KURT 06/2016
KURT Das Stadt-, Kultur- und Szenemagazin für die Region Gifhorn Ausgabe 06/2016
KURT
Das Stadt-, Kultur- und Szenemagazin für die Region Gifhorn
Ausgabe 06/2016
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Das große Fest des Kabaretts:<br />
kunst & kultur<br />
„Heiße Kartoffeln“<br />
Der Vorverkauf für die Satire-Tage in unserem Landkreis läuft bereits<br />
Witz, Charme und geistreiche Pointen<br />
verspricht das Kabarett-Festival „Heiße<br />
Kartoffeln“: Mit Jürgen Becker und<br />
Hagen Rether kommen zwei der ganz<br />
Großen aus der deutschen Satire-Szene<br />
nach Gifhorn. Doch auch die übrigen Gäste<br />
brauchen sich wahrlich nicht zu verstecken.<br />
Vom 9. bis 25. September gibt‘s<br />
insgesamt sieben Shows von Wittingen<br />
bis Schwülper, von Meinersen bis Wesendorf<br />
– gemeinschaftlich auf die Beine gestellt<br />
von den sechs größten Kulturvereinen<br />
unseres Landkreises, unterstützt<br />
von der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg, der<br />
Landkreis-Gifhorn-Stiftung und der LSW.<br />
Gleich zum Auftakt wird‘s prominent:<br />
Jürgen Becker, vor allem bekannt als Moderator<br />
der „Mitternachtsspitzen“, eröffnet die<br />
Satire-Saison am Freitag, 9. September, in<br />
der Gifhorner Stadthalle. Dabei schließt sich<br />
ein Kreis: Denn „Mitternachtsspitzen“ sind im<br />
gleichnamigen<br />
Film mit Doris<br />
Day und John<br />
Gavin immerhin<br />
Dessous. Und<br />
nun wagt der<br />
Moderator der<br />
gleichnamigen<br />
WDR-Produktion<br />
also in seinem<br />
Solo-Programm<br />
„Volksbegehren“ einen kabarettistischen<br />
Beischlaf mit dem Eros, dem wohl mächtigsten<br />
aller Götter – und bittet dabei zum<br />
Blick durchs Schlüsselloch. Das Publikum darf<br />
sich beim Liebesspiel mit Worten aufs angenehmste<br />
gekitzelt fühlen und spürt dabei,<br />
dass schöne Schenkel nicht nur betören. Gelegentlich<br />
darf man sich auch darauf klopfen.<br />
Mit Lisa Feller geht‘s unter dem Motto<br />
„Guter Sex ist teuer“ am Abend darauf weiter.<br />
Nach der Trennung von Mann und Haus stellt<br />
die berufstätige und allein erziehende Mutter<br />
von zwei Kindern ernüchternd fest: Ich<br />
habe ein Recht auf Zärtlichkeit, die über Brei<br />
an die Hose schmieren und feucht schlabberige<br />
Kakaoküsse hinausgeht. Aber wann?<br />
Und wo? Und vor allem: mit wem? Theoretisch<br />
gesehen kann sich Mutti in der Praxis<br />
ab 20.30 Uhr voller Elan mit einem feurigen<br />
Liebhaber auf dem Wohnzimmerteppich<br />
über Playmobil-Figuren und Lego-Steine rollen.<br />
Praktisch gesehen bleibt das eine gute<br />
Theorie. Auf der Suche nach realisierbaren<br />
Antworten klappert Lisa Feller allerhand<br />
Möglichkeiten zwischen Herdprämie und<br />
„50 Shades of Grey“ ab – am Samstag, 10.<br />
September, im Kulturzentrum in Wesendorf.<br />
„Bis Hollywood is eh zu weit” befindet<br />
Katie Freudenschuss am Dienstag, 13.<br />
September. Die Halbösterreicherin mit<br />
Rest-Schmäh spielt in der Okerhalle in Groß<br />
Schwülper hinreißend Klavier, beweist bei<br />
alltäglichen Themen ihre nicht-alltägliche<br />
„Guter Sex ist teuer“: Auf der Suche nach der Erfüllung ihres<br />
Rechts auf Zärtlichkeit klappert Lisa Feller allerhand Möglichkeiten<br />
zwischen Herdprämie und „50 Shades of Grey“ ab. Foto: Stephan Pick<br />
Beobachtungsgabe und improvisiert nur<br />
zu gerne mit Zuschauern und Situationen.<br />
Aber Vorsicht: Gerade wenn das Publikum<br />
von ihrer warmen Stimme und ihren schönen<br />
Songs auf ein poetisches Wölkchen geführt<br />
wurde und es sich an diesem flauschigen Ort<br />
gemütlich machen will, kommt der unerwartete<br />
Wolkenbruch. Der Schritt von süßer Melancholie<br />
zu scharfer Ironie liegt eben oftmals<br />
nur einen Akkord oder eine Zeile entfernt.<br />
Gute Gründe zum Denken und Trinken liefert<br />
Matthias Reuter – ebenfalls am Klavier.<br />
Wenn man zu Hause mal in Ruhe denken will,<br />
dann ist man ja heute sehr oft abgelenkt.<br />
Man hat sich gerade hingesetzt, schon ruft<br />
wieder einer an. Und wenn nicht, dann ruft<br />
man selbst jemanden an und fragt, warum<br />
keiner anruft. Im Smartphone trägt man<br />
ständig die komplette Welt mit sich rum.<br />
Fortwährend klopfen irgendwelche Informationen<br />
an die Tür – eine kontemplative Lebensweise<br />
ist ohne Vollnarkose kaum noch<br />
denkbar. Daher fährt Matthias Reuter ins Kulturzentrum<br />
nach Meinersen, um endlich mal<br />
Das Duo „Schwarze Grütze“ brilliert mit fein geschliffenem<br />
Wortwirtz und musikalischem Können.<br />
Foto: Thomas Bartilla<br />
in Ruhe „Auswärts denken mit Getränken“ zu<br />
können – am Freitag, 16. September.<br />
Ein weiteres Highlight des diesjährigen<br />
Kartoffel-Star-Auflaufes ist unbestritten<br />
Hagen Rether. Er hält in seinem Programm<br />
„Liebe“ ein fulminantes Plädoyer für Aufklärung.<br />
Der wahrhaft unbequeme Kabarettist<br />
entlarvt so manchen Volkszorn samt seiner<br />
auf „Die da oben“ zielenden Empörungsrhetorik<br />
als Untertanentum – den Unwillen, unsere<br />
eigenen, fatalen Gewohnheiten zu überwinden.<br />
Kabarett verändert nichts? Rethers<br />
ebenso komisches wie schmerzhaftes, bis<br />
zu dreieinhalbstündiges Programm infiziert<br />
das Publikum mit gleich zwei gefährlichen<br />
Viren: der Unzufriedenheit mit einfachen Erklärungen<br />
und der Erkenntnis, dass wir alle<br />
die Kraft zur Veränderung haben. Liebe, so<br />
der seit Jahren konstante Titel des ständig<br />
mutierenden Programms, kommt darin eigentlich<br />
nicht vor, zumindest nicht in Form<br />
von Herzen, die zueinander finden – und romantisch<br />
kommt allenfalls einmal die Musik<br />
des vielseitigen Pianisten daher. Was aber »