Vielleicht sollte man doch, um nicht zu resignieren, ein bisschen mehr Demokratie wagen. Vielleicht sollte man z.B. mal, nach französischem Vorbild, einen Vorstands- vorsitzenden mit seinen privaten Politikern zusammen als Geiseln nehmen und zu Einfühlungszwecken in ein kaputtes Klo sperren, so lange, bis ihnen <strong>die</strong> eigene Scheiße bis zum Hals steht. Aber halt! Das ist ja nicht Demokratie. Das ist ja Gewalt. Es ist zum Verzweifeln: Kaum wagt man ein bisschen Demokratie, schon ist es Gewalt. Josef Bierbichler
DIE GESELLSCHAFT DER GESELLSCHAFT Die Einheit des Systems einer Protestbewegung ergibt sich aus ihrer Form, eben dem Protest. Mit <strong>der</strong> Form des Protestes wird sichtbar gemacht, daß <strong>die</strong> Teilnehmer zwar politischen Einfluß suchen, aber nicht auf normalen Wegen. Dies Nichtbenutzen <strong>der</strong> normalen Einflußkanäle soll zugleich zeigen, daß es sich um ein dringliches und sehr tiefgreifendes, allgemeines Anliegen handelt, das nicht auf <strong>die</strong> übliche Weise prozessiert werden kann. Die Protestkommunikation erfolgt zwar in <strong>der</strong> Gesellschaft, sonst wäre sie keine Kommunikation, aber so, als ob es von außen wäre. Sie hält sich selbst für <strong>die</strong> (gute) Gesellschaft, was aber nicht dazu führt, daß sie gegen sich selber protestieren würde. Sie äußert sich aus Verantwortung für <strong>die</strong> Gesellschaft, aber gegen sie. Das gilt gewiß nicht für alle konkreten Ziele <strong>die</strong>ser Bewegungen; aber durch <strong>die</strong> Form des Protestes und <strong>die</strong> Bereitschaft, stärkere Mittel einzusetzen, wenn <strong>der</strong> Protest nicht gehört wird, unterscheiden <strong>die</strong>se Bewegungen sich von Bemühungen um Reformen. Ihre Energie und auch <strong>die</strong> Fähigkeit, Themen zu wechseln, sofern sie nur als Protest kommuniziert werden können, erklären sich, wenn man dem Rechnung trägt, daß hier ein Oszillieren zwischen Innen und Außen eine Form gefunden hat. Außerdem kommt auf <strong>die</strong>se Weise eine spezifische Form gesellschaftlicher Differenzierung zum Ausdruck, nämlich <strong>die</strong> Differenzierung von Zentrum und Peripherie. Die Peripherie protestiert – aber nicht gegen sich selbst. Das Zentrum soll sie hören und dem Protest Rechnung tragen. Da es aber in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft kein gesamtgesellschaftliches Zentrum mehr gibt, findet man Protestbewegungen nur in Funktionssystemen, <strong>die</strong> Zentren ausbilden; vor allem im politischen System. Gäbe es <strong>die</strong>se Zentrum/Peripherie-Differenz nicht, verlöre auch <strong>der</strong> Protest als Form seinen Sinn, denn es gäbe dann keine soziale (son<strong>der</strong>n nur noch eine sachliche o<strong>der</strong> zeitliche) Grenze zwischen Desi<strong>der</strong>at und Erfüllung. Mit <strong>der</strong> Form des Protestes fällt eine deutliche Entscheidung gegen ein kognitives und für ein reaktives Vorgehen. Man verwendet anerkannte, resonanzfähige „scripts“ (etwa: Erhaltung des Friedens), spitzt sie aber auf bestimmte Problemlösungen zu (hier: gegen Rüstung), <strong>die</strong> nicht mehr ohne weiteres konsensfähig sind. Man begnügt sich mit einer stark schematisierten Darstellung des Problems, oft verbunden mit einer Aufmachung als „Skandal“, und stellt <strong>die</strong> eigene Initiative als Reaktion auf unerträgliche Zustände dar. Und auch von den Adressaten wird Reaktion verlangt – und nicht weiteres Bemühen um Erkenntnis. Denn während Bemühungen um mehr Information und gut abgesicherte Zukunftsplanung sich verzetteln und in eine Zukunft ohne Ende ausweichen würden, verspricht reaktives Vorgehen schnell erreichbare Wirkungen. (Daß <strong>die</strong>s keine Spezialität <strong>der</strong> Protestbewegungen ist, zeigt ein Blick auf <strong>die</strong> Planungen in <strong>der</strong> Wirtschaft, von <strong>der</strong> monetären Politik <strong>der</strong> Zentralbanken bis zu den Produktions- und Organisationsplanungen <strong>der</strong> Firmen. Auch hier scheint Zeitdruck einen Übergang von eher kognitiven zu eher reaktiven Strategien zu erzwingen.) In <strong>der</strong> Form des Protestes wird mitkommuniziert, daß es Interessierte und Betroffene gibt, von denen man Unterstützung erwarten kann. Wie oft gesagt, <strong>die</strong>nen Protestbewegungen daher auch <strong>der</strong> Mobilisierung von Ressourcen und <strong>der</strong> Fixierung neuer Bindungen. Erst wenn eine solche Mobilisierung auf Ziele hin zustandekommt, kann man von einem sich selbst reproduzierenden autopoietischen System sprechen. In erheblichem Umfange kommt es daher auch zu Protestaktionen (etwa <strong>der</strong> Organisation Greenpeace), <strong>die</strong> nicht zur Bildung sozialer Bewegungen führen, aber ein Protestklima reproduzieren. Die Form „Protest“ leistet für Protestbewegungen das, was Funktionssysteme durch ihren Code erreichen. Auch <strong>die</strong>se Form hat zwei Seiten: <strong>die</strong> Protestierenden auf <strong>der</strong> einen Seite und das, wogegen protestiert wird
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