5_VSWG-Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

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Johann H ellwege
Nun auf t o Hintergrund wurde der A n a r d , geboren. Nadtdem'die
wimehaftlid,e Madt. der Kirdte gebrodten und diese, um au b«.
stehen von einer auüerordentlid, im Volk verwuraelten E.nndt.ung au
„er Kirdte der Reidten und Herrsdtenden geworden war und n.di, mehr
im Zusammenspiel mit den genossensdtaftlidten Traditionen und E,n-
"ditungen die Armen vor dem Landhunger der re,then Mitbürger au
diütaen vermodite« trat eine nidt, länger antiklerikale weil nun .nt
, Beste der Kirdiengüier beEndlithe, neue JtoU V G rundbeim aerjdndi,
I als im Staat und Pueblo dominierende Kraft ans Lidit. Nidit umsonst
soridit man von einer Verlagerung des politisdicn Zentrums Spaniens
„ad, Andalusien, wenngleid, offenbar gerade in Madrid ansässige Angehörige
des Großbürgertums als Käufer von Land in Andalusien in Erscheinung
tratenM. In einer Zeit allgemeiner Prosperität wurden d,e
neuen Machthaber vom Anarchismus überrascht und verblüfft. Es hatten
sich nahezu vollständig gerade diejenigen Bedingungen herausgebildet,
die Norman Cohn als Voraussetzungen für das Aufbrechen revolutionärer,
chiliastischer Bewegungen im Mittelalter - und unter leichten Abwandlungen
auch als gültig für die Moderne - herausgearbeitet und beschrieben
h at«. In einer Klage des P^rez del Alamo, des Führers wahrend des
ersten großen als anarchistisch anzusehenden Ausbruchs im Jahre 1861, ist
das verlorene Paradies beschrieben. In seiner Jugend, als in seiner Hei-
Estudios Geogrdficos Jg. XXII, Nr. 83 (Mai 1961), S- 167-222. An dem hier
behandelten Beispiel wird deutlich, daß sozialer und politischer Konservativism .
L einer bäuerlichen, stabilen Gemeinschaft nidit Mangel an Anpassungsfähigkeit
" bedeuten muß. Vgl. Anm. 76. —
M Hier sei auf das Beispiel der ganz in der Nähe Sevillas gelegenen urtsdiaft
Santiponce verwiesen, die vollständig der Kirche, dem Kloster San S1 70
del Campo, gehörte. „N6tese que, en tanto la totalidad de las tierras del pue o
fueron de la Iglesia, como dsta se las arrendaba desde tiempos inmemoriales,
los vecinos se sentlan en cierto modo propictarios, mientras que ah°m> S1 e
nuevo dueno las iba a cultivar por s( mismo la clase de los colonos de la vi a
de Santiponce desaparecerla radicalmente“. L azo DIaz, a. a. O., S. ^153. 'e
überzeugendste Deutung der Wandlung, die sich in der spanischen Kirdie na i
der Desamortisation vollzog, hat m. E. Brenan zu geben vermocht. Vgl. .
a. a. O., Kap. III. Eindrudcsvoll, jedoch nicht unbedingt überzeugend sin je
Ausführungen von John Langdon-D avies, die auf einer recht vulgären, sozia
psychologischen Analyse beruhen. (Behind the Spanish Barricades. Lon on
1936, S. 185 ff.).
83 Vgl. Lazo DIaz, a. a. O., S. 194. Fünf Prozent der Käufer waren hier
Madrilenos. _ .
04 Das Ringen um das Tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus
im Mittelalter und sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen.
Bern und München 1961, S. 275 f.
Genosscnschaftl. Trad, u. d. Anfänge des Anarchismus i. Spanien 325
matgcmeinde Loja noch die Bicnes Comunales, die Gemeindeländereien,
existierten, so sagte er, „haben die Armen für sich ein Stück dieser Ländereien
bebaut. Im Gemeindewald schlugen sie das Brenn- und Bauholz,
das sie brauchten. Sie konnten das Rebhuhn, den Hasen oder anderes
Wild jagen. Wenn sie auch die Armut kannten, so war ihnen aber doch
auf diese Weise der Hunger unbekannt. Heute ist aller Grundbesitz privates
Eigentum geworden, und der Arme stirbt Hungers, wenn er keine
Arbeit hat. Man sperrt ihn ein, wenn er sich etwas von dem nimmt, was
ihm einmal gehört hat“ «5. Auch wenn die neuere Forschung dazu neigt,
die Auswirkungen des Verkaufs der Gemeindeländereien abzuschwächen,
da sowohl traditionalistische Kreise als auch spanische Sozialisten darin
den Ursprung allen Übels sehen wollten, und sich allmählich eine stärker
differenzierende, einzelne Regionen betrachtende Sicht Bahn bricht««,
so ist man sich doch in einem Punkt weitgehend einig. Für die sozial
Schwächsten der Gesellschaft bedeutete die Veräußerung der Gemeindeländereien
an Privatpersonen eine Katastrophe °7. Nach Beobachtungen
aus der Provinz Sevilla geschah der Verkauf dieser Ländereien in noch
ungehemmterer Form als der des Kirchengutes6B. Waren die kleinen Pächter
und die landlosen Tagelöhner Andalusiens schon durch die Pachtsteigerungen
und Preiserhöhungen bei im wesentlichen gleichbleibenden
Löhnen geschädigt, die der oft spekulative Erwerb und Wiederverkauf
von ehemaligen Besitztümern der Kirche mit sich brachte «», so mußte insbesondere
die nach 1845 einsetzende Umwälzung der Bodenbesitz- und
es Zitiert nadt J. BicARUD und G. Lapouge, Anardiistes d’Espagne. Paris
1970, S. 17»
"V gl- Carr, a. a. O., S. 272 f. Als Beispiel dafür, daß die Polemik bis in
die jüngste Zeit weitergeht, sei hier nur genannt Cirilo MartIn-Retortillo,
La desamortizaciön y los municipios rurales, in: Revista de Estudios Agro-Sociales
Nr. 6 (Januar-März 1954), S. 83-96. Der Autor hat keine Einsicht in die
Sachzwänge und sieht die Desamortisation nicht als die notwendige Begleiterscheinung
einer Krise. Für ihn ist die Desamortisation ein Ausfluß einer „contagio
de afrancesamiento decadente“ (S. 85).
Vgl. C arr, a. a. O., S. 273, Lazo DfAZ, a. a. O., S. 201 ff. und P orres
MartIn-C leto, a. a. O., S. 414 f. Ebensowenig ist umstritten, daß aus rein
wirtschaftlicher Sicht mit der Desamortisation die Landwirtschaft in Spanien
einen gewaltigen Aufschwung genommen hat. Ober die weitere Problematik
kann hier nicht ausgeführt werden.
08 Nach Beobachtungen von Lazo DfAZ scheint sich der Adel, der ohnehin
schon riesige Ländereien besessen hatte, bei diesen Veräußerungen stärker als
Käufer beteiligt zu haben. Vielleicht deswegen, weil größere Flächen auf einmal
an eine Person abgegeben wurden als vorher. Vgl. Lazo DIaz, a. a. O., S. 201.
00 Vgl. ebda. S. 200.