Oktober 2009 - Der Neusser

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Neutags Satirischer Alltag
Maß des Fortschritts
Oder: Gedanken zum Übergang
In Krisenzeiten zeigt sich oft das Paradoxe.
Man sieht es derzeit besonders, wenn man die
Meldungen über das vermeintliche Ende der
Krise verfolgt. Einerseits zieht die Wirtschaft
wieder an und unsere Investmentbanker feiern
auf den Trümmern der von ihnen gemeuchelten
Pleitespekulanten wieder die ersten
Champagnerpartys, weil bei der aufdringlich
flackernden Leuchtreklame am Casino „Wall-
Street“ wieder der Strom eingeschaltet wurde.
Andererseits kaschieren Maßnahmen wie
Kurzarbeitergeld das eigentliche Fiasko am
Arbeitsmarkt und die Prognosen für die Arbeitsplätze
in der Industrie sind derzeit noch
schlechter als die Meisterschaftschancen des
1.FC Köln.
Was aber nun stimmt? Oder anders gefragt:
Wie messen wir unser Wohlergehen? Oftmals
muss das BIP herhalten, das Bruttoinlandsprodukt.
Es misst den Wert aller Waren und
Dienstleistungen, die in einem Land hergestellt
werden. Wie die Werte verteilt sind,
interessiert dabei genauso wenig wie Nachhaltigkeit,
unentgeltliche soziale Leistungen,
geschweige denn Zufriedenheit. Und so ist
das BIP von Indonesien nach dem Tsunami
2004 rasant angestiegen, weil die Aufbaulei-
Unterhaltung | StattBlatt 10.2009
stungen die lokale Industrie gestärkt haben.
Die 230.000 Opfer kann man in dieser Logik
vielleicht auch als Kollateralschaden abhaken,
was in Afghanistan gilt, soll hier schließlich
auch herhalten dürfen.
Spätestens jetzt sollte klar sein, dass man den
Forschritt so nicht messen kann, er hat kein
Maß, der Fortschritt ist maßlos. Trotzdem
wird weiterhin das BIP zitiert, weil man sich
mit ihm ja an die Fakten halten kann, an eine
Zahl, die ohne das Mäntelchen der Ideologie
gar die Unschuld in Reinheit verkörpert: Als
nackte Zahl, die man sogar sprechen lassen
kann. Und das schafft neue Einsichten. Man
begreift plötzlich, warum unsere Übergangskanzlerin
in ihrer Übergangsjacke die Atomkraft
als Übergangstechnologie preist. Denn
verseuchte Endlager und verstrahlte Salzstöcke
spielen in unserer Glücklichkeitskategorie
überhaupt keine Rolle. Und selbst wenn das
Schlimmste kommt, der atomare Supergau,
dann sinkt in der betroffenen Region die Arbeitslosenzahl
und die örtliche Wirtschaft
profitiert von den Aufbauleistungen. Dann
steigt das BIP und wir sind glücklich.
Fortschritt sei Dank!
Das StattBlatt verlost 3 x 2 Karten
für Jens Neutag im TAS.
Wer sich jeden Monat auf Neutags Kolumne freut und ihn immer schon
mal live erleben wollte, bekommt hier die Gelegenheit. Schicken Sie
uns einfach bis zum 15. Oktober ein E-Mail mit dem Stichwort „Neutag-
Verlosung“ an hallo@stattblatt-neuss.de, oder eine Karte per Post an
StattBlatt Neuss, Klostergasse 4, 41460 Neuss.
Die Karten sind für den Auftritt von Jens Neutag am 1. November im
Rahmen seines Soloprogramms „Streik ist geil!“ im Theater am Schlacht-
hof in Neuss.
Wir wünschen allen Teilnehmern viel Glück und den Gewinnern gute
Unterhaltung!
Jens Neutag
Spieltermine Oktober 2009
(eine regionale Auswahl)
Soloprogramm „Streik ist geil!“
Fr., 09.10.09 Theateratelier Takelgarn;
Düsseldorf
So., 11.10.09 Fankenheim am Markt;
Ratingen
So., 01.11.09 Theater am Schlachthof;
Neuss
Di., 03.11.09 Theater Flin; Düsseldorf
Weitere Termine unter: www.jensneutag.de
„Land in Sicht!“
Kabarettmonatsrückblick mit Jens Heinrich
Claassen
Di., 27.10.09 zakk; Düsseldorf
Do., 29.10.09 Theater am Schlachthof;
Neuss
Mehr unter: www.jens-jens.de