Eifel aktuell - Juni Nr. 37 - 2016 WEB
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<strong>Eifel</strong><br />
Der ehemalige Friedhof für sowjetische Zwangsarbeiter im Buhlert zwischen Strauch und Schmidt<br />
Pfarre St. Hubertus Schmidt ehrt sowjetische<br />
Kriegsgefangene<br />
Replikat der im Waldgebiet „Buhlert“ verschollenen Gedenktafel erhält Ehrenplatz in der Kirche<br />
Schmidt.<br />
Für Bundespräsident Joachim Gauck war es „eines der größten<br />
Verbrechen“ des Zweiten Weltkrieges: Die Ermordung bzw. der<br />
bewusst in Kauf genommene Tod von Millionen sowjetischer<br />
Kriegsgefangener. Der Historiker Peter Jahn beziffert die Anzahl<br />
der Opfer auf 3 bis 3,2 Millionen von insgesamt 5,7 bis 6 Millionen sowjetischer<br />
Kriegsgefangener, die an Hunger, Krankheiten und Entkräftung ums<br />
Leben kamen. Dieses Massensterben war die Folge eines rassenideologisch<br />
motivierten Kalküls der Machthaber des Dritten Reiches. So galten gefangene<br />
Rotarmisten in den Augen der Nationalsozialisten als „Untermenschen“. In den<br />
Lagern wurden sie aus nichtigsten Anlässen ermordet. Dies führte letztlich dazu,<br />
dass die gefangenen Angehörigen der Roten Armee nach den Juden die zweitgrößte<br />
Gruppe der Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes darstellen. In<br />
diesem Kontext sprach Joachim Gauck in seiner Ansprache zum 70. Jahrestag<br />
des Kriegsendes davon, dass das Verbrechen an den sowjetischen Gefangenen<br />
bis heute „in einem Erinnerungsschatten“ liege. Ihr „grauenhaftes Schicksal“<br />
sei in Deutschland „nie angemessen ins Bewusstsein gekommen“.<br />
Diesen „Erinnerungsschatten“ aufzuhellen, ist schon länger das Anliegen der<br />
Protagonisten für Friedensarbeit in der Kath. Kirchengemeinde St. Hubertus<br />
Schmidt.„Wir beobachten mit Besorgnis, welch großen Zulauf rechtsgerichtete<br />
Gruppierungen auch in Deutschland verzeichnen und wie sie versuchen, rassistisches<br />
Gedankengut erneut salonfähig zu machen“, konstatiert Johannes Foemer,<br />
stellv. Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Wozu das führen könne, hätten die<br />
slawischen Völker vor über 70 Jahren auf besonders leidvolle Weise erfahren.<br />
Und deshalb sei es ihm ein besonderes Anliegen, die Schicksale von Menschen<br />
aus Osteuropa nicht aus dem Blick zu verlieren. Im damaligen Lagerkosmos der<br />
Nordeifel seien sie schlimmsten Repressalien ausgesetzt gewesen.<br />
Kriegstote aller Nationen ins kollektive Gedächtnis rufen und ein-dimensionalen<br />
Geschichtsdeutungen – wie sie noch heute im Umfeld des Hürtgenwaldes<br />
anzutreffen sind – wissenschaftlich fundiert begegnen. Für innovative<br />
Pastoralprojekte stellt das Bischöfl iche Generalvikariat den Kirchengemeinden<br />
im Bistum Aachen besondere Fördergelder zur Verfügung. Die Pfarre St.<br />
Hubertus erhielt für ihre friedenspolitischen Aktivitäten diese Sonderförderung<br />
nunmehr bereits zum zweiten Mal.<br />
Am Rande des Waldgebietes „Buhlert“, das zwischen den Ortschaften Schmidt<br />
und Strauch liegt, steht seit einigen Jahren ein Hinweisschild mit der Inschrift<br />
„Russenfriedhof“. Es weist in ein Waldstück, in dem es bereits seit 57 Jahren<br />
keine Gräberstätte mehr gibt. Eine solche existierte an dieser Stelle nur bis ins<br />
Jahr 1959. Damals erinnerte auf dem „Waldfriedhof Buhlert“ eine Tafelinschrift<br />
an den Tod von 65 Rotarmisten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten<br />
und dem Arbeitskommando Strauch zugeteilt waren. In einer <strong>aktuell</strong>en<br />
Untersuchung konnte die Dokumentationsstelle der Stiftung ‚Sächsische<br />
Gedenkstätten in Dresden‘ diesem Lagerdistrikt zwischenzeitlich 72 verstorbene<br />
Sowjetbürger zuordnen. Sieben von ihnen werden wohl für immer in<br />
Die positiven Reaktionen auf die Ausstellung „verschleppt – verhungert<br />
– verscharrt“ hätten bestätigt, dass man mit dem Erinnerungskonzept<br />
„Friedenskirche Schmidt“ auf dem richtigen Weg sei. Das Besondere an diesem<br />
Konzept ist seine transnationale und multiperspektivische Ausrichtung. Es will<br />
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