Rilke Monatsheft Mai 2016
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mitrilkedurchdasjahr.blogspot.de<br />
http://mitrilkedurchdasjahr.blogspot.de/<strong>2016</strong>/05/mai-1921.html<br />
<strong>Mai</strong> 1921<br />
Rainer Maria <strong>Rilke</strong><br />
Feierlich ists an meinem Fenster den Abend zu erleben:<br />
einzelne <strong>Mai</strong>käfer surren gegen die Rosenspaliere und knallen<br />
wieder zurück ins Ungenaue, taumelnd (ich weiß nicht, was sie so<br />
blindlings wider die Mauer anrennen läßt, was<br />
sie sich dort erwarten?) dann wirds immer stiller.<br />
Am ersten Abend kam eine Amsel; saß erst unten auf dem Dach des<br />
Weinlaubengangs, sang tief und versonnen.<br />
Plötzlich kamsie zu einer Stelle des Lieds, die von höherem Platze aus<br />
gesprochen werden mußte und in erst flachem dann rasch,<br />
steil ansteigendem Bogen warf sie sich rechts hinauf bis<br />
auf die äußerste Spitze der Tanne und rief von dort, der Reihe nach,<br />
was noch zu rufen war:<br />
jedesmal klangs, als packte sie bei ihrem langen Ende eine Liedschleife und zöge<br />
sie auf, löste sie —.<br />
Rainer Maria <strong>Rilke</strong><br />
Aus: Aus einem Brief an Nanny Wunderly-Volkart, 16.5.1921<br />
"Vergessen Sie nie, das Leben ist eine Herrlichkeit!"<br />
Editorische Notiz : Betrifft Rechtschreibung:<br />
Die Texte von Rainer Maria <strong>Rilke</strong><br />
werden nicht im Format der neuen deutschen Rechtschreibung wiedergegeben,<br />
sondern im Originalformat von Rainer Maria <strong>Rilke</strong>.<br />
Dieser Blog folgt dem Originaltext.<br />
RAINER MARIA RILKE . 1875 - 1926<br />
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