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WIRTSCHAFT+MARKT 4/2016

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50 | W+M RATGEBER RECHT<br />

Urteile für<br />

Unternehmer<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hat interessante<br />

Richtersprüche zusammengestellt<br />

Mindestlohn<br />

Arbeitgeber dürfen Sonderzahlungen<br />

auf Mindestlohn anrechnen<br />

Bisher gewährte Sonderzahlungen wie<br />

Urlaubs- und Weihnachtsgeld können in<br />

bestimmten Fällen vom Arbeitgeber auf<br />

den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet<br />

werden, um die gesetzliche Lohnuntergrenze<br />

von 8,50 Euro pro Stunde zu<br />

erreichen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG).<br />

Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen<br />

Mindestlohn für jede tatsächlich<br />

geleistete Arbeitsstunde. Er erfüllt den<br />

Anspruch durch die als Gegenleistung für<br />

Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen, soweit<br />

diese dem Arbeitnehmer endgültig<br />

verbleiben. Die Erfüllungswirkung fehlt<br />

nur solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber<br />

ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers erbringt<br />

oder die auf einer besonderen gesetzlichen<br />

Zweckbestimmung beruhen.<br />

Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger<br />

das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in zwölf<br />

Teilen monatlich neben dem Gehalt ausgezahlt.<br />

Der Kläger wollte erreichen, dass<br />

sein Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen<br />

ebenso wie die vertraglich zugesagten<br />

Zuschläge für Mehr-, Nacht-,<br />

Sonn- und Feiertagsarbeit auf Basis des<br />

gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von<br />

8,50 Euro brutto pro Stunde gezahlt werden.<br />

Das BAG entschied nun, dass der<br />

Kläger aufgrund des Mindestlohngesetzes<br />

keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt,<br />

erhöhte Jahressonderzahlungen<br />

sowie erhöhte Lohnzuschläge hat.<br />

Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigenständiger<br />

Anspruch neben die bisherigen<br />

Anspruchsgrundlagen, verändert diese<br />

aber nicht. Der nach den tatsächlich<br />

geleisteten Arbeitsstunden bemessene<br />

Mindestlohnanspruch des Klägers sei erfüllt<br />

worden, denn auch den vorbehaltlos<br />

und unwiderruflich in jedem Kalendermonat<br />

geleisteten Jahressonderzahlungen<br />

kommt Erfüllungswirkung zu.<br />

BAG, 5 AZR 135/16<br />

AGB-Klauseln<br />

Klausel zur Haftungsbeschränkung<br />

muss verständlich sein<br />

Das Amtsgericht (AG) München hat entschieden,<br />

dass eine Haftungsbeschränkung<br />

in Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit<br />

dann unwirksam ist, wenn die Klausel unverständlich<br />

ist.<br />

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls<br />

ist Mitglied in einem Verein zur Wahrnehmung<br />

und Förderung der Interessen<br />

des Kraftfahrzeugwesens. Der Mitgliedsvertrag<br />

beinhaltet die Verpflichtung zur<br />

Pannen- und Unfallhilfe, um die Fahrbereitschaft<br />

des Fahrzeugs herzustellen. In<br />

den allgemeinen Vertragsbedingungen<br />

des Vereins findet sich eine Klausel, die die<br />

Haftung des Vereins auf grob fahrlässiges<br />

oder vorsätzliches Verhalten beschränkt.<br />

Beim Versuch, das Auto des Klägers durch<br />

einen Pannenhelfer zu öffnen, ging die<br />

Windschutzscheibe zu Bruch. Der Kläger<br />

lies diese austauschen und verlangte<br />

den Schaden vom Verein ersetzt. Dieser<br />

berief sich auf seine vertraglichen Haftungsbeschränkungen<br />

und verweigerte<br />

die Zahlung. Die Klausel der Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen, die die Haftung<br />

des Vereins auf grob fahrlässiges oder vorsätzliches<br />

Verhalten beschränkt, ist nach<br />

Auffassung des Gerichts aber unwirksam.<br />

Denn es sei laut Gericht für einen<br />

typischen Verbraucher nicht hinreichend<br />

verständlich, was die Haftungsbeschränkung<br />

umfasst, weil der Begriff „wesentliche<br />

Hauptpflichten” zu vage ist und weder<br />

durch eine abstrakte Erklärung noch durch<br />

Regelbeispiele näher erläutert werde.<br />

AG München, 274 C 24303/15<br />

Datenschutz<br />

Kein Schadensersatz bei<br />

Videoüberwachung nach Sabotage<br />

Ein Arbeitgeber, der Produktionsräume<br />

zwei Monate lang per Video überwachen<br />

lässt, ohne die Mitarbeiter hierüber zu informieren,<br />

weil es zuvor zu Sabotageakten<br />

bei der Produktion gekommen war,<br />

schuldet den Mitarbeitern nicht zwangsläufig<br />

Schadensersatz wegen einer Persönlichkeitsverletzung.<br />

Dies geht aus einer Entscheidung des<br />

Landesarbeitsgerichts (LAG) Sachsen-Anhalt<br />

hervor. Nach dem Datenschutzgesetz<br />

ist die Installation einer Videoanlage zwar<br />

verboten, gleichwohl besteht in dieser Situation<br />

für den Arbeitgeber ein nachvollziehbarer<br />

Anlass, diese Maßnahme zu ergreifen.<br />

Das Gericht wies die Schadensersatzklage<br />

des Mitarbeiters ab. Die Überwachung<br />

hat sich auf einen relativ kurzen<br />

Zeitraum des Arbeitsverhältnisses (zwei<br />

Monate) bezogen. Weiter beschränkte<br />

sich die Videoüberwachung auf den Produktionsbereich.<br />

Eine Beobachtung des<br />

Klägers in Bereichen, in denen seine Privatsphäre<br />

hätte tangiert sein können, zum<br />

Beispiel Umkleideräume oder Pausenräume,<br />

hat nicht stattgefunden. Die Beobachtung<br />

hat sich auch nicht gezielt gegen den<br />

Kläger gerichtet, sondern erstreckte sich<br />

auf den gesamten Produktionsbereich des<br />

Unternehmens. Der Mitarbeiter stand mithin<br />

nicht im Fokus der Beobachtung.<br />

LAG Sachsen-Anhalt, 6 Sa 301/14<br />

W+M<br />

Foto: AllebaziB/fotolia.com, Quelle: www.kostenlose-urteile.de<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>

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