WIRTSCHAFT+MARKT 4/2016
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27. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
Brandenburg
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Integrationsgesetz<br />
als Chance<br />
Karsten Hintzmann<br />
Chefredakteur<br />
KH@WundM.info<br />
EDITORIAL | 3<br />
HUGO<br />
JUNKERS<br />
PREIS <strong>2016</strong><br />
FÜR FORSCHUNG UND<br />
INNOVATION<br />
AUS SACHSEN-ANHALT<br />
Foto: Privat, Titelfotos: pankajstock123/fotolia.com, agsandrew/fotolia.com<br />
In diesen Tagen ist die Gemütslage vieler<br />
Menschen in unserem Land durchaus<br />
positiv und voller Vorfreude. Der<br />
Sommerurlaub steht vor der Tür, die Fußball-Europameisterschaft<br />
in Frankreich<br />
geht in ihre entscheidende Phase. Und<br />
auch im politischen Alltag wird es ruhiger,<br />
die markigen Wortgefechte zwischen<br />
den Parteien ebben ab, schließlich steht<br />
in den Landesparlamenten und im Bundestag<br />
die Sommerpause an. Mit Ausnahme<br />
von Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Berlin, wo am 4. beziehungsweise<br />
18. September Wahlen stattfinden und<br />
die heiße Wahlkampfphase bereits im August<br />
beginnt, hat die politische Elite hierzulande<br />
also rund acht Wochen Zeit, um<br />
durchzuatmen, Kraft zu schöpfen und vor<br />
allem zu überlegen, wie sie die Köpfe und<br />
Herzen des verunsicherten Wahlvolkes<br />
zurückerobern kann.<br />
Denn das etablierte Parteiensystem ist<br />
schwer erschüttert. Von Volksparteien<br />
kann man derzeit kaum noch reden. Die<br />
einst stolze Sozialdemokratie befindet<br />
sich ungebremst im Sinkflug und auch<br />
die Union hat vielerorts die komfortable<br />
30-Prozent-Zone längst verlassen. Die<br />
Wählerwanderung hin zur Alternative für<br />
Deutschland (AfD) hält – glaubt man den<br />
Demoskopen – unvermindert an. Das<br />
liegt mit Sicherheit nicht am AfD-Wahlprogramm,<br />
denn bei genauerem Hinschauen<br />
hält das für kaum ein aktuelles<br />
Problem praktikable Lösungen bereit.<br />
Nein, die Bürger trauen es den Alt-Parteien<br />
nach wie vor nicht zu, die Flüchtlingskrise<br />
solide und dauerhaft zu lösen.<br />
Verunsicherung und Protest münden daher<br />
bei nicht wenigen Menschen in einer<br />
Zuwendung zur AfD. Sicher, der Zustrom<br />
von Menschen aus Syrien, dem Irak, aus<br />
afrikanischen Staaten und aus Afghanistan,<br />
ist in den letzten Monaten stark zurückgegangen.<br />
Aber wie geht man mit<br />
den Asylsuchenden um, die bereits hier<br />
sind? In den politischen Reden wird zwar<br />
allerorten die Integration beschworen,<br />
tatsächlich vorangekommen ist man damit<br />
jedoch in der Praxis kaum.<br />
Ein Start für wirkliche Integration könnte<br />
das im Mai von der Bundesregierung<br />
verabschiedete Integrationsgesetz sein.<br />
Im Kern geht es um die Maxime „fördern<br />
und fordern“, um das zügige Erlernen<br />
der deutschen Sprache, um die Eigeninitiative,<br />
sich mit Arbeit eine Existenz<br />
in Deutschland aufzubauen, und um<br />
ein Ja zur hiesigen Werteordnung. Fehler<br />
der Vergangenheit sollen nicht erneut<br />
begangen werden – gerade im Hinblick<br />
auf die in vielen Städten bereits existierenden<br />
Parallelgesellschaften.<br />
Neben der klaren Erwartung, dass die zu<br />
uns kommenden Menschen die Integrationsangebote<br />
auch tatsächlich annehmen,<br />
ist die Politik mit diesem Gesetz<br />
mehr als zuvor in der Pflicht, die konkreten<br />
Rahmenbedingungen zu schaffen,<br />
damit die Eingliederung in den Arbeitsmarkt<br />
auch möglich wird. Es braucht Umschulungs-<br />
und Qualifizierungsprogramme,<br />
die bis in die letzte Gemeinde greifen.<br />
Gerade kleine und mittelständische<br />
Unternehmen müssen bei der Integration<br />
unterstützt werden. Hier muss der Staat<br />
unbürokratisch helfen.<br />
Mit dem Integrationsgesetz haben es<br />
Union und SPD selbst in der Hand, das<br />
Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen.<br />
Abgerechnet wird bei der Bundestagswahl<br />
im Herbst 2017. W+M<br />
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Sigmar Gabriel, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister, Ministerpräsidenten<br />
und Minister der neuen Länder und Berlins, Vertreter der<br />
Wissenschaft und namhafte Unternehmer treffen sich erstmals in<br />
Bad Saarow bei Berlin, um Zukunftsthemen für den ostdeutschen<br />
Wirtschaftsraum zu diskutieren.<br />
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im August versandt.
6 | W+M INHALT<br />
W+M TITELTHEMA<br />
Kluge Köpfe – so profitiert<br />
der Mittelstand von Forschung<br />
und Entwicklung..............................34<br />
W+M AKTUELL<br />
Köpfe......................................................................... 8<br />
Nachrichten..............................................................10<br />
W+M SCHWERPUNKT BRANDENBURG<br />
Report: Im Höhenflug..............................................12<br />
Im Interview: Christian Görke, stellvertretender<br />
Ministerpräsident und Finanzminister......................14<br />
Cluster als Rückgrat: Energietechnik,<br />
Metallbau und Mobilität...........................................16<br />
Filmwirtschaft: 200 Millionen Euro für die Region.... 20<br />
Massentierhaltung: Spagat zwischen<br />
Tierwohl und Supermarktpreisen........................... 22<br />
34<br />
Kluge Köpfe<br />
Blick auf die vielschichtige und exzellente<br />
Forschungslandschaft im Osten<br />
W+M LÄNDERREPORTS<br />
Ostdeutschland: Wie weit ist der Osten<br />
bei der Digitalisierung?............................................ 24<br />
Ostdeutschland: Wo der Stahl gehärtet wird......... 26<br />
Berlin: Maler und Unternehmer<br />
in Personalunion – Albrecht Gehse........................... 28<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Pellets-Pleite<br />
und geprellte Anleger.............................................. 30<br />
W+M INTERNATIONAL<br />
Siebenbürgen: Ein lange unterschätzter Partner.... 32<br />
W+M TITELTHEMA KLUGE KÖPFE<br />
Report: Forschungslandschaft<br />
mit Leuchttürmen und Aufholbedarf...................... 34<br />
Interview: Bundesforschungsministerin Prof.<br />
Johanna Wanka über ostdeutsche Hochschulen<br />
und Kooperationsprogramme ................................ 40<br />
Analyse: In Systemzusammenhängen denken!.........43<br />
Impressum<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />
Ausgabe: 4/<strong>2016</strong><br />
Redaktionsschluss: 14.06.<strong>2016</strong><br />
Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH<br />
Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030 479071-27<br />
Fax: 030 479071-22<br />
www.WundM.info<br />
Herausgeber/Geschäftsführer:<br />
Frank Nehring, Tel.: 030 479071-11<br />
FN@WundM.info<br />
Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />
Tel.: 030 479071-21, KH@WundM.info<br />
Redaktion: Janine Pirk-Schenker, Tel.: 030 479071-21,<br />
Länderschwerpunkt<br />
Brandenburgs Wirtschaft im Höhenflug<br />
12<br />
JP@WundM.info, Adrian M. Darr, Tel.: 030 479071-24,<br />
AD@WundM.info<br />
Autoren: Matthias Krauß, Harald Lachmann,<br />
Rudolf Miethig, Tomas Morgenstern, Matthias Salm,<br />
Thomas Schwandt<br />
Abo- und Anzeigenverwaltung: Kornelia Brocke,<br />
Tel.: 030 479071-27, KB@WundM.info<br />
Marketing/Vertrieb: Kerstin Will, Tel.: 030 479071-24<br />
KW@WundM.info<br />
Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und<br />
Abonnementpreis:<br />
Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint<br />
zweimonatlich. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />
der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />
und Berlin sowie die Mitglieder des Vereins Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler (VBIW)<br />
erhalten diese Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />
Einzelpreis: 5 €, Jahresabonnement (inkl. aller<br />
Ausgaben von W+M Regional, W+M Exklusiv, W+M<br />
Berlin.Friedrichstraße und dem Online-Magazin W+M<br />
Kompakt) 60 € inkl. MwSt. und Versand (im Inland).<br />
Layout & Design: Möller Medienagentur GmbH,<br />
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Druck: Möller Druck und Verlag GmbH,<br />
ISSN 0863-5323<br />
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur<br />
mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen<br />
nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und<br />
Fotos übernehmen wir keine Haftung.<br />
Fotos: agsandrew/fotolia.com, pankajstock123/fotolia.com (oben), gbf german biofuels GmbH (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
W+M INHALT | 7<br />
W+M POLITIK<br />
ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland.......... 44<br />
Kommentar: Die Ostbeauftragte Iris Gleicke<br />
wagt einen Blick in die Zukunft............................... 45<br />
Pro und Contra: Mindestlohn für Flüchtlinge?........ 46<br />
W+M RATGEBER<br />
Steuern: Quo vadis – Erbschaftsteuerreform......... 47<br />
40<br />
Im Interview<br />
Bundesforschungsministerin Prof. Johanna Wanka<br />
Finanzen:<br />
Elektronische Rechnung ........................................ 48<br />
VIP-Tickets als Geschenk........................................ 49<br />
Recht: Urteile für Unternehmer.............................. 50<br />
Insolvenz: Restschuldbefreiung...............................51<br />
Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste<br />
für Wirtschaftsliteratur............................................ 52<br />
Büro: Multifunktionsdrucker für kleine<br />
und mittlere Unternehmen...................................... 53<br />
W+M NETZWERK<br />
Scharmützelsee: Golfturnier für Freunde................ 54<br />
Schwerin: Mecklenburger Wirtschaftsball ..............55<br />
Warnemünde/Kopenhagen: SACHSEN Sail <strong>2016</strong>... 56<br />
Fotos: W+M (oben), Santa Maria Manuela Archive (Mitte), Albrecht Gehse (unten)<br />
56<br />
Netzwerk<br />
SACHSEN Sail <strong>2016</strong> mit der Santa Maria Manuela<br />
28<br />
Länderreport<br />
Maler Albrecht Gehse: Mit der Pranke des Löwen<br />
Potsdam: Unternehmertag zur<br />
Brandenburger Tourismuswirtschaft...................... 57<br />
Serrahn: Golf-Turnier der Unternehmerverbände... 58<br />
Warnemünde: Beach-Polo hinter dem Teepott...... 59<br />
VBIW: Aktuelles aus dem Verein............................ 60<br />
Neues aus den Unternehmerverbänden................. 62<br />
W+M PORTRÄTS<br />
Bodo Janssen: Erfolg dank Selbstreflektion........... 64<br />
Heinrich von Nathusius:<br />
Vorausblickender Querdenker................................. 65<br />
W+M DIE LETZTE SEITE<br />
Ausblick und Personenregister............................... 66<br />
W+M WEITERE BEITRÄGE<br />
Editorial...................................................................... 3<br />
Impressum................................................................ 6<br />
Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegen die Regionalausgabe<br />
W+M Brandenburg sowie eine Beilage der Schultz Einrichtungen<br />
GmbH & Co. KG (www.schultz.de) bei. Wir bitten<br />
um Ihre Aufmerksamkeit.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
8 | W+M KÖPFE<br />
K<br />
Ö<br />
P<br />
F<br />
E<br />
Robert Wüst (30)<br />
Lobbyist aus Potsdam<br />
Robert Wüst ist neuer Präsident der<br />
Handwerkskammer Potsdam. Der Metallbauermeister<br />
aus Pritzwalk wurde am<br />
11. April <strong>2016</strong> von der außerordentlichen<br />
Vollversammlung mit großer Mehrheit<br />
gewählt. Der 30-jährige Wüst ist Nachfolger<br />
von Jürgen Rose, der im Februar<br />
nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben<br />
war. Wüst wird das Amt zunächst<br />
bis zum Ende der laufenden Legislatur<br />
im März kommenden Jahres ausüben. Er<br />
legte 2009 die Meisterprüfung im Metallbauerhandwerk<br />
ab und leitet seit 2007<br />
den Familienbetrieb. Seit 2012 ist er alleiniger<br />
Inhaber des in fünfter Generation<br />
befindlichen Familienunternehmens mit<br />
mehr als 100-jähriger Tradition und Mitglied<br />
im Vorstand der Handwerkskammer<br />
Potsdam, seit 2014 als Vizepräsident. Als<br />
neuer Präsident will sich Robert Wüst insbesondere<br />
um die Fachkräftesicherung<br />
kümmern. Er lebt in Pritzwalk, ist verheiratet<br />
und hat drei Kinder.<br />
Martin Dulig (41)<br />
Wirtschaftsminister in Dresden<br />
Wenn es um die Zukunft der Braunkohle<br />
in der Lausitz geht, lehnt sich Sachsens<br />
Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit<br />
und Verkehr weit aus dem Fenster.<br />
Er kritisiert offen, dass es am deutschen<br />
Energiemarkt „an Verlässlichkeit fehlt“<br />
und die gegenwärtige Ausstiegsdiskussion<br />
„vor allem unter ideologischen Aspekten“<br />
stattfinde. Denn für einen damit<br />
nötigen Strukturwandel in dieser Region<br />
gebe es derzeit kaum realistische Alternativen.<br />
Der gelernte Maurer plädiert daher<br />
dringend für die Beibehaltung eines<br />
solidarischen Schulterschlusses der ostdeutschen<br />
Braunkohleländer Brandenburg,<br />
Sachsen und Sachsen-Anhalt. Angesichts<br />
des Fehlens von ausreichend<br />
Netzinfrastruktur sowie Speicherkapazitäten<br />
für Wind- und Solarstrom gehöre<br />
es für ihn auch zur energiepolitischen Ehrlichkeit<br />
zu sagen, dass die deutsche Wirtschaft<br />
für den Übergang auch weiter fossile<br />
Rohstoffe brauche.<br />
Helmut Rehhahn (68)<br />
Diplom-Landwirt aus Wittenberg<br />
Was der diplomierte Landwirt anpackt,<br />
wird meist ungewöhnlich groß. So entwickelte<br />
der Chef und Inhaber der UBM<br />
Unternehmensberatung Management<br />
GmbH in Altenweddingen bei Magdeburg<br />
vor einigen Jahren ein Projekt für<br />
Deutschlands größten Gewächshauskomplex.<br />
Der steht inzwischen, umfasst<br />
15 Hektar, auf denen unter Glas<br />
Tomaten – so genannte Luthertomaten<br />
– wachsen, und soll jetzt noch auf 40<br />
Hektar erweitert werden. Auch an der<br />
Planung und Projektierung von modernen<br />
Schweinehaltungs- und Zuchtanlagen,<br />
Biogasanlagen und Fischzuchtanlagen<br />
ist Rehhahn, der 1994 bis 1996<br />
Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt<br />
war, aktiv beteiligt. Wichtig sind ihm<br />
dabei regionale Kreisläufe und die Nutzung<br />
Erneuerbarer Energien. Auch in der<br />
Ukraine und Kasachstan brachte er bereits<br />
Projekte zum Einsatz biologischer<br />
Treibstoffe und Erneuerbarer Energien<br />
auf den Weg.<br />
Frank Dickmann (53)<br />
Stein-Importeur aus Berlin<br />
Als Großhändler hat der Geschäftsführer<br />
der BESCO Berliner Steincontor GmbH<br />
ein starkes Standbein im Import von Granit<br />
und Marmor. Einen Großteil dieses Natursteins<br />
bezieht er dabei aus asiatischen<br />
Ländern wie Indien und China, wofür er<br />
seine Firma jedoch vom Verein Fair Stone<br />
e. V. freiwillig auditieren ließ. Er verpflichtet<br />
sich damit, keine Produkte aus Staaten<br />
der Dritten Welt zu kaufen, wenn bei<br />
deren Herstellung nicht ein menschenwürdiges<br />
und sicheres Produktionsumfeld<br />
im Sinne der Kernarbeitsnormen der<br />
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)<br />
gegeben ist. Kategorisch lehnt er auch<br />
Kinderarbeit in der Steinverarbeitung ab.<br />
Überdies fordert der gelernte Kaufmann,<br />
der damit in seiner Branche bundesweit<br />
zu den Vorreitern gehört, die Einführung<br />
von staatlichen Unbedenklichkeitslabels<br />
auf diesem Feld.<br />
Fotos: HWK/Hannemann (links), Harald Lachmann (Mitte links, Mitte rechts, rechts)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
W+M KÖPFE | 9<br />
Hartmut Bunsen (72)<br />
Unternehmer aus Leipzig<br />
und Multifunktionär<br />
Am 1. Juni <strong>2016</strong> wurde Hartmut<br />
Bunsen in der Schlosskapelle<br />
im Residenzschloss Dresden<br />
mit dem Verdienstorden des<br />
Freistaates Sachsen ausgezeichnet.<br />
Damit werden seine hervorragenden<br />
Verdienste und sein Engagement für<br />
den Freistaat Sachsen anerkannt. Nach<br />
der Wende gründete er die Messeprojekt<br />
GmbH und 1993 mit seiner Frau Ursula<br />
die INUMA GmbH als Tischlerei und<br />
Innenausbaufirma. Aktuell ist die Familie<br />
Bunsen für 220 Mitarbeiter, davon 22<br />
Auszubildende, verantwortlich. Die Unternehmensnachfolge<br />
von Hartmut und Ursula<br />
ist mit ihren beiden Söhnen vorbildlich<br />
geregelt. Hartmut Bunsen wurde zudem<br />
gerade zum sechsten Mal als Präsi-<br />
dent des Unternehmerverbandes Sachsen<br />
wiedergewählt. Er ist auch Sprecher<br />
der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände<br />
Ostdeutschlands und<br />
Berlin, Vorstand des Akademischen Rudervereins<br />
zu Leipzig e. V. und Vorstand<br />
des SACHSEN Sail Club Leipzig e. V.<br />
Fotos: Harald Lachmann (links), Claudia Koslowski/UV Sachsen (rechts)<br />
Axel Dyck (60)<br />
Baugrundexperte aus Leipzig<br />
Der Geschäftsführer der FCB Fachbüro<br />
für Consulting und Bodenmechanik<br />
GmbH Espenhain fordert für Leipzig<br />
„den Einstieg in einen staatlich geförderten<br />
sozialen Wohnungsneubau“. Denn<br />
zuletzt sei die ostdeutsche Metropole, in<br />
der Dyck auch Chef der SPD-Stadtratsfraktion<br />
ist, einwohnerzahlenmäßig „um<br />
eine mittlere Kleinstadt gewachsen“.<br />
Bald könne wieder Wohnungsknappheit<br />
herrschen, mahnt er. Vor dem Hintergrund<br />
des gegenwärtigen Verfalls der<br />
Energiepreise zweifelt der Diplomingenieur<br />
zugleich daran, dass kleinere Kommunalbetriebe<br />
dauerhaft überlebensfähig<br />
sind. Sie müssten sich Partner suchen<br />
sowie Kooperationen und Verbünde<br />
mit anderen Unternehmen eingehen. Um<br />
sich hierfür die Investitionsmittel zu sichern,<br />
sei es auch nicht mehr zeitgemäß,<br />
dass Stadtwerke über einen steuerlichen<br />
Querverbund stets chronisch defizitäre<br />
Nahverkehrsunternehmen alimentieren.<br />
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10 | W+M NACHRICHTEN<br />
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TROPICAL ISLANDS INVESTIERT<br />
Krausnick. Ende Mai wurde der neue<br />
Außenbereich des Tropical Islands – genannt<br />
AMAZONIA – feierlich mit Gästen<br />
aus Politik, Wirtschaft und Medien eröffnet.<br />
„Mit 66.000 Quadratmetern im<br />
FRAUEN ALS FÜHRUNGSKRÄFTE<br />
Der neue Außenbereich AMAZONIA des Tropical Islands.<br />
Dome und 35.000 Quadratmetern Open-<br />
Air-Wasserpark bieten wir unseren Gästen<br />
einen attraktiven Ort der Erholung“, sagt<br />
Jan Janssen, Geschäftsführer von Tropical<br />
Islands. Die steigenden Tourismuszah-<br />
Chemnitz. 2014 waren 35,1 Prozent der<br />
Führungskräfte der obersten Leitungsebene<br />
in der sächsischen Privatwirtschaft<br />
Frauen. Auf der zweiten Führungsebene<br />
lag ihr Anteil bei 39,7 Prozent. Das zeigen<br />
Daten der Arbeitsverwaltung in Chemnitz.<br />
Bundesweit war dagegen nur jede vierte<br />
Führungsstelle der obersten Leitungsebene<br />
in der Privatwirtschaft mit Frauen<br />
besetzt. Auch in ganz Ostdeutschland ist<br />
der Anteil von Frauen in Führungspositionen<br />
höher als in Westdeutschland. Der<br />
Frauenanteil an den Führungspositionen<br />
der ersten und zweiten Ebene liegt im Osten<br />
bei 30 beziehungsweise 44 Prozent,<br />
im Westen bei 23 beziehungsweise 37<br />
Prozent. Allein in Sachsen sind von den<br />
128.900 Führungskräften in der obersten<br />
Ebene 45.300 weiblichen Geschlechts.<br />
Vor allem kleinere Betriebe werden häufiger<br />
von Frauen geführt, während ihr Leitungseinfluss<br />
mit der Größe der Unternehmen<br />
abnimmt. Inzwischen hat aber auch<br />
jeder zehnte privatwirtschaftliche Betrieb<br />
Führungspositionen mit Teilzeitkräften besetzt,<br />
so dass hier Frauen Beruf und Familie<br />
besser in Einklang bringen können.<br />
GRÜNDER AUF WACHSTUMSKURS<br />
len in Brandenburg machen<br />
sich auch im Tropical<br />
Islands bemerkbar.<br />
Im letzten Jahr empfing<br />
das Resort 1,1 Millionen<br />
Gäste aus ganz Europa.<br />
Seit der Eröffnung 2004<br />
wurde stetig ausgebaut.<br />
Heute ist Tropical Islands<br />
mit rund 1.700 Betten in<br />
der Halle sowie auf dem<br />
großzügigen Außengelände<br />
und über 350.000<br />
Übernachtungen einer<br />
der größten Beherbergungsbetriebe<br />
Deutschlands.<br />
Und das Unternehmen,<br />
das seit zwei<br />
Jahren schwarze Zahlen<br />
schreibt, hat sich viel vorgenommen:<br />
2017 startet<br />
der Bau eines Vier-Sterne-Plus-Hotels;<br />
die Übernachtungen<br />
sollen zudem<br />
innerhalb von zwei bis drei Jahren<br />
verdoppelt werden, so Geschäftsführer<br />
Janssen. Mit knapp 600 Mitarbeitern<br />
ist Tropical Islands einer der wichtigsten<br />
Arbeitgeber der Region.<br />
Berlin. Die Bürgschaftsbank Berlin-Brandenburg<br />
(BBB) hat 2015 das überdurchschnittliche<br />
Wachstum der Berliner Wirtschaft<br />
mit erhöhter Bürgschaftsübernahme<br />
unterstützt. „Mit Bürgschaften und<br />
Garantien haben wir ein Finanzierungsvolumen<br />
von insgesamt 97 Millionen<br />
Euro mobilisiert“, so Waltraud Wolf, Geschäftsführerin<br />
der BBB. Mit den mit 62<br />
Millionen Euro verbürgten Krediten und<br />
Beteiligungen für 250 mittelständische<br />
Gewerbetreibende und Freiberufler hat<br />
die BBB 17 Prozent mehr Finanzierungen<br />
besichert als 2014. Als besonderer<br />
Wachstumstreiber mit einer Steigerungsrate<br />
von 41 Prozent erwiesen sich<br />
die Start-ups der Stadt. Besonders häufig<br />
haben die Gründer 2015 das Gründungsprogramm<br />
„Berlin Start“ genutzt.<br />
NEUER MIKROKREDIT<br />
Potsdam. Für Kleinstunternehmen und<br />
Existenzgründer gestaltet es sich aufgrund<br />
von fehlenden Sicherheiten oder<br />
einer geringen Eigenkapitalbasis meist<br />
schwierig, einen Kredit bei Geschäfts- oder<br />
Hausbanken zu erhalten. Deswegen hat<br />
das Brandenburger Wirtschaftsministerium<br />
ein neues Programm aufgelegt: den<br />
„Mikrokredit Brandenburg“. Die Umsetzung<br />
erfolgt durch die Investitionsbank<br />
des Landes Brandenburg (ILB), die Erstberatung<br />
und eine fachkundige Stellungnahme<br />
durch die Kammern. Der Mikrokredit<br />
Brandenburg ist ein Angebot insbesondere<br />
an kleine und mittlere Unternehmen<br />
Foto: Tropical Islands/Dietmar Gust<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
W+M NACHRICHTEN | 11<br />
bis zu zehn Jahre nach ihrer Gründung. Er<br />
richtet sich auch an Existenzgründer, Unternehmensnachfolger<br />
sowie an Unternehmer<br />
im Nebenerwerb, die beispielsweise<br />
Aufträge und Projekte vorfinanzieren<br />
müssen oder Mittel zum Erwerb von<br />
Betriebsmitteln und für Investitionen benötigen.<br />
Beantragt werden kann ein verzinsliches<br />
Kleindarlehen ab 2.000 Euro bis maximal<br />
25.000 Euro. Informationen zum Kredit<br />
gibt es unter mikrokredit.brandenburg.de.<br />
Der Kreditantrag kann online auf www.ilb.de<br />
gestellt werden.<br />
RB LEIPZIG KURBELT WIRTSCHAFT AN<br />
Leipzig. Dass der Osten ab der kommenden<br />
Saison nach Jahren der Abstinenz wieder<br />
einen Erstligisten im Fußball hat, nutzt<br />
nicht zuletzt der regionalen Wirtschaft.<br />
Laut Professor Henning Zülch von der Handelshochschule<br />
Leipzig (HHL) spielt das allein<br />
außerhalb des Stadions den Unternehmen<br />
in Handel, Dienstleistung, Gastronomie<br />
und Verkehr gut 16 Millionen Euro ein.<br />
Der Wissenschaftler bezieht sich dabei auf<br />
Vergleichswerte bei den seit 2013 aufgestiegenen<br />
Vereinen wie Frankfurt, Berlin,<br />
Köln, Ingolstadt und Darmstadt und setzt<br />
diese in Relation zu den teils deutlich höheren<br />
Zuschauerzahlen beim Fußballklub<br />
RB Leipzig. Hier waren bereits in der 2.<br />
Liga im Saisonschnitt 37.500 Besucher pro<br />
Heimspiel gezählt worden. Vor allem Auswärtsfans<br />
seien bereit, mehr Geld in der<br />
Stadt und im Umfeld auszugeben, so der<br />
Experte. Er geht von etwa 30 Euro pro Zuschauer<br />
aus. Zugleich werde in dem Maße,<br />
wie Leipzig nun auch wieder als Fußballstadt<br />
wahrgenommen wird, auch der Tourismus<br />
angekurbelt. Zülch erwartet nun einen<br />
fußballbedingten Besucheranstieg von<br />
fünf Prozent.<br />
MIGRANTEN ALS JOBMOTOR<br />
Berlin. Migranten gründen überdurchschnittlich<br />
oft Firmen – und schaffen überdurchschnittlich<br />
viele Jobs. Andererseits<br />
brechen sie ihre Karriere auch schneller als<br />
deutsche Neugründer wieder ab. Das ergab<br />
eine aktuelle Studie der Kreditanstalt<br />
für Wiederaufbau (KfW). Dennoch drängt<br />
die Wirtschaft verstärkt darauf, das Potenzial<br />
der Migranten nutzen zu können. Immerhin<br />
hat jeder fünfte Unternehmensgründer<br />
– quer durch die Bundesländer –<br />
ausländische Wurzeln oder sogar noch eine<br />
ausländische Staatsbürgerschaft. Damit<br />
liegt die jährliche Gründerquote (1,86 Prozent)<br />
deutlich über der allgemeinen Quote<br />
(1,68 Prozent). Diese Quote beschreibt den<br />
Anteil der Gründer an der Bevölkerung im<br />
Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Auch die<br />
Zahl der Beschäftigten in jenen Firmen von<br />
Migranten lag gerade im Osten im Schnitt<br />
mit umgerechnet zwei Vollzeitstellen etwas<br />
höher. Erwartungsgemäß starten die<br />
meisten Neu-Unternehmer aus dem Zuwanderer-Milieu<br />
im Dienstleistungssektor,<br />
namentlich im Handel. Wie die Studie ergab,<br />
bestehen Neugründungen in Deutschland<br />
nach drei Jahren noch zu 70 Prozent,<br />
bei Migranten beträgt dieser Wert allerdings<br />
nur 60 Prozent.<br />
BB-Masters <strong>2016</strong><br />
MIT POWER-SCHLÄGEN ZUM SIEG<br />
Foto: BB-Masters GmbH<br />
Vom 29. April bis 1. Mai <strong>2016</strong> wurde<br />
auf dem B/C-Course des Berliner Golf<br />
& Country Club Motzener See um die<br />
Spitzenplätze bei den BB-Masters <strong>2016</strong><br />
– Deutschlands höchstdotiertem ProAm-<br />
Golfturnier mit 100.000 Euro Gesamtpreisgeld<br />
– gekämpft. Bei den Pros ging<br />
Die Sieger-Pros der BB-Masters <strong>2016</strong> mit Initiatoren und Partnern: Klaus-Jürgen Meier, Dirk<br />
Germandi, Jörg Woltmann, Jan Oelmann, Stefan Quirmbach, Martin Keskari, Sebastian Heisele,<br />
Ben Parker, Oliver Böckmann, Claus M. Kobold, Manfred Gugerel, Frank Adamowicz und Dieter<br />
R. Klostermann (v. l.).<br />
es beim Finale am Sonntag in der Einzelwertung<br />
um insgesamt 80.000 Euro,<br />
welche unter allen 40 startenden Pros<br />
laut Ausschreibung aufgeteilt wurden.<br />
Ab Mittag begleiteten zahlreiche golfbegeisterte<br />
Zuschauer die Pro-Flights auf<br />
die Runde, die am späten Nachmittag gespannt<br />
an Tee 18 vor der Clubhaus-Terrasse<br />
erwartet wurden. Bei der anschließenden<br />
Siegerehrung präsentierten Frank<br />
Adamowicz und das BB-Masters-Team<br />
die Ergebnisse der Einzelwertung.<br />
Bereits der erste Turniertag startete mit<br />
einem Highlight: Arne Bensiek im Flight<br />
mit Wolfgang Huget gelang an Bahn B4<br />
ein Hole-In-One. Hätte er sein erstes<br />
Hole-in-One an der C1 gespielt, wäre er<br />
um einen neuen BMW reicher gewesen.<br />
Challenge-Tour-Spieler Sebastian Heisele<br />
legte mit dem neuen Platzrekord von<br />
65 Schlägen am zweiten Turniertag des<br />
ProAm‘s bereits den Grundstein für seinen<br />
Sieg und die 20.000 Euro Preisgeld<br />
beim Finale.<br />
Bei den BB-Masters wurde mit BIRDIE<br />
for HOPE auch wieder für den guten<br />
Zweck gespielt. Aufgrund des vielfältigen<br />
Engagements wurde eine Spendensumme<br />
von 12.450 Euro für die Vereine Project<br />
HOPE e. V. und Birdies für Bildung<br />
erspielt.www.bb-masters.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
TLÄNDERSCHWERPUNK<br />
12 | W+M SCHWERPUNKT BRANDENBURG<br />
Der britische Flugzeugtriebwerkhersteller Rolls-Royce gehört seit<br />
Jahren zu den wichtigsten ausländischen Investoren in Brandenburg.<br />
Im Höhenflug<br />
Die Brandenburger Wirtschaft demonstriert derzeit überzeugend,<br />
dass sie den Wandel hin zu einer wettbewerbsfähigen sozialen<br />
Marktwirtschaft gut ein Vierteljahrhundert nach dem Vollzug der<br />
deutschen Einheit und darauffolgenden schweren Strukturbrüchen<br />
gemeistert hat. Allerdings ist der Aufholprozess im Vergleich zu den<br />
alten Bundesländern unverändert im Gange und wird wohl auch<br />
mittelfristig noch nicht abgeschlossen sein. Von Karsten Hintzmann<br />
BR ANDENBURG<br />
Brandenburgs Wirtschaftsminister<br />
Albrecht Gerber (SPD) bringt die<br />
aktuelle Euphorie, die landauf, landab<br />
herrscht, auf den Punkt: „Insgesamt<br />
durchläuft das Land Brandenburg derzeit<br />
eine der besten Phasen in seiner Geschichte.<br />
Wir hatten im vergangenen Jahr<br />
ein reales Wirtschaftswachstum von 2,7<br />
Prozent. Damit gehören wir zu den Top<br />
drei unter den deutschen Bundesländern.<br />
Die Industrie konnte sogar um 2,9 Prozent<br />
zulegen. Das Baugewerbe ist um 3,8 Prozent<br />
gewachsen. Es herrscht flächendeckend<br />
eine gute Stimmung und eine gute<br />
Auftragslage bei den Unternehmen.“<br />
Selbst größere Problemfälle konnten in<br />
den vergangenen Monaten gelöst werden.<br />
Nach längeren Sondierungen und<br />
damit einhergehenden Verunsicherungen<br />
verkaufte der schwedische Energiekonzern<br />
Vattenfall seine Lausitzer Braunkohlesparte<br />
an das tschechische Unternehmen<br />
EPH, das sich klar zur Fortsetzung<br />
des Kohleabbaus in der Region bekannt<br />
hat. Auch die Zukunft des zeitweilig von<br />
Schließung bedrohten Bahninstandhaltungswerkes<br />
in Eberswalde scheint gesichert.<br />
Der Verkauf an ein privates Unternehmen<br />
rettet den industriellen Kern<br />
und 210 Jobs in der Kreisstadt im Nordosten<br />
Brandenburgs.<br />
Die Weichen für eine Fortsetzung des<br />
aktuellen Aufschwungs sind gestellt.<br />
Brandenburg bietet nicht nur im Berliner<br />
Speckgürtel ideale Standortbedingungen<br />
für Unternehmen – gut ausgebaute Verkehrswege,<br />
Industrie- und Gewerbeflächen<br />
in allen Lagen und zu vernünftigen<br />
Konditionen, gut ausgebildete und erfahrene<br />
Facharbeiter. Hinzu kommt ein<br />
umfassender Unternehmensservice: Als<br />
erstes Bundesland offeriert Brandenburg<br />
ein komplettes Beratungspaket zu Wirtschaft<br />
und Arbeit aus einer Hand. Das<br />
Land hat diese Kompetenzen bei der<br />
Wirtschaftsfördergesellschaft Zukunfts-<br />
Agentur Brandenburg (ZAB) und der Förderbank<br />
ILB gebündelt. Gemeinsam bilden<br />
sie Brandenburgs One-Stop-Agency<br />
für Wirtschaft und Arbeit. Durch diese<br />
Verzahnung erhalten potenzielle Investoren<br />
rasch Zugang zu maßgeschneiderten<br />
Förderprogrammen, die aus Töpfen<br />
der EU, des Bundes und des Landes gespeist<br />
und von der ILB federführend koordiniert<br />
werden.<br />
Im Jahr 2015 konnte die ILB ihr Fördergeschäft<br />
gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent<br />
auf ein Volumen von 1,45 Milliarden<br />
Euro deutlich erhöhen. Mit den Geldern<br />
wurden insgesamt 4.309 Vorhaben in den<br />
vier Förderbereichen Wirtschaft, Arbeit, Infrastruktur<br />
und Wohnungsbau unterstützt.<br />
Entsprechend zufrieden ist ILB-Vorstandschef<br />
Tillmann Stenger: „2015 war ein sehr<br />
gutes Förderjahr für Brandenburg. Unsere<br />
Förderzusagen werden insgesamt zu Investitionen<br />
in Höhe von gut 2,1 Milliarden<br />
Euro führen. Insbesondere der Förderbereich<br />
Infrastruktur hat mit einem um 17<br />
Prozent höheren Investitionsvolumen gegenüber<br />
2014 enorm von den Angeboten<br />
der ILB profitiert. In der neuen EU-Programmperiode<br />
haben wir bereits 27 Programme<br />
an den Start bringen können.”<br />
Ein Ende des positiven Trends ist nicht in<br />
Sicht – im laufenden Jahr rechnet die ILB<br />
mit einem Neuzusagevolumen in Höhe<br />
von 1,2 Milliarden Euro. W+M<br />
Foto: Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
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14 | W+M SCHWERPUNKT<br />
„Mir ist eine ausgeglichene<br />
Wirtschaftsförderung wichtig!"<br />
W+M-Interview mit Christian Görke (LINKE),<br />
stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister in Brandenburg<br />
W+M: Herr Minister, Ihre Partei trägt seit<br />
2009 Regierungsverantwortung in Brandenburg.<br />
Wie hat sich die Wirtschaft im<br />
Land seither entwickelt?<br />
Christian Görke: Die Metropolenregion<br />
Berlin-Brandenburg ist eine der dynamischsten<br />
Wachstumsregionen in ganz<br />
Deutschland. Der Konjunkturklima-Index<br />
kletterte 2015 auf den höchsten Wert seiner<br />
Erfassung seit 1995. Einen weiteren<br />
Rekordwert erreichte im vorigen Jahr der<br />
Warenexport aus Brandenburg mit einem<br />
Volumen von 14,2 Milliarden Euro.<br />
Die positive wirtschaftliche Entwicklung<br />
ist auch am Arbeitsmarkt angekommen.<br />
Seit dem Start von Rot-Rot im November<br />
2009 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten von 750.400<br />
auf aktuell 800.000. Die Zahl der Arbeitslosen<br />
sank um 36.000 auf 109.000.<br />
W+M: Als Finanzminister und Verwaltungsratsvorsitzender<br />
der Investitionsbank<br />
des Landes Brandenburg (ILB) sind<br />
Sie Impulsgeber für wichtige Fördervorhaben.<br />
Welche Themen und Branchen liegen<br />
Ihnen dabei besonders am Herzen?<br />
Christian Görke: Mir ist eine ausgeglichene<br />
Wirtschaftsförderung wichtig! Das<br />
ist in einem Flächenland wie Brandenburg<br />
immer eine Herausforderung. Zwar hat<br />
sich in den vergangenen Jahren gezeigt,<br />
dass die Neuausrichtung der<br />
Förderpolitik weg vom Gießkannenprinzip<br />
hin zum Credo „Stärken<br />
stärken” ein Erfolgsmodell<br />
war. Dennoch müssen<br />
wir darauf achten, einzelne<br />
Regionen nicht<br />
abzuhängen, schon<br />
um der Abwanderung<br />
aus eher ländlichen<br />
Regionen keinen zusätzlichen Vorschub<br />
zu leisten. Die aktuell wichtigsten<br />
Branchen liegen für mich in den Clustern<br />
Kunststoff/Chemie, Metall und Ernährungswirtschaft<br />
sowie in IKT/Medien/<br />
Kreativwirtschaft. In diesen Feldern wurden<br />
2015 erhebliche Investitionen getätigt,<br />
was beweist, dass sich Brandenburg<br />
nicht nur als Industrie- sondern auch als<br />
Innovationsstandort weiterentwickelt. Die<br />
Investitionsbank des Landes Brandenburg<br />
hat bereits viele passgenaue Förderangebote<br />
im Portfolio, um diese Entwicklung<br />
zusätzlich zu begünstigen. Wir als Land<br />
müssen zudem sicherstellen, dass wir<br />
gute Bedingungen für die<br />
Unternehmen schaffen.<br />
Dazu gehört<br />
für mich gute Bildung,<br />
damit auch<br />
morgen ausreichend<br />
Fachkräfte<br />
zur Verfügung<br />
stehen, genauso<br />
wie moderne Straßen<br />
oder Breitbandanschlüsse.<br />
W+M: Als ILB-Verwaltungsratschef steht<br />
es Ihnen durchaus zu, Forderungen an<br />
die Brandenburger Unternehmerschaft<br />
zu formulieren. Was also erwarten Sie<br />
von einem Unternehmer in Ihrem Land?<br />
Christian Görke: Ich erwarte zunächst<br />
etwas ganz Selbstverständliches: den<br />
vollständigen Einsatz für das nachhaltige<br />
Wachstum des eigenen Unternehmens.<br />
Dies ist der größte Treiber für die Sicherung<br />
und Schaffung guter Arbeitsplätze.<br />
Daher möchte ich die Unternehmer dazu<br />
motivieren, ihr Geld gegenwärtig vor allem<br />
in sich selbst zu investieren. Hohe<br />
Anlagerenditen sind momentan schwierig<br />
zu erzielen und die Förderbedingungen<br />
in Brandenburg sind so günstig<br />
wie lange nicht.<br />
W+M: Von außen betrachtet sieht<br />
es so aus, als würde sich die<br />
Wirtschaft in zwei unterschiedli-<br />
Stellvertretender<br />
Ministerpräsident und<br />
Finanzminister in Brandenburg:<br />
Christian Görke.<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
BRANDENBURG | 15<br />
Christian Görke: Das Zeitfenster der Nutzung<br />
der Braunkohle schließt sich. Wie bekannt,<br />
streben wir den Ausstieg aus der<br />
Braunkohle bis zum Jahr 2040 an. Darüber<br />
gibt es bei den Linken keinen Streit. Jetzt<br />
kommt es aber darauf an, den damit verbundenen<br />
Strukturwandel sozial verträglich<br />
und energiepolitisch sinnvoll zu gestalten.<br />
Für das Ausstiegsszenario ist die Speicherung<br />
von Erneuerbaren Energien im industriellen<br />
Maßstab die Schlüsseltechnologie.<br />
W+M: Was erwarten Sie vom tschechischen<br />
Energiekonzern EPH, der jüngst das<br />
Braunkohlegeschäft von Vattenfall in der<br />
Lausitz übernommen hat?<br />
Foto: W+M<br />
Christian Görke mit W+M-Herausgeber Frank Nehring (r.) und W+M-Chefredakteur Karsten<br />
Hintzmann (l.).<br />
chen Geschwindigkeiten entwickeln –<br />
der Speckgürtel entwickelt sich rasant,<br />
während es in den Randregionen eher<br />
schwer vorangeht. Was tun Sie, damit die<br />
Uckermark oder die Prignitz wirtschaftlich<br />
nicht abgekoppelt werden?<br />
Christian Görke: Ich kann diese Einschätzung<br />
einer stark gegenläufigen Entwicklung<br />
nicht ganz teilen. Es stimmt, dass<br />
wir in den letzten Jahren viele Ansiedlungen<br />
junger Unternehmen im Speckgürtel<br />
sowie ein kontinuierliches Wachstum<br />
der dort bereits etablierten Unternehmen<br />
ZUR PERSON<br />
Christian Görke wurde am 17. März 1962<br />
in Rathenow geboren. Von 1983 bis<br />
1988 studierte er an der Pädagogischen<br />
Hochschule Dresden. Anschließend arbeitete<br />
er bis 2003 als Lehrer in seiner<br />
Geburtsstadt Rathenow.<br />
1985 trat Görke in die SED ein und blieb<br />
auch den Nachfolgeorganisationen treu.<br />
Seit 2003 engagiert sich Görke in der<br />
Brandenburger Landespolitik. Zunächst<br />
als „einfacher“ Landtagsabgeordneter,<br />
später (2012) als Fraktionschef der<br />
LINKEN im Landtag. Seit Januar 2014<br />
fungiert er als Landeschef der LINKEN<br />
sowie als Finanzminister. Nach der Landtagswahl<br />
im Herbst 2014 wurde Görke<br />
zum stellvertretenden Ministerpräsidenten<br />
ernannt.<br />
Er ist geschieden und Vater zweier Kinder.<br />
verzeichnen konnten. Aufgrund der dort<br />
zahlenmäßig stärker vertretenen Unternehmen<br />
mit innovativen, digitalen Geschäftsfeldern<br />
ist die mediale Aufmerksamkeit<br />
hier natürlich auch stärker als in<br />
Regionen wie beispielsweise Lauchhammer.<br />
Schaut man sich aber Umsatzzahlen<br />
und Arbeitsplätze an, ist das Bild nicht so<br />
einseitig. Ein Beispiel: Die Region Brandenburg<br />
Nord, zu der ja auch die Uckermark<br />
zählt, war 2015 mit knapp 117 Millionen<br />
Euro die Region mit dem größten<br />
Investitionsvolumen im wichtigsten Wirtschaftsförderprogramm<br />
GRW-G. ILB,<br />
ZAB und die Wirtschaftsfördergesellschaften<br />
arbeiten zudem Hand in Hand,<br />
um die regionalen Unternehmen bestmöglich<br />
zu beraten und zu unterstützen.<br />
W+M: Die Braunkohle ist ein wichtiger<br />
Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber speziell<br />
im Süden Brandenburgs. In Ihrer Partei<br />
herrscht zur Zukunft der Braunkohle ein<br />
Richtungsstreit. Wie halten Sie es mit der<br />
Zukunft der Braunkohle?<br />
Christian Görke: Ich erwarte, dass der<br />
Energiekonzern seiner Verantwortung als<br />
Arbeitgeber, aber auch bei der Frage der<br />
Übernahme von Folgekosten, die sich aus<br />
dem Abbau von Braunkohle ergeben, gerecht<br />
wird und die Zusagen hinsichtlich<br />
der Beschäftigten einhält. Und als Finanzminister<br />
habe ich die Erwartung, dass er<br />
den Firmensitz seiner Braunkohle-Sparte<br />
nach Brandenburg verlagert. Schließlich<br />
ist mit der Übernahme von Vattenfall<br />
hier nun auch das größte Braunkohle-Abbaugebiet<br />
innerhalb des Konzernbereichs.<br />
W+M: Vor einigen Wochen geriet die rotrote<br />
Koalition durch den Rücktritt Ihres<br />
Justizministers Helmuth Markov in unruhiges<br />
Fahrwasser. Wie regiert es sich als<br />
Juniorpartner der in Brandenburg seit 25<br />
Jahren dominierenden SPD?<br />
Christian Görke: Dass wir schon in der<br />
zweiten Legislaturperiode gemeinsam<br />
regieren, zeigt, dass die Schnittmengen<br />
zwischen SPD und LINKE noch lange<br />
nicht aufgebraucht sind. Wir arbeiten<br />
weiter vertrauensvoll zusammen.<br />
W+M: Kommunikationserfahrung haben<br />
Sie ja auch im Umgang mit den Christdemokraten<br />
– Ihr Vater und Ihre Schwester<br />
sind CDU-Mitglieder. Sehen Sie da relevante<br />
Schnittmengen für künftige Koalitionen?<br />
Christian Görke: Politische Diskussionen<br />
in der Familie sind das eine. Mit Blick<br />
auf die märkische CDU halte ich eine Zusammenarbeit<br />
als Regierungspartner für<br />
utopisch. Es ist übrigens auch bezeichnend,<br />
dass mir noch kein ernstzunehmender<br />
Unternehmer gesagt hat, dass er die<br />
CDU in Brandenburg vermisst. Der eingangs<br />
erwähnte wirtschaftliche Boom unter<br />
Rot-Rot spricht für sich.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
und Frank Nehring<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
16 | W+M SCHWERPUNKT<br />
Industrielle Cluster<br />
als Rückgrat<br />
Als Garanten für das Wachstum im Land<br />
erwiesen sich vor allem die mehr als 1.200<br />
Industriebetriebe – Tendenz steigend. Bei<br />
den von den Wirtschaftsförderern der ZukunftsAgentur<br />
Brandenburg (ZAB) 2015<br />
betreuten Ansiedlungen entfiel jedes<br />
zweite Projekt auf Unternehmen aus dem<br />
Industriesektor. Auch ausländische Investoren<br />
schätzen den Standort in der Mitte<br />
Europas zunehmend. Mehr als 300 ausländische<br />
Unternehmen von eBay bis Rolls-<br />
Royce sind bereits in der Mark ansässig.<br />
In Brandenburg haben sich in den verschiedenen<br />
Landesteilen wirtschaftliche Zentren<br />
herausgebildet. Potsdam ist ein renommierter<br />
Wissenschaftsstandort. Ludwigsfelde<br />
gehört zu den wichtigsten Industrie-<br />
Hochburgen des Landes. Die Lausitz bleibt<br />
Stromlieferant Brandenburgs. Schwarzheide<br />
ist traditionell die Heimat der Kunststoff-<br />
und Chemieproduktion. Raffinerien<br />
und die papierverarbeitende Industrie prägen<br />
die Industriestadt Schwedt.<br />
„Brandenburg ist die Top-Region des Ostens“<br />
– so kühn titelte Brandenburgs regionale<br />
Presse im April dieses Jahres. Der<br />
Anlass: Ein Regional-Ranking des Kölner<br />
Instituts der Deutschen Wirtschaft. Die<br />
Wirtschaftsforscher stuften den Landkreis<br />
Dahme-Spreewald (Platz 27) als<br />
den wirtschaftsstärksten Ostdeutschlands<br />
ein. Potsdam (Platz 29) und Potsdam-Mittelmark<br />
(Platz 62) schnitten ebenfalls<br />
gut ab. Und auch weitere Landkreise<br />
im Berliner Umland ließen ihre ostdeutsche<br />
Konkurrenz hinter sich. Zur<br />
vollständigen Wahrheit gehört allerdings<br />
auch, dass Kommunen in strukturschwachen<br />
Regionen wie der Uckermark oder<br />
Die Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG<br />
testet ihre Großtriebwerke in Dahlewitz.<br />
Die märkische Wirtschaft befindet sich auf Wachstumskurs.<br />
Das Land hat kleine, aber feine industrielle Kerne wie den Metallbau<br />
oder die Energietechnik herausgebildet. Hier soll mit innovativen<br />
Projekten und einem Zusammenspiel von Forschung und Mittelstand<br />
das künftige wirtschaftliche Rückgrat des Landes entstehen.<br />
Von Matthias Salm<br />
der Prignitz weiter ins Hintertreffen geraten<br />
sind.<br />
Dabei ist die Wirtschaft in der Mark im<br />
Aufschwung. Das Bruttoinlandsprodukt<br />
des Landes stieg 2015 preisbereinigt um<br />
2,7 Prozent. Damit lag die märkische Wirtschaft<br />
auf Rang vier im Vergleich der Bundesländer.<br />
Die Arbeitslosenzahlen sanken<br />
im April <strong>2016</strong> auf nur noch 8,2 Prozent –<br />
2003 waren es noch nahezu 19 Prozent.<br />
Die Uckermark als grüne Lunge des Landes<br />
reüssiert als Triebfeder für die Erneuerbaren<br />
Energien und lockt Investitionen<br />
in Biogas und Windenergie. Im Dreieck<br />
Oranienburg-Hennigsdorf-Velten hat sich<br />
die Schienenfahrzeugindustrie angesiedelt,<br />
ebenso wie im Ortsteil Kirchmöser<br />
in Brandenburg an der Havel. Rathenow<br />
verfügt über eine historisch gewachsene<br />
Kompetenz in der optischen Industrie.<br />
In der auf Cluster ausgerichteten Wirtschaftspolitik<br />
fördert Brandenburg gemeinsam<br />
mit Berlin die Energietechnik;<br />
das Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik,<br />
die Gesundheitswirtschaft, die Optik<br />
sowie das Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft.<br />
Eine besondere Bedeutung<br />
für die Wirtschaftsstruktur des Landes genießen<br />
zudem die vier landesspezifischen<br />
Cluster Metall, Ernährungswirtschaft, Tourismus<br />
sowie Kunststoff und Chemie.<br />
Energieland Brandenburg<br />
Das Label Energieland trägt Brandenburg<br />
nicht erst dieser Tage. Seit jeher produziert<br />
und exportiert die Mark Energie. Den Ruf<br />
als Energieregion nährten seit Jahrzehnten<br />
die Kohlegruben in der Lausitz. Jüngst hat<br />
der Energiekonzern Vattenfall sein deutsches<br />
Braunkohlegeschäft an das tschechische<br />
Unternehmen EPH verkauft. Der<br />
Deal sichert den rund 8.000 in der Lausitzer<br />
Braunkohleindustrie Beschäftigten<br />
Foto: Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
BRANDENBURG | 17<br />
Foto: GBF German Biofuels GmbH<br />
Produktion von Biodiesel bei der GBF German Biofuels GmbH in Pritzwalk.<br />
und den Zuliefer- und Dienstleistungsfirmen<br />
eine Perspektive, solange die Braunkohleverstromung<br />
als Brückentechnologie<br />
weiter politische Rückendeckung erhält.<br />
Mehr noch sieht sich Brandenburg heute<br />
aber als Pionier der Energiewende.<br />
Auf Betriebe im Bereich der Erneuerbaren<br />
Energien entfallen bereits mehr als<br />
20.000 Arbeitsplätze. Die Region zählt zu<br />
den größten Produzenten von Solarenergie<br />
und trägt wesentlich zur Erforschung der<br />
energetischen Nutzung von Biomasse bei.<br />
Besonders die Windenergie taugt als<br />
Hoffnungsträger. Brandenburg nimmt<br />
Platz zwei in der Rangliste der Bundesländer<br />
mit der größten installierten Leistung<br />
bei Windenergieanlagen ein. Im Land<br />
drehen sich aber nicht nur die Windmühlen.<br />
Hersteller, Planungsbüros und Baufirmen<br />
tragen den Boom. Firmen wie die<br />
Reuther STC GmbH in Fürstenwalde nahmen<br />
als Zulieferer von Anlagenkomponenten<br />
ihren Aufschwung. Die Zossener<br />
Energiequelle GmbH produziert mit dem<br />
Windpark Feldheim nicht nur zuverlässig<br />
Energie, sondern errichtete auch gemeinsam<br />
mit der Enercon GmbH einen Lithium-Ionen-Speicher<br />
mit einer Leistung von<br />
zehn Megawatt, den Größten seiner Art<br />
in Deutschland.<br />
Der Erfolg der Windenergie ist untrennbar<br />
verknüpft mit einem Durchbruch in<br />
den Speichertechnologien. Deshalb fördert<br />
Brandenburg deren Entwicklung im industriellen<br />
Maßstab. So wurde in Prenzlau<br />
von der ENERTRAG AG das erste Hybridkraftwerk<br />
zur Speicherung überschüssiger<br />
Windenergie in Betrieb genommen. Und in<br />
der Forschung etabliert sich die Brandenburgische<br />
Technische Universität Cottbus-<br />
Senftenberg mit wissenschaftlicher Arbeit<br />
zu Energienetzen und Stromspeichern.<br />
Metallbau mit Tradition<br />
Den industriellen Kern des Landes bildet<br />
die Metallbauindustrie. Die rund 2.600 zumeist<br />
kleineren Unternehmen mit ungefähr<br />
38.500 Beschäftigten weisen deshalb<br />
auch eine höhere Exporttätigkeit als<br />
der Durchschnitt der Brandenburger Industrie<br />
auf. Die Branche steht für Vielfalt:<br />
Die Metallerzeuger, Metallverarbeiter sowie<br />
Maschinenbauer sind unverzichtbare<br />
Dienstleister und Zulieferer beispielsweise<br />
für den Fahrzeugbau, die Luft- und Raumfahrt<br />
oder die Energiewirtschaft.<br />
Zentrum für Luft- & Raumfahrt / Technologiezentrum Wildau<br />
Der Standort für Technologieunternehmen im Flughafenumfeld<br />
Bereits 60 Unternehmen aus den Bereichen Luftfahrttechnik, Engineering, Informations- und<br />
Kommunikationstechnik sowie der Servicebranche nutzen den Standort in Nähe der TH Wildau mit direktem<br />
S-Bahn- und Autobahnanschluss sowie 10 minütiger Fahrzeit zum Flughafen BER.<br />
Mietflächen auf einen Blick:<br />
5.300 m² integrierte Hallen- und Bürofläche (ZLR I BT II)<br />
160 bis 800 m² Bürofläche (ZLR I und III)<br />
700 bis 2.000 m² Hallenfläche (ZLR III)<br />
Einraumbüros von ca. 20 m² (TGZ)<br />
Kontakt:<br />
Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />
Dahme-Spreewald mbH / Zentrum für Luft und Raumfahrt<br />
Freiheitstraße 120 B, 15745 Wildau<br />
Tel. 03375-52 38-0, info@zlur.de, www.zlur.de
18 | W+M SCHWERPUNKT BRANDENBURG<br />
Bombardier produziert in Hennigsdorf unter anderem<br />
Straßen- und S-Bahnen.<br />
Zentren des Metallbaus haben sich in<br />
verschiedenen Landesteilen herausgebildet,<br />
unter anderem in Brandenburg/Havel,<br />
Eberswalde, Eisenhüttenstadt, Finsterwalde,<br />
Fürstenwalde, Lauchhammer,<br />
Ludwigsfelde und Prenzlau. Die Kernkompetenzen<br />
liegen vor allem in den Bereichen<br />
Maschinen- und Anlagenbau, Automatisierungs-<br />
und Elektrotechnik sowie neue<br />
Werkstoffe, Materialien und Leichtbau.<br />
Mobilitätsregion in der Mitte Europas<br />
Das gemeinsam mit Berlin geförderte Cluster<br />
Mobilität, Verkehr und Logistik steht für<br />
die industrielle Fertigung in den Bereichen<br />
Automotive, Luft- und Raumfahrt sowie<br />
Bahntechnik ebenso wie für verkehrspolitische<br />
und ingenieurtechnische Visionen<br />
der Zukunft – etwa im vom Bund geförderten<br />
Schaufenster Elektromobilität. Laut Ergebnissen<br />
des Clustermonitorings 2014 arbeiten<br />
rund 191.000 Menschen<br />
in mehr als 17.000 Unternehmen<br />
und mehr als 100 wissenschaftlichen<br />
Forschungseinrichtungen<br />
im länderübergreifenden<br />
Cluster. Mehr als<br />
sieben Universitäten und 21<br />
Hoch- und Fachhochschulen<br />
befassen sich mit clusterbezogener<br />
Forschung und Lehre.<br />
In der Bahntechnik hat sich das<br />
Berlin-Brandenburger Cluster<br />
hinter Nordrhein-Westfalen<br />
zur zweitstärksten Region der<br />
bundesdeutschen Bahnindustrie<br />
aufgeschwungen. „Der<br />
Standort steht für Fertigungskompetenz<br />
ebenso wie für Forschungs- und Entwicklungskompetenz“,<br />
betont Brandenburgs<br />
Wirtschaftsminister Albrecht Gerber.<br />
„Eine solche Konzentration von Erfahrung,<br />
Wissen und Affinität zur Bahnindustrie<br />
ist woanders kaum zu finden.“<br />
Der globale Marktführer Bombardier Transportation<br />
GmbH etwa produziert in Hennigsdorf.<br />
Kleinere und mittlere Unternehmen<br />
haben sich in Brandenburg-Kirchmöser<br />
angesiedelt, wo mit der GBM Gleisbaumechanik<br />
GmbH und der Voestalpine BWG<br />
GmbH auch Unternehmen der Instandhaltung<br />
und der Infrastruktur beheimatet sind.<br />
Den großen Aufschwung im Bereich der<br />
Logistik verdankt Brandenburg unter anderem<br />
den drei Güterverkehrszentren (GVZ)<br />
rund um Berlin. Die Logistiker schätzen<br />
die zentrale Lage der Region. Die Brandenburger<br />
Wirtschaftspolitik wiederum<br />
hofft, dass die Segmente Seehafenhinterland-<br />
und Osteuropaverkehre der Branche<br />
weiteres Wachstum bescheren werden.<br />
In der Luftfahrttechnik sind Global Player<br />
wie die Rolls-Royce Deutschland Ltd<br />
& Co KG und die MTU Maintenance Berlin-Brandenburg<br />
GmbH große Arbeitgeber<br />
der Region. Darum haben sich Zulieferer in<br />
den Bereichen Maintenance Repair Overhaul<br />
(MRO), Testen/Simulieren und Engineering<br />
sowie Softwareentwicklung niedergelassen.<br />
Gemeinsam mit Berlin belegt<br />
das Land Brandenburg Platz drei der<br />
deutschen Luftfahrtregionen.<br />
Auch in der Automotive-Branche wächst<br />
die Zahl der Top-Zulieferer aus der Mark.<br />
So wurde beispielsweise das einstige Pneumant-Reifenwerk<br />
in Fürstenwalde nach der<br />
Wende modernisiert und auf die Produktion<br />
von Pkw-Reifen umgerüstet. Hier werden<br />
neben Pkw-Sommer- und Winterreifen<br />
auch Reifen für Transporter und SUV produziert.<br />
Die Gestamp Umformtechnik GmbH<br />
entwickelt und fertigt in Ludwigsfelde hochwertige<br />
Karosserie- und Fahrwerkskomponenten<br />
für die internationale Automobil- und<br />
Nutzfahrzeugindustrie. Aber auch ein mittelständisches<br />
Unternehmen wie die Hüffermann<br />
Transportsysteme GmbH, die ihre<br />
Wurzeln im niedersächsischen Wildeshausen<br />
hat, ist seit dem Jahr 1990 im brandenburgischen<br />
Neustadt an der Dosse als Spezialist<br />
für die Produktion von Anhängern und<br />
Lkw-Aufbauten aktiv.<br />
W+M<br />
STAND DES AUSBAUS DER WINDENERGIE IN BRANDENBURG 2000 BIS 2015<br />
Windenergie in Brandenburg (kummulierte Leistung in Megawatt)<br />
5850<br />
5457<br />
4170<br />
4401 4601 4816 5047<br />
3767<br />
3128 3359<br />
2620<br />
2179<br />
1807<br />
1272<br />
769<br />
442<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015<br />
Foto: Bombardier Transportation GmbH, Quelle Schaubild: BWE/Deutsche WindGuard<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
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20 | W+M SCHWERPUNKT BRANDENBURG<br />
200 Millionen Euro für die Region<br />
Brandenburgs Filmwirtschaft wirkt wie ein Konjunkturprogramm<br />
Die Studios Babelsberg aus der Luft.<br />
Brandenburgs Filmwirtschaft hat viele<br />
Facetten, aber nur einen Namen:<br />
Babelsberg. Dieser Ort ist international<br />
bekannt bei allen Filmschaffenden,<br />
ohne dass den Spielbergs dieser Welt<br />
wohl so richtig klar ist, dass Babelsberg<br />
zwar bei Berlin, aber eigentlich in Brandenburg<br />
liegt. Die Filmwirtschaft ist international<br />
und gedacht wird global. Produzenten<br />
und Regisseure können heute überall<br />
drehen. Wenn Sie sich für einen Standort<br />
entscheiden, hat das immer gute Gründe.<br />
Früh fiel die Entscheidung, den Filmstandort<br />
Brandenburg weiter zu entwickeln. Die<br />
traditionsreiche Infrastruktur, welche die<br />
DEFA überlebte, bot dafür ideale Voraussetzungen.<br />
Obwohl so ein Studio wie in<br />
Babelsberg mit seinen Außenkulissen eigentlich<br />
ein Dinosaurier in Zeiten der Digitalisierung<br />
ist, hat man sich doch bewusst<br />
für diese Alleinstellung entschieden. Hier<br />
steckt aber auch das besondere Risiko. Die<br />
immer besseren Möglichkeiten, mit digitalen<br />
Mitteln, Filme zu produzieren, machen<br />
kostenintensive Bindungen an einen bestimmten<br />
Ort immer öfter unnötig. Nur für<br />
große Produktionen werden heute noch<br />
die aufwendigen „echten“ Außenkulissen<br />
gebraucht. Und genau darauf ist Babelsberg<br />
spezialisiert.<br />
Die „Neue Berliner Straße“ wird eine der<br />
größten und modernsten Außenkulissen<br />
Europas. Dazu passt auch ihre Einweihung<br />
mit dem Dreh „Babylon Berlin“, die wohl<br />
zur aufwändigsten deutsche Serie aller<br />
Zeiten wird. Auch die Bindung hochkarätiger<br />
internationaler Serien, wie zum Beispiel<br />
"Homeland" sind große Babelsberger<br />
Erfolge, denn sie treffen den Nerv der<br />
Zeit und binden Kapazitäten. Die UFA in<br />
Babelsberg ist schon heute der deutsche<br />
Marktführer für Serien. UFA-Produktionen<br />
wie „Deutschland 83“ oder „Kudamm 56“<br />
sind zudem auch ein Stück verfilmte Zeitgeschichte<br />
– beeindruckend authentisch<br />
und bis ins Detail recherchiert.<br />
Von der Filmwirtschaft der Hauptstadtregion<br />
profitieren viele, darunter der Tourismus.<br />
Märkische Städte wie<br />
Potsdam, Nauen oder Beelitz-<br />
Heilstätten haben regelrechte<br />
Filmkarrieren hinter sich, die<br />
neue Besucher anziehen.<br />
In erster Linie profitiert aber der<br />
Wirtschaftsstandort. Von den<br />
30,5 Millionen Euro, die jährlich<br />
in die Filmförderung fließen,<br />
bekommt die Region circa<br />
200 Millionen Euro zurück.<br />
Zu Recht ist man stolz auf diesen<br />
Regionaleffekt. Hier sind<br />
Land und Bund aber auch in<br />
Zukunft gefordert, die hiesige<br />
Filmwirtschaft im internationalen<br />
Wettbewerb zu unterstützen. Dieser<br />
Wettbewerb ist hart und attraktive steuerbegünstigende<br />
Modelle für die großen<br />
internationalen Produktionen, die es bereits<br />
in vielen Ländern gibt, fehlen hierzulande<br />
und erschweren die Akquisition für<br />
den Babelsberger Standort.<br />
Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht<br />
Gerber ist sich sicher: „Gute Filme<br />
und Serien sind Standortmarketing vom<br />
Feinsten. Und das Beste: Diese Werbung<br />
kostet keinen Cent zusätzlich. Jeder Film,<br />
der hier entsteht, ist ein kleines Konjunkturpaket<br />
für die Region.“<br />
Frank Nehring<br />
Die Macher der Brandenburger Filmwirtschaft beim<br />
WirtschaftsForum im April: Stefan Arndt, Holger Lehmann,<br />
Dr. Carl Woebcken, Kirsten Niehuus, Albrecht Gerber und<br />
Dr. Miloš Stefanović (v. l.).<br />
Fotos: XStudio Babelsberg AG (oben), Medienboard Berlin Brandenburg (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
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bis zu 5 % des Zusagebetrages (maximal 50 EUR je Quadratmeter) gemindert (Stand 14.04.<strong>2016</strong>).
22 | W+M SCHWERPUNKT<br />
Märkische Bauern zwischen<br />
Tierwohl und Supermarktpreisen<br />
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (2. v. r.) und Agrarminister Jörg<br />
Vogelsänger (l., beide SPD) beim Ländertag der Internationalen Grünen Woche in Berlin.<br />
Seit Jahren wird in Brandenburg um die Massentierhaltung in der<br />
Landwirtschaft gestritten. Nur mit Not konnte die Regierung einen<br />
Volksentscheid dagegen abwenden. Und das, obwohl das Land den<br />
Fleischbedarf der Region nicht aus eigenem Aufkommen decken<br />
kann und zugleich viele heimische Landwirte um ihre Existenz<br />
fürchten. Von Tomas Morgenstern<br />
Eberswalder Würstchen und Schorfheider<br />
Salami sind in Ostdeutschland<br />
ein Begriff. Erst im Januar hat<br />
die Eberswalder Wurst GmbH ihre Spezialitäten<br />
wieder mit Erfolg auf der Internationalen<br />
Grünen Woche in Berlin präsentiert.<br />
In der DDR galten die Produkte aus dem<br />
damaligen Schlacht- und Verarbeitungskombinat<br />
Eberswalde als „Bückware“.<br />
„Wir sind neben Halberstädter die bekannteste<br />
regionale Wurstmarke in den neuen<br />
Bundesländern“, sagt Geschäftsführer Sebastian<br />
Kühn. Man habe viel Mühe investiert,<br />
um das Vertrauen der Kunden in die<br />
Qualität der heimischen Produkte zu gewinnen<br />
– vor allem nach der Firmenpleite<br />
von 2000. Dass der Name „Eberswalder“<br />
in Berlin-Brandenburg „in aller Munde“<br />
ist, lässt sich das Unternehmen etwas<br />
kosten, unterstützt als Sponsor Sympathieträger<br />
wie die Hauptstadtclubs 1. FC<br />
Union Berlin, Eisbären und Füchse, die<br />
Fußballerinnen von Turbine Potsdam und<br />
lokale Sportvereine.<br />
Der Familienbetrieb mit Sitz in Britz (Barnim)<br />
beschäftigt 250 feste Mitarbeiter und<br />
250 Saisonkräfte. 2015 betrug der Jahresumsatz<br />
115 Millionen Euro, fast dreimal so<br />
viel wie 2002, im Jahr des Neubeginns.<br />
„Wir produzieren pro Woche 250.000 Kilogramm<br />
Wurst und 300.000 Kilogramm<br />
verpacktes Fleisch und Tiefkühlware“, so<br />
Kühn. „Schweinefleisch, unseren wichtigsten<br />
Rohstoff, beziehen wir vor allem<br />
aus Niedersachsen und Mecklenburg-<br />
Vorpommern.“<br />
Foto: Grüne Woche<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
BRANDENBURG | 23<br />
Fotos: Volker Gehrmann/Wir haben es satt (oben), Grüne Woche (unten)<br />
Tierschützer wenden sich gegen die<br />
Marktdominanz von Billig-Fleisch aus industrieller<br />
Mast. In der Hauptstadtregion<br />
haben sich Verbände und lokale Initiativen<br />
zum Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-<br />
Brandenburg zusammengefunden, um öffentlichkeitswirksam<br />
für strengere Regeln<br />
in der Tierhaltung zu streiten – für artgerechte<br />
Haltung und Tierwohl. Zu ihren Forderungen<br />
zählen der Verzicht auf staatliche<br />
Förderung von „Massentierhaltung“, ein<br />
Verbandsklagerecht gegen Standortentscheidungen<br />
für Ställe und die Ernennung<br />
eines Tierschutzbeauftragten.<br />
In Brandenburg hat das Bündnis ein Volksbegehren<br />
gegen Massentierhaltung zum<br />
Erfolg geführt. Bis Januar <strong>2016</strong> hatten<br />
es rund 104.000 Menschen unterschrieben,<br />
so dass sich schließlich der Landtag<br />
in Potsdam damit befassen musste. Am<br />
Ende haben sich die Regierungsfraktionen<br />
von SPD und LINKE mit Vertretern des<br />
Volksbegehrens auf einen Kompromiss geeinigt<br />
und so eine Volksabstimmung abgewendet.<br />
Bei der Abstimmung Ende April<br />
Spezialitäten der Eberswalder Wurst GmbH auf<br />
der Internationalen Grünen Woche in Berlin.<br />
wurde die entsprechende Beschlussvorlage<br />
des Kabinetts angenommen. Sie legt<br />
fest, die öffentliche Förderung von Großmastanlagen<br />
einzuschränken, einen hauptamtlichen<br />
Tierschutzbeauftragten zu ernennen<br />
und bis 2017 einen Tierschutzplan<br />
zu erarbeiten. Das Klagerecht für Tierschutzverbände<br />
ist vom Tisch.<br />
Große Symbolkraft erlangte in den vergangenen<br />
Jahren der Widerstand der Initiative<br />
„Kontra Industrieschwein“ gegen die<br />
geplante Neuauflage der Schweinemast<br />
in Haßleben (Uckermark). Wo bis 1989<br />
Mega-Ställe mit 136.000 Schweinen Luft<br />
und Böden verpesteten,<br />
will ein niederländischer<br />
Investor bald<br />
wieder 37.000 Tiere<br />
mästen.<br />
Industrie und Handel<br />
profitieren vom Überangebot<br />
an billigem<br />
Fleisch aus Deutschland<br />
und der EU. Brandenburg<br />
allein wäre<br />
aber mit der Bedarfsdeckung<br />
in der Region<br />
ohnehin überfordert,<br />
wie Angaben des<br />
Landwirtschaftsministeriums<br />
in Potsdam belegen:<br />
„Die Versorgung<br />
der circa sechs Millionen<br />
Einwohner von Berlin und Brandenburg<br />
könnte zurzeit nicht durch die heimische<br />
Landwirtschaft gesichert werden, obwohl<br />
der Platz dafür da wäre.“ Regionale<br />
Erzeuger könnten den Bedarf an Schweinefleisch<br />
nur zu 36,2 Prozent decken, bei Rindfleisch<br />
seien es 59,2 Prozent, bei Geflügelfleisch<br />
87,9 Prozent. Dabei sei der durchschnittliche<br />
Pro-Kopf-Verbrauch bei Fleisch<br />
sogar zurückgegangen. Allerdings würden<br />
auch deutlich weniger Tiere gehalten. Zwischen<br />
1991 und 2014 sei die Zahl der Rinder<br />
von 781.000 auf 568.100 gesunken, die der<br />
Schweine von 1,086 Millionen auf 851.100.<br />
Mitte März äußerte Landwirtschaftsminister<br />
Jörg Vogelsänger (SPD) im Agrarausschuss<br />
des Brandenburger Landtages<br />
die Erwartung, dass sich das Land bald<br />
von Agrarimporten unabhängig machen<br />
und die Versorgung der Hauptstadtregion<br />
selbst gewährleisten könne. Doch während<br />
die Regierungskoalition, unterstützt<br />
durch den Landesbauernverband, für die<br />
heimischen Agrarbetriebe bessere Bedingungen<br />
schaffen will, kritisieren Tierschützer<br />
und Umweltverbände gerade, dass sie<br />
immer mehr große Stallanlagen zulasse.<br />
Sie fordern ein Umsteuern in der Agrarpolitik,<br />
sehen vor allem in kleineren Betrieben<br />
mit artgerechter Tierhaltung eine Überlebenschance<br />
für die Bauernhöfe.<br />
Umweltaktivisten und Tierschützer der Initiative „Wir haben es satt!“<br />
im Januar <strong>2016</strong> vor dem Berliner Reichstagsgebäude.<br />
Doch auch der Landespolitik geht es um<br />
den Erhalt von Arbeitsplätzen und um konkurrenzfähige<br />
Betriebe. Wie das Agrarministerium<br />
betont, erteilten die Landkreise<br />
bei Bestandsgrößen von unter 1.500 Mastschweinen,<br />
15.000 Hennen oder 30.000<br />
Stück Mastgeflügel die Baugenehmigungen<br />
auf der Basis der Bauordnung des<br />
Landes. Größere Anlagen würden dagegen<br />
auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes<br />
entschieden – wobei<br />
die Zahl der Anträge dafür deutlich gesunken<br />
sei. Eine Aussage, die der BUND<br />
anzweifelt. In einer im Januar veröffentlichten<br />
Analyse der Umweltschützer heißt<br />
es, dass die Zahl der in Brandenburg für<br />
<strong>2016</strong> beantragten Stallplätze für Zucht- und<br />
Mastschweine sowie Mastgeflügel stark<br />
gestiegen sei.<br />
Sebastian Kühn ist nicht nur Unternehmer,<br />
sondern auch Cluster-Sprecher der<br />
ZukunftsAgentur Brandenburg (ZAB) für<br />
die Ernährungswirtschaft, welche 2012 einen<br />
Jahresumsatz von 3,8 Milliarden Euro<br />
erzielt hat. Er sagt, es lasse sich am Kaufverhalten<br />
ablesen, dass die aktuelle Debatte<br />
um Massentierhaltung und Tierwohl das<br />
Gros der Verbraucher noch nicht erreicht<br />
habe. Auf sie werde es aber ankommen –<br />
darauf, ob sie bereit sind, für Fleisch und<br />
Wurst künftig wirklich einen deutlich höheren<br />
Preis zu bezahlen. „Es ist Fakt, dass<br />
die meisten Kunden am Ende zu den großen<br />
Supermarkt-Ketten gehen, und sie<br />
schauen beim Einkauf auf jeden Cent.“<br />
<br />
W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
24 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Digitalisierung als Jobmotor?<br />
Der deutsche Mittelstand gibt sich optimistisch. Eine aktuelle<br />
Studie der Commerzbank AG belegt, dass sich mittelständische<br />
Unternehmen von der Digitalisierung eher positive Impulse für den<br />
Arbeitsmarkt erhoffen. Defizite bei der Qualifikation der Mitarbeiter<br />
bremsen aber den innovativen Schwung. Von Matthias Salm<br />
in den Unternehmen vor allem ein starkes<br />
Interesse an Qualifizierungsmaßnahmen.<br />
Zudem wünschen sich die Mitarbeiter<br />
laut der Studie eine stärkere Einbeziehung<br />
in die künftige strategische Ausrichtung<br />
des Unternehmens.<br />
Vom Jobkiller zum Jobmotor – auf<br />
diese Kurzformel lässt sich die gegenwärtige<br />
Erwartungshaltung<br />
des Mittelstands hinsichtlich des digitalen<br />
Wandels bringen. Galt die Digitalisierung<br />
bisher vielen Unternehmern als Lizenz<br />
zur Vernichtung von Arbeitsplätzen,<br />
sehen nun 43 Prozent der in einer Umfrage<br />
der Initiative Unternehmerperspektiven<br />
der Commerzbank AG befragten Firmen<br />
einen steigenden Personalbedarf durch die<br />
Digitalisierung der Wirtschaft. 48 Prozent<br />
der Befragten sagen zumindest eine gleich<br />
bleibende Personalstärke voraus.<br />
Vor einem Jahr hingegen hatten Deutschlands<br />
Mittelständler noch zu 40 Prozent<br />
negative Beschäftigungseffekte befürchtet.<br />
Für die Studie „Tradition trifft Transformation:<br />
Unternehmen Zukunft“ waren<br />
insgesamt 4.000 mittelständische Unternehmen<br />
in ganz Deutschland befragt<br />
worden. Die Mittelstandsinitiative Unternehmerperspektiven<br />
fragt seit mittlerweile<br />
zehn Jahren regelmäßig Einschätzungen<br />
mittelständischer Unternehmer<br />
aller Größenordnungen und Branchen zu<br />
aktuellen Themen ab.<br />
Während die Digitalisierung neuen Bedarf<br />
an qualifiziertem Personal weckt –<br />
68 Prozent der Befragten suchen nach<br />
Mitarbeitern mit mehrjähriger Erfahrung<br />
–, bekundet die vorhandene Belegschaft<br />
Die Studie zeigt zudem: Der Mittelstand<br />
setzt bereits großflächig auf dezentrale<br />
Projekte zur Entwicklung von Innovationen.<br />
65 Prozent der befragten Unternehmen<br />
ermöglichen es ihren Mitarbeitern,<br />
eigene Projekte selbstständig zu verwirklichen.<br />
53 Prozent der Unternehmen äußerten,<br />
abteilungsübergreifende Innovations-<br />
und Pilotprojekte initiiert zu haben.<br />
In Firmen, die sich bereits in hohem<br />
Maße der Digitalisierung verschrieben<br />
haben, wird Mitarbeitern mehr Freiraum<br />
gewährt. Dies betrifft sowohl die individuelle<br />
Planung des Arbeitstages als auch<br />
eine größere Flexibilität bei Lebensarbeitszeitmodellen<br />
und betrieblichen Auszeiten.<br />
Diese digitalen Transformatoren,<br />
Foto: Nataliya Hora/fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
OSTDEUTSCHLAND | 25<br />
wie sie die Studie der Commerzbank betitelt,<br />
nutzen neue technologische Möglichkeiten,<br />
um Innovationen voranzutreiben<br />
und das eigene Geschäftsmodell zu<br />
hinterfragen. Für sie bedeutet die Digitalisierung<br />
zugleich auch einen fundamentalen<br />
kulturellen Wandel im Unternehmen.<br />
Doch ein Wermutstropfen bleibt: Gerade<br />
die Vorreiter des digitalen Wandels fühlen<br />
sich durch den anhaltenden Fachkräftemangel<br />
ausgebremst. Mit der Folge,<br />
dass beispielsweise neue Geschäftsideen<br />
nicht wie geplant umgesetzt werden<br />
können. Fazit der Commerzbank-Studie:<br />
Der Mittelstand steht in einem harten<br />
Wettbewerb um erfahrene Spezialisten<br />
– vor allem mit den großen Konzernen.<br />
Für kleinere Mittelständler bleibt daher<br />
nur die Option Quereinsteiger – ein stärkerer<br />
Rückgriff auf berufliche Wiedereinsteiger<br />
und Umschüler beispielsweise.<br />
Kritik herrscht vielerorts auch an mangelnder<br />
Unterstützung durch die Wirtschaftsförderung<br />
und fehlender Flexibilität<br />
und Kooperationsbereitschaft der<br />
öffentlichen Verwaltung. Auch der unzureichende<br />
Ausbau der Breitband- und<br />
Mobilfunknetze bleibt vielerorts ein Ärgernis<br />
für mittelständische Firmen.<br />
in der Kritik. Großer Nachholbedarf wird<br />
zum Beispiel bei der digitalen Infrastruktur<br />
gesehen.<br />
Brandenburg: Es mangelt<br />
an Fachkräften<br />
Bei der Digitalisierung hinkt der brandenburgische<br />
Mittelstand noch hinterher. Nur<br />
zehn Prozent der in der Umfrage befragten<br />
Unternehmen zählen zur Spitzengruppe<br />
digitaler Transformatoren. Die Region<br />
liegt damit unter dem bundesweiten<br />
Durchschnitt. Der Fachkräftemangel wirkt<br />
sich zudem spürbar aus. Jedes zweite Unternehmen<br />
bewertet auch die digitale Infrastruktur<br />
als nicht ausreichend.<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Nur<br />
wenige Unternehmen gehen voran<br />
Nur acht Prozent der Unternehmen zählen<br />
zur Spitzengruppe digitaler Transformatoren.<br />
Damit liegt das Land an der Ostseeküste<br />
deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt.<br />
Starke Kritik wird an den Rahmenbedingungen<br />
geübt. Überdurchschnittlich<br />
großer Nachholbedarf besteht in der ländlichen<br />
Region bei der digitalen Infrastruktur.<br />
DIGITALE TRANSFORMATOREN<br />
Wie viele Unternehmen setzen stark auf die Digitalisierung?<br />
Sachsen-Anhalt: Kein Zuwachs<br />
bei Arbeitsplätzen<br />
In Sachsen-Anhalt rechnen die Unternehmen<br />
vergleichsweise selten mit einer<br />
wachsenden Belegschaft durch die Digitalisierung.<br />
Immerhin aber 33 Prozent der<br />
Unternehmen machen sich mittelfristig<br />
auf einen wachsenden Personalbestand<br />
gefasst. Die Qualität der Bildungslandschaft<br />
wird mit 31 Prozent überdurchschnittlich<br />
häufig bemängelt. Die digitale<br />
Infrastruktur ist für die Hälfte der Unternehmen<br />
besonders unzureichend.<br />
Thüringen: Zurückhaltung bei<br />
der Digitalisierung<br />
Lediglich neun Prozent der Unternehmen<br />
aus Thüringen zeigen deutlich mehr Engagement<br />
in der digitalen Transformation<br />
als durchschnittliche Unternehmen. Der<br />
thüringische Mittelstand setzt vor allem<br />
auf Prozess-Optimierung und nutzt die<br />
Potenziale neuer digitaler Technologien,<br />
um die betrieblichen Abläufe besser zu<br />
steuern und um die bestehenden Produkte<br />
und Dienstleistungen zu verbessern.<br />
<br />
W+M<br />
Quelle Schaubild: Initiative Unternehmerperspektiven, Commerzbank AG<br />
Berlin: Trendsetter der Digitalisierung<br />
in Deutschland<br />
Die Berliner Wirtschaft setzt in besonderem<br />
Maße auf Digitalisierung. Der Anteil<br />
von digitalen Transformatoren liegt in<br />
Berlin mit 21 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.<br />
Die Verwaltungs- und Bildungsstrukturen<br />
in der Hauptstadt werden<br />
allerdings vergleichsweise schlecht<br />
bewertet: 45 Prozent der Berliner Unternehmen<br />
bemängeln beispielsweise die<br />
fehlende Unterstützungsbereitschaft des<br />
Verwaltungsapparats.<br />
Sachsen: Nachholbedarf bei<br />
der Infrastruktur<br />
Der sächsische Mittelstand begegnet<br />
dem digitalen Wandel eher zurückhaltend.<br />
Die Entwicklung neuer Produkte<br />
und Dienstleistungen steht nicht im<br />
Mittelpunkt der Digitalisierungsstrategien.<br />
Die regionalen Rahmenbedingungen<br />
stehen überdurchschnittlich häufig<br />
Berlin<br />
Baden-Württemberg<br />
Bayern<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Sachsen<br />
Hessen<br />
Rheinland-Pfalz und Saarland<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Hamburg<br />
Niedersachsen und Bremen<br />
Schleswig-Holstein<br />
Brandenburg<br />
Thüringen<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
8 %<br />
9 %<br />
10 %<br />
12%<br />
14%<br />
14%<br />
16%<br />
21%<br />
21%<br />
20%<br />
19%<br />
19%<br />
18%<br />
18%<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
26 | W+M LÄNDEREPORT<br />
Stahlgießerei in der sächsischen Eisenwerk Erla GmbH, wo Spezialprodukte<br />
für die internationale Automobilindustrie gefertigt werden.<br />
Wo der Stahl<br />
gehärtet wird<br />
Die ostdeutsche Stahlindustrie ist technologisch und qualitativ<br />
gut aufgestellt. Sie bringt wieder zehntausende in Lohn und Brot,<br />
leidet aber unter den chinesischen Dumpingpreisen am Weltmarkt.<br />
Unberührt davon sind indes Spezialverarbeiter von Edelstahl<br />
und Sonderlegierungen, wie die SPS Schiekel Präzisionssysteme<br />
GmbH im sächsischen Dohna bei Dresden, die <strong>2016</strong> dank guter<br />
Auftragslage ihre Belegschaft um fast ein Zehntel aufstocken will.<br />
Von Harald Lachmann<br />
Dieses Jahr wollen Peter und Gert<br />
Schiekel sie endlich knacken – die<br />
Zehn-Millionen-Umsatzmarke. Darauf<br />
waren auch die erhöhten Absatzaktivitäten<br />
ihrer SPS Schiekel Präzisionssysteme<br />
GmbH im zweiten Halbjahr 2015<br />
ausgerichtet. So stellte man am Bodensee<br />
einen neuen Vertriebsprofi ein, der<br />
vor allem den Schweizer Markt bearbeiten<br />
solle, so Dr.-Ing. Peter Schiekel, der<br />
den kaufmännischen Part im 1992 gegründeten<br />
Familienunternehmen vertritt.<br />
Denn von den gut 100 Stammkunden für<br />
ihre hochpräzisen Dreh- und Fräskomponenten<br />
aus rostfreiem Edelstahl, Titan<br />
oder Nickel-Sonderlegierungen entfallen<br />
auf das Hochpreisland nur zwölf Prozent.<br />
Auch die Messeauftritte von SPS in<br />
Frankfurt und Basel brachten Resonanz.<br />
„Die Auftragsbücher sind mit 1,6 Millionen<br />
Euro gut gefüllt“, freut sich Schiekel.<br />
Da die alte Lagerhalle aus allen Nähten<br />
platzt, entstehe gerade eine neue.<br />
Während die hiesige Stahlindustrie wegen<br />
des starken Drucks aus China schwächelt<br />
und gerade die Edelstahlerzeugung<br />
in Deutschland seit Jahren rückläufig ist,<br />
herrscht bei den Weiterverarbeitern Optimismus.<br />
So plant man bei SPS, die Belegschaft<br />
von derzeit 111 Mitarbeitern<br />
um weitere zehn Fräser und Dreher aufzustocken.<br />
Zudem bildet das Unternehmen<br />
im Moment vier Lehrlinge aus. Und<br />
da der Fachkräftemarkt in Ostsachsen<br />
inzwischen leergefegt scheint, stellten<br />
Schiekels bereits 14 spanische Facharbeiter<br />
ein. Daneben arbeiten in Dohna Metallspezialisten<br />
aus Polen, Russland, der<br />
Slowakei und Ungarn.<br />
Denn ein wichtiges Prinzip der Brüder<br />
lautet: „Sich nie auf eine einzelne Branche<br />
verlassen, so gut es dort im Moment<br />
auch laufen mag.“ So spannt sich der<br />
Kundenkreis für ihre Edelstahlkomponenten<br />
von der Biotechnologie bis zur Sensortechnik,<br />
von der Chemie- und Pharmaindustrie<br />
bis zur Medizintechnik, vom Lebensmittel-<br />
und Getränkemaschinenbau<br />
bis zu Industriebauten, Gasdruckanlagen,<br />
Luft- und Raumfahrt. „Eine Branche läuft<br />
immer“, schmunzelt Peter Schiekel. Der<br />
eine Industriebereich leide gerade un-<br />
Foto: Harald Lachmann<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
OSTDEUTSCHLAND | 27<br />
Fotos: Harald Lachmann<br />
ter dem schwachen Ölpreis, ein anderer<br />
sei völlig unberührt davon. Und wo sich<br />
SPS erst als Lieferant etabliert habe, lasse<br />
der Kunde diese Verbindungen auch<br />
nicht wieder abreißen, freut sich der Unternehmer.<br />
Dafür sorge schon ihr ausgefeiltes<br />
Qualitätssicherungssystem.<br />
Doch an den Walzstraßen und Fertigungslinien<br />
sieht es weniger rosig aus.<br />
Angespannt ist die Situation wegen chinesischer<br />
Dumpingprodukte auch in Freital,<br />
wo gut 600 Mitarbeiter Edelstahl produzieren.<br />
Dabei gab es hier in den letzten<br />
Jahren eine gute Aufwärtsentwicklung,<br />
nachdem die BGH-Holding – das<br />
Kürzel steht für Boschgotthardshütte –<br />
sogar den Hauptsitz ihrer Tochter BGH<br />
Edelstahl aus Nordrhein-Westfalen nach<br />
Sachsen verlegt hatte. So arbeitet hier<br />
heute der größte Konzernstandort. Herzstück<br />
der Umformung bilden eine durch<br />
massive Investitionen erneuerte, kombinierte<br />
Stabstahl-Draht-Straße sowie<br />
eine ebenfalls modernisierte Block-Grob-<br />
Straße. Der Elektrolichtbogenofen, der<br />
im Stahlwerk die neue Horizontalstranggussanlage<br />
versorgt, gilt sogar weltweit<br />
als einer der modernsten.<br />
Auch bei den Elbe-Stahlwerken Feralpi<br />
GmbH in Riesa nahmen zuletzt die Sorgen<br />
wegen der Lage am Weltstahlmarkt<br />
zu. Rund 580 Beschäftige walzen hier vor<br />
allem Betonstahl, also stählerne Geflechte<br />
für Betondecken im Hausbau. So waren<br />
auch einige Riesaer dabei, als der europäische<br />
Stahlverband Eurofer unlängst<br />
eine Großdemonstration in Brüssel veranstaltete.<br />
Ziel war es, den Entscheidern<br />
der EU klarzumachen, dass ohne<br />
Schutzzölle gegen China-Ware allein in<br />
Deutschland zehntausend Arbeitsplätze<br />
gefährdet sind. Denn da die chinesischen<br />
Stahlhersteller mehr produzieren, als das<br />
Land braucht, exportieren diese den Rohstoff<br />
noch unter den Herstellungskosten.<br />
So räumt der Riesaer Feralpi-Werksleiter<br />
Frank Jürgen Schaefer ein: Die momentane<br />
Stahlkrise gehe „nicht spurlos“<br />
an ihnen vorbei. Da jedoch Betonstähle<br />
für deutsche Baustellen auch deutschen<br />
Baunormen entsprechen müssen, treffe<br />
sie diese Misere zum Glück „noch nicht<br />
in der vollen Härte“.<br />
Doch nach und nach<br />
wird auch chinesischer<br />
Stahl deutschen<br />
Standards<br />
entsprechen, weiß<br />
man an den ostdeutschen<br />
Stahlstandorten.<br />
Deshalb verabschiedeten<br />
unlängst Vertreter<br />
der Wirtschaftsministerien<br />
Brandenburgs, Sachsens<br />
und Thüringens sowie der IG Metall eine<br />
gemeinsame Erklärung, in der sie die Politik<br />
eindringlich zum Handeln gegen diese<br />
Schieflagen mahnen. Immerhin werden<br />
allein in diesen drei Ländern 6,2 Millionen<br />
Tonnen Rohstahl erzeugt – rund 14<br />
Prozent der gesamtdeutschen Produktion.<br />
Zudem sei die ostdeutsche Stahlindustrie<br />
heute „technologisch und qualitativ hervorragend<br />
aufgestellt“, heißt es in dem Papier.<br />
Sie beschäftige 8.200 Menschen direkt<br />
und verantworte damit bundesweit<br />
rund 53.300 Arbeitsplätze.<br />
Dabei gab es in letzter Zeit bereits herbe<br />
Einschnitte. So etwa im sächsischen Gröditz,<br />
wo erst Mitte 2015 die Stahlguss Gröditz<br />
GmbH dicht gemacht wurde. Im Gegenzug<br />
investierte aber deren Eigentümer,<br />
die Georgsmarienhütte Holding GmbH<br />
in Hamburg, in das nebenan gelegene<br />
Schwesterunternehmen: die Schmiedewerke<br />
Gröditz GmbH. Hier entstehen<br />
Freiformschmiede stücke und Ringwalzerzeugnisse,<br />
wobei<br />
den Stahl hierfür ein<br />
angegliedertes Elektrostahlwerk<br />
liefert. Somit<br />
ist man weniger vom<br />
Weltmarkt abhängig.<br />
Auch die Stahlbranche in Sachsen-Anhalt<br />
beschäftigt in insgesamt 37 Betrieben<br />
knapp 7.200 Mitarbeiter, die in der<br />
Summe einen Umsatz von 3,18 Milliarden<br />
Euro generieren. So arbeiten im Land drei<br />
Stahlgießereien, während acht Betriebe<br />
auf die Herstellung von Stahlrohren spezialisiert<br />
sind. Zu den Schwergewichten<br />
gehören hierbei die Ilsenburger Grobblech<br />
GmbH mit 750 Beschäftigten, die KSM<br />
Castings Group GmbH in Wernigerode,<br />
die 350 Mitarbeiter zählt, sowie Walzengießerei<br />
& Hartgusswerk Quedlinburg mit<br />
130 Menschen in Lohn und Brot.<br />
Im Stahlwerk Thüringen, das mit seinem<br />
Sitz in Unterwellenborn auf die einstige<br />
Maxhütte fußt, finden knapp 700 Beschäftigte<br />
Arbeit. Das Traditionsunternehmen,<br />
das zu einem brasilianischen Stahlkonzern<br />
gehört, fertigt eine sehr breite Palette von<br />
über 200 verschiedenen Formstahl-Profilen<br />
nach nationalen und internationalen<br />
Normen.<br />
W+M<br />
Fräsanlage bei der SPS Schiekel Präzisionssysteme GmbH im sächsischen Dohna, hier<br />
Metallfachmann Wolfgang Reitz.<br />
Familienunternehmer<br />
Peter Schiekel.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
28 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Albrecht Gehse bei der Arbeit am Zyklus „Aufruhr“ in seinem Atelier.<br />
Mit der Pranke des Löwen<br />
Der in Borsdorf bei Leipzig geborene und in Berlin arbeitende Maler<br />
Albrecht Gehse ist längst mehr als ein Geheimtipp bei Kunstkennern<br />
und Sammlern. Deutschlandweit bekannt wurde er im Jahr 2003<br />
mit dem Porträt von Altkanzler Helmut Kohl für die Ahnengalerie im<br />
Bundeskanzleramt. Der 60 Jahre alte Künstler ist ein konsequenter<br />
Selfmademan – er arbeitet ohne Galerist und vermarktet sich<br />
selbst. Aktuell zeigt Gehse im Gasometer in Berlin-Schöneberg<br />
eine Ausstellung, die bei der Fachwelt für Furore sorgt und täglich<br />
hunderte Besucher anzieht: ein monumentaler Zyklus unter dem<br />
Motto „Aufruhr – 50 Bilder über die Welt“. Von Karsten Hintzmann<br />
Für Journalisten ist es nicht einfach,<br />
mit Albrecht Gehse ein klassisches<br />
Interview zu führen. Nach dem Muster:<br />
eine Frage, eine Antwort. Der energiegeladene<br />
Sachse kommt nach einem<br />
oder zwei Sätzen direkt und ohne Luft zu<br />
holen auf andere Themen zu sprechen. Die<br />
im Raum stehende Frage bleibt zunächst<br />
unbeantwortet. So ist der Künstler Gehse<br />
– er lässt sich nicht gern in ein Korsett<br />
stecken. Das gibt er auch unumwunden<br />
zu: „Ich bin den Menschen zwar sehr zugewandt,<br />
aber bei den Dingen, die meine<br />
Arbeit betreffen, bin ich recht eigenwillig<br />
und eher ein Einzelgänger.“<br />
Das ist wohl auch der Grund dafür, warum<br />
Gehse ohne Galerist arbeitet. Über<br />
sein künstlerisches Schaffen hinaus ist<br />
er somit komplett dafür verantwortlich,<br />
sein Werk selbst zu „versilbern“. Er ist<br />
Künstler und Unternehmer in Personalunion.<br />
Eine erfolgreiche Symbiose, die<br />
seit nunmehr 35 Jahren funktioniert.<br />
Nach seinem Studium an der Hochschule<br />
für Buchkunst und Grafik, wo er im<br />
Fach Malerei Schüler bei Bernhard Heisig<br />
(Leipziger Schule) war, startete Gehse<br />
1981 seine Karriere als freiberuflicher<br />
Maler. In der DDR war das ein eher ungewöhnlicher<br />
Berufsweg. Gehse: „Aber<br />
ich konnte mich nicht beklagen, auch<br />
wenn es damals im Osten keinen direkten<br />
Kunstmarkt gab, hatte ich von Beginn<br />
an Aufträge und Erfolg. Ich war so etwas<br />
wie ein Senkrechtstarter.“<br />
Der Erfolg basiert bei Gehse auf einer besonders<br />
ergiebigen Mischung aus Talent<br />
und künstlerischer Rastlosigkeit. Das Talent<br />
wurde ihm gleich mehrfach in die<br />
Wiege gelegt, schließlich stammt er aus<br />
einer Künstlerfamilie mit langer Tradition.<br />
Zu seinen Vorfahren zählen beispielsweise<br />
Jacob Grimm (Gebrüder Grimm), Urgroßvater<br />
Paul Haustein (Jugendstilkünstler)<br />
und Großvater Ludwig G’schrey (Maler).<br />
Die Tatsache, dass zur Verwandtschaftslinie<br />
auch die Widerstandskämpfer Dietrich<br />
Bonhoeffer und Rüdiger Schleicher (beide<br />
wurden 1945 von den Nazis hingerichtet)<br />
zählen, ist möglicherweise ein Grund dafür,<br />
dass sich Gehse in seinem aktuellen<br />
Monumentalzyklus so intensiv mit der Entwicklung<br />
der Welt und der Menschheitsgeschichte<br />
auseinandergesetzt hat.<br />
Eine Frage muss Gehse immer wieder<br />
beantworten: Wie kam es eigentlich,<br />
dass er das Porträt von Helmut Kohl ma-<br />
Foto: Albrecht Gehse<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
BERLIN | 29<br />
Für Gehse selbst sind der Zyklus und die<br />
überaus erfolgreiche Berliner Ausstellung<br />
„der Höhepunkt und Abschluss seines<br />
bisherigen Schaffens“. Voller Energie bereitet<br />
er schon den nächsten Bilderzyklus<br />
vor. In welche Richtung es dabei gehen<br />
wird, lässt er offen: „In das Projekt<br />
werde ich sowohl meine altmeisterlichen<br />
als auch meine expressiven Fähigkeiten<br />
einbringen. Es wird eine große Überraschung<br />
werden – auch für mich.“<br />
Das Gasometer in Berlin-Schöneberg bietet den faszinierenden Rahmen für die Ausstellung des<br />
Malers Albrecht Gehse.<br />
len durfte? „Es gab damals viele Bewerber.<br />
Jeder Kanzler sucht sich seinen Maler<br />
persönlich aus. Helmut Kohl kannte<br />
meine Bilder aus DDR-Zeiten und meine<br />
Werke aus den 90er Jahren. Er hatte die<br />
Hoffnung, dass ich ihn als Menschen begreife<br />
und auf die Leinwand bringe – unabhängig<br />
von politischen Positionen und<br />
Anschauungen“, erinnert sich Gehse. Details<br />
aus den Treffen mit dem Altkanzler<br />
verrät Gehse nicht, stillose Indiskretionen<br />
sind seine Sache nicht. Nur so viel: „Unsere<br />
Begegnungen waren offenbar auch<br />
für ihn schöne Stunden. Er hat in jener<br />
Zeit selten so viel gelacht, wie in meinem<br />
Atelier. Das hat Kohl ausdrücklich<br />
in seiner Rede bei der offiziellen Vorstellung<br />
des Porträts in der Neuen Nationalgalerie<br />
hervorgehoben.“<br />
Es fällt schwer, die Bilder zu beschreiben.<br />
Man trifft auf Messerstecher, Monster,<br />
Henker, Hitler, Putin, Merkel, Kennedy,<br />
Honecker und die Apokalypse. Geschichte<br />
wird nicht geradlinig erzählt, die Geschichte<br />
mehrerer Epochen verschmilzt in<br />
den Werken förmlich. Am besten bringt es<br />
wohl der renommierte Historiker Christoph<br />
Stölzl, „mein kunstgeschichtlicher Begleiter“<br />
(Zitat Gehse), auf den Punkt. Im Katalog<br />
zur Ausstellung schreibt er, Gehse sei<br />
„ein großer Einzelgänger mit einem Werk,<br />
das fernab irgendeiner Schule, irgendeiner<br />
definierbaren Kunstszene entsteht (…).<br />
Hier malt einer mit der Pranke des Löwen“.<br />
Klar ist indes, wohin die Reise des Kunst-<br />
Unternehmers Gehse geht. Er will seinen<br />
deutschen Sammlerstamm pflegen<br />
und ausbauen und dazu mit seinen Werken<br />
den Schritt ins Ausland wagen. Das<br />
sollte klappen, denn die Marke Albrecht<br />
Gehse hat durch den Bilderzyklus „Aufruhr“<br />
weiter an Wert gewonnen. W+M<br />
AUSSTELLUNG „AUFRUHR“<br />
Gasometer Berlin-Schöneberg<br />
Torgauer Straße 12 – 15<br />
Di – So 13:00 – 19:00 Uhr<br />
Ausstellung läuft bis zum 10. Juli <strong>2016</strong>.<br />
KATALOG ZUR AUSSTELLUNG<br />
Hirmer Verlag, München,<br />
ISBN 978-3-7774-2642-6,<br />
39,90 Euro<br />
Fotos: W+M (oben), Albrecht Gehse (unten)<br />
Drei Jahre nach dem Altkanzler-Porträt<br />
begann Gehse mit der Arbeit an dem<br />
Bilderzyklus „Aufruhr“. Das wäre nicht<br />
möglich gewesen, hätte sich Gehse zuvor<br />
nicht auch unternehmerisch erfolgreich<br />
um die Geschäfte gekümmert. Gehse:<br />
„Ich hatte damals bereits eine Marke geschaffen<br />
– die Marke Albrecht Gehse. Der<br />
bis dahin aufgebaute Stamm von Sammlern<br />
und starken Unterstützern ermöglichte<br />
es mir erst, mich neun Jahre lang mit<br />
dem Zyklus zu beschäftigen.“ Entstanden<br />
ist ein Gesamtwerk, zu dem 52 großformatige<br />
Bilder (bis zu drei mal vier Meter)<br />
zählen. Ein teils atemberaubendes,<br />
teils verstörendes „Welttheater“, das im<br />
Schöneberger Gasometer in Berlin, einem<br />
78 Meter hohen Industriedenkmal, einen<br />
perfekten Aufführungsort gefunden hat.<br />
„Urteil in der Fischerhütte“ – der Maler, bewaffnet mit Stichmesser und Rührkelle, hat einen<br />
Höllensud angerichtet. Assistiert wird ihm vom Höchsten Richter mit der Strafprozessordnung.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
30 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Pellets-Pleite und<br />
geprellte Anleger<br />
Die Pellets-Produktion auf dem Markt<br />
der Erneuerbaren Energien schien zum<br />
Selbstläufer zu werden. Doch schon damals<br />
geriet das Unternehmen unter Zugzwang.<br />
Um die im Wismarer Werk installierte<br />
Produktionskapazität von circa<br />
256.000 Tonnen auszulasten, mussten<br />
rasch ausländische Märkte erschlossen<br />
werden. Denn in ganz Deutschland wurden<br />
im Jahr 2008 lediglich 900.000 Tonnen<br />
Holzpellets verbraucht. Zuletzt erreichte<br />
die Jahresmenge 2014 und 2015<br />
jeweils rund 1,8 Millionen Tonnen. Der<br />
geschäftsführende Gesellschafter Leibold<br />
schlug einen rasanten und kapitalintensiven<br />
Expansionskurs ein. Es wurden<br />
Konkurrenten in Deutschland und Österreich<br />
übernommen und neue Firmen in<br />
Italien und den USA gegründet. Auf diese<br />
Weise wurde für viel Geld auch Umsatz<br />
hinzugekauft. Laut German Pellets<br />
gelangen 2011 und 2012 Umsatzsprünge<br />
von plus 121 beziehungsweise 233<br />
Millionen Euro. 2014 belief sich der Umsatz<br />
der Gruppe auf 593 Millionen Euro.<br />
Binnen eines Jahrzehnts ist die in Wismar ansässige German Pellets<br />
GmbH zum weltgrößten Hersteller von Holzpellets aufgestiegen.<br />
Doch die Erfolgsgeschichte hat in diesem Jahr ein jähes Ende<br />
gefunden. Hemmungsloses Expansionsstreben führte das<br />
Unternehmen in die Insolvenz.<br />
Von Thomas Schwandt<br />
Das Geschäft mit<br />
umweltschonenden<br />
Holzpellets lief lange Zeit gut,<br />
doch German Pellets häufte dabei<br />
einen riesigen Schuldenberg an.<br />
Die zum Wismarer Holzcluster zählende<br />
German Pellets GmbH galt<br />
viele Jahre als Vorzeigebetrieb.<br />
Aus dem Stand entwickelte sich der<br />
2005 auf dem hafennahen Gewerbegebiet<br />
Haffeld gegründete Hersteller von<br />
Holzpellets in der Folgezeit zum weltweiten<br />
Branchenführer. Zuletzt umfasste<br />
die Firmengruppe von German Pellets 27<br />
Tochterunternehmen, an denen die Muttergesellschaft<br />
überwiegend zu 100 Prozent<br />
beteiligt war. Das Geschäftsmodell<br />
von German Pellets wurde von der nachhaltigen<br />
Idee getragen, den fossilen Energieträgern<br />
Erdgas und Erdöl, die den Heizungsmarkt<br />
in Deutschland zu 75 Prozent<br />
dominieren, eine umweltschonende Alternative<br />
entgegenzusetzen. Holz wächst<br />
nach und erzeugt weniger CO 2<br />
-Ausstoß.<br />
Mit dem exorbitanten Anstieg des Erdölpreises<br />
auf über 100 Dollar pro Barrel<br />
(159 Liter) schien diese Rechnung von Firmengründer<br />
Peter Leibold aufzugehen.<br />
Der Unternehmer arbeitete zu Beginn seiner<br />
Karriere zunächst im Zeitungsverlagswesen<br />
und erlernte später in einem österreichischen<br />
Sägewerk-Imperium das<br />
Manager-ABC.<br />
Beeindruckende Geschäftszahlen, denen<br />
jedoch ein großer Makel anhaftete, wie<br />
sich zu Beginn dieses Jahres herausstellen<br />
sollte. Der Aufbau des Firmenimperiums<br />
und die Bilanz waren weitgehend auf<br />
Pump finanziert und German Pellets in einen<br />
gigantischen Schuldensumpf manövriert<br />
worden. Im Halbjahresbericht von<br />
2015 beliefen sich die Verbindlichkeiten<br />
bei Banken auf 65 Millionen Euro, bei Lieferungen<br />
und Leistungen auf rund 110<br />
Millionen Euro. Im Dezember 2015 musste<br />
die Produktion eingestellt werden, weil<br />
sich geprellte Lieferanten weigerten, German<br />
Pellets mit Holz zu versorgen. Da<br />
brannte die Hütte bereits lichterloh. Wenig<br />
später brach Leibolds Firmenkonglomerat<br />
zusammen wie ein ausgebrannter<br />
Dachstuhl. Am 10. Februar <strong>2016</strong> musste<br />
die German Pellets GmbH Insolvenz beantragen.<br />
Kurz darauf annoncierten vier<br />
Tochterfirmen ihre Zahlungsunfähigkeit.<br />
Diese Zahl stieg bis dato auf ein Drittel<br />
aller German-Pellets-Firmen.<br />
Mit Beginn der unternehmensinternen<br />
„Aufräumarbeiten“ durch Insolvenzverwalterin<br />
Bettina Schmudde entwickelte<br />
sich auf der finanziellen Ebene die German-Pellets-Pleite<br />
zu einem TV-reifen<br />
Wirtschaftskrimi. Beispielweise wurde<br />
zum 1. April <strong>2016</strong> eine erste Unternehmensanleihe<br />
fällig. Vor fünf Jahren war<br />
die mit 7,25 Prozent verzinste Anleihe<br />
mit einem Emissionserlös von 80 Millionen<br />
Euro am Kapitalmarkt platziert worden.<br />
Die Anleger werden ihr Kapital vermutlich<br />
nicht wiedersehen. Ebenso die<br />
anderen Käufer weiterer Anleihen und<br />
von Genussrechten. Alle Verbindlichkeiten<br />
aus derartigen Finanzgeschäften der<br />
Gruppe addieren sich auf 760 Millionen<br />
Euro. Davon entfielen im Fall des Totalverlustes<br />
270 Millionen Euro auf die drei<br />
German-Pellets-Anleihen aus den Jahren<br />
zwischen 2011 und 2014 und auf zusätzlich<br />
ausgegebene Genussrechte. Zudem<br />
müssen Anleger in den USA befürchten,<br />
Foto: German Pellets<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
MECKLENBURG-VORPOMMERN | 31<br />
Das German-Pellets-Stammwerk in Wismar<br />
firmiert künftig unter dem Namen Wismar<br />
Pellets.<br />
dass sich 546 Millionen US-Dollar (etwa<br />
490 Millionen Euro) in Luft auflösen, die<br />
sie in Anleihen für zwei Werke in Texas<br />
und Louisiana gesteckt haben.<br />
August 2015 genügt, um die Gefahr eines<br />
Totalverlustes erkennen zu können.<br />
Auf 15 Seiten werden alle denkbaren Risiken<br />
aufgezeigt. Es heißt unter anderem:<br />
„Aufgrund der vielfältigen Geschäftsbeziehungen<br />
zwischen Gesellschaften<br />
der German-Pellets-Gruppe und Gesellschaften<br />
außerhalb der German-Pellets-<br />
Gruppe, die von Herrn Leibold bzw. seiner<br />
Ehefrau gemanagt werden, könnte<br />
es zu Interessenkonflikten kommen. So<br />
könnten von German Pellets gewährte<br />
Darlehen gegebenenfalls nicht zurückgezahlt<br />
werden.“<br />
Peter Leibold hielt einen Anteil am German-Pellets-Stammkapital<br />
von 60 Prozent,<br />
Ehefrau Anna Kathrin Leibold die<br />
restlichen Geschäftsanteile von 40 Prozent.<br />
Sie ist zudem Chefin von sechs in<br />
den USA ansässigen Firmen, die nicht zur<br />
German-Pellets-Gruppe gehören. Bereits<br />
Mitte 2015 hatte es deutliche Warnungen<br />
in der Finanz-Fachpresse gegeben.<br />
So wies „AnlegerPlus“ im Juli auf „intrasparente<br />
Vorgänge“ und „eine hohe<br />
Verschuldung“ bei German Pellets hin.<br />
Am 1. Mai dieses Jahres ist das Insolvenzverfahren<br />
für die German Pellets<br />
GmbH eröffnet worden. Zuvor war es Insolvenzverwalterin<br />
Schmudde gelungen,<br />
die drei deutschen Produktionswerke zu<br />
verkaufen. Das Werk in Wismar ging an<br />
die US-Investmentgesellschaft Metropolitan<br />
Equity Partners (MEP). Die Amerikaner<br />
waren im Stammwerk bereits finanziell<br />
engagiert. Künftig firmiert das Unternehmen<br />
an der Ostsee unter Wismar<br />
Pellets. Für die zwei Betriebsstätten in<br />
Ettenheim und Herbrechtingen (Baden-<br />
Württemberg) erhielt die J. Rettenmaier<br />
& Söhne GmbH & Co. KG, ein Faserstoffhersteller<br />
aus dem baden-württembergischen<br />
Rosenberg, den Zuschlag. Die drei<br />
Pellets-Fabriken sollen weiter produzieren<br />
und die insgesamt 180 gewerblichen<br />
Jobs erhalten werden. Über einen zügigen<br />
Verkauf des insolventen Pellets-Werkes<br />
im sächsischen Torgau werde laut<br />
Schmudde intensiv verhandelt. W+M<br />
Fotos: Thomas Schwandt (oben), German Pellets (unten)<br />
In Zeiten niedrigster Zinsen bei konventionellen<br />
Spareinlagen verwundert es nicht,<br />
dass Anleger in Scharen – die Rede ist<br />
von mehr als 12.000 – die German-Pellets-Papiere<br />
kauften. Was konkret mit<br />
den Anleihe-Millionen geschehen ist,<br />
lässt sich in dem undurchsichtigen Firmengeflecht<br />
schwer nachvollziehen. Bekannt<br />
ist, dass German Pellets auch als<br />
Darlehensgeber für externe Firmen aufgetreten<br />
ist. Zum Beispiel reichte German<br />
Pellets an die angeschlagene Kago<br />
Wärmesysteme GmbH aus Bayern, deren<br />
Eigner Peter Leibold ist, einen Kredit<br />
in Höhe von 23,6 Millionen Euro aus.<br />
Kago meldete Anfang des Jahres <strong>2016</strong><br />
ebenfalls Insolvenz an.<br />
In diesem Geschäftsgebaren einen Interessenkonflikt<br />
zu sehen, bedarf keines<br />
großen ökonomischen Wissens. Den geleimten<br />
Anlegern hätte ein genauer Blick<br />
in das jüngste Verkaufsprospekt für Genussrechte<br />
von German Pellets vom 31.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
32 | W+M INTERNATIONAL<br />
Siebenbürgen –<br />
ein lange unterschätzter<br />
Partner<br />
Brasov in Siebenbürgen<br />
aus der Vogelperspektive.<br />
Mit vielversprechenden Ergebnissen kehrte eine ostdeutsche<br />
Unternehmerdelegation aus dem rumänischen Siebenbürgen zurück.<br />
Wirtschafts- und Ausbildungsvertreter aus Brandenburg, Thüringen,<br />
Sachsen-Anhalt und Sachsen zeigten sich überrascht davon, wie<br />
vielfältig die unternehmerischen Möglichkeiten sind, die sich<br />
ostdeutschen Mittelständlern in dem Balkanland inzwischen bieten.<br />
Von Matthias Krauß<br />
Transsilvanien – das bedeutet wörtlich<br />
übersetzt „hinter dem Wald“. Dass<br />
es aber keine Hinterwäldler sind, denen<br />
sie einen Besuch abstatteten, erfuhren<br />
die Teilnehmer der Delegation binnen<br />
dreier hoch interessanter und intensiv genutzter<br />
Tage in Zentralrumänien. Auf dem<br />
Programm standen Unternehmerbegegnungen<br />
beziehungsweise Kooperationsbörsen<br />
in Cluj-Napoca/Klausenburg, Targu<br />
Mures/Neumarkt und Brasov/Kronstadt.<br />
Die deutsche Delegation wurde von Germany<br />
Trade & Invest (GTAI), der Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />
der Bundesrepublik<br />
Deutschland, betreut. Die<br />
GTAI unterstützt als Gesellschaft für Außenwirtschaft<br />
und Standortmarketing seit<br />
Jahren Unternehmen aus den neuen Bundesländern<br />
(inklusive Berlin) bei der Erschließung<br />
ausländischer Märkte.<br />
In Rumänien selbst war<br />
die Unternehmerreise<br />
von der MANCOM<br />
CENTRU SRL vorbereitet<br />
worden,<br />
in Zusammenarbeit<br />
mit rumänischen<br />
Partnern<br />
aus Kommunalpolitik<br />
und Wirtschaft.<br />
MANCOM-<br />
Geschäftsführerin Birgit<br />
Schliewenz sprach im<br />
Anschluss von einem „Novum“. Alle Teilnehmer<br />
hätten in unterschiedlichen Graden<br />
bekundet, aussichtsreiche Ansatzpunkte<br />
für ein Engagement in oder mit<br />
Rumänien gefunden zu haben. Grundlage<br />
für die optimistische Einschätzung sei<br />
aber vor allem, dass sich auch Rumänien<br />
in den vergangenen zehn Jahren „gut entwickelt<br />
hat“. Im Jahr 2014 wuchsen die rumänischen<br />
Exporte nach Deutschland um<br />
10,9 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro, die<br />
deutschen Exporte nach Rumänien um elf<br />
Prozent auf 10,7 Milliarden Euro.<br />
GTAI-Direktor Peter Alltschekow.<br />
„Gute Gespräche“ hat es unter anderem<br />
für Silke Goerlich von CEBra – Centrum für<br />
Energietechnologie Brandenburg GmbH<br />
während der Rumänienreise gegeben.<br />
Das Unternehmen nutzt die Grundlagenforschung<br />
der Brandenburgischen Technischen<br />
Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg<br />
auf dem Gebiet Erneuerbarer Energien.<br />
Es bestehe durchaus die Möglichkeit,<br />
mit Hilfe von EU-Geldern in<br />
Rumänien beispielsweise die<br />
Energieumwandlung aus<br />
Biomasse voranzubringen<br />
und dort auch den Sinn<br />
der Menschen für diese<br />
neuen Technologien zu<br />
schärfen, sagte die Managerin<br />
nach immerhin einem<br />
Dutzend Kontaktgesprächen. Dr. Maik<br />
Veste vom selben Unternehmen geht davon<br />
aus, dass es schon „recht zeitnah“ zu<br />
konkreten Projekten kommen könne, welche<br />
in die Landwirtschaft integriert werden.<br />
Man müsse jetzt am Ball bleiben. Mit<br />
Blick auf das erlebte beachtliche Niveau<br />
merkte er an: „Beide Seiten können lernen.“<br />
Trotz eines gewissen „Blindflugs“<br />
bei der Gesprächspartnerwahl hatte es aus<br />
Sicht von Veste funktioniert: „Die richtigen<br />
Ansprechpartner waren am Tisch. Es sieht<br />
aus, als können wir zeitnah und zielgerichtet<br />
wichtige Projekte anschieben.“<br />
GTAI-Direktor Peter Alltschekow reagierte<br />
auf die verhaltene, aber erkennbare Sorge<br />
der Rumänen, Deutschland könne lediglich<br />
darauf bedacht sein, Wirtschaftskapazitäten<br />
und Fachkräfte abzuziehen. Vor allem<br />
gehe es um Kontakte, aus denen sich für<br />
beide Seiten eine Entwicklungsmöglichkeit<br />
ergeben, schließlich wolle man mit solchen<br />
Kontaktanbahnungen auch nicht erreichen,<br />
dass ostdeutsche Firmen ihr eigenes Land<br />
verlassen und gleichsam auswandern.<br />
Von besonderem Interesse für die Reiseteilnehmer<br />
waren die Hinweise der deutschen<br />
Wirtschaftsvertreter „vor Ort“. In allen<br />
drei besuchten Städten gab es die Gelegenheit,<br />
mit deutschsprachigen Firmenchefs<br />
zu reden, mit Menschen also, die<br />
zum Teil schon vor vielen Jahren in Rumänien<br />
Fuß gefasst haben. W+M<br />
Fotos: GTAI (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
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KÖ<br />
34 | W+M TITEL KLUGE KÖPFE<br />
KÖP F E<br />
K L UG E<br />
K L UGE<br />
KÖP F E<br />
Forschungslandschaft<br />
mit Leuchttürmen und Aufholbedarf<br />
Mit 30 Universitäten, 55 Fachhochschulen und fast 200<br />
außeruniversitären Forschungseinrichtungen verfügt Ostdeutschland<br />
über ein dicht gewebtes Netz an exzellenten wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen. Der mittelständisch strukturierten Wirtschaft fehlt<br />
es jedoch an ausreichenden Forschungsbudgets.<br />
Von Harald Lachmann und Matthias Salm<br />
Deutschlands größte Technische Universität<br />
sitzt in Dresden, hier das Bioinnovationszentrum<br />
am Campus Johannstadt.<br />
Großer Bahnhof mit Kanzlerin Angela<br />
Merkel zu Jahresbeginn in Halle:<br />
Die Fraunhofer-Gesellschaft investiert<br />
in der Saalestadt 13 Millionen Euro in<br />
ein Leistungszentrum Chemie und Biosystemtechnik.<br />
Die Fraunhofer-Gesellschaft,<br />
die in den neuen Bundesländern – ohne<br />
Berlin – 14 Institute mit 5.000 Mitarbeitern<br />
unterhält, lässt sich nicht ohne Grund<br />
an der Saale nieder. Reimund Neugebauer,<br />
Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft,<br />
lobte den Standort schon während der Planungen:<br />
„Seit über hundert Jahren ist die<br />
chemische Industrie in Mitteldeutschland<br />
fest verwurzelt. Es existiert eine außerordentliche<br />
Bandbreite an Exzellenz und Zusammenarbeit.“<br />
Nur ein Beispiel für den Erfindergeist der<br />
Region: Ein kombiniertes Mikro- und Nanoprägeverfahren,<br />
an dessen Entwicklung<br />
maßgeblich regionale Firmen wie die Polifilm<br />
Extrusion GmbH in Weißandt-Gölzau<br />
und die FilmoTec GmbH in Bitterfeld-Wolfen<br />
beteiligt waren. Mit dieser Technologie<br />
lässt sich die Oberfläche von Kunststoffen<br />
bis in den Mikro- und Nanometerbereich<br />
hinein exakt strukturieren. Damit erhöht<br />
sich etwa die Haftbarkeit von Klebern<br />
und Druckfarben auf Polyethylen-Folien.<br />
Grundlagen liefert das hallesche Fraunhofer-Institut<br />
für Mikrostruktur von Werkstoffen<br />
und Systemen IMWS in Halle/Saale.<br />
Gerade kleinere ostdeutsche Firmen benötigen<br />
solche externen Forschungspartner.<br />
Denn während in den Altbundesländern<br />
die Wirtschaft rund 2,2 Prozent ihres<br />
Bruttoinlandsproduktes in Forschung und<br />
Entwicklung (FuE) steckt, sind es im Osten<br />
nur 0,8 Prozent. Entsprechend ist hier<br />
die öffentliche FuE-Infrastruktur stärker als<br />
im Westen ausgebildet, um jene Lücken zu<br />
füllen, die die Abwesenheit forschungsintensiver<br />
Großindustrie in Ostdeutschland<br />
reißt. Zumal sich der nachlassende Innovationswille<br />
des kleineren Mittelstands laut<br />
Bundesforschungsministerium ohnehin zu<br />
einem gesamtdeutschen Problem ausgeweitet<br />
hat.<br />
Auch der aktuelle Bundesbericht Forschung<br />
und Innovation <strong>2016</strong> des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung belegt das<br />
Dilemma der ostdeutschen Forschungsbemühungen.<br />
Demzufolge entfallen zwei<br />
Drittel der Ausgaben und der Stellen in der<br />
Forschung auf die private Wirtschaft, insbesondere<br />
in der Automobilbranche, dem<br />
Maschinenbau und der Chemieindustrie.<br />
Hier fehlt es dem Osten an entsprechenden<br />
Forschungsabteilungen – der Staat muss<br />
einspringen. Wie etwa in Sachsen, wo die<br />
staatlichen FuE-Ausgaben mehr als 1,6 Prozent<br />
des BIP betragen, investiert die öffentliche<br />
Hand im Osten überdurchschnittlich.<br />
Der Aufholbedarf bleibt: Noch markiert<br />
etwa Sachsen-Anhalt das Schlusslicht bei<br />
der FuE-Intensität der Wirtschaft. Auch bei<br />
der Zahl der angemeldeten Patente hinken<br />
die Ost-Länder hinterher.<br />
Fotos: contrastwerkstatt/fotolia.com (oben), agsandrew/fotolia.com (Button), TU Dresden/ Eckold (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
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36 | W+M TITEL<br />
Dennoch glänzt gerade die öffentliche<br />
Forschungslandschaft im Osten an vielen<br />
Orten durch exzellente Spitzenforschung<br />
und erfolgreichen Wissenstransfer. Ein<br />
Überblick:<br />
Sachsen<br />
Sechs Institute der Wissenschaftsgemeinschaft<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz,<br />
zwei Helmholtz-Zentren, 14 Einrichtungen<br />
der Fraunhofer-Gesellschaft und sechs<br />
Institute der Max-Planck-Gesellschaft –<br />
Sachsen verfügt über eine beeindruckende<br />
Forschungsvielfalt. Hinzu gesellen sich<br />
die vier Hochschulen und fünf Fachhochschulen<br />
– allen voran Deutschlands größte<br />
Technische Universität in Dresden mit<br />
den Exzellenzclustern „Center for Advancing<br />
Electronics Dresden“ und „From<br />
Cells to Tissues to Therapies“.<br />
FORSCHUNG IN SACHSEN<br />
Anteil der FuE-Ausgaben (in 2013) ...<br />
... am BIP 2,74 %<br />
... des Sektors „Staat und private Institutionen<br />
ohne Erwerbszweck“ am BIP<br />
0,81 %<br />
... des Sektors Hochschulen am BIP 0,82 %<br />
... des Sektors Wirtschaft am BIP 1,11 %<br />
Patentanmeldungen je eine Million Einwohner 239<br />
Mit rund 300 Unternehmen und Forschungsinstituten<br />
ist zudem Silicon Saxony<br />
der größte Branchenverband der Halbleiter-,<br />
Elektronik- und Mikroelektronik-Industrie<br />
Europas. Der Freistaat reüssiert<br />
auch mit einer der dichtesten Biotech-<br />
Forschungsszenen in Deutschland und<br />
rangiert unter den Top fünf der deutschen<br />
Biotechnologie-Regionen mit mehr als 30<br />
universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.<br />
Weitere Schwerpunkte der sächsischen<br />
Spitzenforschung sind die Nanotechnologie,<br />
der Maschinen- und Fahrzeugbau,<br />
die Material- und Werkstoffwissenschaften,<br />
die Medizin und Medizintechnik, die<br />
Neurowissenschaften sowie die Umweltforschung.<br />
Einen interessanten Weg gehen sächsische<br />
Firmen beispielsweise auf dem Feld<br />
Die Firma IFA Rotorion kooperiert mit der Wissenschaft.<br />
der organischen Elektronik, also bei organischen<br />
Materialien mit halbleitenden<br />
Eigenschaften. Einige<br />
dieser 40 Betriebe<br />
entstanden als Ausgründungen<br />
aus sächsischen<br />
Universitäten.<br />
Das betrifft etwa die<br />
Dresdener Novaled<br />
GmbH, die sich heute<br />
international führend<br />
bei Technologien zur<br />
Herstellung organischer<br />
Leuchtdioden<br />
(OLED) präsentiert, oder auch die Dresdner<br />
Heliatek GmbH. Sie genießt ebenfalls<br />
den Ruf eines weltweiten Technologieführers<br />
in der organischen Photovoltaik<br />
(OPV).<br />
In Chemnitz etablierte sich unter dem<br />
Stichwort „Merge“ das deutschlandweit<br />
einzige Bundesexzellenzcluster<br />
zur Leichtbauforschung.<br />
Angesiedelt<br />
ist es an der<br />
Technischen Universität<br />
der Stadt, doch beteiligen<br />
sich auch 250<br />
kleine und mittelständische<br />
Unternehmen<br />
(KMU) rund um den<br />
Clusterkern Chemnitz.<br />
FORSCHUNG IN THÜRINGEN<br />
Thüringen<br />
In Thüringen haben sich neben den neun<br />
staatlichen Hochschulen außeruniversitäre<br />
Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Institute<br />
für Angewandte Optik und<br />
Feinmechanik in Jena oder für Keramische<br />
Technologien und Systeme in Hermsdorf<br />
angesiedelt. Einen wichtigen Kristallisationspunkt<br />
bildet der Wissenschaftscampus<br />
Beutenberg in Jena. Hier befinden sich<br />
neun Institute, unter anderem der Leibniz-<br />
Gemeinschaft sowie der Max-Planck- und<br />
Fraunhofer-Gesellschaft.<br />
Die Thüringer Forschungsschwerpunkte<br />
liegen unter anderem in der Gesundheitsforschung<br />
und Medizintechnik, in der Mikrobiologie<br />
und Biotechnologie, den optischen<br />
Technologien, den Mikro- und Nanotechnologien,<br />
der Mikroelektronik sowie<br />
den Informations- und Kommunikationstechnologien.<br />
Anteil der FuE-Ausgaben (in 2013) ...<br />
... am BIP 2,20 %<br />
... des Sektors „Staat und private Institutionen<br />
ohne Erwerbszweck“ am BIP<br />
0,52 %<br />
... des Sektors Hochschulen am BIP 0,64 %<br />
... des Sektors Wirtschaft am BIP 1,04 %<br />
Patentanmeldungen je eine Million Einwohner 248<br />
Foto: IFA Rotorion, Quelle Schaubilder: Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
KLUGE KÖPFE | 37<br />
Foto: IMG/Ralf Lehmann, Quelle Schaubilder: Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
FORSCHUNG IN SACHSEN-ANHALT<br />
Anteil der FuE-Ausgaben (in 2013) ...<br />
... am BIP 1,43 %<br />
... des Sektors „Staat und private Institutionen<br />
ohne Erwerbszweck“ am BIP<br />
... des Sektors Hochschulen am BIP 0,51 %<br />
... des Sektors Wirtschaft am BIP 0,42 %<br />
Patentanmeldungen je eine Million Einwohner 102<br />
In Jena etwa widmen sich Unternehmen<br />
und Wissenschaftler in der Leichtbauforschung<br />
Verbundstoffen auf Carbonfaser-<br />
Basis, wie sie im Flugzeug- und Fahrzeugbau<br />
immer stärker an Bedeutung gewinnen.<br />
Allerdings ist ihre Produktion bisher<br />
sehr aufwendig, da das Aushärten der Materialien<br />
viel Zeit in Anspruch nimmt. So ersannen<br />
Materialwissenschaftler der Universität<br />
Jena zusammen mit Ingenieuren<br />
der Firma Schmuhl Faserverbundtechnik<br />
GmbH in Liebschütz bei Saalfeld ein neues<br />
Verfahren, das basierend auf der Mikrowellentechnik<br />
diesen Aushärtungsprozess<br />
deutlich beschleunigt – von bis zu zwölf<br />
Der Forschungscampus STIMULATE lockt<br />
auch mittelständische Medizintechnik-<br />
Unternehmen nach Magdeburg.<br />
Stunden auf annähernd<br />
noch eine Stunde.<br />
Auch in das Verbundprojekt<br />
„Pneumonie<br />
0,50 % bei Immunsuppression“<br />
des Jenaer Forschungscampus<br />
InfectoGnostics,<br />
waren<br />
zwei Industrieunternehmen<br />
der Stadt eingebunden:<br />
die Alere Technologies GmbH<br />
und die Analytik Jena AG. Ziel der Forschungen<br />
war ein neues Schnelldiagnostik-Verfahren<br />
bei vermuteter Lungenentzündung.<br />
Sachsen-Anhalt<br />
In Sachsen-Anhalt sind 22 Forschungseinrichtungen<br />
beheimatet – im Einzelnen sind<br />
dies sieben staatliche Hochschulen, fünf<br />
Fraunhofer-Einrichtungen, fünf Leibniz-<br />
Institute, drei Max-Planck-Institute, zwei<br />
Standorte des Helmholtz-Zentrums für<br />
Umweltforschung, ein Standort des Deutschen<br />
Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen<br />
(DZNE) und schließlich eine<br />
Außenstelle des Robert-Koch-Instituts.<br />
An Elbe und Saale setzt die Landespolitik<br />
auf die Forschungsschwerpunkte Neurowissenschaften,<br />
Biosystem- und Verfahrenstechnik,<br />
Materialwissenschaften und<br />
Biowissenschaften sowie die ingenieurwissenschaftlichen<br />
Bereiche Automotive<br />
und Medizintechnik.<br />
Ein Highlight ist beispielsweise der Forschungscampus<br />
STIMULATE in Magdeburg.<br />
Hier entwickeln interdisziplinäre<br />
Teams bildgeführte minimal-invasive Diagnose-<br />
und Therapiemethoden in verschiedenen<br />
Krankheitsbildern und locken damit<br />
auch Medizintechnik-Unternehmen in die<br />
Landeshauptstadt.<br />
Ein weiteres Beispiel<br />
für erfolgreichen Wissenstransfer:<br />
Zu den<br />
Preisträgern des von<br />
der IHK Magdeburg<br />
jährlich ausgelobten<br />
Forschungspreises<br />
gehörte 2015 Dr. David<br />
Schmicker von der<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.<br />
Für seine Promotion, die einen neuartigen<br />
Ansatz zur numerischen Simulation<br />
des Rotationsreibschweißprozesses<br />
behandelt, hatte er sich gleich drei Industriepartner<br />
mit ins Boot geholt – die Reibschweißmaschinenbauer<br />
der H&B Omega<br />
Europa GmbH in Sülzetal, die auf Prozessentwicklung<br />
und -validierung geeichte<br />
InKRAFT GmbH aus Magdeburg und<br />
die Haldenslebener IFA Rotorion Holding<br />
als Anwender.<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Die Helmholtz-Gemeinschaft betreibt in<br />
Neustrelitz das Deutsche Zentrum für<br />
Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) sowie das<br />
Space Weather Application Center - Ionosphere<br />
(SWACI). In der Fusionsanlage Wendelstein<br />
7-X im Max-Planck-Institut für<br />
Plasmaphysik (IPP) in Greifswald wurde<br />
im Februar das erste Wasserstoff-Plasma<br />
erzeugt. Auch die Ernst-Moritz-Arndt-Universität<br />
Greifswald erwarb sich vor allem<br />
in der Fusionsforschung und Plasmaphysik<br />
und in der funktionellen Genomforschung<br />
einen Namen. An der Universität Rostock<br />
wird an Robotern für das Wirkstoff-Screening<br />
und an Methoden zur Modifizierung<br />
von Naturstoffen geforscht.<br />
Auch in der Gesundheitsforschung setzt<br />
Mecklenburg-Vorpommern Akzente. Das<br />
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und<br />
Technologie zum Beispiel hat gemeinsam<br />
mit seiner Ausgründung, der neoplas<br />
tools GmbH, die Plasmamedizin als<br />
neue Therapiemethode insbesondere bei<br />
chronisch therapieresistenten Wunden<br />
vorangetrieben. Der seit 2013 zugelassene<br />
Plasmastift kINPen® MED der neoplas<br />
tools GmbH wird deutschlandweit in immer<br />
mehr Kliniken und dermatologischen<br />
Praxen erfolgreich eingesetzt.<br />
FORSCHUNG IN MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />
Anteil der FuE-Ausgaben (in 2013) ...<br />
... am BIP 1,83 %<br />
... des Sektors „Staat und private Institutionen<br />
ohne Erwerbszweck“ am BIP<br />
0,71 %<br />
... des Sektors Hochschulen am BIP 0,65 %<br />
... des Sektors Wirtschaft am BIP 0,48 %<br />
Patentanmeldungen je eine Million Einwohner 113<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
38 | W+M TITEL KLUGE KÖPFE<br />
Berlin<br />
Vier Universitäten, sieben Hochschulen,<br />
vier Kunsthochschulen, 23 staatlich anerkannte<br />
private Hochschulen, 22 Technologieparks<br />
und Gründerzentren sowie<br />
70 außeruniversitäre Forschungsstätten<br />
– Berlin gehört zu Europas führenden Forschungszentren.<br />
Die Charité – Universitätsmedizin<br />
Berlin beispielsweise gilt als<br />
die größte medizinische Fakultät Europas.<br />
Geballte Forschungskompetenz hat<br />
sich auch im Wissenschafts- und Technologiepark<br />
Adlershof mit rund 510 Unternehmen<br />
und zehn außeruniversitären<br />
Forschungsinstituten niedergelassen.<br />
Hier wird an Innovationen in der Photonik<br />
und Optik, den Erneuerbaren Energien,<br />
Mikrosystemen und der Biotechnologie<br />
gearbeitet.<br />
Darüber hinaus gilt Berlin als Innovationslabor<br />
für die Stadt der Zukunft. Forschung<br />
und Entwicklung zur Digitalisierung, Smart<br />
City, Industrie 4.0 und Elektromobilität<br />
machen die Stadt zum Experimentierfeld.<br />
Das INP Greifswald ist europaweit die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung zu<br />
Niedertemperaturplasmen.<br />
FORSCHUNG IN BERLIN<br />
Anteil der FuE-Ausgaben (in 2013) ...<br />
... am BIP 3,58 %<br />
... des Sektors „Staat und private Institutionen<br />
ohne Erwerbszweck“ am BIP<br />
... des Sektors Hochschulen am BIP 0,85 %<br />
... des Sektors Wirtschaft am BIP 1,5 %<br />
Patentanmeldungen je eine Million Einwohner 262<br />
Berliner Unternehmen kooperieren auch<br />
länderübergreifend. Beispielsweise in der<br />
PERC-Technologie. Dabei geht es um Solarzellen,<br />
deren Rückseite passiviert ist.<br />
Sie haben einen deutlich höheren Wirkungsgrad<br />
als Standardzellen. Eine Herausforderung<br />
stellt sich allerdings: Es<br />
treten Leistungseinbußen durch lichtinduzierte<br />
Degradation (LID) auf. Die<br />
Berliner LayTec inline GmbH fertigt mit<br />
LID Scope ein Gerät, das eine einfache<br />
Qualitätskontrolle für diesen Effekt auf<br />
Zellebene ermöglicht. Erarbeitet wurde<br />
die Technologie am Fraunhofer-Center<br />
für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle.<br />
Daraus hat die Berliner Firma LayTec als<br />
Lizenznehmer das Gerät LID Scope entwickelt.<br />
Brandenburg<br />
Jede der großen deutschen<br />
Forschungsgemeinschaften<br />
ist auch<br />
in Brandenburg vertreten:<br />
Das Fraunhofer-In-<br />
1,23 %<br />
stitut für Angewandte<br />
Polymerforschung IAP<br />
in Potsdam etwa beschäftigt<br />
sich mit Material-<br />
und Verfahrensentwicklungen<br />
von Fasern, Folien, Werkstoffen,<br />
Funktionsmaterialien, Additiven, Feinchemikalien<br />
und Prozesshilfsmitteln auf<br />
Basis nativer und synthetischer Polymere.<br />
Zusammen mit der Adlershofer Dependance<br />
des Fraunhofer IAP hat die Tilse<br />
Formglas GmbH aus<br />
Nennhausen ein Glas<br />
auf den Markt gebracht,<br />
dass sich bei<br />
Temperaturerhöhung<br />
reversibel von Klarzu<br />
Milchglas wandelt.<br />
Die Wissenschaftler<br />
des IAP lieferten<br />
dazu kleine Kapseln<br />
mit Substanzen, die je<br />
FORSCHUNG IN BRANDENBURG<br />
nach Temperatur ihren Brechungsindex<br />
ändern, und so Licht und Infrarotstrahlung<br />
entweder durchlassen oder reflektieren.<br />
Weitere Brandenburger Highlights: das<br />
Forschungszentrum für Leichtbauwerkstoffe<br />
Panta Rhei gGmbH an der Brandenburgischen<br />
Technischen Universität<br />
(BTU) Cottbus-Senftenberg, das Forschung<br />
und Entwicklung auf dem Gebiet<br />
der Produktion und Verarbeitung innovativer<br />
Leichtbauwerkstoffe betreibt, oder<br />
das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam,<br />
Deutschlands einziges Uni-Institut, an<br />
dem Studenten den Studiengang „IT-<br />
Systems Engineering” belegen können.<br />
<br />
W+M<br />
Anteil der FuE-Ausgaben (in 2013) ...<br />
... am BIP 1,55 %<br />
... des Sektors „Staat und private Institutionen<br />
ohne Erwerbszweck“ am BIP<br />
0,73 %<br />
... des Sektors Hochschulen am BIP 0,37 %<br />
... des Sektors Wirtschaft am BIP 0,45 %<br />
Patentanmeldungen je eine Million Einwohner 131<br />
Foto: INP Greifswald, Quelle Schaubilder: Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
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40 | W+M TITEL<br />
„Die Infrastruktur der Hochschulen ist heute zum Teil<br />
moderner als in den alten Bundesländern“<br />
W+M-Interview mit Prof. Johanna Wanka,<br />
Bundesministerin für Bildung und Forschung<br />
W+M: Frau Bundesministerin, wie ist es<br />
aktuell um die Wissenschaft in Deutschland<br />
bestellt?<br />
Johanna Wanka: Ja, woran misst man<br />
das? Wenn man sich anschaut, wie uns<br />
andere einschätzen, dann können wir<br />
uns freuen. Bei den Innovationsrankings<br />
in Europa sind wir stets unter den ersten<br />
drei Ländern. Das Weltwirtschaftsforum<br />
hat sich 140 Staaten angeschaut und da<br />
ist Deutschland auf Platz vier. Ein Land<br />
mit nur einem Prozent der Weltbevölkerung<br />
auf Rang vier der Industrienationen,<br />
das kann sich sehen lassen. Übrigens,<br />
nach China sind wir das zweitstärkste<br />
Land, was den Export von Hightechgütern<br />
betrifft. Bei den Patentanmeldungen<br />
pro einer Million Einwohner sind<br />
wir doppelt so gut wie die USA. In der<br />
Quintessenz ist der Stellenwert von Forschung<br />
und Innovation in Deutschland<br />
sehr gut. Wir merken das auch am absolut<br />
verstärkten Interesse von ausländischen<br />
Studierenden und Wissenschaftlern.<br />
Nach den USA und Großbritannien<br />
sind wir das drittbeliebteste Studienland<br />
der Welt.<br />
W+M: Wie steht es um die Forschungslandschaft<br />
in den neuen Bundesländern<br />
und Berlin?<br />
Seit 2013<br />
Bundesministerin<br />
für Bildung und<br />
Forschung:<br />
Professorin<br />
Johanna<br />
Wanka.<br />
Universitäten, Hochschulen und den vielen<br />
außeruniversitären Instituten. In den<br />
neuen Bundesländern hatten wir nach<br />
1990 eine starke Veränderung der Wissenschafts-<br />
und Forschungslandschaft.<br />
Doch bis heute haben wir die Situation,<br />
dass der Großteil der Forschung öffentlich<br />
finanziert ist. Nur ein Drittel wird durch<br />
die Wirtschaft bezahlt. In den alten Bundesländern<br />
ist das umgekehrt. Deswegen<br />
brauchen wir in den neuen Bundesländern<br />
nach wie vor eine anders geartete<br />
Forschungsförderung. Das ist keine Nachhilfe,<br />
sondern ein Reagieren auf die immer<br />
noch veränderte Struktur<br />
in den neuen Ländern.<br />
Inzwischen haben<br />
die Innovationsausgaben<br />
der Unternehmen<br />
in<br />
den neuen Bundesländern<br />
die Zehn-Milliarden-Euro-Marke<br />
überschritten, da ist also auch eine Entwicklung.<br />
Aktuell gibt es 94.000 Vollzeitarbeitsplätze<br />
in Wissenschaft und Forschung,<br />
davon sind 59.000 Arbeitsplätze<br />
im öffentlichen Sektor.<br />
Allerdings haben wir bereits festgestellt,<br />
dass die Drittmitteleinwerbung pro Professor<br />
in den neuen Ländern durchschnittlich<br />
höher ist als in den alten Bundesländern.<br />
Das ist ein Indiz dafür, dass<br />
sich die Wirtschaft hierzulande zunehmend<br />
an der Forschung beteiligt.<br />
W+M: Welche wissenschaftlichen Leuchttürme<br />
zwischen Rostock und Suhl würden<br />
Sie an dieser Stelle nennen?<br />
Johanna Wanka: Was uns sehr<br />
begeistert, ist Wendelstein in<br />
Greifswald, wo jetzt das erste<br />
Plasma in einem Fusionsexperiment<br />
des Typs „Stellarator”<br />
erzeugt werden konnte.<br />
Das ist ein Meilenstein<br />
in der Grundlagenfor-<br />
Foto: W+M<br />
Johanna Wanka: Wenn man sich die<br />
Forschungslandschaft anschaut, dann ist<br />
es immer eine Kombination aus der Forschung,<br />
die die Wirtschaft finanziert, und<br />
der staatlich finanzierten Forschung an
KLUGE KÖPFE | 41<br />
Prof. Johanna Wanka mit W+M-Chefredakteur Karsten Hintzmann und W+M-Herausgeber Frank Nehrig (v.l.).<br />
Foto: W+M<br />
schung. Dann haben wir das hohe Interesse<br />
an einem Studium in den neuen Bundesländern,<br />
beispielsweise in Dresden,<br />
wo die Universität bei der Exzellenzinitiative<br />
erfolgreich war. Oder wenn ich sehe,<br />
was wir für Exzellenzcluster in Chemnitz<br />
eingeworben haben oder Graduiertenkollegs.<br />
Auch die Geisteswissenschaften<br />
sind gerade in den neuen Bundesländern<br />
an ganz vielen Stellen präsent. OncoRay<br />
in Dresden ist ein Beispiel für Spitzenforschung<br />
in der Radioonkologie, wo<br />
ein Verfahren zur punktgenauen Bestrahlung<br />
von Tumoren entwickelt wurde. Wir<br />
haben Silicon Valley als Cluster in Mitteldeutschland<br />
oder das Mikroelektronik-<br />
Cluster in der Dresdner Region. All das<br />
sind Leuchttürme in den neuen Ländern.<br />
W+M: Seit rund zehn Jahren gibt es die<br />
Exzellenzinitiative zur Förderung von Spitzenforschung,<br />
in die bislang knapp fünf<br />
Milliarden Euro geflossen sind. Inwieweit<br />
haben davon auch Wissenschaftseinrichtungen<br />
in den neuen Ländern profitiert?<br />
Johanna Wanka: Etliche Einrichtungen<br />
haben davon profitiert. Wir haben Exzellenzcluster,<br />
Graduiertenschulen und wir<br />
haben mit der Technischen Universität<br />
Dresden sowie der Humboldt-Universität<br />
und der Freien Universität in Berlin insgesamt<br />
drei Exzellenzuniversitäten.<br />
W+M: Spitzenforschung erfordert Spitzenpersonal.<br />
Ist Deutschland im internationalen<br />
Wettbewerb um die klügsten Köpfe<br />
konkurrenzfähig?<br />
Johanna Wanka: Wir sind konkurrenzfähiger<br />
geworden, ganz anders, als noch<br />
zum Ende der 90er Jahre, als wir unter<br />
einem regelrechten Braindrain litten [Abwanderung<br />
von Wissenschaftlern, Anm.<br />
d. Red.]. Heute haben wir das Renommee<br />
als Studienland, wo gern studiert<br />
und promoviert wird. Was die Wirtschaft<br />
noch nicht ausreichend geschafft hat, ist,<br />
dass möglichst viele Absolventen nach<br />
Beendigung ihres Studiums zumindest<br />
für einige Jahre in unsere Unternehmen<br />
gehen. Das klappt in den USA bislang<br />
besser.<br />
Es gelingt uns zunehmend, Spitzenforscher<br />
nach Deutschland zu holen. Dafür<br />
haben wir Instrumente geschaffen, zum<br />
Beispiel die Alexander-von-Humboldt-<br />
Professur. Da gibt es pro Professur für<br />
Geisteswissenschaften drei Millionen<br />
Euro und für Naturwissenschaften fünf<br />
Millionen Euro, die wir für Forschung und<br />
Arbeiten geben, mit der Option, eventuell<br />
zu bleiben.<br />
Wenn Spitzenforscher zu uns kommen,<br />
schätzen sie an Deutschland zum einen<br />
die hohe Verlässlichkeit, was die Priorität<br />
von Wissenschaft und Forschung betrifft,<br />
aber auch die vielen zu erforschenden<br />
Schätze, die sich in den Sammlungen<br />
und Archiven der Universitäten befinden.<br />
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Tugenden<br />
der Deutschen – ihre Sammlerleidenschaft<br />
und die seit jeher betriebene<br />
präzise Archivierung – in Kombination<br />
mit den neuen Forschungsmöglichkeiten<br />
machen unser Land für ausländische Forscher<br />
besonders attraktiv.<br />
W+M: Neben der gerade genannten Exzellenzinitiative<br />
fördert Ihr Haus auch gezielt<br />
kleine Hochschulen und Fachhochschulen.<br />
Wie funktioniert das konkret?<br />
Johanna Wanka: Erst Mitte Mai haben<br />
Bund und Länder das Programm „Innovative<br />
Hochschule“ beschlossen. Über<br />
dieses Programm können auch kleinere<br />
Hochschulen und Fachhochschulen,<br />
die gut im Transfer und der angewandten<br />
Forschung sind und die in ihre Regionen<br />
in Bezug auf Fachkräfte und Innovation<br />
ausstrahlen, gefördert werden. Wir<br />
geben dafür in den nächsten Jahren 500<br />
Millionen Euro aus.<br />
Außerdem läuft bereits ein Programm,<br />
das darauf abzielt, zehn der forschungsstärksten<br />
Fachhochschulen der Republik<br />
zu fördern. Das ist eine Unterstützung,<br />
die stärker auf Anwendungsorientierung<br />
setzt. Ziel ist es, dass die Fachhochschulen<br />
in ihren Regionen noch mehr zu Innovationszentren<br />
werden, nicht nur bei<br />
technischen Entwicklungen, sondern<br />
auch für betriebswirtschaftliche und soziale<br />
Fragen.<br />
W+M: Seit drei Jahren sind Sie Bundesministerin<br />
für Bildung und Forschung. Davor<br />
haben Sie die Wissenschaftsressorts<br />
in Brandenburg und Niedersachsen geführt.<br />
Vor dem Hintergrund dieser umfassenden<br />
Erfahrungen – gibt es heute noch<br />
Unterschiede in der Hochschullandschaft<br />
der alten und neuen Bundesländer?<br />
Johanna Wanka: Kaum. In den Hochschulen<br />
hatten wir in den neuen Bundesländern<br />
ja einen Neuaufbau, auch beim<br />
Personal. Das ergab eine gute Durchmischung<br />
von Forschern aus den alten Ländern<br />
mit denen aus den neuen Bundesländern.<br />
Wir haben in den neuen Ländern<br />
stark profitiert von zahlreichen Aufbauprogrammen.<br />
Daher ist die Infrastruktur<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
42 | W+M TITEL KLUGE KÖPFE<br />
in der Hochschullandschaft der neuen<br />
Bundesländer zum Teil moderner als in<br />
den alten Bundesländern. In den Hochschulen<br />
gibt es diese Ost-West-Thematik<br />
heute eigentlich nicht mehr.<br />
W+M: In Ostdeutschland ist die Wirtschaft<br />
durch einen zumeist kleinteiligen<br />
Mittelstand geprägt. Es gibt kaum Konzerne<br />
und große Unternehmen. Kleine<br />
Unternehmen haben jedoch kaum eigene<br />
Kapazitäten für Forschung und Entwicklung.<br />
Was tut Ihr Ministerium, um<br />
Mittelstand und Forschung enger zusammenzubringen?<br />
ZUR PERSON<br />
Johanna Wanka wurde am 1. April 1951<br />
in Rosenfeld (Landkreis Torgau) geboren.<br />
Nach dem Abitur studierte sie Mathematik<br />
an der Universität Leipzig. Von<br />
1974 bis 1993 arbeitete sie in verschiedenen<br />
Funktionen an der Technischen<br />
Hochschule Leuna-Merseburg. 1994<br />
wurde sie zur Rektorin der Hochschule<br />
Merseburg gewählt. Im Jahr 2000 startete<br />
sie eine beispiellose Ministerkarriere:<br />
Bis 2009 war Wanka, die im Jahr<br />
2001 der CDU beitrat, Ministerin für<br />
Wissenschaft, Forschung und Kultur in<br />
Brandenburg. Zwischen 2010 und 2013<br />
fungierte sie als Ministerin für Wissenschaft<br />
und Kultur in Niedersachsen.<br />
Seit Februar 2013 ist Johanna Wanka<br />
Bundesministerin für Bildung und Forschung.<br />
Sie ist verheiratet und Mutter<br />
zweier Kinder.<br />
Johanna Wanka: Seit Mitte der 90er<br />
Jahre gibt es zahlreiche Programme.<br />
Wir haben aber insgesamt die Situation<br />
in Deutschland, dass die kleinen und mittleren<br />
Unternehmen noch nicht genug an<br />
den vorhandenen Forschungsmitteln partizipieren.<br />
Die Förderung des Bundes ist<br />
zwar über die Jahre gewachsen, die Innovationskraft<br />
der kleinen und kleinsten<br />
Unternehmen ist jedoch konstant geblieben<br />
und hat sich mitunter sogar abgeschwächt.<br />
Das war für uns der Anstoß<br />
für das Programm „Vorfahrt für den Mittelstand“,<br />
das wir im Januar <strong>2016</strong> gestartet<br />
haben. Mit ganz konkreten Änderungen<br />
in der Förderkulisse in unserem<br />
Haus. Zum Beispiel muss jetzt ein Unternehmen<br />
nicht gleich einen kompletten<br />
Antrag auf Forschungsförderung<br />
stellen, der möglicherweise<br />
sehr aufwendig ist.<br />
Es genügt zunächst, nur eine<br />
Skizze einzureichen. Dann<br />
bekommt das Unternehmen<br />
eine Einschätzung, ob es sich<br />
lohnt, einen Antrag zu stellen<br />
oder ob es von vornherein wenig<br />
Aussicht auf Erfolg gibt.<br />
Wir wollen damit auch die<br />
Unternehmen noch zielgerichteter<br />
mit den<br />
Fachhochschulen<br />
zusammenbringen<br />
und so nach wie<br />
vor bestehende<br />
Berührungsä<br />
n g s te<br />
abbauen.<br />
W+M: Sie engagieren sich dafür, jungen<br />
Flüchtlingen mit Bleibeperspektive und<br />
den entsprechenden akademischen Voraussetzungen<br />
ein Studium in Deutschland<br />
zu ermöglichen. Wie ist da der Stand<br />
der Dinge?<br />
Johanna Wanka: Vorrangig ist zunächst,<br />
die studierfähigen jungen Flüchtlinge auf<br />
ein Studium vorzubereiten. Sie müssen,<br />
selbst wenn sie das Abitur haben, in der<br />
Regel erst auf Studierniveau geführt werden,<br />
auch was die deutsche Sprache betrifft.<br />
Das geschieht in den Hochschulen<br />
durch die Studienkollegs. Wenn sie<br />
dann in die Hochschulen kommen, brauchen<br />
sie eine intensivere Betreuung. Für<br />
diese Maßnahmen haben wir unkompliziert<br />
Geld zugesagt und die Umsetzung<br />
läuft. Unser Ansatz ist: Keine Absenkung<br />
des Niveaus, sondern aktive Hilfestellung<br />
beim Einstieg in die Hochschulausbildung.<br />
W+M: Als langjährige Wissenschaftlerin<br />
und Wissenschaftspolitikerin gehört<br />
es zweifellos zu Ihrem Tagwerk, sich mit<br />
Zukunftsfragen und Visionen zu befassen.<br />
Daher unsere Frage: Wo werden<br />
die neuen Bundesländer in punkto Forschung,<br />
Bildung und Fachkräftesicherung<br />
im Jahr 2030 stehen? Wagen Sie<br />
eine Prognose?<br />
Johanna Wanka: Ich lehne solche Kaffeesatzleserei<br />
eigentlich ab. Aber 15 Jahre<br />
sind ja noch halbwegs überschaubar. Ich<br />
hoffe, dass es uns gelingt, unsere Wettbewerbsfähigkeit<br />
zu halten und vielleicht<br />
noch zu steigern. Das erfordert große Anstrengungen<br />
im Bildungsbereich, aber<br />
auch im Transferbereich und bei der Fachkräfteausbildung<br />
sowie bei der Integration<br />
von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive in<br />
den Arbeitsmarkt. Bezogen konkret auf die<br />
neuen Bundesländer hoffe ich sehr, dass<br />
die exzellente Forschungsinfrastruktur vor<br />
allem auch von vielen Unternehmen<br />
genutzt wird, um noch mehr Forschungspersonal<br />
in diese Region zu holen.<br />
Also aus der Chance, die wir jetzt dort<br />
haben, auch wirklich einen Erfolg zu machen.<br />
W+M: Welche persönlichen Pläne haben<br />
Sie für die Zeit nach der Bundestagswahl<br />
2017?<br />
Johanna Wanka: Wir arbeiten konzentriert<br />
und nächstes Jahr ist die Wahl und<br />
da kämpfen wir natürlich dafür, dass es<br />
ein gutes Ergebnis gibt. Und dann werden<br />
wir sehen, wie es weitergeht.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
und Frank Nehring<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
RAGNITZ ANALYSIERT<br />
Forschung und<br />
Entwicklung:<br />
In Systemzusammenhängen<br />
denken<br />
Foto: ifo Dresden<br />
Forschung und Innovation gelten angesichts<br />
bestehender Kostennachteile<br />
gegenüber konkurrierenden<br />
Standorten weltweit als der wichtigste<br />
Baustein zur wirtschaftlichen Revitalisierung<br />
Ostdeutschlands. Gerade jene Unternehmen,<br />
die nicht nur die<br />
heimischen Märkte bedienen<br />
wollen, müssen daher<br />
alles daran setzen,<br />
durch neuartige Produkte<br />
Wettbewerbsvorteile<br />
zu gewinnen<br />
oder durch Prozessinnovationen<br />
die Produktionsabläufe<br />
effizienter<br />
zu gestalten.<br />
Der Rückstand in der<br />
betrieblichen Produktivität<br />
von 30 Prozentpunkten<br />
gegenüber<br />
den technologisch<br />
führenden Bundesländern<br />
Bayern und<br />
Baden-Württemberg zeigt deutlich, dass<br />
hier noch erhebliches Modernisierungspotenzial<br />
besteht.<br />
Leider schaffen es viele ostdeutsche Unternehmen<br />
bislang nicht, Forschung und<br />
Entwicklung zu finanzieren oder auch bereits<br />
vorhandene technologische Lösungen<br />
in ihre Produktionsabläufe zu integrieren.<br />
Dies hat viel mit den geringen<br />
Betriebsgrößen in Ostdeutschland zu<br />
tun, denn kleine Unternehmen können<br />
sich typischerweise keine eigenständigen<br />
Forschungsabteilungen leisten und<br />
Professor Dr. Joachim Ragnitz<br />
ist Stellvertretender Leiter<br />
des ifo-Instituts Dresden.<br />
haben im Regelfall auch nur geringen<br />
Bedarf an modernen Maschinen mit hohen<br />
Kapazitätseffekten. Vor allem die geringen<br />
Forschungsintensitäten im Wirtschaftssektor<br />
geben Anlass zur Sorge<br />
– liegen die unternehmerischen Aufwendungen<br />
für Forschung<br />
und Entwicklung (FuE) in<br />
Baden-Württemberg<br />
bei vier Prozent des<br />
Bruttoinlandsprodukts,<br />
sind es selbst<br />
in den forschungsintensiveren<br />
ostdeutschen<br />
Bundesländern<br />
Sachsen und<br />
Thüringen nur etwas<br />
über ein Prozent.<br />
Auf gesamtwirtschaftlicher<br />
Ebene wird dies<br />
zwar zum Teil kompensiert<br />
durch hohe<br />
FuE-Anstrengungen<br />
im öffentlichen Bereich – aber nicht immer<br />
will es gelingen, die dort erzielten<br />
Forschungsergebnisse auch für die heimische<br />
Wirtschaft zu nutzen.<br />
Ganz offenkundig fehlt es häufig noch<br />
an einer ausreichenden Zusammenarbeit<br />
zwischen der Wirtschaft und den Wissenschaftseinrichtungen.<br />
Wenn derartige<br />
Kooperationen noch nicht in ausreichendem<br />
Umfang zustande kommen (obwohl<br />
die Wissenschaft in Ostdeutschland<br />
viel zu bieten hat!), so scheitert dies<br />
häufig an unterschiedlichen Anreizsystemen<br />
und an unterschiedlichen Kommunikationskulturen,<br />
oftmals aber auch<br />
bloß an fehlender Vermittlung. Hier wäre<br />
also ein Ansatzpunkt auch für die Wirtschaftspolitik<br />
(und nicht so sehr für die<br />
„Wissenschaftspolitik“). Und, man darf<br />
dabei auch nicht nur auf die „Leuchttürme“<br />
schauen – hochspezialisierte Grundlagenforschung<br />
an Exzellenzuniversitäten<br />
und Max-Planck-Instituten mögen zwar<br />
den technologischen Fortschritt voranbringen,<br />
schaffen aber wohl kaum einen<br />
unmittelbaren Nutzen auch für ein Unternehmen,<br />
das lediglich die Weiterentwicklung<br />
eines vorhandenen Produkts benötigt:<br />
Leuchttürme sind keine Straßenlaternen;<br />
sie sollen in die Ferne strahlen,<br />
aber nicht die Klippe beleuchten, auf der<br />
sie stehen. Notwendig ist es daher, die<br />
Innovationssysteme in den ostdeutschen<br />
Ländern in ihrer Gesamtheit zu sehen –<br />
als ein Geflecht aus weltweit sichtbaren<br />
Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten,<br />
aus anwendungsorientierten<br />
Fachhochschulen als Bindeglied<br />
zur regionalen Wirtschaft und aus<br />
kommerziell agierenden Forschungseinrichtungen,<br />
die sich auf die Bearbeitung<br />
von Forschungsaufträgen von Unternehmen<br />
spezialisiert haben. Gerade die beiden<br />
letztgenannten sind dabei erforderlich,<br />
um niedrigschwellige Angebote des<br />
Technologietransfers und der Kooperation<br />
zu schaffen, die auch die Unternehmen<br />
in Ostdeutschland erreichen – und<br />
sie sollten daher von der Wirtschaftspolitik<br />
viel stärker eingebunden werden als<br />
es bislang geschieht.<br />
W+M
44 | W+M POLITIK<br />
ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im Mai <strong>2016</strong><br />
Neuer Schwung<br />
INDEX<br />
Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft*<br />
der ostdeutschen Bundesländer hat sich im Mai kräftig<br />
aufgehellt. In allen vier Hauptsektoren schätzten die ostdeutschen<br />
Befragungsteilnehmer die momentane Geschäftslage<br />
günstiger ein als im April. Zudem korrigierten sie ihre Geschäftserwartungen<br />
für die kommenden sechs Monate abermals<br />
nach oben.<br />
Das ifo Beschäftigungsbarometer für die gewerbliche Wirtschaft<br />
in Ostdeutschland ist im Mai geringfügig gestiegen. Maßgeblich<br />
dafür war das Verarbeitende Gewerbe, wo sich die Beschäftigungsaussichten<br />
spürbar aufhellten. Im Bauhauptgewerbe, Groß-<br />
und Einzelhandel gingen die Beschäftigungserwartungen dagegen<br />
per Saldo geringfügig zurück.<br />
Besonders kräftig stieg der ifo Geschäftsklimaindex im ostdeutschen<br />
Großhandel und im Verarbeitenden Gewerbe. Unter den<br />
Bauunternehmen Ostdeutschlands verbesserte sich die Stimmung<br />
ebenfalls deutlich. Ihre Einschätzung der aktuellen Geschäftslage<br />
erreichte ihren zweithöchsten Wert seit 1991. Im ostdeutschen Einzelhandel<br />
war die Entwicklung vergleichsweise verhalten, doch auch<br />
hier waren die konjunkturellen Vorzeichen im Mai aufwärtsgerichtet.<br />
Michael Weber und Prof. Joachim Ragnitz<br />
Verarbeitendes Gewerbe<br />
MAI 11,4<br />
VORMONAT 7,9<br />
Bauhauptgewerbe<br />
MAI 4,8<br />
VORMONAT 2,0<br />
Groß- und Einzelhandel<br />
MAI 10,9<br />
VORMONAT 9,0<br />
ifo Geschäftsklima<br />
ifo Beschäftigungsbarometer<br />
VOR-<br />
MONAT<br />
7,2<br />
MAI<br />
10,1<br />
VOR-<br />
MONAT<br />
- 4,1<br />
MAI<br />
- 3,4<br />
* Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe sowie Groß- und Einzelhandel verstanden.<br />
Foto: industrieblick/Fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
POLITIK | 45<br />
DER KOMMENTAR<br />
(M)ein Blick in die Zukunft<br />
der ostdeutschen Wirtschaft<br />
Von Iris Gleicke<br />
Foto: Büro Gleicke/Sandra Ludewig<br />
Das gallige Verdikt, wer Visionen<br />
habe, solle zum Arzt gehen,<br />
stammt bekanntlich von<br />
Helmut Schmidt. Ich nehme<br />
das für mich als Mahnung,<br />
auch bei einem –<br />
um es vorwegzunehmen<br />
– optimistischen<br />
Blick in die Zukunft<br />
der ostdeutschen<br />
Wirtschaft nicht den<br />
Boden unter den Füßen<br />
zu verlieren. Es<br />
wäre ebenso leicht<br />
wie verlogen, ein rosarotes<br />
Bild zu entwerfen,<br />
in dem binnen<br />
14 Jahren der<br />
Abstand zum Westen<br />
dank eines unausgesetzt<br />
hohen<br />
Wachstums eingeebnet<br />
ist, in dem sich kleine Firmen und<br />
„verlängerte Werkbänke“ in Konzerne verwandelt<br />
haben und in dem es gut bezahlte<br />
Arbeit für alle gibt.<br />
So einfach ist es nicht und wird es nicht.<br />
Leider. Nicht nur Gottes Mühlen mahlen<br />
langsam. Auch wenn der Wachstumsund<br />
Angleichungsprozess der ostdeutschen<br />
Wirtschaft weitergeht, werden<br />
wir im Jahr 2030 noch nicht vollständig<br />
mit Westdeutschland gleichgezogen<br />
haben. Bis dahin werden aus mittleren<br />
ostdeutschen Unternehmen noch keine<br />
Großkonzerne entstanden sein, und<br />
auch dann werden größere Teile der neuen<br />
Länder noch immer zu den strukturschwächeren<br />
Regionen in unserem Land<br />
gehören.<br />
Iris Gleicke ist parlamentarische<br />
Staatssekretärin beim Bundesminister für<br />
Wirtschaft und Energie und Beauftragte<br />
der Bundesregierung für die neuen<br />
Bundesländer, Mittelstand und Tourismus.<br />
Ebenso unangemessen wie die massenhafte<br />
Verteilung rosaroter Brillen ist<br />
aber auch jene verbreitete Grauund<br />
Schwarzmalerei, mit der<br />
manche den Status quo<br />
zum Nonplusultra deklarieren<br />
und die Hände<br />
in den Schoß legen<br />
möchten. Denn bis<br />
2030 kann eine ganze<br />
Menge passieren.<br />
Das setzt allerdings<br />
voraus, dass viele<br />
kleine und mittlere<br />
Unternehmen Innovationen<br />
als Schlüssel<br />
für Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Wachstum<br />
nutzen und dass<br />
Modernisierungsprozesse<br />
wie die Digitalisierung<br />
von den<br />
ostdeutschen Unternehmen genutzt<br />
werden, denn hier werden die Karten<br />
für alle neu gemischt. Viel wird<br />
auch davon abhängen, ob die ostdeutsche<br />
Industrie ihre Internationalisierung<br />
weiter vorantreibt und die damit<br />
verbundenen Wachstumschancen ergreift.<br />
Ein Selbstläufer wird das alles natürlich<br />
nicht, das kann nur dann funktionieren,<br />
wenn die Bundesregierung mit ihrer Mittelstandsförderung<br />
und der Förderung für<br />
strukturschwache Regionen die ostdeutsche<br />
Wirtschaft auch über das Ende des<br />
Solidarpakts II im Jahr 2019 hinaus unterstützt.<br />
Auf meine Initiative hin haben<br />
sich die Bundesressorts hierzu bereits<br />
auf ein dementsprechendes Eckpunktepapier<br />
verständigt. Zentrale Aspekte<br />
sind dabei die Wachstums- und Innovationsförderung,<br />
ergänzt um die Förderung<br />
der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge.<br />
Ich setze mich dafür ein, dass dieses<br />
Förderkonzept gemeinsam mit den<br />
ost- und westdeutschen Ländern realisiert<br />
wird. Darüber hinaus habe ich den<br />
Dialog „Unternehmen :wachsen“ ins Leben<br />
gerufen, bei dem Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer Erfahrungen und Ideen<br />
austauschen und wechselseitig Impulse<br />
für Wachstum und neue Konzepte<br />
vermitteln können.<br />
Auf die Gründergeneration, die in Ostdeutschland<br />
in den letzten 25 Jahren unter<br />
hohem persönlichem Einsatz eine herausragende<br />
Aufbauleistung vollbracht<br />
hat, können wir mit Fug und Recht stolz<br />
sein. Diese Unternehmergeneration wird<br />
in den nächsten Jahren den Stab an die<br />
nächste Generation übergeben. Diese,<br />
bereits mit der<br />
Marktwirtschaft aufgewachsen,<br />
kann von der heutigen Basis<br />
aus neue Ufer ansteuern. Ich<br />
finde, das ist eine gute Perspektive.<br />
Das Wachstum der ostdeutschen<br />
Wirtschaft ist der Schlüssel<br />
zur Herstellung gleichwertiger<br />
Lebensverhältnisse.<br />
Es bleibt dabei: Wir haben<br />
schon unglaublich viel erreicht.<br />
Den Rest schaffen<br />
wir auch noch.<br />
<br />
W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
46 | W+M POLITIK<br />
Mindestlohn für Flüchtlinge?<br />
Heike Werner (LINKE), Thüringer Ministerin<br />
für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und<br />
Familie.<br />
Michael Theurer (FDP), Landesvorsitzender der FDP<br />
Baden-Württemberg und Mitglied des Europäischen<br />
Parlaments.<br />
„Ja”<br />
Flüchtlingen den Mindestlohn<br />
vorzuenthalten, wäre ökonomisch<br />
und sozial falsch. Eine<br />
wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der<br />
gesellschaftlichen Integration von Flüchtlingen ist<br />
die Bereitschaft der einheimischen Bevölkerung,<br />
die Flüchtlinge bei uns aufzunehmen. Diese hängt<br />
auch von den Regeln ab, die wir zur Grundlage der<br />
Integration machen. Eine Ausnahme beim Mindestlohn<br />
würde in den Augen derer, die heute zum Mindestlohn<br />
arbeiten, leicht als Signal verstanden, dass<br />
Flüchtlinge leichter einen Arbeitsplatz bekommen,<br />
ja vielleicht sogar „ihren“ Arbeitsplatz bekommen,<br />
weil ein Unternehmen einem Flüchtling zwei oder<br />
drei Euro weniger zahlen könnte. Das wäre ein fatales<br />
Signal und es wäre Wasser auf die Mühlen der<br />
rechten Scharfmacher. Im Sinne des sozialen Friedens<br />
und einer gelingenden Integration der Menschen,<br />
die bei uns Schutz suchen, dürfen wir diesen<br />
Weg nicht beschreiten. Auch ökonomisch hätte<br />
die Ausnahme der Flüchtlinge einen Pferdefuß.<br />
Ein gut funktionierender Wettbewerb basiert darauf,<br />
dass die miteinander in Konkurrenz stehenden<br />
Unternehmen unter gleichen Bedingungen agieren.<br />
Ausnahmen beim Mindestlohn, das gilt für Langzeitarbeitslose,<br />
Jugendliche und für Flüchtlinge gleichermaßen,<br />
bedeuten, dass sich einzelne Unternehmen<br />
einen leistungslosen Wettbewerbsvorteil<br />
verschaffen können, indem sie diesen Menschen<br />
einen Dumpinglohn zahlen. In einem Land wie<br />
der Bundesrepublik, dessen Wirtschaft über die<br />
Qualität ihrer Produkte punktet und nicht über<br />
Dumpingpreise, ist dies nicht wünschenswert.<br />
„Nein”<br />
Der Mindestlohn schließt<br />
Flüchtlinge aus. Wir müssen<br />
das Mindestlohngesetz<br />
dringend flexibilisieren, weil Flüchtlinge<br />
sonst dauerhaft vom deutschen Arbeitsmarkt<br />
ausgeschlossen sind. Nicht alle Flüchtlinge,<br />
die zu uns kommen, sind Ingenieure oder Ärzte.<br />
Ein Großteil der Menschen ist nicht ausreichend<br />
ausgebildet, um den Anforderungen unseres<br />
Arbeitsmarktes zu entsprechen. Wir müssen<br />
es ihnen ermöglichen, Orientierungspraktika<br />
in deutschen Betrieben zu absolvieren, die<br />
im Zweifel auch länger als nur sechs Monate<br />
dauern und trotzdem nicht mit dem Mindestlohn<br />
bezahlt werden. Wir können nicht die gleichen<br />
Qualitätsansprüche an die Ausbildung von<br />
Flüchtlingen stellen, die wir an die Ausbildung<br />
von in Deutschland ausgebildeten Facharbeitern<br />
haben. Ein Flüchtling braucht Zeit und Möglichkeiten,<br />
um sich durch Zusatzqualifizierungen zur<br />
Fachkraft zu entwickeln. Es ist dann aber ganz<br />
verständlich, dass ein Arbeitgeber nicht den gleichen<br />
Stundenlohn zahlen möchte, den er einem<br />
gut ausgebildeten Facharbeiter zahlt. Arbeitsministerin<br />
Nahles hat mit ihren Reformen den Arbeitsmarkt<br />
verrammelt und bürokratisiert. Das ist<br />
aber der falsche Weg: Wir müssen Flüchtlingen<br />
Perspektiven aufzeigen. Nur so bekommen wir die<br />
Menschen in Arbeit, wo sie in der Zusammenarbeit<br />
mit Kollegen leichter Deutsch lernen und besser<br />
integriert werden, als wenn sie in Flüchtlingsheimen<br />
versauern. Nur so können wir eine Integrationskrise<br />
verhindern.<br />
Fotos: Delf Zeh (links), Thierry Monasse/Freie Demokratische Partei (rechts)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
RATGEBER STEUERN | 47<br />
Quo vadis –<br />
Erbschaftsteuerreform?<br />
Fotos: AllebaziB/fotolia.com (oben), Boddin (unten)<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2014 verkündet,<br />
dass die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang<br />
betrieblichen Vermögens angesichts ihres Ausmaßes und der<br />
eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten teilweise mit Artikel 3 des<br />
Grundgesetzes unvereinbar ist. Wie ist der aktuelle Stand?<br />
Von Joachim Feske<br />
Das Bundesverfassungsgericht führte<br />
aus, dass für jedes Maß der<br />
Steuerverschonung kleiner und<br />
mittelständischer Unternehmen (KMU)<br />
der Gesetzgeber tragfähige Rechtfertigungsgründe<br />
benötigt. Die Privilegierung<br />
des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen<br />
Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig,<br />
weil die Verschonung über den Bereich<br />
der KMU hinausgeht, ohne eine Bedürfnisprüfung<br />
vorzunehmen. Ferner soll die<br />
Regelung über das sogenannte Verwaltungsvermögen<br />
nicht mit Artikel 3 des<br />
Grundgesetzes vereinbar sein. Der Gesetzgeber<br />
wurde deshalb vom Bundesverfassungsgericht<br />
verpflichtet, spätestens<br />
bis zum 30. Juni <strong>2016</strong> eine Neuregelung<br />
zu treffen.<br />
Die Bundesregierung wollte darauf<br />
schnell reagieren und durch „Gas geben“<br />
bis zum Ende des Jahres 2015 eine tragfähige<br />
Neuregelung schaffen. Sowohl<br />
die Bundesregierung als auch die Bundesländer<br />
haben zwar Vorschläge unterbreitet,<br />
aber bis zum Redaktionsschluss<br />
dieses Magazins gab es noch keine Verständigung<br />
zwischen Bundesregierung<br />
und Bundesrat.<br />
Mittelständische Unternehmen hängen<br />
nun in gewisser Weise bei anstehenden<br />
Unternehmensübertragungen<br />
in Bezug auf die Rechtsgrundlage in der<br />
Luft. Es wird zwar die Auffassung vertreten,<br />
dass die bisherigen Regelungen<br />
bis zum 30. Juni <strong>2016</strong> beibehalten werden,<br />
aber aufgrund der von der Finanzverwaltung<br />
gleich nach dem Urteil erlassenen<br />
Verwaltungsanweisungen ist zumindest<br />
das Risiko einer Rückwirkung des<br />
Urteils des Bundesverfassungsgerichtes<br />
auf alle noch offenen Fälle nicht ganz<br />
auszuschließen. Hier sind die jeweiligen<br />
Steuerberater gefordert, die schon vorgenommenen<br />
oder bis zum 30. Juni anstehenden<br />
Übertragungen entsprechend<br />
geschickt zu begleiten, gegebenenfalls<br />
die Verträge mit Rücktritts- oder Rückauflösungsformulierungen<br />
auszustatten.<br />
Aus dem Finanzministerium gibt es Stimmen,<br />
die meinen, es wird bis zum besagten<br />
Termin nichts geändert, dann fallen<br />
halt die vom Bundesverfassungsgericht<br />
als nicht verfassungskonform bezeichneten<br />
Begünstigungsvorschriften für den<br />
Mittelstand weg. So einfach wird sich der<br />
Gesetzgeber das dann aber doch nicht<br />
machen können. Dies zeigen die Erfahrungen<br />
aus den verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken zur damaligen Vermögensteuer.<br />
Namhafte Steuerrechtler wie beispielsweise<br />
Prof. Dr. Roman Seer äußern<br />
sich insoweit dazu, dass die Erbschaftund<br />
Schenkungsteuer bei Nichteinigung<br />
demnach von der Finanzverwaltung wegen<br />
der vom Bundesverfassungsgericht<br />
festgestellten Unvereinbarkeit mit der<br />
Verfassung im fehlenden Fall einer Einigung<br />
ab dem 1. Juli <strong>2016</strong> nicht mehr erhoben<br />
werden dürfte.<br />
Dies gilt, so ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht<br />
in seinem Urteil, auch für<br />
die Erbschaft- und Schenkungsteuer von<br />
steuerlichen Privatvermögen. Aus fiskalischen<br />
Gründen erscheint es aber sehr<br />
unwahrscheinlich, dass sich der Gesetzgeber<br />
in letzter Sekunde nicht doch noch<br />
besinnt, und eine Gesetzesänderung herbeiführt,<br />
die ab dem 1. Juli die vom Verfassungsgericht<br />
formulierten Anforderungen<br />
enthält.<br />
Bei einem gesetzgeberischen Schnellschuss<br />
ist es wiederum nicht auszuschließen,<br />
dass das nächste Verfahren<br />
zum Bundesverfassungsgericht, dann<br />
zum vierten Mal, in Sachen Erbschaftund<br />
Schenkungsteuer initiiert wird. Gefordert<br />
sind die Steuerberater und Rechtsanwälte<br />
der betroffenen Unternehmen. Zu<br />
beachten ist allerdings immer, dass unter<br />
Berücksichtigung der fallbezogenen besonderen<br />
Bedeutung der Erbschaft- oder<br />
Schenkungsteuerbelastung vernünftige<br />
langfristige unternehmerische Zielsetzungen<br />
geplant und umgesetzt werden sollten.<br />
W+M<br />
Dr. Joachim Feske ist Fachberater für<br />
Unternehmensnachfolge und CEO der AUDITA<br />
Dr. Feske Zauft & Wisch GmbH<br />
Wirtschaftsprüfungs- und<br />
Steuerberatungsgesellschaft in Berlin.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
48 | W+M RATGEBER FINANZEN<br />
Elektronische Rechnung<br />
Versäumnisse bei der<br />
Datensicherung<br />
können fatale Folgen haben<br />
Fakt ist: Der elektronische Rechnungsversand<br />
kann den Unternehmen viel<br />
Zeit und Geld sparen. Immerhin reduzieren<br />
sich Arbeitsaufwand und Portokosten<br />
deutlich. Doch wer auf die sogenannte<br />
eRechnung setzt, darf bei der Archivierung<br />
keine Fehler machen, denn dies kann später<br />
unter Umständen fatale finanzielle Folgen<br />
haben. Besonders wichtig: Jede elektronische<br />
Rechnung muss genau wie die<br />
Papierform zehn Jahre lang unverändert<br />
aufbewahrt werden und nachlesbar sein.<br />
Seit Anfang 2015 geben die „Grundsätze<br />
zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung<br />
von Büchern, Aufzeichnungen<br />
und Unterlagen<br />
in elektronischer Form sowie<br />
zum Datenzugriff“,<br />
kurz GoBD, den rechtlichen<br />
Rahmen für die<br />
eRechnung vor. Briefe<br />
und Belege müssen<br />
ZUR PERSON<br />
Anet Jehmlich ist Diplom-<br />
Kauffrau, Steuerberaterin und<br />
Geschäftsführerin bei der HLB Dr.<br />
Schumacher Leipzig GmbH. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte<br />
liegen in der Erstellung<br />
von Jahresabschlüssen und<br />
betrieblichen Steuererklärungen, der<br />
Begleitung bei steuerlichen Außenprüfungen<br />
sowie im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht<br />
und der steuerlichen<br />
Beratung von Privatpersonen.<br />
HLB Deutschland ist ein 1972 gegründetes<br />
Netzwerk von 20 selbstständigen<br />
und unabhängigen Wirtschaftsprüfungs-<br />
und Steuerberatungsgesellschaften<br />
an 34 Standorten in Deutschland.<br />
beispielsweise im<br />
empfangenen Format<br />
aufbewahrt werden; bei<br />
Konvertierung in ein firmeneigenes<br />
System sind beide Versionen zu<br />
archivieren. Eine PDF-Datei der Rechnung<br />
ist am sichersten, denn der Unternehmer<br />
muss garantieren, dass die Rechnung nicht<br />
verändert wurde. Wer die eingehenden<br />
Rechnungen ausdruckt und nur die Papierform<br />
aufbewahrt, kann rückwirkend den<br />
Vorsteuerabzug verlieren. In zehn Jahren<br />
kann da eine beträchtliche Summe zusammenkommen.<br />
Für den Rechnungseingang<br />
empfehle ich eine zentrale E-Mail-Adresse<br />
wie „rechnung@musterfirma.de“. Wichtig<br />
ist auf jeden Fall auch eine regelmäßige Datensicherung.<br />
Die Vorteile der<br />
eRechnung indes<br />
liegen auf der Hand:<br />
Jeder Berechtigte kann<br />
zentral darauf zugreifen,<br />
muss also nicht erst umständlich<br />
die Belege im Archiv<br />
suchen. Zudem muss kein Papierarchiv<br />
mehr geführt werden, was<br />
der Umwelt und dem Platzanspruch in<br />
den Firmenräumen gleichermaßen zugutekommt.<br />
Außerdem fallen für den Rechnungsversand<br />
keine Portokosten mehr an<br />
und eingehende Rechnungen müssen nicht<br />
manuell eingescannt werden. Vor allem für<br />
Unternehmen, die viele Belege haben und<br />
häufig darauf zugreifen müssen, lohnt sich<br />
die eRechnung. Unternehmen, die zudem<br />
eine automatisierte Verarbeitung aller Rechnungsdaten<br />
einführen, profitieren besonders.<br />
Dabei werden alle Rechnungen automatisch<br />
in der firmeneigenen Buchhaltung<br />
erfasst und weiterverarbeitet.<br />
<br />
Anet Jehmlich<br />
Fotos: leszekglasner/fotolia.com (oben), phyZick/fotolia.com (unten), HLB (Mitte)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
Aufpassen bei Fußballkarten<br />
VIP-Logen und Firmengeschenke im Fokus der Finanzämter<br />
Foto: Dynamo Dresden (oben), phyZick/fotolia.com (unten)<br />
Der Verkauf von Karten für VIP-<br />
Logen, Business-Seats und ähnlichem<br />
bei RB Leipzig läuft auf<br />
Hochtouren. Viele Firmen kaufen Karten,<br />
um ihre Geschäftspartner zu einem<br />
Fußballspiel einladen zu können. Der Absatz<br />
boomt. Doch Vorsicht, das Finanzamt<br />
schaut genau hin, wenn es um die<br />
steuerliche Absetzbarkeit von solchen<br />
Firmeneinladungen geht.<br />
Wer als Unternehmer seinen Geschäftspartner<br />
beschenkt, zum Beispiel mit einem<br />
Besuch in der VIP-Loge von Leipzig,<br />
konnte in der Vergangenheit schnell<br />
in Konflikt mit dem Fiskus kommen.<br />
Grundsätzlich gilt für VIP-Logen die<br />
40-30-30-Regel: 40 Prozent können als<br />
Werbeanteil geltend gemacht werden, 30<br />
Prozent entfällt auf die Geschenkeregelung<br />
und auch die Bewirtung kann mit 30<br />
Prozent angerechnet werden. So weit, so<br />
kompliziert und immer anders bei unterschiedlich<br />
ausgestalteten VIP-Logenangeboten,<br />
Business-Seats und so weiter.<br />
Doch was bedeutet dies konkret in der<br />
Praxis? Das ist nicht so einfach, denn<br />
man muss die Neuerungen der unterschiedlichen<br />
Regelungen und ihre Ausnahmen<br />
kennen. So muss man zum Beispiel<br />
die Geschenkesteuer genauer unter<br />
die Lupe nehmen, um zu wissen, was<br />
steuerrechtlich möglich ist.<br />
Diese Steuer gilt zunächst grundsätzlich<br />
für alle Geschenke, denn in der Geschäftswelt<br />
ist es ja üblich, dem Geschäftspartner<br />
ab und an ein Präsent zu<br />
machen. Das kann ein schönes Füllerset<br />
sein, eine Flasche Rotwein oder gar ein<br />
Besuch im Fußballstadion. Hierbei gilt die<br />
Regelung, dass der Beschenkte, sei es<br />
ein Kunde oder auch der Arbeitnehmer<br />
des Unternehmens, diese Geschenke<br />
versteuern muss. Jedoch können Unternehmen<br />
die Steuerpflicht des Beschenkten<br />
übernehmen, indem sie die Eintrittskarte<br />
ins Fußballstadion oder die teure<br />
Flasche Rotwein selbst versteuern mit<br />
einem pauschalen Steuersatz von 30 Prozent<br />
(zuzüglich Solidaritätszuschlag und<br />
Kirchensteuer). Mit dieser pauschalen<br />
Steuer ist die Steuerpflicht des Empfängers<br />
dann abgegolten. Doch Achtung,<br />
dazu gibt es einige Ausnahmen, die es<br />
lohnt zu kennen.<br />
Nach vier Entscheidungen des Bundesfinanzhofes<br />
hat das Bundesfinanzministerium<br />
im vergangenen Jahr seine Verwaltungsanweisung<br />
geändert. Danach sind<br />
Geschenke an ausländische Geschäftspartner<br />
steuerfrei, da diese generell keine<br />
Steuerpflicht trifft. Auch bei Geschenken<br />
unter einem Wert von zehn Euro (inklusive<br />
Mehrwertsteuer) entfällt die Steuerpflicht,<br />
weil es sich um sogenannte<br />
Streuartikel handelt. Bei dem Mitarbeiter,<br />
der den Kunden ins Fußballstadion<br />
begleitet, steht die betriebliche Veranlassung<br />
im Vordergrund, die Eintrittskarte<br />
ist in diesem Fall nicht als Geschenk anzusehen,<br />
so dass auch hier keine Steuerpflicht<br />
entsteht.<br />
In der Praxis muss das Unternehmen<br />
also folgendermaßen vorgehen: Dem Geschenk-Empfänger<br />
ist mitzuteilen, dass<br />
die Steuer übernommen wird. Wenn die<br />
Entscheidung zur Übernahme der Geschenkesteuer<br />
steht, gilt diese pauschal<br />
innerhalb eines Jahres für alle Geschäftspartner,<br />
ein Wahlrecht existiert hier nicht.<br />
Und wenn das Geschenk als Betriebsausgabe<br />
abgesetzt werden kann, kann auch<br />
die Geschenkesteuer abgesetzt werden.<br />
Endlich also mehr Klarheit in Bezug auf<br />
die Geschenkesteuer und eine vereinfachte<br />
Praxis, die in manchen Fällen sogar zu<br />
Steuererleichterungen führen kann.<br />
<br />
Anet Jehmlich<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
50 | W+M RATGEBER RECHT<br />
Urteile für<br />
Unternehmer<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hat interessante<br />
Richtersprüche zusammengestellt<br />
Mindestlohn<br />
Arbeitgeber dürfen Sonderzahlungen<br />
auf Mindestlohn anrechnen<br />
Bisher gewährte Sonderzahlungen wie<br />
Urlaubs- und Weihnachtsgeld können in<br />
bestimmten Fällen vom Arbeitgeber auf<br />
den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet<br />
werden, um die gesetzliche Lohnuntergrenze<br />
von 8,50 Euro pro Stunde zu<br />
erreichen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht<br />
(BAG).<br />
Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen<br />
Mindestlohn für jede tatsächlich<br />
geleistete Arbeitsstunde. Er erfüllt den<br />
Anspruch durch die als Gegenleistung für<br />
Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen, soweit<br />
diese dem Arbeitnehmer endgültig<br />
verbleiben. Die Erfüllungswirkung fehlt<br />
nur solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber<br />
ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung<br />
des Arbeitnehmers erbringt<br />
oder die auf einer besonderen gesetzlichen<br />
Zweckbestimmung beruhen.<br />
Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger<br />
das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in zwölf<br />
Teilen monatlich neben dem Gehalt ausgezahlt.<br />
Der Kläger wollte erreichen, dass<br />
sein Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen<br />
ebenso wie die vertraglich zugesagten<br />
Zuschläge für Mehr-, Nacht-,<br />
Sonn- und Feiertagsarbeit auf Basis des<br />
gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von<br />
8,50 Euro brutto pro Stunde gezahlt werden.<br />
Das BAG entschied nun, dass der<br />
Kläger aufgrund des Mindestlohngesetzes<br />
keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt,<br />
erhöhte Jahressonderzahlungen<br />
sowie erhöhte Lohnzuschläge hat.<br />
Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigenständiger<br />
Anspruch neben die bisherigen<br />
Anspruchsgrundlagen, verändert diese<br />
aber nicht. Der nach den tatsächlich<br />
geleisteten Arbeitsstunden bemessene<br />
Mindestlohnanspruch des Klägers sei erfüllt<br />
worden, denn auch den vorbehaltlos<br />
und unwiderruflich in jedem Kalendermonat<br />
geleisteten Jahressonderzahlungen<br />
kommt Erfüllungswirkung zu.<br />
BAG, 5 AZR 135/16<br />
AGB-Klauseln<br />
Klausel zur Haftungsbeschränkung<br />
muss verständlich sein<br />
Das Amtsgericht (AG) München hat entschieden,<br />
dass eine Haftungsbeschränkung<br />
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit<br />
dann unwirksam ist, wenn die Klausel unverständlich<br />
ist.<br />
Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls<br />
ist Mitglied in einem Verein zur Wahrnehmung<br />
und Förderung der Interessen<br />
des Kraftfahrzeugwesens. Der Mitgliedsvertrag<br />
beinhaltet die Verpflichtung zur<br />
Pannen- und Unfallhilfe, um die Fahrbereitschaft<br />
des Fahrzeugs herzustellen. In<br />
den allgemeinen Vertragsbedingungen<br />
des Vereins findet sich eine Klausel, die die<br />
Haftung des Vereins auf grob fahrlässiges<br />
oder vorsätzliches Verhalten beschränkt.<br />
Beim Versuch, das Auto des Klägers durch<br />
einen Pannenhelfer zu öffnen, ging die<br />
Windschutzscheibe zu Bruch. Der Kläger<br />
lies diese austauschen und verlangte<br />
den Schaden vom Verein ersetzt. Dieser<br />
berief sich auf seine vertraglichen Haftungsbeschränkungen<br />
und verweigerte<br />
die Zahlung. Die Klausel der Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen, die die Haftung<br />
des Vereins auf grob fahrlässiges oder vorsätzliches<br />
Verhalten beschränkt, ist nach<br />
Auffassung des Gerichts aber unwirksam.<br />
Denn es sei laut Gericht für einen<br />
typischen Verbraucher nicht hinreichend<br />
verständlich, was die Haftungsbeschränkung<br />
umfasst, weil der Begriff „wesentliche<br />
Hauptpflichten” zu vage ist und weder<br />
durch eine abstrakte Erklärung noch durch<br />
Regelbeispiele näher erläutert werde.<br />
AG München, 274 C 24303/15<br />
Datenschutz<br />
Kein Schadensersatz bei<br />
Videoüberwachung nach Sabotage<br />
Ein Arbeitgeber, der Produktionsräume<br />
zwei Monate lang per Video überwachen<br />
lässt, ohne die Mitarbeiter hierüber zu informieren,<br />
weil es zuvor zu Sabotageakten<br />
bei der Produktion gekommen war,<br />
schuldet den Mitarbeitern nicht zwangsläufig<br />
Schadensersatz wegen einer Persönlichkeitsverletzung.<br />
Dies geht aus einer Entscheidung des<br />
Landesarbeitsgerichts (LAG) Sachsen-Anhalt<br />
hervor. Nach dem Datenschutzgesetz<br />
ist die Installation einer Videoanlage zwar<br />
verboten, gleichwohl besteht in dieser Situation<br />
für den Arbeitgeber ein nachvollziehbarer<br />
Anlass, diese Maßnahme zu ergreifen.<br />
Das Gericht wies die Schadensersatzklage<br />
des Mitarbeiters ab. Die Überwachung<br />
hat sich auf einen relativ kurzen<br />
Zeitraum des Arbeitsverhältnisses (zwei<br />
Monate) bezogen. Weiter beschränkte<br />
sich die Videoüberwachung auf den Produktionsbereich.<br />
Eine Beobachtung des<br />
Klägers in Bereichen, in denen seine Privatsphäre<br />
hätte tangiert sein können, zum<br />
Beispiel Umkleideräume oder Pausenräume,<br />
hat nicht stattgefunden. Die Beobachtung<br />
hat sich auch nicht gezielt gegen den<br />
Kläger gerichtet, sondern erstreckte sich<br />
auf den gesamten Produktionsbereich des<br />
Unternehmens. Der Mitarbeiter stand mithin<br />
nicht im Fokus der Beobachtung.<br />
LAG Sachsen-Anhalt, 6 Sa 301/14<br />
W+M<br />
Foto: AllebaziB/fotolia.com, Quelle: www.kostenlose-urteile.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
RATGEBER INSOLVENZ | 51<br />
Von allen<br />
Schulden<br />
befreit<br />
Die Restschuldbefreiung durch einen<br />
Insolvenzplan ist schneller und effektiver als<br />
eine gerichtliche Restschuldbefreiung<br />
Fotos: Africa Studio/fotolia.com (oben), Stapper (unten)<br />
Wer Schulden hat und die Restschuldbefreiung<br />
erreichen will,<br />
kann versuchen, sich mit seinen<br />
Gläubigern zu einigen. Die Gläubiger<br />
bekommen dann einen Teil ihrer Forderungen<br />
bezahlt und verzichten auf den Rest.<br />
Wem das nicht gelingt, der kann die Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens über sein<br />
Vermögen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung<br />
beantragen. Wer völlig vermögenslos<br />
ist und die Kosten des Insolvenzverfahrens<br />
nicht bezahlen kann, bekommt die<br />
Restschuldbefreiung dann nach sechs Jahren,<br />
wer die Kosten des Insolvenzverfahrens<br />
bezahlt nach fünf Jahren und wer zusätzlich<br />
35 Prozent der Forderungen seiner<br />
Gläubiger bedienen kann nach drei Jahren.<br />
Allerdings sind von der Restschuldbefreiung<br />
manche Schulden ausgeschlossen:<br />
Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung,<br />
einige Unterhaltspflichten, gewisse<br />
Steuerforderungen, Geldstrafen und gleichgestellte<br />
Verbindlichkeiten sowie spezielle<br />
Darlehensschulden. Eine gerichtliche Restschuldbefreiung<br />
dauert also lange und befreit<br />
nicht von allen Schulden.<br />
Dr. Florian Stapper,<br />
Fachanwalt für Insolvenzund<br />
Steuerrecht und Inhaber<br />
von STAPPER Insolvenzund<br />
Zwangsverwaltung.<br />
Der Insolvenzplan dagegen<br />
kann in wenigen<br />
Monaten rechtskräftig<br />
sein und befreit von allen Schulden,<br />
auch von denen, die in einem gerichtlichen<br />
Restschuldbefreiungsverfahren bestehen<br />
bleiben. Nach neuerem Recht gilt das sogar<br />
für Verbraucher. Mit dem Insolvenzplan<br />
wird den Gläubigern in der Regel eine<br />
etwas bessere Quote angeboten, als sie<br />
ohne Insolvenzplan bekommen würden.<br />
Außerdem können Dritte, das sind häufig<br />
Familie und Freunde, aber auch andere,<br />
die ein Interesse an der zügigen Restschuldbefreiung<br />
haben, einen Zuschuss<br />
geben. Gelegentlich wird der Zuschuss<br />
auch nach der Restschuldbefreiung vom<br />
fortgeführten Unternehmen bezahlt oder<br />
es gibt Kombinationslösungen.<br />
Sind Vermögensgegenstände – wie beispielsweise<br />
technische Anlagen und Maschinen,<br />
aber auch Immobilien – finanziert,<br />
kann der Insolvenzplan grundsätzlich<br />
auch regeln, wie die Finanzierung nach<br />
Rechtskraft des Insolvenzplanes aussieht.<br />
Gelegentlich ist es auch sinnvoll, dass ein<br />
dem Schuldner wohlgesonnener Dritter<br />
bestimmte Vermögensgegenstände<br />
übernimmt und dem<br />
Schuldner danach zur<br />
Nutzung überlässt. Dabei<br />
kann grundsätzlich<br />
alles vereinbart werden,<br />
was die Fantasie<br />
und die Rechtsordnung<br />
zulassen.<br />
Wichtig ist nur, dass<br />
die Gläubiger dadurch<br />
nicht schlechter gestellt<br />
werden. Erfahrene Insolvenzverwalter<br />
handeln das im Vorfeld mit<br />
dem Finanzierungspartner aus. Die Gläubiger<br />
müssen dem Insolvenzplan dann in<br />
einer Gläubigerversammlung zustimmen.<br />
Es reicht aus, wenn die Mehrheit der Gläubigergruppen<br />
die Zustimmung erteilt. Bei<br />
schwierigen Gläubigern kann der Erfolg<br />
des Insolvenzplanes daher auch von der<br />
Gruppeneinteilung abhängen. Im Übrigen<br />
entscheidet häufig das Geschick des Planverfassers.<br />
Im Ergebnis bekommen alle<br />
Gläubiger durch den Insolvenzplan eine<br />
grundsätzlich etwas erhöhte Quote und<br />
verzichten auf den Rest ihrer Forderungen.<br />
Das gilt auch für diejenigen Forderungen,<br />
von denen die gerichtliche Restschuldbefreiung<br />
nicht befreit. Das Verfahren des<br />
Insolvenzplans ist zwar kompliziert, aber<br />
mit einem darauf spezialisierten Insolvenzverwalter<br />
sind häufig hohe Erfolgsquoten,<br />
teilweise bis zu 100 Prozent möglich. Der<br />
Insolvenzplan ist schnell und beseitigt alle<br />
Schulden. Somit ist er deutlich effektiver<br />
als die gerichtliche Restschuldbefreiung.<br />
<br />
Florian Stapper<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
52 | W+M RATGEBER LITERATUR<br />
Wirtschaftsliteratur<br />
Die ostdeutsche<br />
Bestsellerliste<br />
1<br />
2<br />
3<br />
6<br />
7<br />
5<br />
8<br />
4<br />
9<br />
10<br />
Die ostdeutsche Bestsellerliste für<br />
Wirtschaftsliteratur wird exklusiv von<br />
W+M aus den Verkaufszahlen großer<br />
Buchhandlungen in Brandenburg,<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,<br />
Sachsen-Anhalt und Thüringen erstellt.<br />
Beteiligt haben sich:<br />
• Hugendubel Cottbus,<br />
Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />
• Hugendubel Erfurt,<br />
Anger 62, 99084 Erfurt<br />
• Hugendubel Greifswald,<br />
Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />
• Hugendubel Leipzig,<br />
Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />
• Hugendubel Potsdam,<br />
Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />
• Hugendubel Schwerin,<br />
Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />
• Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung,<br />
Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/Oder<br />
Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen<br />
jederzeit offen. Schreiben Sie bei<br />
Interesse eine E-Mail an JP@WundM.info.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
W+M RATGEBER BÜRO | 53<br />
Multifunktionsdrucker für kleine und<br />
mittlere Unternehmen<br />
Alleskönner fürs Büro<br />
Um Dokumente im Büro reibungslos zu<br />
verarbeiten, werden an moderne Drucker<br />
vielfältige Anforderungen gestellt.<br />
Ohne Multifunktionsgeräte (MFP, multi-funktion<br />
printer), die drucken, kopieren,<br />
scannen und faxen, kommt man<br />
im Büro kaum noch aus. Dabei spielen<br />
umfassende Funktionen – bei leichter<br />
Bedienung –, eine hohe Druckqualität<br />
und Zuverlässigkeit bei der Auswahl des<br />
richtigen Druckers die Hauptrollen. Oft<br />
müssen Drucker auch in der Lage sein,<br />
von kleinen Formaten hin bis zu DIN A3<br />
drucken zu können.<br />
Vier ausgewählte und für kleine und<br />
mittlere Unternehmen konzipierte Drucker<br />
möchten wir Ihnen hier vorstellen:<br />
den bizhub C227 von Konica Minolta,<br />
den Kyocera TASKalfa406ci, den<br />
MC873 von OKI und den Ricoh MP-<br />
3004SP.<br />
Der bizhub C227 von Konica Minolta<br />
kann auch von iOS oder Android basierten<br />
Mobilgeräten drucken und scannen.<br />
Fotos: Konica Minolta (oben), OKI Electric Industry (links), Ricoh (Mitte), Kyocera (rechts)<br />
Der MC873 von OKI bietet durch die<br />
Kooperation mit Drivve eine optimierte<br />
Scan-Lösung.<br />
Konica Minolta<br />
bizhub C227<br />
Der Ricoh MP C3004SP besitzt mit maximal<br />
4.700 Blatt die größte Papierkapazität und mit<br />
10,1 Zoll das größte Touch-Display.<br />
Kyocera<br />
TASKalfa406ci<br />
Der TASKalfa406ci von Kyocera verfügt als<br />
DIN-A4-System über die umfangreichen<br />
Funktionen, die vorher nur DIN-A3-<br />
Systeme besaßen. Ein nicht standardmäßig<br />
integriertes Fax kann nachgerüstet werden.<br />
OKI MC873<br />
Ricoh MP C3004SP<br />
Druckgeschwindigkeit<br />
(bei DIN A4)<br />
22 Seiten/Minute 40 Seiten/Minute 35 Seiten/Minute 35 Seiten/Minute<br />
Druckauflösung 600 dpi 1.200 dpi 1.200 dpi 1.200 dpi<br />
Scangeschwindigkeit bis zu 45 Seiten/Minute 120 Seiten/Minute 50 Seiten/Minute 80 Seiten/Minute<br />
Aufwärmzeit (ca.) 20 Sekunden 24 Sekunden 32 Sekunden 26 Sekunden<br />
Papiervorrat (max.) 3.600 Blatt 3.100 Blatt 2.005 Blatt 4.700 Blatt<br />
Ausgabekapazität (max.) 3.300 Blatt 3.200 Blatt 250 Blatt keine Angaben<br />
Maße (Breite x Tiefe x Höhe) 585 x 660 x 735 mm 550 x 507 x 613 mm 563 x 600 x 700 mm 587 x 685 x 913 mm<br />
Preis (UVP) 3.990 € ab 3.990 € ab 3.414,11 € 7.800 €<br />
Webseite www.konicaminolta.de www.kyocera.de www.oki.de www.ricoh.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
54 | W+M NETZWERK<br />
Antje Arnold vom Q 206 mit ihrem Flight.<br />
5. Golfturnier für Freunde<br />
Florida Scramble im A-ROSA<br />
Sieger (brutto) Jörg Lengauer, Georg Radde, Grit und<br />
Andy Gerber (v. l.) mit Kornelia Brocke (M.) und Frank<br />
Nehring (2. v. l.) von W+M.<br />
Am 9. Mai <strong>2016</strong> fand bereits<br />
zum fünften Mal unser Golfturnier<br />
für Freunde des Magazins<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> statt. Dieses<br />
Jahr waren wir im A-ROSA-Golfresort<br />
Scharmützelsee auf dem legendären Arnold-Palmer-Platz.<br />
Dank Florida-Scramble<br />
wurde noch taktischer im Team gespielt.<br />
Ein gelungener Tag mit tollen Teilnehmern,<br />
sonnigem Wetter, leckerem<br />
Essen & Trinken und einer Menge Spaß<br />
am schönen Spiel! Wir danken allen<br />
Sponsoren und Unterstützern und freuen<br />
uns schon aufs nächste Jahr. Save the<br />
date: 8. Mai 2017. <br />
W+M<br />
Bernd Klotz, Frank Nehring,<br />
Thomas Süss und Ron Uhden (v. l.).<br />
Beim Get-together.<br />
Die Teilnehmer des Schnupperturniers.<br />
Dank an alle Sponsoren und Unterstützer.<br />
Fotos: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
GESELLSCHAFT | 55<br />
Wirtschaftsball der Region Mecklenburg<br />
Gute Laune – nicht nur bei den<br />
Unternehmern des Jahres<br />
Die Band „Baltic Rock Bonanza“ sorgte<br />
für Stimmung.<br />
Die drei führenden Vertreter der<br />
mecklenburgischen Wirtschaft –<br />
der Unternehmerverband Norddeutschland<br />
Mecklenburg-Schwerin e. V.,<br />
die IHK zu Schwerin und die Handwerkskammer<br />
Schwerin – luden zum jährlichen<br />
gemeinsamen Wirtschaftsball am<br />
23. April <strong>2016</strong> in die Sternenhalle der Mercedes-Benz-Niederlassung<br />
Schwerin.<br />
Im Beisein der rund 200 Gäste aus Wirtschaft,<br />
Politik und Medien wurde auch<br />
der Preis „Unternehmer des Jahres“ vergeben,<br />
mit dem seit 1993 herausragende<br />
unternehmerische Leistungen gewürdigt<br />
werden. In diesem Jahr ging der Preis an<br />
Andreas Hüttmann, Rüdiger Thieke und<br />
Volker Bornkessel vom Brauhaus Vielank.<br />
<br />
W+M<br />
Die Mercedes-Benz-Niederlassung<br />
Schwerin wurde zum Festsaal umgebaut.<br />
Viele Gäste nutzten die Gelegenheit zum Tanzen.<br />
Fotos: maxpress<br />
Harry Glawe, Andreas Hüttmann, Rolf<br />
Paukstat, Rüdiger Thieke, Ulrich Kempf (v. l.).<br />
Rolf Paukstat, Michael und Matthias<br />
Maack und Volker Jödicke (v. l.).<br />
Rolf Paukstat, Karin Winkler, Dirk<br />
Wernicke und Pamela Buggenhagen (v. l.).<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
56 | W+M NETZWERK GESELLSCHAFT<br />
Die Santa Maria<br />
Manuela auf<br />
hoher See.<br />
16. SACHSEN Sail<br />
Wirtschaft – Kontakte – neue Horizonte<br />
Die Segler der SACHSEN Sail <strong>2016</strong>.<br />
Die SACHSEN Sail, die in diesem<br />
Jahr vom 20. bis 24. Mai <strong>2016</strong><br />
stattfand, führte über 50 Unternehmer<br />
mit dem Segelschiff Santa Maria<br />
Manuela von Warnemünde nach Kopenhagen<br />
und zurück. Begleitet von zahlreichen<br />
Fachvorträgen und Diskussionen<br />
rund um das Thema Energiewende war<br />
es wieder eine Unternehmerreise der<br />
besonderen Art. Fünf Tage auf See, fünf<br />
Tage voller intensiver Gespräche und sicher<br />
ist dort auch manch neue Idee geboren<br />
worden. Die SACHSEN Sail ist eine<br />
geniale Idee und ein Beweis dafür, wie<br />
wertvoll es ist, sich Zeit zum Netzwerken<br />
zu nehmen. Den Organisatoren der Tour,<br />
dem SACHSEN Sail Club Leipzig e. V.,<br />
gebührt Anerkennung für die hervorragende<br />
Initiative und perfekte Organisation.<br />
2017 geht es erneut auf große<br />
Fahrt. Fünf Sterne vom Medienpartner<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>. W+M<br />
Karl-Heinz Garbe, Lars Schaller, Frank<br />
Nehring, Thomas Prauße, Wolfgang<br />
Schröder, Hartmut Bunsen und Manuela<br />
Balan (v. l.).<br />
Hartmut Bunsen beaufsichtigt<br />
das Setzen der Segel.<br />
Während der Podiumsdiskussion zum Thema<br />
„Energiewende – Schwerpunkt Windkraft“.<br />
Fotos: Claudia Koslowski/PIXAPOOL.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
18. Brandenburger Unternehmertag<br />
Tourismuswirtschaft in Brandenburg<br />
Der diesjährige Brandenburger Unternehmertag im<br />
Hotel Bayrisches Haus Potsdam fand am 14. April<br />
<strong>2016</strong> statt. Thema des gut besuchten Treffens war<br />
die Tourismuswirtschaft, die sich in Brandenburg zu einem<br />
wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt hat. W+M<br />
Touristenmagnet:<br />
Das Schloss Sanssouci in Potsdam.<br />
Interessierte Zuhörer beim Brandenburger Tourismustag im Hotel Bayrisches Haus Potsdam.<br />
Übernachtungen in Brandenburg<br />
Kulturelle Highlights<br />
Fotos: G.Reiche/WirtschaftsForum Brandenburg, Möller Mediengruppe (oben rechts), Quelle Schaubilder: Landestourismuskonzept Brandenburg<br />
1992: 4,63 Millionen<br />
2015: 12,5 Millionen<br />
Umsätze im Tourismus<br />
2003: 2,5 Millionen Euro<br />
2015: 4,3 Millionen Euro<br />
Hotels in Brandenburg<br />
1992: 724 Hotels<br />
2014: 1.634 Hotels<br />
• 500 Schlösser und Herrenhäuser<br />
• 400 Museen<br />
• 1.600 Kloster- und<br />
Dorfkirchen<br />
• 31 historische Stadtkerne<br />
Für Radfahrer<br />
• 11.600 km ausgeschilderte Radwege<br />
• 496 Bett&Bike-Betriebe<br />
Für Erholungssuchende<br />
• 23 staatlich anerkannte Kurund<br />
Erholungsorte<br />
• 18 Thermen und<br />
Erlebnisbäder<br />
Staatssekretär Hendrik Fischer vom<br />
Brandenburger Wirtschaftsministerium.<br />
Gute Gespräche unter den Tourismus-<br />
Experten.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
58 | W+M NETZWERK<br />
5. UV-Business Challange<br />
Golfen in Serrahn<br />
Am 27. Mai trafen sich wieder golfbegeisterte<br />
Unternehmer zur jährlichen<br />
Business-Challenge, die die<br />
regionalen Unternehmerverbände Mecklenburg-Vorpommerns<br />
in Zusammenarbeit<br />
mit der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände<br />
Ostdeutschland und<br />
Berlin organisierten. Diesjähriger Austragungsort<br />
war der Golfplatz des Van-der-<br />
Valk-Golfhotels Serrahn. Bei hervorragendem<br />
Wetter konnten sich die Spieler<br />
von den Tücken des Platzes überzeugen,<br />
während sich über 20 Schnupperer unbeschwert<br />
einen ersten Eindruck von den<br />
Schönheiten und Herausforderungen des<br />
Golfsports verschafften. Beim anschließenden<br />
Barbecue wurden auch wieder attraktive<br />
Preise verliehen. W+M<br />
Gute Laune auf<br />
der Driving Range.<br />
Die Veranstalter Frank Haacker, Manuela<br />
Balan, Pamela Buggenhagen und Rolf<br />
Paukstadt (v. r.).<br />
Nach dem Spiel beim Barbecue.<br />
Anja Hausmann (M.) mit den UV-<br />
Geschäftsführerinnen Manuela Balan (l.) und<br />
Pamela Buggenhagen bei der Preisverleihung.<br />
Kanonenstart<br />
pünktlich um<br />
10:00 Uhr<br />
durch<br />
Organisatorin<br />
Manuela Balan.<br />
Fotos: UV Rostock<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
GESELLSCHAFT | 59<br />
Beach Polo World Masters<br />
Polo in Warnemünde<br />
Die großen Polo-Turniere in St. Moritz,<br />
Kitzbühel oder auf Sylt haben vieles,<br />
aber keinen Ostseestrand. Bei unschlagbar<br />
schönem Wetter fanden vom 3.<br />
bis 5. Juni nun schon zum zweiten Mal die<br />
Aston Martin Berlin Beach Polo World Masters<br />
am Strand von Warnemünde statt. Organisator<br />
Matthias Ludwig hat es wieder geschafft,<br />
sein Turnier größer und damit das<br />
Ostseebad zu einem Hotspot für den Polosport<br />
werden zu lassen. Von der Faszination<br />
dieses Sports konnten sich die vielen Strandbesucher<br />
ebenso wie die geladenen Gäste<br />
und Sponsoren persönlich überzeugen.<br />
Jan-Erik Franck, der wohl unterhaltsamste<br />
Polo-Experte, kommentierte die Spiele<br />
in gewohnter Weise. Selbst Mecklenburg-<br />
Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr.<br />
Till Backhaus, bekennender Tier- und Pferdefreund,<br />
ließ es sich nicht nehmen, dem<br />
Event beizuwohnen. Er würdigte das Poloturnier<br />
als einen sportlichen, kulturellen<br />
und wirtschaftlichen Höhepunkt und dankte<br />
dem Veranstalter für sein persönliches<br />
Engagement. Das Turnier endete mit folgenden<br />
Platzierungen: 1. ARGE Haus, 2.W&N<br />
Immobilien, 3. Aston Martin Berlin, 4. SGB<br />
Berlin/RWG 1, 5. Kühne Pool & Wellness/<br />
Sanddorn Naturfreunde MV, 6. BMW - MINI<br />
WIGGER/Warnemünder Hof. W+M<br />
Polo-Ponys – die<br />
besonderen Pferde.<br />
Das Gewinnerteam von ARGE<br />
Haus mit Philipp Zimmermann (l.)<br />
und Wolfgang Kailing.<br />
Jan-Erik Franck – The Voice of Polo.<br />
Polo-Riviera-Chef und Veranstalter Matthias<br />
Ludwig (r.) mit W+M-Medienpartner Frank Nehring.<br />
Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus –<br />
Ehrengast beim Polo-Turnier.<br />
Polo ist nicht nur<br />
etwas für Männer.<br />
Fotos: Ralf Succo/succomedia<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
60 | W+M NETZWERK<br />
Wo Allradfahrzeuge<br />
das Laufen lernen<br />
Ein Unimog der neusten Generation auf<br />
dem „Festen Geröllhang“ von Horstwalde.<br />
Nur auf dem Computer lassen sich neue Fahrzeuge nicht entwickeln.<br />
Zeitraffende Erprobung auf Prüfständen und im Fahrversuch sind<br />
nach wie vor notwendig. Fahrzeughersteller nutzen die Verkehrs-<br />
Versuchsanlage in Horstwalde, welche von einem gemeinnützigen<br />
Förderverein instandgehalten und vermarktet wird. Auch der VBIW<br />
ist Mitglied des Fördervereins und unterstützt dessen Ziele.<br />
Von Dr. Klaus Urban und Rudolf Miethig<br />
Horstwalde (Baruth/Mark). 1938 hatte<br />
hier die Wehrmacht eine bis dahin einmalige<br />
Geländeerprobungs-Anlage für<br />
Rad- und Kettentechnik in die Sanddünen<br />
gesetzt. Geländefahrzeuge konnten<br />
so unter reproduzierbaren Bedingungen<br />
erprobt werden. Dazu wurden Steigungsund<br />
Verwindungsbahnen, Kletterstufen,<br />
diverse Geröllhänge sowie Wasser- und<br />
Schlammdurchfahrten eingebaut.<br />
Ab 1950 gab es wieder erste Werkserprobungen<br />
von Geländewagen, und<br />
von 1957 bis 1990 betrieb die Nationale<br />
Volksarmee das Versuchsgelände, wobei<br />
auch die Fahrzeugbauer aus Zittau (Robur)<br />
und Ludwigsfelde (W50/L60) ihre<br />
geländegängigen Fahrzeuge hier erproben<br />
durften. Nach der Wiedervereinigung<br />
übernahm die Bundesanstalt für Materialforschung<br />
und -prüfung (BAM) das Territorium<br />
und errichtete dort ihr Testgelände<br />
Technische Sicherheit. In dessen südlichem<br />
Teil liegt die besagte Anlage. Der<br />
Förderverein der Verkehrs-Versuchsanlage<br />
Horstwalde e. V. (FKVV) ist Mieter<br />
bei der BAM und vermarktet und unterhält<br />
diese zur Freude der Unteren Denkmalschutzbehörde<br />
und zum Nutzen von<br />
Fahrzeugherstellern sowie deren Zulieferern.<br />
Das Denkmal lebt, es dient der Entwicklung<br />
von Fahrzeugen.<br />
Der Versuchsbetrieb an durchschnittlich<br />
120 bis 150 Tagen sowie Wind und Wetter<br />
mit unzähligen Frost-Tau-Zyklen hinterlassen<br />
naturgemäß ihre Spuren. Ein<br />
Modul der Anlage, der „Feste Geröllhang“<br />
mit bis zu 35 Prozent Steigung,<br />
musste saniert werden – denkmalgerecht.<br />
Auf ihm wird das Zusammenspiel<br />
im System Reifen-Rad-Welle-Getriebe-<br />
Motor untersucht. Und genau hier liegt<br />
auch die Ursache für den Sanierungsfall.<br />
Durch den sehr rauen und zudem welligen<br />
Belag aus Felsbrocken wird das Abrollen<br />
der Räder empfindlich gestört. Das<br />
Fahrzeug schaukelt, es resultieren starke<br />
Lastwechsel an den Rädern. Zudem erfolgen<br />
die Versuchsfahrten teilweise mit<br />
gesperrtem Differenzial. Dadurch beginnen<br />
die Räder beim Auftreffen auf dem<br />
festen Untergrund regelrecht zu mahlen.<br />
Die Bau-Dokumentation aus 1938 lag<br />
nicht vor, so musste der grundsätzliche<br />
Aufbau der Fahrbahn ermittelt, die<br />
Güte des Vergussbetons bestimmt und<br />
das Deckgestein mineralogisch charakterisiert<br />
werden. Es stellte sich heraus,<br />
dass die Porphyrsteine aus dem Steinbruch<br />
von Löbejün (Saalekreis in Sachsen-Anhalt)<br />
stammten. Von dort konnte<br />
der Förderverein das Material erneut<br />
beschaffen. Ende Februar <strong>2016</strong>, gleich<br />
nach der Frostperiode, wurden die neuen<br />
Porphyrbrocken in Beton gesetzt und<br />
konnten so noch rechtzeitig vor den ersten<br />
Versuchsfahrten abbinden. Eine bisher<br />
einmalige Sanierung in der Vereinsgeschichte.<br />
W+M<br />
Foto: Mercedes-Benz Special Trucks<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
VBIW | 61<br />
Nachhaltige Energie-Eigenversorgung<br />
Wellmitz. VBIW-Mitglieder aus Eisenhüttenstadt<br />
besuchten die Biogasanlage<br />
der Agrargenossenschaft Neuzelle e. G.<br />
in Wellmitz. Der Vorstandsvorsitzende der<br />
Genossenschaft Frank Matheus führte die<br />
Gäste durch die Anlage.<br />
Täglich werden 15 Tonnen Mais-Silage der<br />
Anlage zugeführt. Daneben noch Gras-Silage<br />
und die Gülle aus der Schweinemast.<br />
Alle Einsatzstoffe produziert die Agrargenossenschaft<br />
selbst, wofür nur etwa zehn<br />
Prozent der Ackerfläche genutzt werden.<br />
Auf dieser Grundlage entstehen in den<br />
Fermentern pro Tag circa 5.200 Nanokubikmeter<br />
Biogas. Mit dem wird in einem<br />
Blockheizkraftwerk (BHKW) Elektroenergie<br />
erzeugt, die zu 50 Prozent von der Genossenschaft<br />
selbst verbraucht wird. Den<br />
Rest erhält das Stromnetz. Die Abwärme<br />
des Gasmotors, welcher Bestandteil des<br />
BHKW ist, dient der Beheizung der Fermenter,<br />
der Ställe und Gebäude sowie der<br />
Warmwasserbereitung. Die Reste aus den<br />
Gärbehältern werden als Dünger ausgebracht.<br />
Die Teilnehmer gewannen die Erkenntnis,<br />
dass Biogasanlagen einen effektiven<br />
und sinnvollen Beitrag zur Erzeugung<br />
Erneuerbarer Energie leisten, deren Förderung<br />
fortgesetzt werden sollte, natürlich<br />
mit den richtigen Anreizen. Den Vorschlag,<br />
Grasschnitt von den Freiflächen,<br />
die durch Wohnungsrückbau in Eisenhüttenstadt<br />
entstanden sind, für die Biogaserzeugung<br />
zu nutzen, erachtet Matheus auf<br />
der Grundlage derzeitiger Förderbedingungen<br />
für nicht praktikabel.<br />
<br />
Helmut Kummich (VBIW)<br />
Der Fermenter der Biogasanlage in Wellmitz<br />
im Südosten Brandenburgs.<br />
Rettung des Stahlstandorts<br />
Fotos: Helmut Kummich (VBIW, oben), Bernd Geller (VBIW, unten)<br />
Prof. Döring vor dem industriellen Leuchtturm.<br />
Eisenhüttenstadt. Der VBIW-Ortsverein<br />
Eisenhüttenstadt hatte zu einer Veranstaltung<br />
mit VBIW-Mitglied Professor Dr.<br />
Karl Döring geladen. Nicht nur Mitglieder<br />
kamen zahlreich, da Professor Döring wegen<br />
seines Einsatzes bei der Rettung des<br />
Stahlstandorts Eisenhüttenstadt in der Region<br />
und in der Branche auch heute noch<br />
hohe Anerkennung genießt. Dabei stellte<br />
er auch sein Buch „EKO – Stahl für die<br />
DDR, Stahl für die Welt" vor.<br />
Döring war von 1985 bis 1990 Generaldirektor<br />
des Bandstahlkombinats und wurde<br />
nach dessen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft<br />
1990 Vorstandsvorsitzender<br />
der neuen EKO STAHL AG. Das Stahlwerk<br />
in Eisenhüttenstadt zu errichten, sei<br />
eine außerordentliche Leistung der DDR<br />
gewesen. Das Buch habe er auch deshalb<br />
geschrieben, um jenen den Wind aus den<br />
Segeln zu nehmen, welche die DDR allein<br />
auf „marode“ und „bankrott“ reduzieren<br />
wollen. Der heute 79-Jährige schilderte,<br />
wie schwierig es war, das EKO zu<br />
retten, wie 1997 der metallurgische Zyklus<br />
durch ein Warmwalzwerk geschlossen<br />
wurde und das Werk nach zweifachem Namenswechsel<br />
schließlich Teil des Weltkonzerns<br />
ArcelorMittal wurde (siehe auch<br />
W+M 3/2014). Döring könne die Zukunft<br />
nicht voraussagen, sieht die des EKO aber<br />
optimistisch. Jutta Scheer (VBIW)<br />
VBIW – Verein Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />
Landesgeschäftsstelle:<br />
Fürstenwalder Str. 46,<br />
15234 Frankfurt (Oder),<br />
Tel.: 0335 8692151<br />
E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />
Internet: www.vbiw-ev.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
62 | W+M NETZWERK<br />
UV Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin<br />
AUF EINEM GUTEN WEG<br />
Verbandspräsident Rolf Paukstat zog Bilanz.<br />
Plau am See. Am 12. Mai<br />
fand in Plau am See die<br />
Mitgliederversammlung<br />
des Unternehmerverbands<br />
Schwerin statt. In seinem<br />
Rechenschaftsbericht gab<br />
Präsident Rolf Paukstat einen<br />
Überblick über die geleistete<br />
Arbeit im zurückliegenden<br />
Jahr. Die große<br />
Resonanz der Wirtschaft,<br />
Politik, Verwaltung und<br />
Medien zeige, dass sich<br />
der Verband als mitgliederstärkster<br />
Regionalverband<br />
in Mecklenburg-Vorpommern hervorragend<br />
etabliert habe. Man verzeichnete 68<br />
neue Mitglieder im Verband. Geschäftsführerin<br />
Pamela Buggenhagen ergänzte<br />
den Rechenschaftsbericht um die Darstellung<br />
der finanziellen Situation des Verbandes.<br />
Diese zeigt sich stabil und zukunftsfähig.<br />
Der weitere Ausbau der Mitgliedszahlen,<br />
die Fortsetzung der Angebote und<br />
Leistungen für die Mitglieder auf hohem<br />
Niveau sowie die Umsetzung von Projekten<br />
im Sinne der Mitgliedsunternehmen<br />
stehen nach wie vor im Fokus und sind<br />
entscheidend für die weitere positive wirtschaftliche<br />
Entwicklung des Verbandes.<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
NEUE BERATUNGSSTELLE FÜR INTEGRATION<br />
Potsdam. Das Politische Wirtschaftsfrühstück<br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung beschäftigte<br />
sich am 10. Mai in Potsdam mit<br />
der Frage: Was bedeuten die Flüchtlingsströme<br />
für die Wirtschaft? Vor Ort war IHK-<br />
Präsidentin Beate Fernengel und berichtete<br />
über das Welcome Integration Network<br />
Integration-Center, eine Beratungsstelle für<br />
Flüchtlinge und Unternehmen bei der IHK,<br />
die im Mai ihre Tätigkeit aufnahm. Der Unternehmerverband<br />
unterstützt auch das<br />
Netzwerk HelpTo und wirbt in den eigenen<br />
Reihen um Praktikumsplätze und Ausbildungsstellen<br />
für Migranten. Wie kompliziert<br />
das in der Praxis ist, machte die kontroverse<br />
Diskussion in der Runde deutlich.<br />
Die Vollversammlung der IHK hat sich im<br />
April per Resolution für die Beschleunigung<br />
der Asylverfahren, eine gezielte Anwerbung<br />
von Fachkräften aus dem Ausland, die Abschaffung<br />
der Vorrangprüfung bei Flüchtlingen,<br />
einen schnelleren Zugang zu Betriebspraktika,<br />
die Garantie eines befristeten Bleiberechts<br />
nach einer Berufsausbildung, die<br />
frühzeitige Erkennung und Anerkennung von<br />
Qualifikationen sowie die Sprachförderung<br />
als Kern der Integration ausgesprochen.<br />
DIGITALISIERUNG IM FOKUS<br />
Teltow. Am 26. Mai <strong>2016</strong> lud der Unternehmerverband<br />
Brandenburg-Berlin zum<br />
13. TechnologieTagTeltow. Die Veranstaltung,<br />
deren Schirmherr Brandenburgs Minister<br />
für Wirtschaft und Energie Albrecht<br />
Gerber ist, widmet sich der Digitalisierung<br />
von Produktionsprozessen bei mittelständischen<br />
Unternehmen. Kompetente Gesprächspartner<br />
aus Wissenschaft und<br />
Praxis legten in kurzen Fachvorträgen<br />
ihre Erfahrungen im Bereich Industrie 4.0<br />
dar. Der TechnologieTag wurde von einer<br />
Ausstellung begleitet, die mit neuen Produkten<br />
und Dienstleistungen den Teilnehmern<br />
eine anspruchsvolle<br />
Plattform für informativen<br />
Austausch,<br />
interessante Gespräche<br />
und neue Kontakte<br />
bot. Höhepunkt der<br />
Veranstaltung war die<br />
Verleihung des Startup-Preises<br />
des Unternehmerverbandes<br />
Brandenburg-Berlin<br />
und des Schülerpreises<br />
TECCI durch Landrat<br />
Wolfgang Blasig.<br />
Landrat Wolfgang Blasig (l.) und UV-Geschäftsführer Steffen Heller<br />
(r.) überreichten den Vertretern des Unternehmens SUIT den Startup-Preis<br />
<strong>2016</strong> des Verbands.<br />
Fotos: UV Schwerin (oben), Bolko Bouché (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
UNTERNEHMERVERBÄNDE | 63<br />
Foto: Claudia Koslowski/PIXAPOOL.com<br />
UV Ostdeutschlands und Berlin<br />
SCHWERPUNKT WINDKRAFT<br />
Hartmut Bunsen, Dirk Güsewell, Christian Pegel und Hermann Winkler (v. l.).<br />
Warnemünde. Zu Beginn der diesjährigen<br />
SACHSEN Sail fand das „Forum<br />
WIRTSCHAFT: Die deutsche und nordische<br />
Energiewende // Schwerpunkt Windkraft“<br />
in Warnemünde statt – an Bord der<br />
Santa Maria Manuela, einem fast 70 Meter<br />
langen portugiesischen Viermaster,<br />
mit dem später nach Kopenhagen gesegelt<br />
wurde. Nach der Eröffnung durch den<br />
Sprecher der Interessengemeinschaft der<br />
Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />
und Berlin Hartmut Bunsen lieferte der Geschäftsführer<br />
der Industrie- und Handelskammer<br />
Rostock Claus Ruhe Madsen eine<br />
Gegenüberstellung des deutschen und dänischen<br />
Energiekurses. Anschließend gab<br />
Dirk Güsewell, Leiter Portfolioentwicklung<br />
Erzeugung bei der EnBW, den 82 Teilnehmern<br />
einen Einblick in die Funktionsweise<br />
von Windkraftanlagen und deren Rolle im<br />
Energiemix. Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion<br />
mit Christian Pegel (Minister<br />
für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung<br />
des Landes Mecklenburg-Vorpommern,<br />
SPD), Hermann Winkler (Mitglied<br />
des Europäischen Parlaments, CDU),<br />
Thomas Kühnert (Geschäftsführer envia<br />
THERM GmbH), Andree Iffländer (Vereinsvorsitzender<br />
WindEnergy Network e. V.)<br />
und Hartmut Bunsen statt. Hierbei kamen<br />
sowohl umweltpolitische als auch strompreisbildende<br />
Themen zur Sprache, die die<br />
teilnehmenden Vertreter aus Politik, Wirtschaft<br />
und Medien im Rahmen des fünften<br />
Ostdeutschen Energieforums vom 30. bis<br />
31. August <strong>2016</strong> in Leipzig vertiefen werden.<br />
Der aus Dänemark stammende Claus<br />
Ruhe Madsen berichtete über die Entwicklung<br />
in seinem Heimatland. Seitens der Politik<br />
werden erhebliche Mittel in das Vorantreiben<br />
der Energiewende investiert. 42<br />
Prozent der Stromversorgung werden dort<br />
durch Erneuerbare Energien gedeckt. Im<br />
Jahr 2050 sollen es 80 Prozent sein.<br />
Am Abend stach die Santa Maria Manuela<br />
in See Richtung Kopenhagen und passierte<br />
die Offshore-Anlage „Baltic 2“, symbolhaft<br />
für die Energiewende. (Impressionen<br />
von der SACHSEN Sail <strong>2016</strong> finden Sie auf<br />
Seite 56.)<br />
GESCHÄFTSSTELLEN<br />
Unternehmerverband Berlin e. V.<br />
Präsident: Armin Pempe<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: N. N.<br />
Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />
Tel.: +49 30 9818500<br />
Fax: +49 30 9827239<br />
E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />
Internet: www.uv-berlin.de<br />
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />
Präsident: Dr. Burkhardt Greiff<br />
Geschäftsführer: Steffen Heller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />
Tel.: +49 331 810306<br />
Fax: +49 331 8170835<br />
E-Mail: potsdam@uv-bb.de<br />
Internet: www.uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Berlin<br />
Charlottenstraße 80, 10117 Berlin<br />
Tel.: +49 30 2045990<br />
Fax: +49 30 20959999<br />
E-Mail: berlin@uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Cottbus<br />
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />
Tel.: +49 355 22658<br />
Fax: +49 355 22659<br />
E-Mail: cottbus@uv-bb.de<br />
Unternehmerverband Norddeutschland<br />
Mecklenburg-Schwerin e. V.<br />
Präsident: Rolf Paukstat<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführerin: Pamela Buggenhagen<br />
Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin<br />
Tel.: +49 385 569333<br />
Fax: +49 385 568501<br />
E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />
Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Rostock-Mittleres<br />
Mecklenburg e. V.<br />
Präsident: Frank Haacker<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />
Wilhelm-Külz-Platz 4<br />
18055 Rostock<br />
Tel.: +49 381 242580<br />
Fax: +49 381 2425818<br />
E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />
Internet: www.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />
Präsident: Hartmut Bunsen<br />
Geschäftsführer: Lars Schaller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />
Tel.: +49 341 52625844<br />
Fax: +49 341 52625833<br />
E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />
Internet: www.uv-sachsen.de<br />
Geschäftsstelle Chemnitz<br />
Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />
Tel.: +49 371 49512912<br />
Fax: +49 371 49512916<br />
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Dresden<br />
Semperstraße 2b, 01069 Dresden<br />
Tel.: +49 351 8996467<br />
Fax: +49 351 8996749<br />
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Präsident: Jürgen Sperlich<br />
Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />
Geschäftsstelle Halle/Saale<br />
Berliner Straße 130, 06258 Schkopau<br />
Tel.: +49 345 78230924<br />
Fax: +49 345 7823467<br />
Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />
Präsident: Jens Wenzke<br />
c/o IHK Erfurt - Abteilung Standortpolitik<br />
Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />
Tel.: +49 361 4930811<br />
Fax: +49 361 4930826<br />
E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />
Internet: www.uv-thueringen.de<br />
Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />
Präsident: Gerold Jürgens<br />
Geschäftsführer: N. N.<br />
Geschäftsstelle<br />
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />
Tel.: +49 3834 835823<br />
Fax: +49 3834 835825<br />
E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />
Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
64 | W+M PORTRÄTS<br />
Bodo Janssen<br />
Erfolg dank Selbstreflektion<br />
VISIONÄRE<br />
Bodo Janssen ist Unternehmer.<br />
Er wirkt zurückhaltend und sympathisch.<br />
Er wählt bedacht seine<br />
Worte und spricht mit ruhiger Stimme.<br />
Gern bemüht er Bilder oder hat kluge Zitate<br />
parat und er hat eine Geschichte zu<br />
erzählen, die von seinem Werdegang als<br />
Unternehmer. Und damit begeistert er<br />
bei vielen Veranstaltungen die Anwesenden<br />
und schreibt Bücher, die sich auf<br />
Bestsellerlisten wiederfinden. Sein Erfolgsgeheimnis<br />
ist seine Botschaft: „Ich<br />
habe mein eigenes Leitbild, ich weiß,<br />
was mir wirklich wichtig ist und deshalb<br />
gehe ich meinen Weg. Meine Vision von<br />
glücklichen Menschen inspiriert mich, die<br />
Erfahrungen meiner Erfolge, aber auch<br />
STECKBRIEF<br />
Bodo Janssen ist Jahrgang 1974. Geboren<br />
in Emden und auch dort aufgewachsen.<br />
Abitur, Zivildienst, Studium: Sinologie<br />
und Betriebswirtschaft. Daneben<br />
erste unternehmerische Aktivitäten, wie<br />
der Betrieb einer mobilen Cocktailbar<br />
oder arbeiten als Model. 1998 wird der<br />
Unternehmersohn nach achttägiger Entführung<br />
wieder befreit. Drei Jahre später<br />
übernimmt er ein insolventes Unternehmen<br />
aus dem Sport- & Freizeitbereich in<br />
Emden. 2005 tritt er in das elterliche Unternehmen<br />
Upstalsboom als geschäftsführender<br />
Gesellschafter ein. Zwei Jahre<br />
später verunglückt sein Vater. Er entwickelt<br />
Upstalsboom von einem Bauunternehmen<br />
zu einer erfolgreichen und<br />
stetig wachsenden Hotelgruppe. In Emden<br />
lebt er noch heute, von hier wird<br />
Upstalsboom geleitet. Als Unternehmer,<br />
aber auch als Referent und Buchautor ist<br />
er heute sehr erfolgreich.<br />
Er ist verheiratet und hat drei Kinder.<br />
Misserfolge mit vielen<br />
Menschen zu teilen. Ich<br />
bewege mich im Spannungsfeld<br />
von Spiritualität,<br />
Wissenschaft und<br />
Wirtschaftlichkeit.“<br />
Diese Erkenntnisse, die so<br />
manchen erst verblüffen, dann<br />
verunsichern würden, sind auch<br />
ihm nicht in die Wiege gelegt worden.<br />
Im Gegenteil, der Unternehmersohn<br />
führte ein erfülltes und aktives Leben,<br />
stets das volle Programm. Das Jahr 1998<br />
brachte eine erste Zäsur – er wurde entführt.<br />
Erst nachdem seine Eltern ein Lösegeld<br />
gezahlt hatten, kam er wieder frei.<br />
31-jährig übernahm er von seinem Vater<br />
das Unternehmen Upstalsboom, war damit<br />
Chef eines größeren Unternehmens,<br />
das Hotels baute und betrieb. Plötzlich<br />
gab es für ihn den großen Schreibtisch im<br />
größten Zimmer des Hauses mit dem tollen<br />
Ausblick. Mit dem Mix aus Arroganz<br />
und Naivität eines jungen Managers verließ<br />
er sich auf sein betriebswirtschaftliches<br />
Wissen, glaubte an sich und seinen<br />
unternehmerischen Erfolg. Bis im<br />
Jahr 2010 eine Mitarbeiterumfrage ergab,<br />
dass die große Unzufriedenheit unter<br />
den Mitarbeitern ihm persönlich angelastet<br />
wurde. Das hat den bis dato unschlagbaren<br />
Bodo Janssen fast umgehauen.<br />
Diesmal hat er nicht den Versuch<br />
unternommen, die Ergebnisse in Frage<br />
zu stellen oder einfach zu ignorieren. Er<br />
ging für insgesamt anderthalb Jahre in<br />
ein Kloster, besuchte dortige Seminare<br />
und machte reinen Tisch mit sich. Diese<br />
Zeit hat ihm dabei geholfen, die Frage<br />
nach dem Sinn seines Lebens zu be-<br />
antworten. Er musste<br />
ergründen, was für ihn tatsächlich<br />
bedeutsam ist. Heute weiß er: „Je bewusster<br />
ich mir selbst bin, desto klarer<br />
ist meine Position und desto unabhängiger<br />
bin ich von der Meinung anderer.“<br />
Das Kloster und die Gespräche gaben<br />
ihm erst die Möglichkeit, über seine<br />
Werte, sein Wirken, seine Sicht der Dinge<br />
nachzudenken und ein persönliches<br />
Leitbild zu entwickeln. Bodo Janssen hat<br />
dies auch auf seine Mitarbeiter übertragen:<br />
Was ist für sie wirklich bedeutsam?<br />
Was sind ihre Talente? Er will Potenziale<br />
heben, Mitarbeiter zu eigenen Erkenntnissen<br />
führen und mit seinem Leitbild<br />
ein gemeinsames Leitbild entwickeln.<br />
Diese Umsetzung war ein schwieriger<br />
Weg, auch für manchen Upstalsboomer.<br />
Aber Ausdauer und der feste Glaube<br />
an die Richtigkeit des Leitbildes führten<br />
zum Ziel. Upstalsboom entwickelt<br />
sich prächtig. Auszeichnungen wie Top<br />
Arbeitgeber 2014, Hospitality HR Award<br />
2013, Querdenker Award und viele mehr<br />
belegen das.<br />
Frank Nehring<br />
Foto: Monique Wüstenhagen<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
MACHER<br />
W+M PORTRÄTS | 65<br />
Heinrich von Nathusius<br />
Vorausblickender Querdenker<br />
Foto: Inga Haar<br />
Heinrich von Nathusius ist heute 72<br />
Jahre alt und hat viele berufliche<br />
Stationen hinter sich. Er ist freundlich,<br />
bedacht und aufmerksam und kann<br />
viele Geschichten erzählen. Man hört ihm<br />
gerne zu. Wenn es um aktuelle Themen<br />
geht, spürt man den hellwachen und engagierten<br />
Unternehmer, der genau hinschaut,<br />
vorsichtig die Worte wählt und<br />
immer noch einen Gedanken in petto<br />
hat. Sein Lebensweg hat ihn viele wichtige<br />
Erfahrungen machen lassen und er<br />
ist klug genug, sie auch zu nutzen. Was<br />
im Rückblick wie eine Aneinanderreihung<br />
glücklicher Umstände aussieht, ist aber<br />
eher die Folge klugen und verantwortungsbewussten<br />
Handelns, gepaart mit<br />
unternehmerischem Gespür. Als er bei<br />
Krupp 1991 die Konsequenzen zog, war<br />
das ein großer Einschnitt, fast das Ende<br />
einer glanzvollen Karriere. Wenn da nicht<br />
die deutsche Wiedervereinigung gekommen<br />
und die guten familiären Beziehungen<br />
nach Sachsen-Anhalt gewesen wären.<br />
Unternehmerisch denkend war er<br />
schon immer, wie er sagt. Unternehmerisch<br />
tätig wurde er aber erst nach 1992,<br />
als er nach Haldenleben reiste und dort<br />
vom Bürgermeister ermuntert<br />
wurde, das IFA<br />
Gelenkwellenwerk zu<br />
übernehmen. Die Hoffnung<br />
war groß, dass jemand<br />
wie Nathusius mit<br />
familiären Wurzeln in der<br />
Gegend geeignet und interessiert<br />
sei, hier etwas fortzuführen.<br />
Die Erwartungen waren<br />
hoch und nicht einfach zu erfüllen.<br />
Nach erfolgreichen Verhandlungen mit<br />
der Treuhand übernahm er das Werk und<br />
es begann eine harte Zeit, in der von 800<br />
Beschäftigten 80 übrig blieben, aber Aufträge<br />
nicht in Sicht waren. Persönliche<br />
Kontakte ermöglichten es, dass VW zu<br />
einem ersten Auftraggeber wurde. Die<br />
Konsolidierung wurde gemeistert, weil<br />
Ehrlichkeit im Umgang mit den Mitarbeitern<br />
und auch die versprochene tatkräftige<br />
Unterstützung durch Bürgermeister<br />
und Landrat vor Ort erfolgten. Dies alles<br />
hätte aber nicht gereicht.<br />
Aus der Stahlbranche gewohnt über lokale<br />
Grenzen und Branchen hinaus zu<br />
schauen, analysierte er den Gelenkwellenmarkt.<br />
Weltweit zwei Produzenten,<br />
die sich den Markt weitestgehend aufteilten<br />
und erste Tendenzen bei den Automobilherstellern,<br />
die Gelenkwellenproduktion<br />
auszulagern. Darauf spekulierte<br />
Nathusius und er behielt Recht. Mit VW<br />
begann der Erfolg. Die schwierigen Anfangsjahre<br />
wurden gemeistert. Heute ist<br />
IFA Rotorion eine Erfolgsgeschichte und<br />
der prognostizierte Trend zu weiterem<br />
Outsourcing bei den Autoherstellern füllt<br />
die Auftragsbücher. Mittlerweile hat er<br />
das Unternehmen seinen Kindern übertragen,<br />
eine weitere Erfolgsgeschichte.<br />
Mit einer Regelung, die die Familie und<br />
das Unternehmen schützt, hat er die Unternehmensnachfolge<br />
sowie die weitere<br />
Entwicklung des Unternehmens gesichert.<br />
Aber von Ruhestand kann keine Rede<br />
sein. Im Dezember 2014 übernahm er<br />
den insolventen Fahrradhersteller MIFA.<br />
Auch hier gibt es die unternehmerische<br />
Idee; und die Herangehensweise ist die<br />
Gleiche wie einst bei IFA. Nathusius hat<br />
eine Idee zur Zukunft des Fahrrads, die so<br />
einfach ist, dass sie anderen noch nicht<br />
gekommen ist. Heinrich von Nathusius<br />
denkt quer, aber immer nach vorn.<br />
Frank Nehring<br />
STECKBRIEF<br />
Heinrich von Nathusius wurde am 5.<br />
Juni 1943 in Berlin geboren. Noch während<br />
seines Jurastudiums begann seine<br />
Karriere in der Stahlindustrie. Aus dem<br />
Semesterjob wurde schnell eine Assistenz<br />
der Geschäftsführung bei Thyssen.<br />
Weitere Aufgaben rund um den Stahl<br />
folgten. 1987 bis 1991 war er Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der Krupp-<br />
Stahlhandelsgesellschaft in Duisburg.<br />
Im Jahr darauf erwarb Heinrich von<br />
Nathusius 49-jährig von der Treuhand<br />
das IFA-Gelenkwellenwerk Haldensleben<br />
und verlegte seinen Wohnsitz nach<br />
Haldensleben und Berlin, wo seine Familie<br />
ihre Wurzeln hat. Das Unternehmen,<br />
die heutige IFA Rotorion, hat er<br />
an seine Kinder übetragen. Im Dezember<br />
2014 übernahm er den insolventen<br />
Fahrradhersteller MIFA. Seit 1973 ist<br />
er mit Marie-Andl, geborene Freiin von<br />
Fürstenberg, verheiratet. Er hat drei<br />
Kinder.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
66 | W+M DIE LETZTE SEITE<br />
Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />
Brüsseler Segen<br />
Wo stünde die ostdeutsche Wirtschaft<br />
ohne die finanzielle Hilfe<br />
der Europäischen Union? Seit<br />
mehr als zweieinhalb Jahrzehnten profitieren<br />
die neuen Bundesländer und Berlin<br />
von diversen Brüsseler Förderprogrammen.<br />
In unserer Titelgeschichte ziehen wir<br />
eine Zwischenbilanz und zeigen auf, was<br />
die EU-Fördermillionen in den einzelnen<br />
Ländern bewirkt haben. Darüber hinaus<br />
stellen wir die aktuellen EU-Fördertöpfe<br />
vor und erläutern, wie auch mittelständische<br />
Unternehmen Geld aus Brüssel in Anspruch<br />
nehmen können. EU-Spitzenpolitiker<br />
kommen zu Wort und erklären, weshalb<br />
die Europäische Union kein Auslauf-<br />
sondern ein Zukunftsmodell ist. Ein<br />
weiterer Aspekt der Berichterstattung<br />
ist die Kooperation mit den östlichen europäischen<br />
Nachbarn. Wie erfolgreich ist<br />
die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit<br />
Polen und Tschechien? Wo gibt es Leuchttürme<br />
speziell in grenznahen Regionen?<br />
In unserer Serie über die Zukunft des Wirtschaftsstandortes<br />
Ostdeutschland berichten<br />
wir über Sachsen. Dort haben sich vor<br />
allem die Bereiche Mikroelektronik, Automobilbau<br />
und Maschinenbau hervorragend<br />
entwickelt. Im W+M-Doppel-Interview<br />
sprechen wir mit Sachsens Ministerpräsident<br />
Stanislaw Tillich (CDU) und Brandenburgs<br />
Ministerpräsident Dietmar Woidke<br />
(SPD) über gemeinsame wirtschaftspolitische<br />
Herausforderungen, die Bedeutung<br />
der Braunkohle und das Geheimnis ihrer<br />
hohen gegenseitigen Wertschätzung.<br />
Darüber hinaus lesen Sie interessante Beiträge<br />
über neue Entwicklungen in den ostdeutschen<br />
Bundesländern sowie einen informativen<br />
Ratgeberteil.<br />
Die nächste Ausgabe von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />
25. August <strong>2016</strong>.<br />
PERSONENREGISTER<br />
Adamowicz, Frank 11<br />
Alltschekow, Peter 32<br />
Arndt, Stefan 20<br />
Arnold, Antje 54<br />
Backhaus, Till 59<br />
Balan, Manuela 56, 58<br />
Baumeister, Roy 52<br />
Bensiek, Arne 11<br />
Blasig, Wolfgang 62<br />
Böckmann, Oliver 11<br />
Buggenhagen, Pamela 55, 58, 62<br />
Bunsen, Hartmut 9, 56, 63<br />
Bunsen, Ursula 9<br />
Dickmann, Frank 8<br />
Döring, Karl 61<br />
Dulig, Martin 8<br />
Dyck, Axel 9<br />
Fernengel, Beate 62<br />
Ferriss, Timothy 52<br />
Feske, Joachim 47<br />
Fischer, Hendrik 57<br />
Franck, Jan-Erik 59<br />
Friedrich, Marc 52<br />
Garbe, Karl-Heinz 56<br />
Gehse, Albrecht 28/29<br />
Gerber, Albrecht 12, 18, 20, 62<br />
Gerber, Andy 54<br />
Gerber, Grit 54<br />
Germandi, Dirk 11<br />
Glawe, Harry 55<br />
Gleicke, Iris 45<br />
Goerlich, Silke 32<br />
Görke, Christian 14/15<br />
Gugerel, Manfred 11<br />
Güsewell, Dirk 63<br />
Haacker, Frank 58<br />
Hahne, Peter 52<br />
Hausmann, Anja 58<br />
Heisele, Sebastian 11<br />
Heller, Steffen 62<br />
Huget, Wolfgang 11<br />
Hüttmann, Andreas 55<br />
Iffländer, Andree 63<br />
Janssen, Bodo 64<br />
Janssen, Jan 10<br />
Jehmlich, Anet 48/49<br />
Jödicke, Volker 55<br />
Kahneman, Daniel 52<br />
Kailing, Wolfgang 59<br />
Kempf, Ulrich 55<br />
Keskari, Martin 11<br />
Klostermann, Dieter R. 11<br />
Klotz, Bernd 54<br />
Kobold, Claus M. 11<br />
Kohl, Helmut 28/29<br />
Kummich, Helmut 61<br />
Kühn, Sebastian 22/23<br />
Kühnert, Thomas 63<br />
Lehmann, Holger 20<br />
Leibold, Anna Kathrin 31<br />
Leibold, Peter 30/31<br />
Lengauer, Jörg 54<br />
Ludwig, Matthias 59<br />
Maack, Matthias 55<br />
Maack, Michael 55<br />
Madsen, Claus Ruhe 63<br />
Markov, Helmuth 15<br />
Maschmeyer, Carsten 52<br />
Matheus, Frank 61<br />
Meier, Klaus-Jürgen 11<br />
Merkel, Angela 29, 34<br />
Miedaner, Talane 52<br />
Nahles, Andrea 46<br />
Neugebauer, Reimund 34<br />
Niehuus, Kirsten 20<br />
Oelmann, Jan 11<br />
Parker, Ben 11<br />
Paukstat, Rolf 55, 58, 62<br />
Pegel, Christian 63<br />
Piketty, Thomas 52<br />
Prauße, Thomas 56<br />
Putin, Wladimir 29<br />
Quirmbach, Stefan 11<br />
Radde, Georg 54<br />
Ragnitz, Joachim 43/44<br />
Rehhahn, Helmut 8<br />
Reitz, Wolfgang 27<br />
Rose, Jürgen 8<br />
Schaefer, Frank Jürgen 27<br />
Schaller, Lars 56<br />
Scheer, Jutta 61<br />
Schiekel, Gert 26<br />
Schiekel, Peter 26/27<br />
Schliewenz, Birgit 32<br />
Schmicker, David 37<br />
Schmudde, Bettina 30/31<br />
Schröder, Wolfgang 56<br />
Seer, Roman 47<br />
Stapper, Florian 51<br />
Stefanović, Miloš 20<br />
Stenger, Tillmann 12<br />
Stölzl, Christoph 29<br />
Süss, Thomas 54<br />
Theurer, Michael 46<br />
Thieke, Rüdiger 55<br />
Tierney, John 52<br />
Tillich, Stanislaw 66<br />
Uhden, Ron 54<br />
Urban, Klaus 60<br />
Vance, Ashlee 52<br />
Veste, Maik 32<br />
Vogelsänger, Jörg 22/23<br />
von Nathusius, Heinrich 65<br />
von Nathusius, Marie-Andl 65<br />
Wanka, Johanna 40-42<br />
Weber, Michael 44<br />
Weik, Matthias 52<br />
Werner, Heike 46<br />
Wernicke, Dirk 55<br />
Winkler, Hermann 63<br />
Winkler, Karin 55<br />
Woebcken, Carl 20<br />
Woidke, Dietmar 22, 66<br />
Wolf, Waltraud 10<br />
Woltmann, Jörg 11<br />
Wüst, Robert 8<br />
Zimmermann, Philipp 59<br />
Zülch, Henning 11<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 4/<strong>2016</strong>
Titel_WuM_0515.indd 1 18.08.15 22:27<br />
001_Titel_0315 1 23.04.2015 14:44:45<br />
Titel_WuM_0615.indd 1<br />
21.10.15 11:32 Uhr<br />
Titel_WuM_0415.indd 1<br />
18.06.15 13:16 Uhr<br />
Titelentwuerfe_WuM_0416.indd 1 15.06.16 13:51<br />
W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
26. Jahrgang | Heft 1-2 | März/April 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
26. Jahrgang | Heft 3 | Mai/Juni 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
BRANDENBURG<br />
SACHSEN-ANHALT<br />
MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Dietmar Woidke<br />
STUDIE<br />
BERLIN<br />
RÜCKKEHR ZUR<br />
INDUSTRIE<br />
BRAUNKOHLE<br />
UNVERZICHTBAR<br />
FÜR DEN OSTEN<br />
RATGEBER<br />
DAS BÜRO ZUM<br />
MITNEHMEN<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Erwin Sellering<br />
UNTERNEHMEN<br />
ORWO – eine<br />
Tradition lebt auf<br />
RATGEBER<br />
Tagungen und<br />
Geschäftsreisen<br />
Mittelstand im<br />
digitalen Wandel<br />
UMFRAGE<br />
Welches Auto<br />
passt zu Ihnen?<br />
Kraftakt<br />
Firmenübergabe<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft 5 | September/Oktober Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
27. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft | Heft 1 | Januar/Februar 4 | Juli/August <strong>2016</strong> 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
ENERGIE<br />
ELEKTRISIERT<br />
DIE<br />
WIRTSCHAFT<br />
GRÜNT<br />
THÜRINGEN<br />
BERLIN<br />
GESUNDHEITSWIRTSCHAFT<br />
EIN GESCHÄFT<br />
FÜR VIELE<br />
BRANCHEN<br />
IM INTERVIEW<br />
SACHSEN<br />
EXKLUSIVE INTERVIEWS<br />
Bundeswirtschaftsminister<br />
Sigmar Gabriel<br />
Ministerpräsident<br />
Stanislaw Tillich<br />
Ministerpräsident<br />
Bodo Ramelow<br />
REPORT<br />
Rivalität auf<br />
der Ostsee<br />
RATGEBER<br />
Betriebliche<br />
Altersvorsorge<br />
IM INTERVIEW<br />
Berlins Regierender<br />
Michael Müller<br />
REPORT<br />
Eberswalder<br />
Metall-Gen<br />
RATGEBER<br />
Gutschein<br />
statt Geld<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
OSTPRODUKTE<br />
DIE UNHEIMLICHE<br />
RENAISSANCE<br />
Motorenwerk Kölleda:<br />
Herz einer Region<br />
WindNODE:<br />
Energie aus dem Norden<br />
Bilanz vor der Wahl:<br />
Reiner Haseloff<br />
Davos in Bad Saarow:<br />
Ostdeutsches Wirtschaftsforum<br />
Management:<br />
Der Honecker-Effekt<br />
Travel:<br />
Tipps für Geschäftsreisen<br />
27. Jahrgang | Heft 2 | März/April <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
W+M<br />
mit<br />
Sachsen-Anhalt<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
27. Jahrgang | Heft 3 | Mai/Juni <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
Beilage<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
FERIEN DAHEIM<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
TOURISMUS<br />
Wie der neue Trend<br />
den Osten stärkt<br />
LÄNDERREPORTS<br />
100 Jahre Leuna<br />
Profisport im Osten<br />
RATGEBER<br />
Investieren im Iran<br />
Gesundes Arbeiten im Büro<br />
Mutig in der Insolvenz<br />
LIFESTYLE<br />
Edle Uhren-Neuheiten<br />
Logieren in Schlosshotels<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
27. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
BEIL AGE<br />
INTERVIEWS<br />
Christian Pegel, Erwin Sellering und Gerold Jürgens,<br />
Tillmann Stenger, Peter-Michael Diestel, Reinhard Pätz<br />
Brandenburg<br />
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Foto: Fotolia (gstockstudio)<br />
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