5_VSWG-Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

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326 J ohann H ellwege .... ._„,,r j.m Sektor der Gemcindeländercicn zusam- ^ m T L f» t" L » d c n Einsdiränkung von Nuanngsred.,.« de. All- • • r Grund und Boden70 verheerende Auswirkungen haben" Das'^umfangreiche, in Städten bzw. Ortschaften von Stadtgröße zusammengeballtc Landproletariat77 konnte d.e lange Arbeitslosigkeit während des Agrarjahres nur mit Hilfe der Haltung von ein wenig Vieh oder dem Bebauen eines kleinen Studt Landes im Umkreis der Ortschaften überbrücken und war oft genug gezwungen char.tative von der Gemeinde oder - vor der Desamort.sation des Kirchen- und Stiftuneseutes - durch die Kirche sowie fromme Stiftungen getragene Hilfseinrichtungen in Anspruch zu nehmen. Diese Möglichkeiten der Existenzsicherung entfielen für die zwar sozial keineswegs aber der Zahl nach schwachen Randgruppen der Gesellschaft, als die doktrmar-besitzindividualistische Rechts- und Sozialordnung die „sozialen Einrichtungen auf genossenschaftlicher Basis (de molde social y colectivo), die das eigentliche Wesen der historischen Besitzverfassung in Spanien ausmachen“ *, verschwinden bzw. sie sich soweit fortentwickeln ließ, daß sie ihre charakteristische Physionomie einbüßten. In der Forderung nach dem Reparto, der gewaltsamen Neuverteilung des Bodens, in an die Jacquerie erinnernde Brandstiftungen und Verwüstungen an Feldern und Gebäuden der Reichen sowie im Verbrennen der Kataster machte sich die Enttäuschung und Verzweiflung Luft73. Gerade die letztere to Vel. T. GARCfA FernAndez, Champs ouverts et champs clotures en Vieille- Castille, in: Annales. Jg. 20, Nr. 4 (Juli-August 1965), S. 715 ff. und A. Huetz de Lemps, Les terroirs en Vieille Castille et Lcion: un type de structure agraire, in: Annales. Jg. 17, Nr. 2 (März-April 1962), S. 239-251. Vgl. auch das Kap. „Compascuo y Derrota de Mieses“ in J. Costa, Colectivismo Agrano en sp (Ausgabe Buenos Aires 1944), S. 370—391. 71 Gerade die Struktur der Ortschaften in der Campina Andalusiens, Urte ohne jede Industrie mit 10, 20 ja 30 000 Einwohnern, die alle von der Landwirtschaft leben wollen und müssen, verschärft das Elend, macht anderersei aber durch die „animacidn“, die geboten wird und dem Andalusier so wi tig ist, das Leben erträglich. Eine Neuaufteilung des Bodens wird hier immer yer geblich bleiben, wenn nicht zugleich auch Arbeitsplätze durch Industrieansie lung geschaffen werden. Vgl. Carr, a. a. O., S. 27 und J. Caro Baroja, n campina de Cdrdoba (Observaciones de 1949), in: Razas, Pueblos y Linajes. Madrid 1957, S. 240. 7S Vinas Y Mey, a. a. O., S. 3. ~- 73 Vgl. Comellas, a. a. O., S. 89 und Lazo D iaz, a. a. O., S. 38 ff. mter' essant ist, daß sich die Plünderer auf das alte Recht zur „rebusca“ bzw. »r^ colecciön", der Nachsuche, beriefen. Vgl. ebda. S. 39. Zum Verlauf dieser tru hen Revolten vgl. DIaz del Moral, a. a. O., Kap. 4, und H ennessy, a. a. •> S. 21. Gcnosscnsdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 327 Handlung stellt den Versuch dar, den alten Zustand des genossenschaftlichen Eigentums wiederherzustellcn u . Aber auch einzelne Gewerbe, wie z. B. das der Maultiertreiber und Zimmerleute, wurden durch die Privatisierung der Gemeindeländereien ernstlich bedroht. Die Ersteren weideten ihre Tiere unterwegs auf den Bienes Comunales, die zumeist nicht nur den Vollbürgem der Ortschaften offen standen. Die Zimmerleute bezogen das Holz aus den Gemeindewaldungen, die jetzt der Staat oder Privatleute an sich brachten 75. Gemeinden in nördlicheren Regionen, wo von den natürlichen Bedingungen her nicht die zum Überleben erforderlichen Mengen an Brotgetreide produziert werden konnten, und die deshalb häufig aus der Fertigung und dem Handel mit hölzernen Gerätschaften verschiedenster An die Einkünfte gewannen, um die erforderlichen Lebensmittel erwerben zu können, sahen sich in ihrer Existenz bedroht, als ihnen die Waldungen und das Schlagrecht in den Wäldern genommen wurden78. Wo die Wälder 74 In dem Akt der Verbrennung des Katasters, also von Reditsunterlagen, drückt sich natürlich noch sehr viel mehr aus. Abgesehen von einer durchaus möglichen tiefenpsychologischen Deutung des Vorganges wird in diesem Akt auch ein Protest gegen Nicht-Vecinos als Bodenkäufer und gegen eine Besteuerung nach dem im Kataster ausgewiesenen Grundbesitz zu sehen sein. 75 Vgl. Carr, a. a. O., S. 273, Anm. 1. Die Behandlung des Waldes im Rahmen der Desamortisation, bzw. das Eingreifen des Staates gegen eine vollständige Privatisierung der Wälder, kann hier nicht ausführlicher dargestellt werden. Vgl. den Überblick Marla-Pilar Laso und Erich Bauer, La propiedad forestal en Espana. Madrid 1964, insb. S. 25 ff. Apolinar de Rato, Venta de los Montes por el Estado, in: Boletln de la Sociedad Geogräfica de Madrid Bd. XX, Nr. 4—5 (April-Mai 1886), S. 234—241, zeigt die Emotionen, die die Diskussion belastet haben. 70 Als gegen Ende des 19. Jh. die den sechs Gemeinden des Concejo General de Valdeburön gehörenden Waldungen unter staatliche Verwaltung gestellt wurden, hörte das Schlagen von Holz durch die Einwohner auf, denn große Holzhändler erhielten bei den Versteigerungen den Zuschlag, die jetzt im Zuge der modernen Forstverwaltung eingeführt wurden. Damit wurde eine traditionelle Bestätigung der Bewohner dieser Bergregion unmöglich, die darin bestanden hatte, hölzerne Ackergerätschaften und Wagen aus in den Gemeindewaldungen geschlagenem Holz zu fertigen und auf den Messen in Medina de RIoseco, Medina del Campo, Villalon und Tordesillas zu verkaufen. Auf dem Rückweg wurden das Getreide und der Wein aus dem Verkaufserlös erworben, die die heimatlichen Äcker nicht in ausreichender Menge oder gar nicht hervorbrachten. Mit der Einführung neuer Milchkuhrassen — heute ist die Schweizer Kuh eingeführt — gelang es den Bewohnern, die bisher sekundäre Viehwirtschaft zum ausschließlichen Erwerbszweig umzugestalten und die Krise zu überbrüdccn. Von größter Bedeutung erwiesen sich dabei die aus der Vergangenheit überkommenen, im Gegensatz zum spärlichen Ackerland nicht in Privathand
J ohann H ellwege , ,« »I« Sommerweiden wichtiger Bestandteil der Viehwirtsdiaft vlbervlics ftls yon verschiedenen Ortschaften in Gemeinschaft gexvaren und • ^ dcr Eingriff des Staates nicht selten eine 2ernutst wur . „ „ wirts(haft 77. Gerade in der Usurpierung zuvor Störung der • Grundhcrrcn anerkannter Waldungen und Weiden bei als EtBcnt«1« „csctzlichcn Aufhebung der Grundherrschaft hatte £ 2 ' sin" in de” Ge“ inde” dt",M " Ä T D ß a m o n is a t io n und der PnVnüsierung der Gmeindelä». , , • , aW auch das Leben in der Gemeinschaft des Mumzipmms T i d T n d gesAwtcht worden. Abgesehen vom Verfall bzw. Wegfall gcnosscmdiaftHdien Sinn fördarndun Flurawang-, = * in vielen europäisdien Ländern mit dem Anbruch der mdnsmeUen Epod,. •-Jlte+i-ercnnssensdiaftlichen Weideländereien, die z. T. nur übergeleiteten gemei Ortschaft z. T. aber auch in „mancomunidad“ von 7 n Fwohnem" aller sechs Ortschaften zusammen genutzt wurden Heute ist den Einwohnern aller e;nes der w;ditigsten Zentren der spam- Hä k ä ä ä S Ä S v U Valenti, El pdm j. t a n » » «n b i t a t dn Estudioi Tnml.n.« Nr. 7 (jAnn.r-jnn, 1952 . S. 2 «,«" E l Beispiel für eine Weid- und F t a f J » “ Sy t a * von der Größe eines Landkreises Car os de ecea eatensidn, propiedades, de Segovia. Estudio histönco-legal acerca de su g * pjjer hatte derechos y estado present, Segovia 1893 »ich eine umfangreiche Selbstverwaltung entwickelt _ S ß pinien. Eine belgische Gesellschaft hat hier 1840 einen über 200I Hekmr wald aus den Bicncs Comunalcs erworben, die in diesem F worden, wie rechte waren. Vgl. ebda. S. 170 ff. Sicherlich ist der Wald gut geht. f Mv-P. Laso und Erich Bauer, a.a.O., S. 30, Ausfuhren, aber gegen deren Genossenschaft durch die Gesellschaft bedroht wor en w • Madrid 7* Vgl. S. de Mox6, La disolueiön del regimen senoria en P j-£och- 1965, S, 56, Anm. 126 und S. 59, Anm. 135. Es sind hier Bera“ P die tfeiburgen des Anardiismus wie Alcald del Valle und Grazalema ge • ^ jm den und Wald von Grundhcrrcn besetzen. Ortschaften ha e" [y hin- Verlaufe der kirdilidicn Desamortisation Land zu den Bienes . . agrawgtkauftl Vgl. z. B. Antonio L6pez Gömez, Valdelaguna. Oo ^ 57 ^ 0. tUt en las momaflai burgalcsas, in: Estudios Geogrdficos J g . j der vertiber 1954) S. 552. Andererseits hatte sich gerade in der ComunaUf |cgcn Übergriffe der Grundherren das Muniz zu$an>' ^ ^ //j*»g«i(Jiloiscn und war vor Gcridit gegangen. Vgl. Moxö, a. a. ■> Gcnossensdiaftl. Trad. u. d. Anfänge des Anarchismus L Spanien 329 beobachten laßt70, sind mit dem Einbruch des Besitzindividualismus auch gemeinschaftlich-genossenschaftliche Einrichtungen und das Zusammenleben in der dörflichen Gemeinschaft regelnde Mechanismen und Ordnungen zerstört bzw. ausgehöhlt worden, die in ihrer Zahl und Verbreitung wohl gerade die Besonderheit der spanischen genossenschaftlichen Tradition ausmachen. Die Bruderschaften, die nicht nur eine gesellschaftliche und religiöse Aufgabe erfüllten, sondern die verschiedenartigsten sozial-fürsorgerischen und wirtschaftlichen Funktionen übernehmen konnten80, wurden mit dem Verkauf ihres Haus- und Grundbesitzes im Zuge der Desamortisation häufig zerstört«. Wie wohl in keinem anderen Land Europas war die städtische und ländliche Bevölkerung seit Jahrhunderten in sol- 70 Vgl. zum Beispiel für Deutschland Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jh. (Deutsche Aerargeschichte, hg. v. G. Franz, Bd. III). 2. Aufl. Stuttgart 1967, S. 267 ff. und Bernd Andreae, Fruchtfolgen und Fruchtfolgesystemc in Niedersachsen Bremen-Horn 1952. 80 Die Geschichte der spanischen Bruderschaften der Neuzeit ist kaum beiint’ ^ nn8Ieidl s!ch audl «ne zahlreiche Titel umfassende Bibliographie herstellen läßt. Meistens hält man sich an Nebensächlichkeiten von rein lokalem Interesse auf, so daß die meisten Darstellungen ins Folkloristische abgleiten. Es sei hier auf die herausragende Arbeit von Antonio Rumeu de Armas, Histo- \ na de la previsiön social en Espana. Cofradlas-Gremios-Hermandades-Monte- » plos. Madrid 1944, verwiesen. Aus dem Titel geht schon hervor, daß das Hauptaugenmerk auf den sozialfürsorgerischen Aspekt gelegt wurde. 81 Vgl. J. P orres MartIn-C leto, La desamortizacidn del siglo XIX en Toledo. Toi. 1965, S. 264 passim, S. 405. Porres verzeichnet die Besitzungen der einzelnen Bruderschaften. Es sei aufmerksam gemacht auf die Cofradla de la Virgen y Madre de Dios, „probablemente la de mayor solidez econömica de Toledo“. Sie besaß 14 Häuser, 500 Fanegas an Weideland in Talavera mit 2.500 Reales an jährlicher Pachteinnahme, weiter 90 Fanegas Land mit 80 Olivenbaumen in Almonacid, die 150 Reales im Jahr einbrachten, sowie 906,25 Reales an Zinseinnahmen aus drei ausgegebenen Krediten über insgesamt 27 615 Reales. Vgl. ebda. S. 279 f. Nun darf man dies Beispiel nicht verallgemeinern, denn wenigstens am Ende des 18. Jhs. bestanden die Einkünfte der meisten Bruderschaften aus Almosen, Gewinnen aus Lotterien, Spendensammlungen etc. Vgl. die Berichte der Provinzintendanten aus dem Jahre 1773. Arehivo Histönco National, Consejos Suprimidos Legs. 7091—7098. Ich werde demnächst über die spanischen Bruderschaften eine Arbeit vorlegen. — Es sei hier noch als Kuriosität erwähnt, daß die Casa de Misericordia in Valladolid aus dem Verkauf des Bestandes an Wadis der ihr zugeschlagenen Bruderschaften 35 246 Reales erlösen konnte (1785). Razön de la Cera bendida de las cofradfas agregadas i esta Real Casa de Misericordia en Valladolid i 29 de Septiembre de 1785. Arehivo Histdrico Provincial (Valladolid), Fondos de la Diputacidn Leg. 33. Eine Desamortisation erfaßte selbst diese Dinge! I
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