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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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er trug in sich das klare und sichere Bewußtsein, Mitglied der herrschenden Klasse zu sein. Er<br />

trug auf seinen Schultern nicht nur seine eigenen Lasten, sondern die der ganzen herrschenden<br />

Klasse.<br />

Er hatte die Macht der Arbeiter nie gering geachtet wie die andern; mit seinem klaren und<br />

weitschauenden Kopf hatte er sie richtig eingeschätzt, aber darüber hinaus hatte er sich nie<br />

von ihrem großen Schatten beirren lassen. Er hielt seinen kurz geschorenen Kopf geradeaus<br />

auf den Feind gerichtet und kämpfte mit den <strong>linke</strong>n roten "Strolchen" ganz Japans. Er hatte<br />

anfangs geglaubt, daß sie seine Geschäfte nicht stören würden, doch er mußte bald einsehen,<br />

daß diese Rechnung falsch war. <strong>Die</strong> Arbeiter richteten die Spitzen ihrer Speere immer<br />

drohender gegen ihn. Sie wollten die Grenze, die ihnen als Arbeiter gezogen war, übertreten;<br />

sie waren nicht Aale, sie waren Schlangen.<br />

Während dieses Streiks besuchte ihn eines Tages Herr Bunji Suzuki, der Vorsitzende des<br />

Sodome (Alljapanischer Gewerkschaftsbund), den er früher einmal kennengelernt hatte. Der<br />

wollte sein Einverständnis einholen, um die rechten Elemente der Streikenden zu organisieren<br />

und auf diese Weise die Versöhnung der Unternehmer und Arbeiter zu erreichen. Okawa<br />

antwortete diesem berühmten dicken Gentlemen mit einem einzigen Satz:<br />

" Meine Arbeiter sind keine Aale, denen können sie nichts vorzaubern. " Und so kämpfte er<br />

mit diesen Schlangen, die keine Aale waren, und das nicht aus eigennützigen Gründen. Es<br />

brauchte ihn nicht zu kümmern, ob eine unter den vierzig Gesellschaften, die er besaß, sich<br />

wirtschaftlich rentierte oder nicht - dafür tat es nicht not, auf Leben und Tod zu kämpfen. Daß<br />

er trotz aller Angriffe und Vorwürfe, selbst aus seinen eigenen Kreisen, seinen grauen Kopf<br />

durchsetzte und in diesem Kampf unbeugsam geradeaus ging, geschah, weil er diese roten<br />

Schlangen, die sich riesenhaft vermehrten, die an den Wurzeln der herrschenden Klasse<br />

nagten, grundsätzlich vernichten wollte.<br />

Er starrte auf die Haufen der roten Schlangen und wollte keinen Schritt zurückweichen. Ein<br />

Schritt rückwärts bedeutete die Niederlage der ganzen Klasse. Alle Kräfte, die ihm zur<br />

Verfügung standen, hatte er zusammengefaßt, um diese Schlangen vollständig<br />

niederzuschlagen. <strong>Die</strong> zerschlagenen und zerissenen Schlangen sollten die Lust verlieren, zu<br />

kämpfen, sie sollten nur noch kriechen . . .<br />

Trotzdem - welch ein Fehler in seiner Rechnung! - durch eine weibliche Schlange, die ihn<br />

plötzlich von hinten anfiel, wurde ihm ein Stück Fleisch abgerissen. <strong>Die</strong> Wunde schmerzte -<br />

seine ganze Liebe, Etsuko war ihm genommen.<br />

Ohne die Untersuchung dieses dummen, ehrlichen Professors wäre die Todesursache niemals<br />

bekannt geworden. "Wird sie wieder lebendig durch die Obduktion?" "Dummheit!"<br />

Sein großer Mund schrie noch einmal auf; aber was nützte es, die Todesursache noch bekannt<br />

zu machen. "Dummheit!"<br />

Mit höhnischem Lachen würde er sie fragen: Glaubt ihr, die Arbeiter werden sich fürchten,<br />

wenn die Todesursache bekannt wird und eine von den Schlangen vernichtet wird?<br />

" Um diese Schlangen zu vernichten, gibt es noch andere Methoden!" Man darf ihnen seine<br />

schwachen Seiten nicht zeigen. Ein Tiger wird wegen einer Wunde nicht zurückweichen. . . .<br />

Sein Blick kehrte aus dem Leeren zurück; er sah durch die Glasfenster auf das Tor seines<br />

Hauses und schloß nachdenklich die Augen: er erinnerte sich daran, wie seine Enkelin gestern<br />

um fünf Uhr vor diesem Tor mit ihrem Ball spielte.<br />

Als er als Teil seines Tagespensums gestern hier im Wintergarten seine Pflanzen begossen<br />

hatte, hatte er plötzlich gesehen, wie da unten vor der Tür ein zwanzigjähriges, schlecht<br />

gekleidetes Mädchen Etsuko streichelte - Etsuko lachte fröhlich - -<br />

Er hatte gedacht, es sei ein Mädchen aus der Nachbarschaft. "Sie war es!"<br />

Er kreuzte die Arme über die Brust und schloß wieder die Augen. "Großpapa" - die Stimme<br />

war in seinen Ohren, wie auf einer Grammophonplatte.<br />

<strong>Die</strong> Ruhe des warmen Wintergartens hatte ihn getröstet; er fühlte es heiß unter den<br />

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