WIRTSCHAFT+MARKT 4/2016
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BERLIN | 29<br />
Für Gehse selbst sind der Zyklus und die<br />
überaus erfolgreiche Berliner Ausstellung<br />
„der Höhepunkt und Abschluss seines<br />
bisherigen Schaffens“. Voller Energie bereitet<br />
er schon den nächsten Bilderzyklus<br />
vor. In welche Richtung es dabei gehen<br />
wird, lässt er offen: „In das Projekt<br />
werde ich sowohl meine altmeisterlichen<br />
als auch meine expressiven Fähigkeiten<br />
einbringen. Es wird eine große Überraschung<br />
werden – auch für mich.“<br />
Das Gasometer in Berlin-Schöneberg bietet den faszinierenden Rahmen für die Ausstellung des<br />
Malers Albrecht Gehse.<br />
len durfte? „Es gab damals viele Bewerber.<br />
Jeder Kanzler sucht sich seinen Maler<br />
persönlich aus. Helmut Kohl kannte<br />
meine Bilder aus DDR-Zeiten und meine<br />
Werke aus den 90er Jahren. Er hatte die<br />
Hoffnung, dass ich ihn als Menschen begreife<br />
und auf die Leinwand bringe – unabhängig<br />
von politischen Positionen und<br />
Anschauungen“, erinnert sich Gehse. Details<br />
aus den Treffen mit dem Altkanzler<br />
verrät Gehse nicht, stillose Indiskretionen<br />
sind seine Sache nicht. Nur so viel: „Unsere<br />
Begegnungen waren offenbar auch<br />
für ihn schöne Stunden. Er hat in jener<br />
Zeit selten so viel gelacht, wie in meinem<br />
Atelier. Das hat Kohl ausdrücklich<br />
in seiner Rede bei der offiziellen Vorstellung<br />
des Porträts in der Neuen Nationalgalerie<br />
hervorgehoben.“<br />
Es fällt schwer, die Bilder zu beschreiben.<br />
Man trifft auf Messerstecher, Monster,<br />
Henker, Hitler, Putin, Merkel, Kennedy,<br />
Honecker und die Apokalypse. Geschichte<br />
wird nicht geradlinig erzählt, die Geschichte<br />
mehrerer Epochen verschmilzt in<br />
den Werken förmlich. Am besten bringt es<br />
wohl der renommierte Historiker Christoph<br />
Stölzl, „mein kunstgeschichtlicher Begleiter“<br />
(Zitat Gehse), auf den Punkt. Im Katalog<br />
zur Ausstellung schreibt er, Gehse sei<br />
„ein großer Einzelgänger mit einem Werk,<br />
das fernab irgendeiner Schule, irgendeiner<br />
definierbaren Kunstszene entsteht (…).<br />
Hier malt einer mit der Pranke des Löwen“.<br />
Klar ist indes, wohin die Reise des Kunst-<br />
Unternehmers Gehse geht. Er will seinen<br />
deutschen Sammlerstamm pflegen<br />
und ausbauen und dazu mit seinen Werken<br />
den Schritt ins Ausland wagen. Das<br />
sollte klappen, denn die Marke Albrecht<br />
Gehse hat durch den Bilderzyklus „Aufruhr“<br />
weiter an Wert gewonnen. W+M<br />
AUSSTELLUNG „AUFRUHR“<br />
Gasometer Berlin-Schöneberg<br />
Torgauer Straße 12 – 15<br />
Di – So 13:00 – 19:00 Uhr<br />
Ausstellung läuft bis zum 10. Juli <strong>2016</strong>.<br />
KATALOG ZUR AUSSTELLUNG<br />
Hirmer Verlag, München,<br />
ISBN 978-3-7774-2642-6,<br />
39,90 Euro<br />
Fotos: W+M (oben), Albrecht Gehse (unten)<br />
Drei Jahre nach dem Altkanzler-Porträt<br />
begann Gehse mit der Arbeit an dem<br />
Bilderzyklus „Aufruhr“. Das wäre nicht<br />
möglich gewesen, hätte sich Gehse zuvor<br />
nicht auch unternehmerisch erfolgreich<br />
um die Geschäfte gekümmert. Gehse:<br />
„Ich hatte damals bereits eine Marke geschaffen<br />
– die Marke Albrecht Gehse. Der<br />
bis dahin aufgebaute Stamm von Sammlern<br />
und starken Unterstützern ermöglichte<br />
es mir erst, mich neun Jahre lang mit<br />
dem Zyklus zu beschäftigen.“ Entstanden<br />
ist ein Gesamtwerk, zu dem 52 großformatige<br />
Bilder (bis zu drei mal vier Meter)<br />
zählen. Ein teils atemberaubendes,<br />
teils verstörendes „Welttheater“, das im<br />
Schöneberger Gasometer in Berlin, einem<br />
78 Meter hohen Industriedenkmal, einen<br />
perfekten Aufführungsort gefunden hat.<br />
„Urteil in der Fischerhütte“ – der Maler, bewaffnet mit Stichmesser und Rührkelle, hat einen<br />
Höllensud angerichtet. Assistiert wird ihm vom Höchsten Richter mit der Strafprozessordnung.<br />
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