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Hymal 18 - Chaos in Hymal

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Niels Bernhardt<br />

Der Hexer von <strong>Hymal</strong><br />

Buch XVIII: <strong>Chaos</strong> <strong>in</strong> <strong>Hymal</strong>


Niels Bernhardt<br />

Der Hexer von <strong>Hymal</strong><br />

Buch XVIII: <strong>Chaos</strong> <strong>in</strong> <strong>Hymal</strong><br />

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Umschlaggestaltung: Sven Ballenth<strong>in</strong><br />

Published by Null Papier Verlag, Deutschland<br />

Copyright © 2016 by Null Papier Verlag<br />

1. Auflage, ISBN 978-3-954<strong>18</strong>-768-3<br />

p<br />

www.null-papier.de/374


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Nach der gewonnenen Schlacht muss Nikko erst e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong>e Verbündeten<br />

besänftigen. Schließlich hatten sich die Orks viel mehr von<br />

ihrem Sieg versprochen. Auch die Sache mit dem rätselhaften Geist<br />

duldet ke<strong>in</strong>en Aufschub mehr.<br />

Erst nach e<strong>in</strong>igen offenen Worten Danuwils erkennt der junge<br />

Zauberer, dass se<strong>in</strong> nicht eben dezentes Handeln Konsequenzen haben<br />

dürfte. Werden ihm die Stände <strong>Hymal</strong>s nach dieser Aktion überhaupt<br />

noch folgen wollen?<br />

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Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor f<strong>in</strong>den Sie unter:<br />

http://hymal.<strong>in</strong>fo/<br />

5


<strong>Hymal</strong> auf Englisch<br />

Teil 1 gratis – null-papier.de/326<br />

6


Inhaltsverzeichnis<br />

ERSTES KAPITEL: NACH DER SCHLACHT...................................8<br />

ZWEITES KAPITEL: NEUANFANG IN HALFUÁR.........................27<br />

DRITTES KAPITEL: RAT UND TAT.............................................47<br />

VIERTES KAPITEL: EINE BITTERE WAHRHEIT..........................69<br />

FÜNFTES KAPITEL: NEUE PLÄNE UND NEUERE PLÄNE...........87<br />

SECHSTES KAPITEL: EIN KRIEG UND SEINE FOLGEN............108<br />

SIEBTES KAPITEL: DER PREIS DER FREUNDSCHAFT..............129<br />

AUSBLICK.................................................................................150<br />

DANKE......................................................................................152<br />

AUTOR......................................................................................153<br />

7


Erstes Kapitel: Nach der Schlacht<br />

Noch immer saß Nikko auf dem Kopf se<strong>in</strong>es Drachen und<br />

stierte <strong>in</strong> das zornige Gesicht des Orkfürsten. Es mochten<br />

so nur wenige Augenblicke vergangen se<strong>in</strong>, doch kam es<br />

ihm wie e<strong>in</strong>e Ewigkeit vor. Warum sagte Krûl nichts?<br />

Vielleicht sollte der junge Zauberer die Gunst der Stunde nutzen,<br />

um sich der Orks hier und jetzt e<strong>in</strong> für alle Mal zu entledigen. Solange<br />

der Fürst und se<strong>in</strong>e Horde so … e<strong>in</strong>ladend vor ihm standen, könnte<br />

er die ganze Brut mit dem Odem des untoten Drachen bestimmt<br />

ohne große Probleme beseitigen. Aber wäre das wirklich e<strong>in</strong> kluger<br />

Zug?<br />

Wohl kaum. Jedenfalls nicht, solange der Magier sich nicht sicher<br />

war, dass dieser Geist der Orks – wer oder was auch immer sich dah<strong>in</strong>ter<br />

verbarg – ihm e<strong>in</strong>e solche Tat nicht zürnen würde.<br />

Da begann Krûl, endlich zu sprechen. Noch bevor Grâkh die Worte<br />

se<strong>in</strong>es Herrn übersetzen konnte, hatte Nikko das Gefühl, dass es<br />

eher Enttäuschung war, die <strong>in</strong> den Grunzlauten des Orkfürsten mitschwang,<br />

als Zorn wegen der eigenen Krieger, die der Drache dah<strong>in</strong>gerafft<br />

hatte.<br />

8


»Große Krûl nich froh, dass Schlach so e<strong>in</strong>fach«, me<strong>in</strong>te Grâkh<br />

schließlich. »Große Biest habe alle Spaß und Ork nur zusehen?«<br />

»Ork jetz jage Reste von Mensch«, übersetzte er weiter, bevor<br />

Nikko etwas erwidern konnte. »Große Biest habe Dank von Ork.«<br />

Na, wenigstens hatte Nikko sich nicht den Zorn der Orks wegen<br />

der Toten <strong>in</strong> ihren eigenen Reihen zugezogen. Allerd<strong>in</strong>gs würden sie<br />

nun offenbar genau das machen, was der Zauberer zuvor bereits befürchtet<br />

hatte. Sie wollten die Überlebenden des Kampfes jagen, um<br />

doch noch ihren Spaß an der Schlacht zu haben. Das musste der Magier<br />

irgendwie verh<strong>in</strong>dern!<br />

»Die Schlacht ist gewonnen«, verkündete Nikko und versuchte<br />

dabei, möglichst imposant zu kl<strong>in</strong>gen. »Der Krieg ist vorbei. Zieht<br />

Euch nun <strong>in</strong> Eure Festung zurück!«<br />

Als Grâkh dem Orkfürsten diese Worte übersetzte, verf<strong>in</strong>sterte<br />

sich dessen Miene aufs Neue. Am Klang der daraufh<strong>in</strong> gegrunzten<br />

Antwort konnte Nikko schon erahnen, dass Krûl dieser Aufforderung<br />

nur widerwillig nachkommen würde – wenn überhaupt.<br />

»Große Krûl nich hier um nur zusehe«, übersetzte Grâkh, der<br />

ebenfalls nicht länger guter Laune war. »Große Krûl hier um kämpfe<br />

und Beute mache, so wie große Geist versprech.«<br />

Kämpfen? Beute? Ja, was dachten sich die widerlichen Biester eigentlich?<br />

Immerh<strong>in</strong> waren sie <strong>in</strong> Halfuár, also auf Nikkos eigenem<br />

Grund und Boden. Wer hier plünderte – wenn überhaupt, entschied<br />

doch e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> er selbst!<br />

»Ihr hattet die Gelegenheit zu kämpfen«, antwortete der Zauberer,<br />

der nun ebenfalls wütend wurde. »Dass ihr zu langsam wart, ist<br />

nicht me<strong>in</strong>e Schuld.« Mit be<strong>in</strong>ahe bebender Stimme fügte er h<strong>in</strong>zu:<br />

9


»Vergesst auch nicht, dass Ihr auf me<strong>in</strong>em Land seid. Niemand plündert<br />

hier ohne me<strong>in</strong>e Erlaubnis!«<br />

Nun folgte e<strong>in</strong>e angeregte Diskussion zwischen Krûl und Grâkh, <strong>in</strong><br />

die sich h<strong>in</strong> und wieder auch andere Orks lautstark e<strong>in</strong>mischten. Natürlich<br />

verstand Nikko ke<strong>in</strong> Wort, aber anhand der allgeme<strong>in</strong>en Stimmung<br />

erwog er erneut, den ganzen Orkhaufen mit se<strong>in</strong>em Drachen<br />

e<strong>in</strong> für alle Mal zu vernichten. War es nicht viel zu riskant, diese Bestien<br />

<strong>in</strong> <strong>Hymal</strong> weiterh<strong>in</strong> unbehelligt ihr Unwesen treiben zu lassen?<br />

»Große Geist sag Macht und Beute«, verkündete Grâkh schließlich.<br />

»Große Krûl nich gehe ohne!«<br />

Immer wieder dieser blöde Geist! Aber Nikko hatte auch Verständnis<br />

für den Orkfürsten. Immerh<strong>in</strong> hatte er se<strong>in</strong>e Truppen gesammelt<br />

und war zur Schlacht geeilt. Dass der Kampf ohne größeres<br />

Zutun se<strong>in</strong>erseits gewonnen worden war, könnte ihn <strong>in</strong> den Augen<br />

se<strong>in</strong>er Untergebenen schon e<strong>in</strong>iges an Ansehen gekostet haben. Nun<br />

auch noch ganz ohne Beute davonzuziehen, ließe ihn noch schlechter<br />

aussehen.<br />

Sollte Nikko die Orks also doch vernichten? In dieser Situation<br />

wäre das fast schon e<strong>in</strong> Akt der Gnade – jedenfalls für Krûl. Dennoch,<br />

der unbekannte Geist der Orks ließ dem Magier e<strong>in</strong>fach ke<strong>in</strong>e Ruhe.<br />

»Ihr habt tapfer gekämpft«, lenkte Nikko schließlich e<strong>in</strong>, denn immerh<strong>in</strong><br />

war es am zu Beg<strong>in</strong>n der Schlacht zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Gefecht<br />

zwischen der vordersten Reihe der Orks und Fydals Reiterei gekommen.<br />

»Auch sollt Ihr nicht ohne Beute bleiben.« Mit blutendem Herzen<br />

bot er an: »Alle Toten auf dem Feld und deren Besitz s<strong>in</strong>d Euer.«<br />

Als Grâkh mit dem Übersetzen fertig war, fügte Nikko noch h<strong>in</strong>zu:<br />

»Die von der Schlacht Geflohenen jedoch gehören mir alle<strong>in</strong> und<br />

werden von Euch nicht gejagt. Bis zum morgigen Sonnenaufgang<br />

10


habt Ihr Zeit, das Schlachtfeld zu plündern. Danach zieht Ihr Euch <strong>in</strong><br />

die Berge zurück.«<br />

Die Antwort des Orkfürsten klang zwar wieder ruhiger als se<strong>in</strong><br />

hitziges Gegrunze zuvor, aber dennoch hatte Nikko e<strong>in</strong> eher ungutes<br />

Gefühl, denn Krûls Ausführungen waren e<strong>in</strong>fach zu lang, um diese als<br />

Zustimmung deuten zu können.<br />

»Große Krûl gib Dank«, übersetzte Grâkh dann endlich. »Große<br />

Krûl sage ja bis große Geist sage ja oder ne<strong>in</strong>. Grâkh werd spreche<br />

mit große Geist <strong>in</strong> kommende Nacht.«<br />

»E<strong>in</strong>verstanden«, freute sich der Zauberer, dass er zum<strong>in</strong>dest etwas<br />

Zeit gewonnen hatte. Immerh<strong>in</strong> blieb ihm so fast e<strong>in</strong> ganzer Tag,<br />

um die Überlebenden der Schlacht <strong>in</strong> Sicherheit zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Nikko hatte mittlerweile Stunden damit verbracht, die Lage um das<br />

Schlachtfeld herum unter Kontrolle zu bekommen. E<strong>in</strong>erseits galt es<br />

dabei, die Überlebenden möglichst frühzeitig von den Orks zu trennen<br />

– nicht, dass die Biester doch noch <strong>in</strong> Versuchung gerieten, sich<br />

an den Fliehenden zu vergreifen. Andererseits wollte der Zauberer<br />

die Orks auch nicht allzu lange aus den Augen lassen. Irgendwie traute<br />

er dem ohneh<strong>in</strong> so zerbrechlichen Frieden nicht.<br />

Das Wetter war ihm bei se<strong>in</strong>em Unterfangen nicht gerade behilflich.<br />

So willkommen die trüben Wolken und Nebelschleier ihm während<br />

der Schlacht gewesen waren, so sehr beh<strong>in</strong>derten sie nun se<strong>in</strong>e<br />

Sicht über die weite Ebene. Jedes Mal, wenn Nikko wieder e<strong>in</strong>e Gruppe<br />

flüchtender Soldaten des Herzogs auf der Ebene erspähte und mit<br />

e<strong>in</strong>em Sche<strong>in</strong>angriff se<strong>in</strong>es Drachens von den Orks wegtrieb, verlor<br />

er Krûls mittlerweile ohneh<strong>in</strong> weit zerstreute Truppe zeitweise aus<br />

dem Blickfeld.<br />

11


Am Nachmittag wagten es e<strong>in</strong>ige besonders dreiste Orks sogar,<br />

bedrohlich nah an Halfuár heranzurücken, wo Nikkos Untertanen<br />

sich hoffentlich weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Burg verschanzt hielten. Dennoch<br />

musste der Magier nun auch noch die Orks von der Festung wegtreiben.<br />

Na ja, Erfahrung aus se<strong>in</strong>er Zeit als Hirte hatte er immerh<strong>in</strong> genug.<br />

Als dann gegen Abend die Dunkelheit e<strong>in</strong>setzte, musste Nikko es<br />

letztendlich aufgeben, die versprengten Fetzen von Fydals geschlagenem<br />

Heer von den Orks wegzutreiben. Er konnte nur noch<br />

hoffen, dass die meisten der Überlebenden mittlerweile <strong>in</strong> Richtung<br />

S<strong>in</strong>ál unterwegs waren oder sich auf Halfuár <strong>in</strong> Sicherheit gebracht<br />

hatten.<br />

Soweit der Zauberer es bei der Dunkelheit erkennen konnte, hatten<br />

sich Krûls Kämpfer nun wieder gesammelt und schienen sich<br />

zum Abmarsch bereit zu machen. Hatte also tatsächlich alles so funktioniert,<br />

wie Nikko es sich vorgestellt hatte?<br />

Darauf verlassen wollte er sich lieber nicht. Trotz zunehmender<br />

Müdigkeit sollte er die Orks weiterh<strong>in</strong> im Auge behalten. An Schlaf<br />

war <strong>in</strong> dieser Nacht also nicht zu denken, schließlich musste er davon<br />

ausgehen, dass die Biester die Dunkelheit bis zum letzten Augenblick<br />

ausnutzen würden. Aber vielleicht ergab sich trotzdem noch die<br />

Möglichkeit, irgendwann e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Meditation dazwischen zu<br />

schieben.<br />

Während er e<strong>in</strong>e Schleife durch die Wolkendecke flog, machte<br />

Nikko sich und den Drachen wieder unsichtbar. Er hatte nämlich das<br />

Gefühl, dass es besser wäre, wenn die Orks nicht bemerkten, dass sie<br />

beobachtet wurden. Vielleicht könnte er so mehr über ihre wahren<br />

Intentionen erfahren.<br />

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Moment mal! Hatte Grâkh nicht gesagt, dass er <strong>in</strong> dieser Nacht<br />

den Geist der Orks befragen würde? Das wäre doch die perfekte Gelegenheit,<br />

mehr über dieses Wesen zu erfahren. Mit etwas Glück<br />

könnte Nikko sich die zur Beschwörung des Geistes nötigen Muster<br />

bei Grâkh e<strong>in</strong>fach abschauen.<br />

Beschwörung? Ja, wurde der Geist denn überhaupt beschworen<br />

oder kommunizierte der Ork auf andere Art mit dem rätselhaften<br />

Wesen? Nun, es gab nur e<strong>in</strong>en Weg, das alles herauszuf<strong>in</strong>den. Nikko<br />

musste Grâkh e<strong>in</strong>fach die ganze Nacht über beobachten.<br />

Es war alles andere als e<strong>in</strong>fach gewesen, die Orks <strong>in</strong> der Dunkelheit<br />

des fortgeschrittenen Abends nicht aus den Augen zu verlieren, obwohl<br />

sie mit der Beute vom Schlachtfeld so schwer beladen waren,<br />

dass sie nicht besonders schnell vorankamen. Glücklicherweise stießen<br />

die Biester bald auf die Straße nach Telgâr, der sie dann e<strong>in</strong>e<br />

ganze Weile lang folgten.<br />

Noch viel mehr Glück hatte der Zauberer, als sich die Wolken tief<br />

<strong>in</strong> der Nacht weitgehend auflösten und den Schimmer von Mond und<br />

Sternen durchsche<strong>in</strong>en ließen, sodass wenigstens etwas Licht auf die<br />

Erde fiel. Denn nur deswegen entg<strong>in</strong>g ihm nicht, dass die Orks irgendwann<br />

die Straße verließen und ihren Weg querfelde<strong>in</strong> fortsetzten.<br />

Der Pfad zu Krûls Festung <strong>in</strong> den Bergen konnte es jedoch noch<br />

nicht se<strong>in</strong>, denn dafür waren sie viel zu nahe bei Halfuár. Wo aber<br />

konnten die Orks sonst h<strong>in</strong> wollen?<br />

Verdammt! Woh<strong>in</strong> waren die Biester jetzt so plötzlich verschwunden?<br />

Auf e<strong>in</strong>mal schienen sie wie vom Erdboden verschluckt zu se<strong>in</strong>!<br />

Nikko, der noch immer unsichtbar auf se<strong>in</strong>em Drachen ritt, flog meh-<br />

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ere Schleifen über das Gebiet, auf dem er die Orks verloren hatte.<br />

Aber das half nichts. Es war e<strong>in</strong>fach zu dunkel, um etwas Genaueres<br />

zu erkennen.<br />

Vermutlich waren Krûl und se<strong>in</strong>e Krieger <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em Loch<br />

verschwunden. Bis der Großherzog das Land vor nun fast zwei Jahren<br />

von den Orks erobert hatte, war ganz <strong>Hymal</strong> <strong>in</strong> ihren Klauen gewesen.<br />

Aus dieser Zeit kannten sie sicherlich noch alle Höhlen und<br />

sonstigen Verstecke <strong>in</strong> der Umgebung.<br />

Es wäre wohl am besten, den Drachen hier irgendwo zu landen<br />

und dann zu Fuß weiter zu suchen. Nikko könnte sich dabei auch auf<br />

Nase und Ohren verlassen. Orks waren ja nicht unbed<strong>in</strong>gt die dezentesten<br />

Wesen, die auf der Erde ihr Dase<strong>in</strong> fristeten.<br />

Nachdem er den Drachen gelandet hatte, übertrug Nikko den Unsichtbarkeitszauber<br />

nur auf sich. Zwar könnte er die Echse auch weiterh<strong>in</strong><br />

tarnen, befürchtete jedoch, sie später nicht ohne Probleme<br />

wiederzuf<strong>in</strong>den.<br />

Se<strong>in</strong>e Hoffnung, die Orks über ihren Gestank und ihre ekligen Geräusche<br />

aufspüren zu können, stellte sich schon bald als berechtigt<br />

heraus. Tatsächlich hörte er aus e<strong>in</strong>er Richtung nicht nur die kratzigen<br />

Laute der Biester besonders laut, sondern dazu noch das Knurren<br />

ihrer grässlichen Wargs. Auch der Gestank schien sich von dort<br />

her <strong>in</strong>tensiv auszubreiten.<br />

Schon wenige Augenblicke später erkannte der Magier, dass die<br />

Wargs vor e<strong>in</strong>em Höhlene<strong>in</strong>gang warteten. Dieser wurde von zwei<br />

Orks mit … vermutlich Keulen bewacht. Genau konnte Nikko es bei<br />

der Dunkelheit nicht sehen. Aus dem Innern der Höhle ließ sich das<br />

übliche Gegrunze vernehmen. Half ihm draußen noch das spärliche<br />

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Licht von Mond und Sternen, würde er <strong>in</strong> dem stockf<strong>in</strong>steren Loch so<br />

gut wie bl<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>. Wie sollte er sich dort dr<strong>in</strong>nen nur zurechtf<strong>in</strong>den?<br />

Die blaue Dimension? Wenn es Nikko gel<strong>in</strong>gen würde, die richtige<br />

Entrückung zu f<strong>in</strong>den, müsste es doch möglich se<strong>in</strong>, die Orks im<br />

bläulichen Sche<strong>in</strong> dieser fasz<strong>in</strong>ierenden Welt zu beobachten. So bestünde<br />

auch ke<strong>in</strong>e Gefahr, sich durch se<strong>in</strong>en Geruch oder irgendwelche<br />

Geräusche zu verraten. Gerade die Wargs hatten ja ausgezeichnete<br />

Nasen. So jedenfalls hatte Danuwil es ihm vor langer Zeit e<strong>in</strong>mal<br />

erzählt.<br />

Nikko hatte sich die E<strong>in</strong>zelheiten über e<strong>in</strong>ige der Entrückungen<br />

gemerkt, <strong>in</strong> denen der Drache <strong>in</strong> der blauen Welt sichtbar war. Wenn<br />

der Magier außerdem e<strong>in</strong>en Schwebezauber wirkte, bestand auch<br />

ke<strong>in</strong>e Gefahr, dass er durch eventuell durchlässiges Geste<strong>in</strong> h<strong>in</strong>durchfiel.<br />

Also versetzte er sich direkt aus se<strong>in</strong>er Unsichtbarkeit heraus <strong>in</strong><br />

die blaue Welt, wirkte schnell noch e<strong>in</strong>en Schwebezauber und begann<br />

dann mit der Entrückung. Zuerst wählte er e<strong>in</strong>e Phase, <strong>in</strong> welcher<br />

der Drache <strong>in</strong> der blauen Dimension sichtbar blieb. E<strong>in</strong> Blick<br />

über die Schulter <strong>in</strong> die Richtung, <strong>in</strong> der er die Echse warten ließ, bestätigte<br />

dies. Leider war nun weder von den Wargs noch von den<br />

Orks etwas zu sehen.<br />

Der Meister musste e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Komb<strong>in</strong>ationen durchprobieren,<br />

fand letztlich aber e<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> der skurrilerweise nur die Orks<br />

erkennbar waren, alles andere erschien bestenfalls als blassblauer<br />

Schimmer. Das hatte jedoch den großen Vorteil, dass Nikko sich ke<strong>in</strong>en<br />

Weg <strong>in</strong> die Höhle suchen musste. Ne<strong>in</strong>, er konnte e<strong>in</strong>fach durch<br />

die Felsen zu den Biestern h<strong>in</strong> schweben.<br />

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Als er dann ganz <strong>in</strong> der Nähe der Orks ankam, musste er enttäuscht<br />

feststellen, dass er nicht hören konnte, was die Bestien sagten,<br />

obwohl sie sich angeregt zu unterhalten schienen. Na ja, er verstand<br />

ihre Sprache ohneh<strong>in</strong> nicht. Dennoch störte er sich irgendwie<br />

an der Stille.<br />

Trotz der Verschwommenheit der bläulichen Gestalten konnte<br />

Nikko zum<strong>in</strong>dest Krûl und Grâkh <strong>in</strong> der Masse erkennen. Die beiden<br />

hatten dabei nicht nur die imposantesten Figuren, sie waren es auch,<br />

die sich am heftigsten mite<strong>in</strong>ander unterhielten – wenn nicht gar<br />

stritten.<br />

So g<strong>in</strong>g das e<strong>in</strong>e ganze Weile lang, bis Nikko irgendwann die ersten<br />

Zweifel kamen, ob er auf diese Weise überhaupt etwas über den<br />

Geist der Orks herausf<strong>in</strong>den konnte. Allerd<strong>in</strong>gs hatte Grâkh ja gesagt,<br />

dass er das Wesen noch <strong>in</strong> der Nacht befragen würde. Dann aber<br />

schienen die beiden sich zu trennen.<br />

Der Orkfürst ließ Grâkh alle<strong>in</strong> und entfernte sich mit allen se<strong>in</strong>en<br />

Kriegern. Mehr konnte Nikko nicht erkennen. Grâkh jedoch machte<br />

ke<strong>in</strong>e Anstalten, sich ebenfalls zu entfernen. Ne<strong>in</strong>, nun f<strong>in</strong>g er sogar<br />

an, sich vor irgendetwas oder irgendwem zu verbeugen und wild zu<br />

gestikulieren.<br />

War das Glück Nikko also doch noch hold? Ja, es sah fast so aus,<br />

als würde der Ork nun den Geist herbeirufen oder anrufen – oder<br />

was auch immer. Aber was war das? Der Magier konnte zwar erkennen,<br />

dass reichlich Energien flossen, Muster waren dem Ganzen jedoch<br />

nicht zu entnehmen. Was konnte das bedeuten?<br />

Mehrere M<strong>in</strong>uten lang zog sich das Schauspiel h<strong>in</strong>, doch noch immer<br />

erkannte Nikko ke<strong>in</strong>e klare Struktur. Weder bekam er e<strong>in</strong> Gefühl<br />

dafür, wer oder was dieser Geist nun war, noch sah er e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis,<br />

16


wie er unter Umständen selbst mit ihm Kontakt aufnehmen könnte.<br />

Dann schien Grâkh se<strong>in</strong> Ritual zu beenden. Ob der Ork mit dem Ergebnis<br />

zufrieden war, war jedoch nicht auszumachen. Dazu war se<strong>in</strong><br />

Ebenbild <strong>in</strong> dieser Welt viel zu verzerrt und verschwommen.<br />

Plötzlich ertönte e<strong>in</strong> grässliches Lachen! E<strong>in</strong>fach so. Wo kam das<br />

denn her? Die Laute der Orks konnte der Magier hier doch gar nicht<br />

hören. Es musste also e<strong>in</strong> anderes Wesen se<strong>in</strong>, das sich so amüsierte.<br />

Moment mal, war das etwa der Geist der Orks, der Nikko da auslachte?<br />

Der Zauberer hatte den Rest der Nacht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>iger Entfernung von der<br />

Orkhöhle verbracht, war aber nicht richtig zur Ruhe gekommen. Erst<br />

e<strong>in</strong>e ausgiebige Meditation am Morgen brachte etwas Erholung und<br />

auch wieder e<strong>in</strong>en freien Kopf. Den konnte Nikko jetzt gut gebrauchen!<br />

Daran, was nach dem scheußlichen Gelächter <strong>in</strong> der Höhle geschehen<br />

war, konnte der Magier sich seltsamerweise kaum mehr er<strong>in</strong>nern.<br />

Dass Grâkh irgendwann zu den anderen Orks gegangen war,<br />

wusste er zwar noch, aber wie lange er selbst dann wie angewurzelt<br />

dort verweilt hatte … es könnten M<strong>in</strong>uten aber auch Stunden gewesen<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Mit e<strong>in</strong>em kräftigen Schütteln versuchte Nikko nun, die Gedanken<br />

an das gruselige Gelächter loszuwerden. Schließlich galt es, mit kühlem<br />

Kopf über das gestern Erlebte nachzudenken. Sollte die stundenlange<br />

Beobachtung der Orks umsonst gewesen se<strong>in</strong>?<br />

Nun ja, so e<strong>in</strong>fach, wie Nikko sich das alles vorgestellt hatte, war<br />

es offenbar doch nicht. Er hatte ja gehofft, sich bei Grâkh irgendwelche<br />

Muster zur Kommunikation mit diesem Geist abgucken zu kön-<br />

17


nen. Was der seltsame Ork da aber getrieben hatte, musste e<strong>in</strong>e<br />

gänzlich andere Art der Magie gewesen se<strong>in</strong>. Von Mustern hatte der<br />

Zauberer jedenfalls ke<strong>in</strong>e Spur erkennen können.<br />

Vielleicht sollte er den Ort des Geschehens ja mal <strong>in</strong> der Wirklichkeit<br />

genauer untersuchen. Es war durchaus möglich, ja sogar wahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

dass er <strong>in</strong> der blauen Welt nicht das ganze Geschehen<br />

mitbekommen hatte. War es etwa e<strong>in</strong> Fehler gewesen, das Ritual aus<br />

e<strong>in</strong>er anderen Dimension heraus zu verfolgen?<br />

Was war überhaupt mit den Orks? Hatten sie den Rest der Nacht<br />

<strong>in</strong> der Höhle verbracht oder waren sie nach dem Ritual wieder losgezogen?<br />

E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> den heute heiteren Himmel ließ vermuten, dass<br />

die lichtscheuen Biester sich an diesem Tag viel lieber verborgen halten<br />

würden. Waren sie also noch <strong>in</strong> der Höhle?<br />

Als Nikko sich wenige M<strong>in</strong>uten später vorsichtig dem Loch näherte,<br />

stellte er mit Erleichterung fest, dass die Wargs nicht mehr am<br />

E<strong>in</strong>gang wachten. Das hieß wohl, dass die Orks doch schon abmarschiert<br />

waren. Aber woh<strong>in</strong>?<br />

Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie hatten<br />

sich dazu entschlossen, wieder <strong>in</strong> ihre Bergfestung zurückzukehren,<br />

oder aber doch noch zu plündern. Obwohl, diese Entscheidung dürfte<br />

wohl eher von dem Geist getroffen worden se<strong>in</strong>. In letzterem Fall<br />

würden sie es allerd<strong>in</strong>gs mit Nikko und se<strong>in</strong>em Drachen aufnehmen<br />

müssen.<br />

So oder so, der Zauberer sollte besser nicht noch mehr Zeit vergeuden<br />

und die Spur der Orks möglichst schnell f<strong>in</strong>den. Es wäre ja<br />

nicht auszudenken, wenn Krûls Horde ohne Gegenwehr <strong>in</strong> Halfuár<br />

wüten würde. Dennoch, Nikko wollte sich vorher die Höhle noch genauer<br />

ansehen. So viel Zeit musste se<strong>in</strong>!<br />

<strong>18</strong>


Im Innern war von den Orks nichts mehr zu hören, nichts zu sehen<br />

und zum Glück auch nur noch wenig zu riechen. Trotzdem hielt<br />

der Magier se<strong>in</strong>en Unsichtbarkeitszauber vorerst aufrecht, gönnte<br />

sich aber etwas magisches Licht, um <strong>in</strong> dem f<strong>in</strong>steren Loch überhaupt<br />

etwas sehen zu können.<br />

Vom E<strong>in</strong>gang aus führte der Gang ihn zunächst e<strong>in</strong> Stück nach<br />

unten und mündete dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er größeren Höhle, von der e<strong>in</strong>ige<br />

Abzweigungen auszugehen schienen. Zahllose Knochen auf dem Boden<br />

ließen vermuten, dass die Kaverne den Orks auch früher schon<br />

als Unterschlupf gedient hatte.<br />

Nikko versuchte sich daran zu er<strong>in</strong>nern, <strong>in</strong> welcher Richtung<br />

Grâkh gestanden hatte, als er gestern Nacht den Geist beschwor.<br />

Dort war tatsächlich e<strong>in</strong> Durchgang zu erkennen, dem der Zauberer<br />

nun folgte.<br />

Der Gang führte weiter h<strong>in</strong>ab und endete schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mittelgroßen<br />

Höhle, vielleicht zwei oder drei Schritte breit, dafür jedoch<br />

bestimmt e<strong>in</strong>en halben Ste<strong>in</strong>wurf lang. Am anderen Ende des Raums<br />

schien etwas gebaut zu se<strong>in</strong>, doch Genaueres konnte der Magier bei<br />

dem fahlen Licht nicht erkennen. Den fauligen Gestank, der den ganzen<br />

Raum erfüllte, konnte er aber auch so noch gut genug riechen.<br />

Das roch doch be<strong>in</strong>ahe so widerlich wie bei e<strong>in</strong>er Dämonenbeschwörung,<br />

oder nicht? Es war zwar schon e<strong>in</strong>e Weile her, dass Nikko<br />

das letzte Mal mit e<strong>in</strong>em Dämon zu tun hatte, aber den Geruch<br />

dieser Biester würde er wohl niemals vergessen. Dennoch, irgendwie<br />

roch es hier e<strong>in</strong> wenig anders. Außerdem verflog der Gestank nach<br />

e<strong>in</strong>er Beschwörung doch eigentlich sofort.<br />

Der Zauberer verstärkte nun se<strong>in</strong> magisches Licht, um sich die<br />

Sache genauer ansehen zu können. Irgendetwas stimmte hier nicht.<br />

19


Wenn Grâkh tatsächlich e<strong>in</strong>en Dämon beschworen hatte, müsste sich<br />

der Geruch ja längst wieder verzogen haben. Es sei denn, der Ork<br />

hätte den Ritualplatz nicht richtig gebannt und gere<strong>in</strong>igt. Das aber<br />

könnte heißen …<br />

Ne<strong>in</strong>, die Ursache des Gestanks ließ sich <strong>in</strong> Nikkos magischem<br />

Licht jetzt leicht erkennen. Auf e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong>quader kurz vor der h<strong>in</strong>teren<br />

Wand der Höhle lag e<strong>in</strong> Toter! E<strong>in</strong> ganzer Schwarm Fliegen<br />

stieg wütend empor, als der Zauberer sich näherte. Nun sah er auch,<br />

wie sich unzählige Maden im Fleisch der Leiche kr<strong>in</strong>gelten.<br />

Der faulige Gestank war kaum noch auszuhalten und der eklige<br />

Anblick tat se<strong>in</strong> Übriges. Nikko war kurz davor, sich zu übergeben,<br />

und würde diesen widerlichen Ort am liebsten sofort verlassen. Doch<br />

es schien so, als sei er hier auf der richtigen Spur. Das alles konnte ja<br />

ke<strong>in</strong> Zufall se<strong>in</strong>!<br />

Mit zugehaltener Nase schaute sich der Zauberer weiter um, doch<br />

fühlte er die faulige Luft bald auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Mund. Er sah, dass h<strong>in</strong>ter<br />

dem offenbar als Altar dienenden Quader e<strong>in</strong>e grobschlächtige<br />

Statue stand, die mit e<strong>in</strong>er gehörigen Menge Blut besprengt war, an<br />

e<strong>in</strong>igen Stellen schienen sogar Fleischfetzen zu hängen. Moment mal,<br />

was war denn das? Igitt, e<strong>in</strong> echtes Herz lag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Öffnung der Statue,<br />

ungefähr dort, wo sich ihr eigenes Herz bef<strong>in</strong>den würde.<br />

Angewidert drehte sich Nikko weg und erkannte, dass auch die<br />

Seitenwände des Raums beschmiert waren. Aber sahen die Flecken<br />

nicht wie mit Blut gezeichnete Symbole aus? Ne<strong>in</strong>, es war e<strong>in</strong> und<br />

dasselbe Symbol – wieder und wieder! An allen Wänden fand es sich.<br />

War das etwa das Siegel des rätselhaften Geistes?<br />

Das könnte durchaus se<strong>in</strong>. Vielleicht hatte Grâkh das Wesen ja<br />

gerufen, <strong>in</strong>dem er dessen Siegel mit Blut an die Wände zeichnete. Es<br />

20


schien auch so, als seien viele der Symbole bereits älter, nur e<strong>in</strong>ige<br />

wenige waren frisch.<br />

Als Nikkos Blick wieder zu der scheußlichen Statue zurückkehrte,<br />

stellte er fest, dass sich dort, wo ihr rechtes Auge se<strong>in</strong> müsste, ebenfalls<br />

e<strong>in</strong> Hohlraum befand, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> … echtes Auge lag. Igitt! Gleiches<br />

galt auch für … nun ja, die Statue war offenbar männlich.<br />

Moment mal, die Organe <strong>in</strong> der Statue wirkten … frisch. Frischer<br />

jedenfalls als der Tote auf dem Altar, der wohl schon e<strong>in</strong>ige Tage alt<br />

se<strong>in</strong> musste. Mit viel Überw<strong>in</strong>dung überprüfte Nikko, ob die Organe<br />

überhaupt von der Leiche kamen. Ne<strong>in</strong>, soweit man es an dem übel<br />

zugerichteten und seit Tagen vor sich h<strong>in</strong>wesenden Körper erkennen<br />

konnte, hatte der Tote noch beide Augen und auch den … Rest.<br />

Was war das eigentlich für e<strong>in</strong>e Leiche? E<strong>in</strong> Mensch oder e<strong>in</strong> Ork?<br />

Von der Statur her eher e<strong>in</strong> Ork, aber ganz sicher war sich der Zauberer<br />

nicht. Was er allerd<strong>in</strong>gs sah, waren weitere Knochen neben<br />

und h<strong>in</strong>ter dem Altar. Darunter waren auch welche, die wohl erst seit<br />

Kurzem hier lagen. An manchen h<strong>in</strong>gen sogar noch Reste von Fleisch<br />

und Sehnen.<br />

Das alles war schon mehr als seltsam. Die Orks mussten gestern<br />

Nacht e<strong>in</strong>en der Ihrigen geopfert haben, um den Geist zu rufen. Es<br />

sei denn, sie hatten doch noch irgendwann Gefangene gemacht. So<br />

oder so, vermutlich hatten sie die fraglichen Organe e<strong>in</strong>es Geopferten<br />

<strong>in</strong> die Statue gestopft und mit se<strong>in</strong>em Blut die Symbole an die<br />

Wände gemalt. Den Rest der Leiche hatten sie wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>fach<br />

aufgefressen. Das alles musste allerd<strong>in</strong>gs passiert se<strong>in</strong>, bevor<br />

Nikko sie beobachtet hatte, denn davon hatte er ja nichts mitbekommen.<br />

21


Was aber war mit der Leiche, die auf dem Altar vor sich h<strong>in</strong> rottete?<br />

Die musste doch schon e<strong>in</strong>ige Tage lang dort liegen, wenn nicht<br />

sogar noch viel länger. Stellte diese e<strong>in</strong>e andere Art Opfer dar? Oder<br />

war auch sie e<strong>in</strong> Teil der Beschwörung? Nikko war gleichermaßen<br />

fasz<strong>in</strong>iert und angewidert.<br />

Da der Gestank noch immer nicht nachließ und <strong>in</strong>zwischen auch<br />

unangenehm im Mund zu spüren war, wollte Nikko nicht länger <strong>in</strong><br />

der Höhle bleiben. Es schien ohneh<strong>in</strong>, als hätte er nun alles gesehen,<br />

was es hier zu entdecken gab. Es war nur schade, dass die Statue des<br />

Wesens so primitiv gearbeitet war. Viel erkennen konnte man an dem<br />

offenbar aus e<strong>in</strong>em Baumstamm grob geschnitzten und krude bemalten<br />

Bildnis leider nicht. Immerh<strong>in</strong>, das vermutliche Siegel des Geistes<br />

hatte sich der Zauberer gut gemerkt.<br />

Als Nikko den gruseligen Raum verließ, erschallte wieder das<br />

scheußliche Lachen, das er schon gestern gehört hatte. Vor lauter<br />

Schrecken geriet der Zauberer <strong>in</strong> Panik und rannte so schnell er<br />

konnte nach oben. Als er endlich aus der Höhle heraus war, atmete er<br />

zunächst kräftig durch und genoss die frische Luft. Von dem Gelächter<br />

war hier zum Glück nichts mehr zu hören.<br />

Kurze Zeit später war Nikko zurück bei se<strong>in</strong>em Drachen und<br />

überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Am liebsten würde er sich<br />

sofort auf se<strong>in</strong>e Bücher stürzen und versuchen, dar<strong>in</strong> weitere Informationen<br />

über diesen Geist zu f<strong>in</strong>den. Nun kannte er ja immerh<strong>in</strong><br />

dessen Siegel. Die komische Statue mit den Organen war ebenfalls<br />

e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis, wenn auch nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs bestand noch immer die Gefahr, dass die Orks <strong>in</strong> <strong>Hymal</strong><br />

ihr Unwesen trieben. Nikko hatte ja ke<strong>in</strong>e Ahnung, was der Geist ihnen<br />

gestern Nacht befohlen hatte. Wie e<strong>in</strong> großer Friedensstifter<br />

hatte die Statue <strong>in</strong> der Höhle jedenfalls nicht gewirkt. Ebenso wenig<br />

22


ließen die Blutopfer zur se<strong>in</strong>er Beschwörung auf e<strong>in</strong>e solche Ges<strong>in</strong>nung<br />

schließen. Ne<strong>in</strong>, Nikko sollte wohl davon ausgehen, dass dieser<br />

Geist e<strong>in</strong> ziemlich übler Dämon war, dem es nach Blut und Fleisch<br />

gelüstete.<br />

Also schwang sich der Zauberer auf se<strong>in</strong>en Drachen und erhob<br />

sich <strong>in</strong> den Himmel über <strong>Hymal</strong>. Irgendwo würde er die verfluchten<br />

Orks schon f<strong>in</strong>den. Die Frage war nur, ob sie <strong>in</strong> Richtung Halfuár gezogen<br />

waren oder doch zurück zu ihrer Festung <strong>in</strong> den Bergen.<br />

Nikko war mehrere große Kreise um die Höhle herum geflogen, ohne<br />

die Fährte der Orks wieder aufnehmen zu können. Zwar war <strong>in</strong> der<br />

näheren Umgebung alles zertrampelt, aber bei all dem Gewirr von<br />

Spuren konnte der Zauberer nicht erkennen, <strong>in</strong> welche Richtung die<br />

Orks weitergezogen waren. Bei dem heute so sonnigen Wetter konnte<br />

das eigentlich nur bedeuten, dass die Horde sich <strong>in</strong> den nahen<br />

Wäldern oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Höhle verkrochen hatte.<br />

Letztlich entschied er sich dafür, zurück <strong>in</strong> Richtung Halfuár zu<br />

fliegen. Wenn er die Orks dort nicht doch noch irgendwo ausmachen<br />

würde, hieße das wohl, dass sie tatsächlich auf dem Weg zu ihrer<br />

Bergfestung waren. So oder so, Nikkos Burg schien im Moment das<br />

s<strong>in</strong>nvollste Ziel zu se<strong>in</strong>, auch wenn der bloße Gedanke daran, sich<br />

dort mit se<strong>in</strong>en Untergebenen ause<strong>in</strong>andersetzen zu müssen, dem<br />

Zauberer bereits e<strong>in</strong>ige Magenschmerzen bereitete.<br />

Wie sollte er denn <strong>in</strong> Halfuár auftreten? Was wusste man dort<br />

überhaupt? Vermutlich könnte Nikko so tun, als käme er völlig unwissend<br />

von se<strong>in</strong>er Reise zurück. Aber würde man es ihm dann nicht<br />

verübeln, se<strong>in</strong> Lehen <strong>in</strong> Kriegszeiten im Stich gelassen zu haben?<br />

23


Oh je, vielleicht hätte er sich dort vor der Schlacht ja doch noch<br />

kurz sehen lassen sollen. Aber was hätte das schon gebracht? Nikko<br />

hätte sich ohneh<strong>in</strong> sehr schnell wieder verabschieden müssen, um<br />

am nächsten Tag für den Fe<strong>in</strong>d zu kämpfen. Das war aber auch e<strong>in</strong>e<br />

bizarre Situation!<br />

Als dann der Hügel mit der Burg am Horizont auftauchte, flog der<br />

Zauberer noch e<strong>in</strong> wenig umher, um das Gelände gründlich abzusuchen.<br />

Vielleicht waren die Orks ja doch auf dem Weg hierher, redete<br />

er sich e<strong>in</strong>. Vielleicht aber wollte er se<strong>in</strong>e Ankunft <strong>in</strong> Halfuár auch nur<br />

weiter h<strong>in</strong>auszögern.<br />

Nach e<strong>in</strong>iger Zeit führte Nikkos Suche ihn direkt über das<br />

Schlachtfeld. Auch hier flog er e<strong>in</strong> paar Kreise, um sich den Ort genauer<br />

anzusehen. Da von oben jedoch nicht mehr viel zu erkennen<br />

war, entschied er sich spontan zur Landung.<br />

Was er auf dem Boden zu Gesicht bekam, war dann nicht weniger<br />

schockierend als der Ritualraum <strong>in</strong> der Höhle der Orks – nur irgendwie<br />

trauriger. Nikko hatte den Biestern ja die Toten zum Plündern<br />

überlassen müssen, damit die Überlebenden wenigstens die Möglichkeit<br />

zur Flucht hatten. Allerd<strong>in</strong>gs hatte er dabei nicht geahnt, wie die<br />

Orks mit den Gefallenen verfahren würden!<br />

Viele der Spuren mochten auch vom eigentlichen Kampf her rühren,<br />

aber die meisten der herzoglichen Krieger waren dem Eisodem<br />

des Drachen zum Opfer gefallen. Umso erstaunter war der Zauberer,<br />

wie zerstückelt und zerschlitzt die Leichen waren. Ne<strong>in</strong>, das sah eher<br />

nach den Kl<strong>in</strong>gen der Orks aus! Offenbar hatten sie viele der Toten<br />

verstümmelt und sogar zerteilt. Hatten sie sich auf diese Weise etwa<br />

Wegzehrung beschafft?<br />

24


Dass von den Rüstungen und Waffen der Krieger Fydals nicht<br />

mehr viel übrig war, erstaunte Nikko h<strong>in</strong>gegen nicht. Er war ja davon<br />

ausgegangen, dass die Biester die Toten gründlich ausplündern würden.<br />

Das hatte er ihnen schließlich gestattet, immerh<strong>in</strong> waren sie auf<br />

der Seite der Sieger. Aber warum all diese Gewalt gegen die Toten?<br />

Es war überall das gleiche Bild. Die Köpfe der Gefallenen waren<br />

zermalmt oder gespalten, Arme und Be<strong>in</strong>e abgeschlagen – oft genug<br />

fehlten die Glieder sogar ganz. Der Rest der Leichen war aufgeschlitzt<br />

und manchmal auch völlig ausgeweidet. Wenigstens e<strong>in</strong> Gutes<br />

hatte dies – ke<strong>in</strong>er der Toten war mehr zu identifizieren. Nikko<br />

lief also nicht Gefahr, <strong>in</strong>s Angesicht des gefallenen Herzogs blicken<br />

zu müssen. Nun, jedenfalls würde er es nicht mitbekommen, falls es<br />

doch geschah.<br />

Langsam begann es <strong>in</strong> Nikko zu kochen. Mit welchen Bestien hatte<br />

er sich da nur e<strong>in</strong>gelassen? Wie hatte er nur so tief s<strong>in</strong>ken können?<br />

Und dann war da noch dieser verfluchte Geist der Orks, der offenbar<br />

doch nur e<strong>in</strong> blutrünstiger Dämon war – allerd<strong>in</strong>gs hatte der Zauberer<br />

so etwas schon e<strong>in</strong>e ganze Weile lang befürchtet. Wie aber sollte<br />

er sich gegen e<strong>in</strong>en vermutlich so mächtigen Gegner stellen?<br />

Er atmete erst e<strong>in</strong>mal tief durch. Es half schließlich nicht, sich<br />

über D<strong>in</strong>ge zu ärgern, die nun nicht mehr zu ändern waren. E<strong>in</strong>es<br />

war jedenfalls klar, das Bündnis mit den Orks durfte wahrlich nicht<br />

von Dauer se<strong>in</strong>. Aber vielleicht hatte Nikko <strong>in</strong> den Augen des Geistes<br />

se<strong>in</strong>e Schuldigkeit ja auch schon längst getan. Mit etwas Glück würde<br />

er nie wieder von diesem dämonischen Wesen für se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>steren<br />

Pläne e<strong>in</strong>gespannt werden.<br />

Jetzt galt es ohneh<strong>in</strong> erst e<strong>in</strong>mal zu sehen, wie die Situation auf<br />

Halfuár war. Und überhaupt, der Herzog von <strong>Hymal</strong> war aller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

nach gefallen und hatte somit se<strong>in</strong>e Strafe erhalten.<br />

25


Se<strong>in</strong> Herzogtum h<strong>in</strong>gegen konnte nichts für Fydals Untaten. Weder<br />

den Orks noch dem Kult noch dem König oder se<strong>in</strong>en Herzögen<br />

wollte Nikko <strong>Hymal</strong> überlassen. Ne<strong>in</strong>, als Zauberer stand es alle<strong>in</strong> ihm<br />

zu. Aber erst e<strong>in</strong>mal musste er <strong>in</strong> Halfuár für Ordnung sorgen!<br />

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null-papier.de/374<br />

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