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Oktober 2009 - Der Neusser

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Demoskopie beschäftigt sich als Wissenschaft<br />

mit dem Zusammentragen von Zahlen und Fakten,<br />

von Meinungen und Verhaltensweisen, um<br />

so ein Bild über die Entwicklungsrichtung der<br />

Gesellschaft formen zu können. Besonders im<br />

Jahr der Wahlen häufen sich die Stimmungsbarometer,<br />

kaum eine Nachrichtensendung, die<br />

nicht irgendeine Wahlprognose auf Basis eines<br />

Institutes abgibt.<br />

Das Ziel ist die berechenbare Gesellschaft,<br />

steuerbar und zumindest für die nahe Zukunft<br />

konkret einschätzbar. Dank immer leistungsfähigerer<br />

Computer ergibt sich für Demoskopen<br />

ein größeres Auswertungspotential – in Verbindung<br />

mit der Medienkopplung ergibt das Meer<br />

an Zahlen und Tendenzen auch eine gute Möglichkeit<br />

zur möglichen Steuerung der öffentlichen<br />

Meinung.<br />

Großes Interesse an demoskopischen Ergebnissen<br />

hatte von Anfang an die Konsumgüterindustrie,<br />

allen voran Konzerne wie Procter<br />

& Gamble, Kellogs, Shell oder Coca Cola.<br />

Aber nicht nur die Akzeptanz von Produkten<br />

oder die Kaufmotivation waren interessant,<br />

sondern auch Erwartungen an die Zukunft<br />

spielten eine Rolle. Marktchancen sollten früh<br />

erkannt werden.<br />

Kellogs, einer der größten Nahrungsmittelkonzerne<br />

der Welt, hat jetzt zum Beispiel eine Studie<br />

veröffentlicht, bei der 10.000 repräsentativ<br />

ausgewählte Bürger ab 18 Jahren in Deutschland,<br />

England, Frankreich, Spanien und Schwe-<br />

den zu Nachhaltigkeit und Verantwortung befragt<br />

wurden.<br />

Die Sorge um den Arbeitsplatz und Angst vor Armut<br />

war im Ländervergleich bei den Deutschen<br />

am geringsten ausgeprägt: 69 Prozent gaben an,<br />

sie seien „besorgt“.<br />

28 Prozent aller Befragten gaben an, sie sorgten<br />

sich sehr über steigende Gewalt und Verbrechen<br />

in Europa. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen<br />

findet ein Viertel der international Befragten<br />

sehr besorgniserregend. Damit einher geht die<br />

Angst vor wachsender Umweltverschmutzung.<br />

Fragen wie Klimawandel und die Erderwärmung,<br />

aber auch Trockenperioden, Dürren und Wasserknappheit,<br />

wie sie bereits in einigen Regionen<br />

Südeuropas zum Alltag gehören, findet jeder<br />

fünfte Befrage sehr besorgniserregend.<br />

Aber warum ist Kellogs an diesen Zahlen interessiert?<br />

Weil die Basis dieser Fakten die Grundlage<br />

für neue Marketingstrategien liefert. Krombacher<br />

hat sich auch nicht aus purem Vergnügen<br />

die Regenwaldförderung auf die Fahne geschrieben.<br />

Die „Apotheken Umschau“ interessierte sich<br />

mehr für die Ängste junger Eltern. Laut deren<br />

repräsentativen Umfrage machen Umweltzerstörung<br />

und ein drohender Klimawandel in<br />

Deutschland vor allem Frauen und Männern mit<br />

minderjährigen Kindern zu schaffen. Mehr als<br />

zwei Drittel von ihnen (70,7 %) sagten, die ganze<br />

Klima-Diskussion mache ihnen wirklich Angst.<br />

Sie bangten um ihre Zukunft und die Zukunft<br />

Wirkt sofort!<br />

ihrer Kinder. Eine Mehrheit der befragten Eltern<br />

(58,3 %) glaubte auch, dass uns ein Klimawandel<br />

mit schwerwiegenden Folgen unmittelbar bevorsteht.<br />

Jeder zweite von ihnen (51,0 %) führte<br />

schon heute einige gesundheitliche Beeinträchtigungen<br />

auf Schädigungen unserer Umwelt zurück.<br />

Die seit 2007 aufgezogene Wirtschaftskrise ist<br />

auch eine Nachwirkung einer nicht immer richtig<br />

gelaufenen Öffentlichkeitsarbeit. Klaus F. Zimmermann,<br />

Präsident des Deutschen Instituts für<br />

Wirtschaftsförderung (DIW) räumte jetzt dem<br />

Handelsblatt gegenüber branchenkritisch ein,<br />

dass die ständig neuen Horrormeldungen der<br />

Institute, Analysten und Organisationen brandgefährlich<br />

seien. Er mahnte seine Zunft zu mehr<br />

Zurückhaltung. Also in Zukunft weniger Verlaufkurven<br />

und demoskopische Erkenntnisse?<br />

<strong>Der</strong> Historiker an der Universität von Sheffield,<br />

Benjamin Ziemann, erforschte den Einfluss von<br />

Meinungsumfragen auf Politiker. „Sehr viele tun<br />

in der Öffentlichkeit so, als hätten Meinungsumfragen<br />

nur einen sehr begrenzten Einfluss auf<br />

sie. Tatsächlich verfolgen sie oft aber sehr akribisch,<br />

wie sie selber ankommen. Ein klassisches<br />

Beispiel dafür ist Altkanzler Helmut Schmidt. <strong>Der</strong><br />

war fast schon ein Junkie, was Umfragen angeht.“<br />

Auch Helmut Kohl äußerte sich öffentlich<br />

zwar gern abschätzig über Umfrageergebnisse,<br />

hielt sich aber ein ganzes Demoskopen-Geheimkabinett.<br />

Thomas Wiedenhöfer<br />

StattBlatt 10.<strong>2009</strong> | Titelthema 5

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