Wieviel „Wir“ braucht <strong>der</strong> Mensch wirklich? Wie weit reicht <strong>die</strong> Solidarität des „Wutbürgers“? Bis zum Bauvorhaben vor <strong>der</strong> eigenen Haustür? Zur Theaterschließung in <strong>der</strong> eigenen Stadt? Bis nach Stuttgart? Nach Gorleben? Nach Haiti? Nach Japan? Nach Ägypten, Syrien und Libyen, wo Demonstranten seit Anfang des Jahres „fast schon eine Epidemie des Virus Demokratie ausgelöst“ haben (Jörg Armbruster in den Tagesthemen vom 1. Februar <strong>2011</strong>)? Dort und in Tunesien, Bahrain und im Jemen setzen Menschen für ihre Grundrechte, für politische Reformen ihr Leben aufs Spiel. Tag für Tag verfolgen wir nun <strong>die</strong> Meldungen über <strong>die</strong> revolutionären Massen, <strong>die</strong> sich im Namen <strong>der</strong> Freiheit den Machthabern, respektive <strong>der</strong> Polizei und/ o<strong>der</strong> dem Militär entgegenstellen. Derweil wird bei uns <strong>die</strong> Frage nach <strong>der</strong> viel beschworenen Solidarität laut: Unterstützung <strong>der</strong> nordafrikanischen und arabischen Völker auf ihrem Weg zur Demokratie? Sanktionen gegen uneinsichtige Diktatoren? Militärische Intervention? Aber um welchen Preis? Und nicht zuletzt: für welchen Gewinn? Ja? Nein? Vielleicht? Doch Solidarität lässt sich nicht geografisch verorten; sie führt uns direkt zur drängendsten Frage unserer Zeit: In welcher Gesellschaft möchten wir (heute und in Zukunft) leben? Welche Struktur, welche Rahmenbedingungen wollen wir ihr geben? Dass <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitige Status quo optimierbar ist, wird wohl niemand leugnen wollen. Die Debatten um Bildung und Integration, <strong>die</strong> Konsequenzen des demografischen und des Klimawandels: offene Baustellen, wohin man schaut. Obwohl <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Nachhaltigkeit, sowohl in ökologischen als auch in ökonomischen Belangen, sowie in Fragen <strong>der</strong> (Aus-)Bildung und Integration, immer stärker ins Bewusstsein des Bürgers rückt, opfern wir ihn doch häufig <strong>der</strong> Angst vor Neuerungen, dem Festhalten an vermeintlich Bewährtem und nicht zuletzt <strong>der</strong> eigenen Bequemlichkeit. Solidarität muss sich nicht zwangsläufig bei politischen Großprojekten zeigen, son<strong>der</strong>n ist womöglich einfach nur eine Frage des Interesses an den Menschen, <strong>die</strong> nicht im Zentrum unserer leistungsorientierten Gesellschaft stehen. ICH WIDERSTAND Das <strong>Schauspiel</strong> <strong>Essen</strong> beschäftigt sich in <strong>der</strong> Spielzeit <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong> mit dem Wie<strong>der</strong>erwachen einer längst eingeschlafen geglaubten Protestkultur, <strong>die</strong> trotz ihrer unbenommen existenziellen Anliegen immer wie<strong>der</strong> Gefahr läuft, zum (Me<strong>die</strong>n-)Event zu verkommen. Mit den Möglichkeiten politischer Einflussnahme (nicht nur) innerhalb demokratisch geprägter Gesellschaften und <strong>der</strong> damit stetig einhergehenden Gefahr <strong>der</strong> Manipulation und Instrumentalisierung. Mit jenen „Augenblicken, wo man sich wun<strong>der</strong>t über alle, <strong>die</strong> keine Axt ergreifen“ (Max Frisch, Graf Ö<strong>der</strong>land). Mit Frustration, Angst, Hysterie und Gewalt. Aber auch mit <strong>der</strong> vielversprechenden Chance, mit kreativem Potenzial, mit Geschichten aus <strong>der</strong> Vergangenheit und aus <strong>der</strong> Zukunft unserer Gesellschaft gegen <strong>die</strong> „Zukunftsvergessenheit“ (Spiegel) unserer Zeit anzugehen. Denn, so <strong>der</strong> Soziologe Heinz Bude: „Die Frage <strong>der</strong> Politik (…) betrifft we<strong>der</strong> das Erlebnis von Handlungsfähigkeit noch das Wissen um eine bessere Welt, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Frage, wie wir leben wollen. Darin steckt <strong>der</strong> Streit, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Gesellschaft zusammenhält. Denn <strong>die</strong> Antwort darauf sagt immer auch, wie ich mich selbst verstehe. Es ist <strong>die</strong>ser Zusammenhang zwischen dem privaten und dem öffentlichen Glück, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Leidenschaft zur Politik erklärt. Das Ich sucht den Kontakt zu einem Wir, mit dem es sich verbünden kann. Wer <strong>die</strong> Politik zu einem schmutzigen Geschäft erklärt, das einen nichts angeht, hat es aufgegeben, ein Leben mit Bedeutung zu führen.“ Vera Ring Quellen: Peter Kümmel: Spiele im Sturm, in: DIE ZEIT, 9.10.2010 Gerd Roellecke: Nur Müdigkeit wird den Protest beenden, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.11.2010 Matthias Krupa: Das erregte Land, in: DIE ZEIT, 21.10.2010 Johan Schloemann: Falsche Formel, in: Süddeutsche Zeitung, 25.11.2010 Dirk Kurbjuweit: Der Wutbürger, in: Der Spiegel 41/2010 Heinz Bude: Glück in <strong>der</strong> Politik, in: DIE ZEIT, 4.1.2005 5
Die Gründe, sich zu empören, sind heutzutage oft nicht so klar auszumachen – <strong>die</strong> Welt ist komplex geworden. Wer befiehlt, wer entscheidet? Es ist nicht immer leicht, zwischen all den Einflüssen zu unterscheiden, denen wir ausgesetzt sind. Wir haben es nicht mehr nur mit einer kleinen Oberschicht zu tun, <strong>der</strong>en Tun und Treiben wir ohne weiteres verstehen. Die Welt ist groß, wir spüren <strong>die</strong> Interdependenzen, leben in Kreuz- und Querverbindungen wie noch nie.
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Quellenangaben: Bierbichler, Josef.