15 JAHRE BOLOGNA-REFORM Quo vadis Ingenieurausbildung?
2016_VDI-VDMA-Mercator-Studie-15_Jahre_Bologna-Reform
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Vorwort<br />
5<br />
1 Vorwort<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
<strong>15</strong> Jahre Bologna-Prozess sind für uns Anlass, eine<br />
Debatte über die Prioritäten zur Weiterentwicklung<br />
der Europäischen Studienreform in den Ingenieurwissenschaften<br />
in Deutschland anzustoßen.<br />
Grundlage für die Diskussion soll diese vom VDI<br />
Verein Deutscher Ingenieure e.V., dem VDMA Verband<br />
Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.<br />
und der Stiftung Mercator durchgeführte Studie sein.<br />
In ihrem Mittelpunkt steht die für Deutschland erste<br />
Stakeholder-Befragung von Studierenden, Absolventen,<br />
Hochschullehrenden und Führungskräften<br />
aus der Wirtschaft zum Status quo der deutschen<br />
<strong>Ingenieurausbildung</strong>.<br />
Zukunftsfähige <strong>Ingenieurausbildung</strong><br />
Es lässt sich feststellen: Deutschland besitzt nach wie<br />
vor eine zukunftsfähige <strong>Ingenieurausbildung</strong>. Die<br />
Studienergebnisse zeigen, dass die Masterabschlüsse<br />
seitens der Arbeitgeber vollständig anerkannt sind.<br />
Fach- und Führungskräfte nehmen bei den Kompetenzen<br />
von Masterabsolventen im Verhältnis zu den<br />
ehemaligen Universitäts- oder Fachhochschuldiplomen<br />
keinerlei Unterschiede wahr.<br />
Deutschland war außerdem für ausländische Studierende<br />
noch nie so attraktiv wie heute. Den größten<br />
Anteil daran haben die Ingenieurwissenschaften. Das<br />
zeigt, dass die deutsche <strong>Ingenieurausbildung</strong> weltweit<br />
nach wie vor einen exzellenten Ruf genießt.<br />
Um die hohe Qualität des Ingenieurstudiums auch für<br />
die Zukunft zu sichern, müssen jedoch Herausforderungen<br />
gemeistert werden:<br />
Spezialisierte vs. breit ausgerichtete Studiengänge<br />
Die Hochschulen setzen auf immer spezialisiertere<br />
Ingenieurstudiengänge im Bachelorstudium, während<br />
die Industrie eine breite Grundausbildung ihrer<br />
Berufseinsteiger bevorzugt. Im Zeitraum vom Wintersemester<br />
2007/2008 zum Wintersemester 2014/20<strong>15</strong><br />
ist die Anzahl ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge<br />
in Deutschland von 2223 auf insgesamt 3295<br />
gestiegen. Das ist ein Anstieg von 48 % innerhalb von<br />
7 Jahren. Hinter diesem Trend steckt das Bestreben<br />
der Hochschulen, sich mit spezialisierten und „trendigen“<br />
Studiengängen zu profilieren und damit mehr<br />
Studenten für sich zu gewinnen. Den Anforderungen<br />
der Industrie wird diese Entwicklung nicht gerecht:<br />
Die Führungskräfte in den Unternehmen bevorzugen<br />
breit angelegte Bachelor- und Masterstudiengänge.<br />
Unzureichende Berufsqualifizierung und<br />
Praxisorientierung von Bachelorabsolventen der<br />
Universitäten<br />
Die Berufsqualifizierung und Praxisorientierung der<br />
Bachelorabsolventen, vor allem der Universitätsabsolventen,<br />
wird von den Absolventen und Studierenden<br />
selbst sowie von den Führungskräften häufig als nicht<br />
ausreichend empfunden. Die praktische Relevanz des<br />
gelernten Wissens und seine Umsetzung in konkrete<br />
berufsqualifizierende Kompetenzen sind für das<br />
Ingenieurstudium fundamental, auch die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der deutschen Wirtschaft hängt davon<br />
ab. Die Integration von Praxissemestern und -modulen<br />
ist in der Regel in Fachhochschulstudiengängen<br />
stärker als bei der Universitätsausbildung. An den<br />
Universitäten werden insbesondere Bachelorabsolventen<br />
häufig nicht ausreichend auf eine Industrielaufbahn<br />
vorbereitet.<br />
Studierende mit Migrationshintergrund absolvieren<br />
im Durchschnitt deutlich weniger Praxisphasen als<br />
Studierende ohne Migrationshintergrund. Vor dem<br />
Hintergrund, dass Praxiskenntnisse aus Sicht der<br />
Unternehmen als relevantes Einstellungskriterium für<br />
Berufseinsteiger/-innen angesehen werden, ergeben<br />
sich daraus schlechtere Einstiegschancen in den<br />
Arbeitsmarkt für Migrant/-innen.<br />
Auslandserfahrung<br />
Sowohl die befragten Studierenden als auch die<br />
befragten Führungskräfte messen der Auslandserfahrung<br />
im Zusammenhang mit dem Ingenieurstudium<br />
eine geringe Bedeutung bei. Und das obwohl<br />
Ingenieure aller Voraussicht nach in Zukunft häufiger<br />
in internationalen Teams arbeiten oder Stationen im<br />
Ausland verbringen werden. Häufigster Hinderungsgrund<br />
für einen Auslandsaufenthalt sind die „erwartete<br />
Verlängerung des Studiums“ und die „erwartete<br />
finanzielle Mehrbelastung“ sowie ein „hoher Zeitaufwand“<br />
und die „Trennung von Familie/Freunden“.<br />
Der Nutzen und die Wichtigkeit eines Auslandsaufenthalts<br />
werden unterschätzt. Die deutsche Wirtschaft<br />
ist in hohem Maße exportorientiert. Ihre globale<br />
Vernetzung wird weiter zunehmen. Deshalb müssen<br />
sich künftige Ingenieure möglichst international aufstellen.<br />
Die Exportnation Deutschland braucht daher<br />
international erfahrene Ingenieurabsolventen.<br />
Durchlässigkeit<br />
Wie in den meisten anderen Fächergruppen auch<br />
nimmt in den Ingenieurwissenschaften der Anteil an<br />
Studienanfänger/-innen mit Berufsausbildung in den<br />
letzten Jahren kontinuierlich ab. Wegen der doppel-