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WIRTSCHAFT+MARKT 4/2016

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28 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Albrecht Gehse bei der Arbeit am Zyklus „Aufruhr“ in seinem Atelier.<br />

Mit der Pranke des Löwen<br />

Der in Borsdorf bei Leipzig geborene und in Berlin arbeitende Maler<br />

Albrecht Gehse ist längst mehr als ein Geheimtipp bei Kunstkennern<br />

und Sammlern. Deutschlandweit bekannt wurde er im Jahr 2003<br />

mit dem Porträt von Altkanzler Helmut Kohl für die Ahnengalerie im<br />

Bundeskanzleramt. Der 60 Jahre alte Künstler ist ein konsequenter<br />

Selfmademan – er arbeitet ohne Galerist und vermarktet sich<br />

selbst. Aktuell zeigt Gehse im Gasometer in Berlin-Schöneberg<br />

eine Ausstellung, die bei der Fachwelt für Furore sorgt und täglich<br />

hunderte Besucher anzieht: ein monumentaler Zyklus unter dem<br />

Motto „Aufruhr – 50 Bilder über die Welt“. Von Karsten Hintzmann<br />

Für Journalisten ist es nicht einfach,<br />

mit Albrecht Gehse ein klassisches<br />

Interview zu führen. Nach dem Muster:<br />

eine Frage, eine Antwort. Der energiegeladene<br />

Sachse kommt nach einem<br />

oder zwei Sätzen direkt und ohne Luft zu<br />

holen auf andere Themen zu sprechen. Die<br />

im Raum stehende Frage bleibt zunächst<br />

unbeantwortet. So ist der Künstler Gehse<br />

– er lässt sich nicht gern in ein Korsett<br />

stecken. Das gibt er auch unumwunden<br />

zu: „Ich bin den Menschen zwar sehr zugewandt,<br />

aber bei den Dingen, die meine<br />

Arbeit betreffen, bin ich recht eigenwillig<br />

und eher ein Einzelgänger.“<br />

Das ist wohl auch der Grund dafür, warum<br />

Gehse ohne Galerist arbeitet. Über<br />

sein künstlerisches Schaffen hinaus ist<br />

er somit komplett dafür verantwortlich,<br />

sein Werk selbst zu „versilbern“. Er ist<br />

Künstler und Unternehmer in Personalunion.<br />

Eine erfolgreiche Symbiose, die<br />

seit nunmehr 35 Jahren funktioniert.<br />

Nach seinem Studium an der Hochschule<br />

für Buchkunst und Grafik, wo er im<br />

Fach Malerei Schüler bei Bernhard Heisig<br />

(Leipziger Schule) war, startete Gehse<br />

1981 seine Karriere als freiberuflicher<br />

Maler. In der DDR war das ein eher ungewöhnlicher<br />

Berufsweg. Gehse: „Aber<br />

ich konnte mich nicht beklagen, auch<br />

wenn es damals im Osten keinen direkten<br />

Kunstmarkt gab, hatte ich von Beginn<br />

an Aufträge und Erfolg. Ich war so etwas<br />

wie ein Senkrechtstarter.“<br />

Der Erfolg basiert bei Gehse auf einer besonders<br />

ergiebigen Mischung aus Talent<br />

und künstlerischer Rastlosigkeit. Das Talent<br />

wurde ihm gleich mehrfach in die<br />

Wiege gelegt, schließlich stammt er aus<br />

einer Künstlerfamilie mit langer Tradition.<br />

Zu seinen Vorfahren zählen beispielsweise<br />

Jacob Grimm (Gebrüder Grimm), Urgroßvater<br />

Paul Haustein (Jugendstilkünstler)<br />

und Großvater Ludwig G’schrey (Maler).<br />

Die Tatsache, dass zur Verwandtschaftslinie<br />

auch die Widerstandskämpfer Dietrich<br />

Bonhoeffer und Rüdiger Schleicher (beide<br />

wurden 1945 von den Nazis hingerichtet)<br />

zählen, ist möglicherweise ein Grund dafür,<br />

dass sich Gehse in seinem aktuellen<br />

Monumentalzyklus so intensiv mit der Entwicklung<br />

der Welt und der Menschheitsgeschichte<br />

auseinandergesetzt hat.<br />

Eine Frage muss Gehse immer wieder<br />

beantworten: Wie kam es eigentlich,<br />

dass er das Porträt von Helmut Kohl ma-<br />

Foto: Albrecht Gehse<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>

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