Vereinen Dokumente wie Flugblätter, Bücher, Veranstaltungsinformationen,<br />

die belegen, was sie<br />

sportlich, kulturell und politisch gemacht haben.<br />

Und Gründungsdokumente der Vereine haben wir<br />

auch.<br />

Haben Sie auch Objekte von Menschen, die<br />

heute bekannte Persönlichkeiten sind?<br />

Hakan Gürses etwa ist ein bekannter Philosoph<br />

und Musiker und in der österreichischen<br />

Erwachsenenbildung tätig. Er zählt zwar nicht<br />

zur Gruppe der ArbeitsmigrantInnen, sondern ist<br />

als Student nach Österreich gekommen, aber er<br />

hat sich viel mit diesem Thema beschäftigt, unter<br />

anderem auch in seinen Karikaturen. Von ihm<br />

haben wir nun Zeichnungen bekommen.<br />

Gibt es ein besonders außergewöhnliches<br />

Stück?<br />

Die Visitenkarten, eine Sammlung von<br />

Zdravko Spaji, der ab 1974 im ÖGB als Dolmetscher<br />

und später als Berater tätig war. Dieser Mann hat<br />

seit den 80er Jahren Visitenkarten gesammelt, die<br />

sein berufliches und soziales Netzwerk im In- und<br />

Ausland dokumentieren. Da sind teilweise auch<br />

Visitenkarten dabei von Personen, die schon gestorben<br />

sind, und Geschäfte, die es gar nicht mehr<br />

gibt.<br />

Wird dann nach Ende der Laufzeit des Projekts<br />

eine Ausstellung die gesammelten Objekte<br />

zeigen?<br />

Auf unserer Homepage werden laufend Objekte<br />

präsentiert, die in die Sammlung des Wien<br />

Museums Eingang finden. Von Seiten des<br />

Museums wurde Interesse daran signalisiert, dass<br />

am Ende des Projektes die Sammelergebnisse auch<br />

der Öffentlichkeit präsentiert werden. •<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong> | 111

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