JASMIN NUNIGE ULTRAMARATHON MIT MS Quelle Fotos: Petra Bork/pixelio.de, Rainer Sturm/pixelio.de 62 BARRIEREFREI - das Magazin
SPORT MIT MS ICH BIN EIN GLÜCKSKIND Ultramarathon-Läuferin Jasmin Nunige aus Davos (Schweiz) reiht trotz Multipler Sklerose Sieg an Sieg: „MS ist eine Krankheit, die mir Hindernisse in den Weg stellt, aber auch viel Positives zeigt.“ Es gibt Geschichten, die nur das Leben schreiben kann. Wie jene von Jasmin Nunige. Es ist die Geschichte einer chronischen Krankheit, von Angst und Trauer, aber auch von großen Siegen und überwältigenden Glücksgefühlen. Den Swissalpine Marathon nur schon zu laufen, fordert von einem Menschen alles ab. Die 78,5 Kilometer inmitten der imposanten Bündner Bergwelt als Sieger zu bewältigen, verdient größten Respekt. Und diesen Sieg nur ein Jahr nach einem schweren MS-Schub zu erringen, löst nur noch ungläubiges Staunen und neidlose Bewunderung aus. Zum sechsten Mal gewann die 42-jährige Mutter von zwei Kindern dieses Jahr den berühmten Davoser Ultramarathon, und zwar in einer Zeit von knapp sieben Stunden mit sage und schreibe 35 Minuten Vorsprung. Es war ein ganz spezieller Lauf, nicht nur aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums, sondern weil kaum noch jemand diese Weltklasseleistung für möglich gehalten hätte. Ein Jahr zuvor musste Jasmin Nunige schweren Herzens die Teilnahme am EM-Marathon in Zürich absagen. Die Multiple Sklerose hatte ein zweites Mal in ihrem Leben zugeschlagen. GEFÜHLSSTÖRUNGEN IN DEN FÜSSEN Angefangen hat alles im März 2011 während einer Laufwoche in Portugal. „Von einer Stunde auf die andere hatte ich Gefühlsstörungen in den Füßen. Es kam mir vor, als wären die Schuhe zu eng“, erinnert sich die diplomierte medizinische Masseurin. „Ich hatte mir noch keine großen Gedanken gemacht, sondern meine Laufschuhe etwas lockerer gebunden. Als diese eigenartigen Symptome sich dann bis zum nächsten Morgen bis zu den Oberschenkeln ausbreiteten, habe ich zum ersten Mal richtig Angst bekommen, weil ich spürte, dass etwas nicht stimmt.“ Wenige Tage nach dem vorzeitigen Rückflug stand die Diagnose fest. Sie hatte nur zwei Buchstaben: MS. Und doch war ihr sofort alles klar, weil schon ihre Mutter daran erkrankt war. „Es war ein Schock und zugleich auch eine Erleichterung, weil meine Krankheit einen Namen hatte und ich wusste, mit wem ich es fortan zu tun habe. Ich wusste, dass MS kein Todesurteil ist, und ich wusste, dass viele MS-Patienten ein weitgehend normales Leben führen können. Und ich wusste, dass ich für meine Familie da sein kann, auch wenn es mir einmal schlecht gehen sollte und ich körperlich behindert bin.“ FRAGEN ÜBER FRAGEN Selbstverständlich tauchten Fragen über Fragen auf. „Was mache ich beruflich? Kann ich die Massagepraxis wie geplant ausbauen? Was ist mit dem Laufsport, den ich so sehr liebe und der mir unendlich viel gibt?“ Zusammen mit ihrem Ehemann und Trainer machte sie eine Situationsanalyse und beschloss, Beruf und Sport so weit wie möglich herunterzufahren und sich mehr Freiräume zu Hause für die Familie zu schaffen. „Es hat mir enorm geholfen, dass wir beide vom ersten Moment an nach vorne schauen konnten, anstatt es lange zu bedauern, dass auf einmal so viele sportliche und berufliche Pläne weg sind.“ Jasmin Nunige stellte ihre Ernährung um, vermied Milchprodukte, Zucker und Weizen, obwohl sie weiß, dass dies längst nicht allen hilft. Ihr tat es gut. In Absprache mit dem behandelnden Arzt verzichtete sie vorerst auf Medikamente, weil sie weiter ihrem Körpergefühl vertrauen wollte. „Natürlich machte ich mir Gedanken, ob das nicht BARRIEREFREI - das Magazin 63