Barriere
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SPORT MIT MS<br />
ICH BIN EIN GLÜCKSKIND<br />
Ultramarathon-Läuferin Jasmin Nunige aus Davos<br />
(Schweiz) reiht trotz Multipler Sklerose Sieg an<br />
Sieg: „MS ist eine Krankheit, die mir Hindernisse<br />
in den Weg stellt, aber auch viel Positives zeigt.“<br />
Es gibt Geschichten, die nur das Leben schreiben<br />
kann. Wie jene von Jasmin Nunige. Es ist die<br />
Geschichte einer chronischen Krankheit, von<br />
Angst und Trauer, aber auch von großen Siegen<br />
und überwältigenden Glücksgefühlen.<br />
Den Swissalpine Marathon nur schon zu laufen,<br />
fordert von einem Menschen alles ab. Die 78,5<br />
Kilometer inmitten der imposanten Bündner<br />
Bergwelt als Sieger zu bewältigen, verdient größten<br />
Respekt. Und diesen Sieg nur ein Jahr nach einem<br />
schweren MS-Schub zu erringen, löst nur noch<br />
ungläubiges Staunen und neidlose Bewunderung<br />
aus.<br />
Zum sechsten Mal gewann die 42-jährige Mutter<br />
von zwei Kindern dieses Jahr den berühmten<br />
Davoser Ultramarathon, und zwar in einer Zeit<br />
von knapp sieben Stunden mit sage und schreibe<br />
35 Minuten Vorsprung. Es war ein ganz spezieller<br />
Lauf, nicht nur aus Anlass des 30-jährigen<br />
Jubiläums, sondern weil kaum noch jemand diese<br />
Weltklasseleistung für möglich gehalten hätte.<br />
Ein Jahr zuvor musste Jasmin Nunige schweren<br />
Herzens die Teilnahme am EM-Marathon in<br />
Zürich absagen. Die Multiple Sklerose hatte ein<br />
zweites Mal in ihrem Leben zugeschlagen.<br />
GEFÜHLSSTÖRUNGEN IN DEN FÜSSEN<br />
Angefangen hat alles im März 2011 während<br />
einer Laufwoche in Portugal. „Von einer Stunde<br />
auf die andere hatte ich Gefühlsstörungen in den<br />
Füßen. Es kam mir vor, als wären die Schuhe zu<br />
eng“, erinnert sich die diplomierte medizinische<br />
Masseurin. „Ich hatte mir noch keine großen<br />
Gedanken gemacht, sondern meine Laufschuhe<br />
etwas lockerer gebunden. Als diese eigenartigen<br />
Symptome sich dann bis zum nächsten Morgen<br />
bis zu den Oberschenkeln ausbreiteten, habe ich<br />
zum ersten Mal richtig Angst bekommen, weil ich<br />
spürte, dass etwas nicht stimmt.“<br />
Wenige Tage nach dem vorzeitigen Rückflug<br />
stand die Diagnose fest. Sie hatte nur zwei Buchstaben:<br />
MS. Und doch war ihr sofort alles klar,<br />
weil schon ihre Mutter daran erkrankt war. „Es<br />
war ein Schock und zugleich auch eine Erleichterung,<br />
weil meine Krankheit einen Namen hatte<br />
und ich wusste, mit wem ich es fortan zu tun habe.<br />
Ich wusste, dass MS kein Todesurteil ist, und ich<br />
wusste, dass viele MS-Patienten ein weitgehend<br />
normales Leben führen können. Und ich wusste,<br />
dass ich für meine Familie da sein kann, auch<br />
wenn es mir einmal schlecht gehen sollte und ich<br />
körperlich behindert bin.“<br />
FRAGEN ÜBER FRAGEN<br />
Selbstverständlich tauchten Fragen über Fragen<br />
auf. „Was mache ich beruflich? Kann ich die<br />
Massagepraxis wie geplant ausbauen? Was ist<br />
mit dem Laufsport, den ich so sehr liebe und der<br />
mir unendlich viel gibt?“ Zusammen mit ihrem<br />
Ehemann und Trainer machte sie eine Situationsanalyse<br />
und beschloss, Beruf und Sport so weit wie<br />
möglich herunterzufahren und sich mehr Freiräume<br />
zu Hause für die Familie zu schaffen. „Es<br />
hat mir enorm geholfen, dass wir beide vom ersten<br />
Moment an nach vorne schauen konnten, anstatt es<br />
lange zu bedauern, dass auf einmal so viele sportliche<br />
und berufliche Pläne weg sind.“<br />
Jasmin Nunige stellte ihre Ernährung um, vermied<br />
Milchprodukte, Zucker und Weizen, obwohl sie<br />
weiß, dass dies längst nicht allen hilft. Ihr tat es<br />
gut. In Absprache mit dem behandelnden Arzt<br />
verzichtete sie vorerst auf Medikamente, weil<br />
sie weiter ihrem Körpergefühl vertrauen wollte.<br />
„Natürlich machte ich mir Gedanken, ob das nicht<br />
BARRIEREFREI - das Magazin 63