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WIRTSCHAFT+MARKT 4/2016

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RATGEBER STEUERN | 47<br />

Quo vadis –<br />

Erbschaftsteuerreform?<br />

Fotos: AllebaziB/fotolia.com (oben), Boddin (unten)<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2014 verkündet,<br />

dass die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang<br />

betrieblichen Vermögens angesichts ihres Ausmaßes und der<br />

eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten teilweise mit Artikel 3 des<br />

Grundgesetzes unvereinbar ist. Wie ist der aktuelle Stand?<br />

Von Joachim Feske<br />

Das Bundesverfassungsgericht führte<br />

aus, dass für jedes Maß der<br />

Steuerverschonung kleiner und<br />

mittelständischer Unternehmen (KMU)<br />

der Gesetzgeber tragfähige Rechtfertigungsgründe<br />

benötigt. Die Privilegierung<br />

des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen<br />

Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig,<br />

weil die Verschonung über den Bereich<br />

der KMU hinausgeht, ohne eine Bedürfnisprüfung<br />

vorzunehmen. Ferner soll die<br />

Regelung über das sogenannte Verwaltungsvermögen<br />

nicht mit Artikel 3 des<br />

Grundgesetzes vereinbar sein. Der Gesetzgeber<br />

wurde deshalb vom Bundesverfassungsgericht<br />

verpflichtet, spätestens<br />

bis zum 30. Juni <strong>2016</strong> eine Neuregelung<br />

zu treffen.<br />

Die Bundesregierung wollte darauf<br />

schnell reagieren und durch „Gas geben“<br />

bis zum Ende des Jahres 2015 eine tragfähige<br />

Neuregelung schaffen. Sowohl<br />

die Bundesregierung als auch die Bundesländer<br />

haben zwar Vorschläge unterbreitet,<br />

aber bis zum Redaktionsschluss<br />

dieses Magazins gab es noch keine Verständigung<br />

zwischen Bundesregierung<br />

und Bundesrat.<br />

Mittelständische Unternehmen hängen<br />

nun in gewisser Weise bei anstehenden<br />

Unternehmensübertragungen<br />

in Bezug auf die Rechtsgrundlage in der<br />

Luft. Es wird zwar die Auffassung vertreten,<br />

dass die bisherigen Regelungen<br />

bis zum 30. Juni <strong>2016</strong> beibehalten werden,<br />

aber aufgrund der von der Finanzverwaltung<br />

gleich nach dem Urteil erlassenen<br />

Verwaltungsanweisungen ist zumindest<br />

das Risiko einer Rückwirkung des<br />

Urteils des Bundesverfassungsgerichtes<br />

auf alle noch offenen Fälle nicht ganz<br />

auszuschließen. Hier sind die jeweiligen<br />

Steuerberater gefordert, die schon vorgenommenen<br />

oder bis zum 30. Juni anstehenden<br />

Übertragungen entsprechend<br />

geschickt zu begleiten, gegebenenfalls<br />

die Verträge mit Rücktritts- oder Rückauflösungsformulierungen<br />

auszustatten.<br />

Aus dem Finanzministerium gibt es Stimmen,<br />

die meinen, es wird bis zum besagten<br />

Termin nichts geändert, dann fallen<br />

halt die vom Bundesverfassungsgericht<br />

als nicht verfassungskonform bezeichneten<br />

Begünstigungsvorschriften für den<br />

Mittelstand weg. So einfach wird sich der<br />

Gesetzgeber das dann aber doch nicht<br />

machen können. Dies zeigen die Erfahrungen<br />

aus den verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken zur damaligen Vermögensteuer.<br />

Namhafte Steuerrechtler wie beispielsweise<br />

Prof. Dr. Roman Seer äußern<br />

sich insoweit dazu, dass die Erbschaftund<br />

Schenkungsteuer bei Nichteinigung<br />

demnach von der Finanzverwaltung wegen<br />

der vom Bundesverfassungsgericht<br />

festgestellten Unvereinbarkeit mit der<br />

Verfassung im fehlenden Fall einer Einigung<br />

ab dem 1. Juli <strong>2016</strong> nicht mehr erhoben<br />

werden dürfte.<br />

Dies gilt, so ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht<br />

in seinem Urteil, auch für<br />

die Erbschaft- und Schenkungsteuer von<br />

steuerlichen Privatvermögen. Aus fiskalischen<br />

Gründen erscheint es aber sehr<br />

unwahrscheinlich, dass sich der Gesetzgeber<br />

in letzter Sekunde nicht doch noch<br />

besinnt, und eine Gesetzesänderung herbeiführt,<br />

die ab dem 1. Juli die vom Verfassungsgericht<br />

formulierten Anforderungen<br />

enthält.<br />

Bei einem gesetzgeberischen Schnellschuss<br />

ist es wiederum nicht auszuschließen,<br />

dass das nächste Verfahren<br />

zum Bundesverfassungsgericht, dann<br />

zum vierten Mal, in Sachen Erbschaftund<br />

Schenkungsteuer initiiert wird. Gefordert<br />

sind die Steuerberater und Rechtsanwälte<br />

der betroffenen Unternehmen. Zu<br />

beachten ist allerdings immer, dass unter<br />

Berücksichtigung der fallbezogenen besonderen<br />

Bedeutung der Erbschaft- oder<br />

Schenkungsteuerbelastung vernünftige<br />

langfristige unternehmerische Zielsetzungen<br />

geplant und umgesetzt werden sollten.<br />

W+M<br />

Dr. Joachim Feske ist Fachberater für<br />

Unternehmensnachfolge und CEO der AUDITA<br />

Dr. Feske Zauft & Wisch GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungs- und<br />

Steuerberatungsgesellschaft in Berlin.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>

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