Rilke Monatsheft Mai 2016
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Aus: Dichtungen des Michelangelo, Übersetzung Rainer Maria<br />
<strong>Rilke</strong>.<br />
mitrilkedurchdasjahr.blogspot.de/<strong>2016</strong>/05/aus-dichtungen-des-michelangelo_45.html<br />
Rainer Maria <strong>Rilke</strong><br />
Dichtungen des Michelangelo,<br />
~. Michelangelo .~<br />
Michelangelo Buonarroti.<br />
Übersetzung Rainer Maria <strong>Rilke</strong>.<br />
In vielen Jahren sucht, in viel Mißlingen,<br />
der Meister, bis er in dem Wurf, der gilt,<br />
lebendiges Bild,<br />
am Tode nah, aus festem Fels erzwang. ,<br />
Zu hohen neuen Dingen<br />
gelangt man spät und bleibt dann nicht mehr lang.<br />
So ähnlich drang<br />
Natur, viel irrend, durch Gesichter her,<br />
und hat sie endlich Äußerstes erreicht<br />
in deinem göttlichen, so ist sie alt und soll dahin.<br />
Weshalb die Furcht, die schwer<br />
je von der Schönheit weicht,<br />
dem Sehnen dient als seltsamste Ernährerin.<br />
In deinem Anschaun bin '<br />
ich wortlos, was mehr nütze oder schade:<br />
Weitende oder des Ergötzens Gnade.<br />
ⅎ<br />
Selige, die ihr euch im Himmel freut<br />
der Tränen, die die Erde nicht vergütet,<br />
wird euch auch dort der Liebe Krieg erneut?<br />
Seid ihr durch euren Tod davor behütet?<br />
Die unsre ewige Ruh, aus aller Zeit<br />
hinweggerückt, ist ganz befreit<br />
von Liebesneid und ängstlichem Beklagen.<br />
So muß ich, Lebender, zu unrecht, seht,<br />
liebend und dienend<br />
solche Schmerzen tragen.<br />
Denn wenn der Himmel Liebende versteht,<br />
die Erde aber undankt dem, der jetzt<br />
die Liebe leistet: wozu bin ich da?<br />
Um viel zu leben? Wie mich das entsetzt:<br />
Wenig ist schon zuviel, geht einem nur sein Dienen<br />
wirklich nah.<br />
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