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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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annten auf ihn zu. "Aus! zum Teufel!"<br />

Ohne zu überlegen, rannte er instinktiv los; er wußte, daß jetzt alle Streikleiter <strong>ohne</strong> jeden<br />

Grund verhaftet wurden. Der abschüssige Weg beschleunigte seinen Lauf, er rannte, was die<br />

Beine hergeben wollten; da riß der Riemen seiner Holzsandale und er stürzte.<br />

" Du Hund, du hast das Feuer angelegt!"<br />

Vor Terraishi, dem die Polizisten beide Arme nach hinten gedreht hatten, drängte das Gesicht<br />

des europäisch gekleideten Mannes, der ihn so anbrüllte.<br />

" Feuer angelegt - ?" Wenn er nur deswegen festgenommen wurde, schien es ihm selber<br />

komisch, daß er überhaupt fortgelaufen war. Er zwang sich, ruhig zu bleiben und fragte, was<br />

diese Bemerkung bedeuten sollte.<br />

" Was heißt, Feuer angelegt?"<br />

" Sag die Wahrheit und lüge nicht lange, du Hund!"<br />

Der Spitzel schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, daß seine Brille fortflog. Er begriff gar<br />

nicht, was sie von ihm wollten - wo war denn eigentlich Feuer - er sah sich in der <strong>Straße</strong> um,<br />

in der nichts zu sehen war.<br />

" Quatsch nicht lange und geh' schon!"<br />

<strong>Die</strong> Polizisten zu beiden Seiten drehten ihm die Arme aus und schleiften ihn den Weg zurück<br />

den Abhang hinauf. Als sie um das Tempeltor herumgingen, schlug plötzlich die Feuerglocke<br />

rasselnd Alarm. Wirklich, aus dem Gitter, wo vorhin der Spitzel herabgesprungen war, stieg<br />

schwarzer Rauch in dicken Wolken zum Himmel auf. Terraishi kniff die Augen zusammen,<br />

weil er seine Brille verloren hatte, sah über den Schultern der Polizisten Rauch und über sein<br />

Gesicht flog ein Schatten der Angst.<br />

" Zum Teufel, ihr habt mich in die Falle gelockt!"<br />

Nun begriff er, zu welchen brutalen Mitteln seine verhaßten, mächtigen Feinde griffen, und<br />

sah sich das Gesicht mit dem Schnurrbart, das sich schamlos zu ihm wandte, genau an.<br />

"Frecher Lump, geh' weiter!"<br />

Er biß sich auf die Lippen, als er abermals niedergestoßen wurde. Frecher Lump - wer? ich<br />

oder ihr? Das Blut stieg ihm vor Empörung in den Kopf, sein Hirn umnebelte sich wie mit<br />

schwarzem, wirbelndem Rauch.<br />

Das geheimnisvolle Feuer breitete sich mehr und mehr aus und ließ seine Funken über die<br />

Fabrik regnen.<br />

Das Rasseln der Feuerglocken und die Sirenen der rasenden Feuerwehrautos weckten die tote<br />

<strong>Straße</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Sonne</strong> lärmend auf. Feuer in der Fabrik! - Geräusch sich öffnender Türen - eilige<br />

Schritte - schreiende Stimmen - aus den Baracken winselte das Weinen der Kinder - einige<br />

schrien aus dem Schlaf geschreckt, als hätten sie sich verbrannt. "In der Fabrik!" "Bei der<br />

Gesellschaft!"<br />

<strong>Die</strong> Leute aus den Baracken rannten auf die Brücke über dem Senkawa-Kanal in zerissenen<br />

Schlafhemden und alten schmutzigen Doteras (Anm.: Dick gefütterte Kimonos). "Teufel,<br />

sollst lieber ganz zu Asche werden!"<br />

<strong>Die</strong> Flammen beleuchteten grell die roten Ziegelgebäude, flogen brausend seitwärts zum<br />

Walde des Seminars und erleuchteten den Himmel. "Siehst du, das ist die Strafe Gottes!" "<strong>Die</strong><br />

Streikbrecher werden schön blaß sein!" Aber sie sollten selber blaß werden.<br />

Eine größere Gefahr als das Feuer drohte in ihrem Rücken. Zwischen den roten<br />

Feuerwehrautos ratterten die Lastwagen, vollbeladen mit Polizei, fuhren durch die <strong>Straße</strong><br />

<strong>ohne</strong> <strong>Sonne</strong> und versperrten die Ein - und Ausgänge der <strong>Straße</strong>. <strong>Die</strong> "verdächtigen" Männer<br />

wurden in Massen verhaftet und auf die Autos geladen.<br />

Ein Streikender, der einen Säugling unter dem Mantel trug, stieg auf das Auto.<br />

" Solche Dummheit, gib das Kind der Frau", schimpfte ein Polizist den vierzigjährigen, etwas<br />

beschränkten Mann wütend an. "Ja, meine Frau ist auf Arbeit, bei uns ist niemand zu Hause",<br />

antwortete er bescheiden und streichelte sanft den Kopf des Kindes. "Dann gib es zu einer<br />

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