Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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" Hört mal", flüsterte die Mütze mit funkelnden Augen, "die Leute von der Zentralleitung<br />
haben sich mit Absicht verhaften lassen, weil sie nicht mehr weiter wußten. "<br />
Am Winterhimmel hingen tiefe Wolken, und ein Hagelschauer war im Anzug. <strong>Die</strong> blassen<br />
Gesichter wurden müde und kraftlos und sahen in ihrer Empörung seltsam verstört aus.<br />
" Vorsicht, Vorsicht, der Kerl ist sehr verdächtig!" schrie ein junger Mann in Matrosenhose,<br />
dem an dem Mann plötzlich etwas aufgefallen war.<br />
" Das sind doch nur Gerüchte, solche Parolen haben wir schon genug gehört!"<br />
Der das rief, war Hisachita, der Lehrling.<br />
Er hatte schon vorher den verdächtigen Kerl gesehen; das war bestimmt Takayama, aus der<br />
Zeitungsabteilung, er erkannte ihn, trotzdem er über dem Kimono einen Havelock trug und<br />
ganz anders als sonst aussah. <strong>Die</strong>ser Bursche stieß stets im gefährlichsten Moment zu ihnen,<br />
aber wenn es wirklich gefährlich wurde, hatte er sich immer aus dem Staube gemacht.<br />
Hisachita hatte nie davon gehört - und er hatte ein verdammt gutes Gedächtnis - daß<br />
Takayama auch nur einmal verhaftet war. Hisachita schlängelte sich flink durch die Menge,<br />
um sich den Burschen zu greifen, aber der war schon verschwunden. "Wer sich noch in dieser<br />
Woche meldet, wird von der Gesellschaft wieder eingestellt, mit Ausnahme der schon<br />
Entlassenen. . ." Auch solche Gerüchte kamen zu den Jammernden geflogen. <strong>Die</strong> Leute hatten<br />
gar keine Lust, auf die Worte Hisachitas, des Kükens zu hören. "Geh zu den Gruppenleitern,<br />
wir werden sie fragen, dann wird alles klar."<br />
" Fragt das Gruppenkomitee - -."<br />
Sie hatten gar nicht die Energie mehr, selbst zu untersuchen, woher solche Gründe stammten.<br />
In diesem Durcheinander waren die Gruppenleiter nicht nur nicht imstande, diese Gerüchte<br />
als solche zu entlarven, sie bewiesen auch ihre totale Unfähigkeit, das Steuer des gestrandeten<br />
Schiffes auf den richtigen Kurs zu bringen.<br />
" Teufel, ihr habt uns belogen, ihr Gauner, was seid ihr für Leiter, ihr seid eine schöne<br />
Räuberbande!" "Wir machen den Quatsch nicht mehr mit!"<br />
Sie tobten und schrien und ließen ihrer hoffnungslosen Wut freien Lauf. Dunkel hing die<br />
Fahne an der Wand.<br />
<strong>Die</strong> letzte Generalversammlung der Streikenden wurde eröff<strong>net</strong>. Es war Vormittag, die<br />
Hagelkörner wurden schräg vom Wind gepeitscht und die Kälte fraß in den mageren<br />
Knochen. In der Tempelhalle Densu-in sammelten sich die todwunden Streiker von allen<br />
Fronten.<br />
An einer Seite der halbdunklen Tempelhalle stand ein einfacher Tisch, dahinter leuchtete die<br />
rote Fahne und zu beiden Seiten die vielen roten Fahnen der Abteilungen.<br />
<strong>Die</strong> Halle war von uniformierten Polizisten mit heruntergelegtem Sturmriemen bewacht.<br />
Unter der Oberfläche des Raumes, wie in einer düsteren Meerenge, strömten wirbelnd die<br />
Stimmungen der verschiedenen Richtungen. Man suchte Gelegenheit zu einem<br />
Zusammenstoß. Nach fünf, nach zehn Minuten wurde die Spannung zwischen den<br />
Strömungen dichter und unversöhnlicher.<br />
<strong>Die</strong> ermüdeten Elemente, die nachdem Wirrwarr der Gruppenleitersitzung immer mehr<br />
verzweifelt waren, wurden durch ihr gemeinsames Mißtrauen gegen die Zentralleitung<br />
zusammengeschlossen: sie verlangten den sofortigen Abbruch des Streiks. <strong>Die</strong> ganze rechte<br />
Seite der Halle einnehmend schrien sie ununterbrochen: "Los, fangt an!"<br />
" Wo ist die Zentralleitung, kommt endlich raus!"<br />
Hinten, auf der <strong>linke</strong>n Seite, sammelten sich die Jungen, die auf allen Seiten der Front noch<br />
geblieben waren. Zorn und Trotz brüllte aus ihren Mäulern, sie schüttelten die Köpfe über die<br />
Verspätung und sahen wütend auf den leeren Vorstandstisch.<br />
Sie waren geschlossen gegen jede Versöhnung. Sie hatten Angst, daß das unfähige<br />
Gruppenleiterkomitee, von den Rechten bedroht, diesem Versöhnungsplan zustimmen würde.<br />
Sie waren in der Minderheit. <strong>Die</strong> ermüdeten Streiker schienen sich gegen die Verführung der<br />
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