WIRTSCHAFT+MARKT 4/2016
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W+M PORTRÄTS | 65<br />
Heinrich von Nathusius<br />
Vorausblickender Querdenker<br />
Foto: Inga Haar<br />
Heinrich von Nathusius ist heute 72<br />
Jahre alt und hat viele berufliche<br />
Stationen hinter sich. Er ist freundlich,<br />
bedacht und aufmerksam und kann<br />
viele Geschichten erzählen. Man hört ihm<br />
gerne zu. Wenn es um aktuelle Themen<br />
geht, spürt man den hellwachen und engagierten<br />
Unternehmer, der genau hinschaut,<br />
vorsichtig die Worte wählt und<br />
immer noch einen Gedanken in petto<br />
hat. Sein Lebensweg hat ihn viele wichtige<br />
Erfahrungen machen lassen und er<br />
ist klug genug, sie auch zu nutzen. Was<br />
im Rückblick wie eine Aneinanderreihung<br />
glücklicher Umstände aussieht, ist aber<br />
eher die Folge klugen und verantwortungsbewussten<br />
Handelns, gepaart mit<br />
unternehmerischem Gespür. Als er bei<br />
Krupp 1991 die Konsequenzen zog, war<br />
das ein großer Einschnitt, fast das Ende<br />
einer glanzvollen Karriere. Wenn da nicht<br />
die deutsche Wiedervereinigung gekommen<br />
und die guten familiären Beziehungen<br />
nach Sachsen-Anhalt gewesen wären.<br />
Unternehmerisch denkend war er<br />
schon immer, wie er sagt. Unternehmerisch<br />
tätig wurde er aber erst nach 1992,<br />
als er nach Haldenleben reiste und dort<br />
vom Bürgermeister ermuntert<br />
wurde, das IFA<br />
Gelenkwellenwerk zu<br />
übernehmen. Die Hoffnung<br />
war groß, dass jemand<br />
wie Nathusius mit<br />
familiären Wurzeln in der<br />
Gegend geeignet und interessiert<br />
sei, hier etwas fortzuführen.<br />
Die Erwartungen waren<br />
hoch und nicht einfach zu erfüllen.<br />
Nach erfolgreichen Verhandlungen mit<br />
der Treuhand übernahm er das Werk und<br />
es begann eine harte Zeit, in der von 800<br />
Beschäftigten 80 übrig blieben, aber Aufträge<br />
nicht in Sicht waren. Persönliche<br />
Kontakte ermöglichten es, dass VW zu<br />
einem ersten Auftraggeber wurde. Die<br />
Konsolidierung wurde gemeistert, weil<br />
Ehrlichkeit im Umgang mit den Mitarbeitern<br />
und auch die versprochene tatkräftige<br />
Unterstützung durch Bürgermeister<br />
und Landrat vor Ort erfolgten. Dies alles<br />
hätte aber nicht gereicht.<br />
Aus der Stahlbranche gewohnt über lokale<br />
Grenzen und Branchen hinaus zu<br />
schauen, analysierte er den Gelenkwellenmarkt.<br />
Weltweit zwei Produzenten,<br />
die sich den Markt weitestgehend aufteilten<br />
und erste Tendenzen bei den Automobilherstellern,<br />
die Gelenkwellenproduktion<br />
auszulagern. Darauf spekulierte<br />
Nathusius und er behielt Recht. Mit VW<br />
begann der Erfolg. Die schwierigen Anfangsjahre<br />
wurden gemeistert. Heute ist<br />
IFA Rotorion eine Erfolgsgeschichte und<br />
der prognostizierte Trend zu weiterem<br />
Outsourcing bei den Autoherstellern füllt<br />
die Auftragsbücher. Mittlerweile hat er<br />
das Unternehmen seinen Kindern übertragen,<br />
eine weitere Erfolgsgeschichte.<br />
Mit einer Regelung, die die Familie und<br />
das Unternehmen schützt, hat er die Unternehmensnachfolge<br />
sowie die weitere<br />
Entwicklung des Unternehmens gesichert.<br />
Aber von Ruhestand kann keine Rede<br />
sein. Im Dezember 2014 übernahm er<br />
den insolventen Fahrradhersteller MIFA.<br />
Auch hier gibt es die unternehmerische<br />
Idee; und die Herangehensweise ist die<br />
Gleiche wie einst bei IFA. Nathusius hat<br />
eine Idee zur Zukunft des Fahrrads, die so<br />
einfach ist, dass sie anderen noch nicht<br />
gekommen ist. Heinrich von Nathusius<br />
denkt quer, aber immer nach vorn.<br />
Frank Nehring<br />
STECKBRIEF<br />
Heinrich von Nathusius wurde am 5.<br />
Juni 1943 in Berlin geboren. Noch während<br />
seines Jurastudiums begann seine<br />
Karriere in der Stahlindustrie. Aus dem<br />
Semesterjob wurde schnell eine Assistenz<br />
der Geschäftsführung bei Thyssen.<br />
Weitere Aufgaben rund um den Stahl<br />
folgten. 1987 bis 1991 war er Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der Krupp-<br />
Stahlhandelsgesellschaft in Duisburg.<br />
Im Jahr darauf erwarb Heinrich von<br />
Nathusius 49-jährig von der Treuhand<br />
das IFA-Gelenkwellenwerk Haldensleben<br />
und verlegte seinen Wohnsitz nach<br />
Haldensleben und Berlin, wo seine Familie<br />
ihre Wurzeln hat. Das Unternehmen,<br />
die heutige IFA Rotorion, hat er<br />
an seine Kinder übetragen. Im Dezember<br />
2014 übernahm er den insolventen<br />
Fahrradhersteller MIFA. Seit 1973 ist<br />
er mit Marie-Andl, geborene Freiin von<br />
Fürstenberg, verheiratet. Er hat drei<br />
Kinder.<br />
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