5_VSWG-Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
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J ohann H ellwege<br />
Genossenschaft!. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 333<br />
sind aber auch die Klagen, daß man sich im Dienste der Bruderschaft —<br />
z. B. als ihr Vorsteher — oftmals ruinierte, weil, aus der Rolle heraus,<br />
die die Bruderschaften im lokalen Leben spielten, man sich diesen, mit<br />
hohen finanziellen Aufwendungen verb<strong>und</strong>enen Ehrenämtern nicht entziehen<br />
konnte, wollte man nicht das Gesicht verlieren87. Daneben finden<br />
sich aber auch viele Beispiele da<strong>für</strong>, daß die Angehörigen einer Bruderschaft<br />
gemeinsam ein der Bruderschaft gehörendes Stüde Land bearbeiteten<br />
oder eine der Bruderschaft gehörende Schafherde verpachteten, um<br />
aus dem Verkauf der Produkte bzw. den Pachteinnahmen nicht nur die<br />
zumeist recht üppigen Festmähler zu bestreiten, sondern auch Hilfsfonds<br />
zu begründen <strong>und</strong> Rücklagen zu schaffen 88. In Navarra lassen sich zahlreiche<br />
Bruderschaften nachweisen, die gemeinsam mit dem Halten von<br />
Milchvieh — bis zu solchen Größenordnungen, daß Hirten <strong>und</strong> Melker<br />
angestellt werden mußten — wirtschaftlich tätig wurden80. Schließlich<br />
diente die Form der Bruderschaften auch dazu, kapitalintensive Gewerbe,<br />
wie etwa die Hochseefischerei, zu ermöglichen <strong>und</strong> Risiken abzudekken.<br />
Selbst Absatzgenossenschaften in Gestalt von Bruderschaften lassen<br />
Hier wird offenbar nach dem Aufstand der Comunidades eine Bruderschaft<br />
durch einen Gr<strong>und</strong>herren als Schieds- <strong>und</strong> Schlichtungsinstrument benutzt.<br />
87 Vgl. Espediente general sobre estincion y arreglo de las cofradlas erigidas<br />
en las provincias y diocesis del Reyno. Ardiivo Histörico Nacional, Consejos<br />
Suprimidos Leg. 7090.<br />
89 Vgl. J. C osta, Colectivismo Agrario, S. 409 ff. Vgl. z. B. den Pachtvertrag<br />
zwischen der Bruderschaft der Heiligen Maria aus Tudela <strong>und</strong> Gabriel<br />
Maestro aus Renedo über 119 von der Bruderschaft gepachtete Schafe, der nach<br />
öffentlicher Versteigerung am 5. 6. 1796 in Tudela abgeschlossen wurde. Archivo<br />
Histörico Provincial (Valladolid), Fpndos de la Diputaciön Leg. 40. Maestro<br />
zahlte pro Schaf jährlich fünf Reales <strong>und</strong> mußte dazu zwei Lämmer an die<br />
Bruderschaft abgeben. Die Laufzeit betrug fünf Jahre: In der Ortschaft Cintruenigo<br />
(Navarra) war 1770 gerade eine auf kollektiver Wirtschaft beruhende<br />
Bruderschaft im Entstehen begriffen. Von der Bruderschaft des Heiligen San<br />
Isidro der Bauern heißt es: „Por no tener rentas algunas, se contribuie por cada<br />
Labrador, algun dia a labrar con sus cavallerias las tierras que se arrendaren,<br />
y con su producto, se compran tierras para el Sancto: y con este arvitrio se han<br />
comprado algunas tierras que se administran y siembran.“ Vgl. das in Anm.<br />
89 genannte Dokument, Fol. 106 v.<br />
i dem ,^stai^0 General. . . de todas las Cofradlas que hay en los puebos<br />
de las 5 Merindades del Reyno de Navarra (1770), Archivo Histörico Nacionai,<br />
Consejos Suprimidos Leg. 7096 gab es z. B.: In Cortes eine Bruderschaft<br />
es eiligen Michael, die 60 Kühe ihr Eigen nannte <strong>und</strong> den Hirten mit 600<br />
reales im Jahr entlohnte. (Fol. 121r.) In Sesma eine Cofradla de Animas mit<br />
„HO reses de lana que se mantienen en las iervas de la villa“ (Fol. 253r.) Hier<br />
Wlr j I* • ef? ndunß von Bruderschaft <strong>und</strong> Bienes Comunales deutlich, die<br />
gerade bei solchen Hirtenbruderschaften wohl immer gegeben ist.<br />
sich beobachten00. Jede Zunft verfügte über eine Bruderschaft, <strong>und</strong> selbst<br />
Bettler, Diebe, Schauspieler <strong>und</strong> andere nicht gerade hochgeachtete Gruppen<br />
schlossen sich in dieser Organisationsform zusammen. Kleinere O rtschaften,<br />
aber auch die Bewohner einzelner Stadtviertel organisierten sich<br />
in Bruderschaften, um neben der Erhaltung der Kirche andere Gemeinschaftsaufgaben<br />
besser bewältigen zu können01. Es sei schließlich die<br />
00 Vgl. Lorenzo Sanfeliu, La cofradla de San Martin de hijosdalgo navegantes<br />
y mareantes de Laredo (Apuntes para su historia). Madrid 1944, <strong>und</strong><br />
Joaquin C osta, Colectivismo agrario, S. 423 ff. Kap.: Colectivismo Pesquero.<br />
Vgl. auch die Ordonnanzen der Bruderschaft des Heiligen Peter aus Bermeo<br />
(1530?), Archivo de la Chancillcrla (Valladolid), Pleitos de Vizcaya Leg. 1330,<br />
Exp. 6. Als Beispiel einer Absatzbruderschaft sei auf die „Cofradla de San<br />
Gregorio Nazianzeno de cosedieros propietarios de viiias, de la villa de Bilbao,<br />
su dezmatorio y campanil en que es comprehcndida la Anteiglesia de Beyona*<br />
hingewiesen. Diese Bruderschaft, zu der auch einige Geistliche gehörten, hat mit<br />
allen rechtlichen <strong>und</strong> gerichtlichen Mitteln versucht, die Weine aus der Rioja<br />
vom Markt fernzuhalten, „ynterin se venden y consumen los chocolles (dünner<br />
Wein) de la propia cosecha“. Es war eine vollständige Absatzorganisation aufgebaut<br />
worden, wobei die Schankwirte durch Kontrolleure der Bruderschaft<br />
überprüft wurden, ob sie nicht Weine aus der Rioja ausschenkten. Wirtschaftshistoriker<br />
seien nachdrücklich auf den 1362 (!) Folios umfassenden Pleito aufmerksam<br />
gemacht in Chancillerla (Valladolid), Pleitos de Vizcaya, Leg. 502,<br />
Exp. 2 (Die Auseinandersetzungen ziehen sich durch die zweite Hälfte des 18.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts).<br />
01 Dieser Brauch läßt sich besonders häufig in den baskischen Provinzen <strong>und</strong><br />
in Navarra beobachten, ist aber keineswegs auf diese Regionen beschränkt.<br />
Solche Bruderschaften (meistens „de Animas“ oder „del Rosario“) waren in der<br />
Regel der Pfarrei angeschlossen <strong>und</strong> nicht einem Kloster, einer Einsiedelei etc.<br />
Es sei ein Beispiel aus Pamplona wiedergegeben, das die Bedeutung dieser Bruderschaften<br />
<strong>für</strong> das Gemeinschaftsleben sichtbar macht:<br />
„Zapaterias.<br />
En este Barrio se nombra un Prior y dos mayorales el terzer dia de Pasqua de<br />
Resurrecciön y en el y en la Parroquia de San Nicolas se zelebra una misa por los<br />
difuntos del Barrio, por cuia limosna se dan 16 o 18 reales de plata, que se paga<br />
y distribuie entre los Vezinos, con proporcion a su posibiüdad y a sus Resultas<br />
da el Prior en la calle publica dos Tortas de a dos libras y un cantaro de vino<br />
para todos los vecinos. El primer dia de Pasqua asisten todos los Vezinos con<br />
el Prior a la Misa Popular de la Parroquia y al regreso de ella da el Prior otra<br />
igual refaccion o agasajo, y por la tarde despues de asistir todos los vezinos a las<br />
Visperas de dicha Parroquia salen de comunidad a un lugar publico exterior en<br />
que se reconzilian los que no estan corrientes en su amistad y buelben a la Casa<br />
del Prior donde les da un rcfresco de Pan, Vino y queso, en todo lo quäl y en un<br />
farol que se enziende todas las noches al oscurecer y alumbra de una Ymagen<br />
de Nuestra Senora de Beldn, y a la Calle gasta el Prior como 200 reales de Plata.<br />
Los unicos fondos de este Barrio es un Censo de 100 ducados de plata de capital,<br />
que produze 3 de renta, que se emplean en reparo y limpieza del pozo comun del<br />
Barrio composiciön del farol quatro reales al escribano y si algo sobra, se da<br />
alos Pobres del Barrio.“