Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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Dann ging die Fahne vom Grabe fort, und die Leute zerstreuten sich langsam.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Sonne</strong> war jetzt ganz untergegangen, und der Grabhügel blieb einsam und verlassen.<br />
Takae kniete vor dem Grabe. Sie fühlte die kalte Erde, unter der ihre Schwester schlief, ihr<br />
erstarrtes Herz wurde weicher. "Kayo-tjan. . ." Der Wind trug den Ruf fort. "Kayo-tjan,<br />
antwortest du nicht mehr - - ?"<br />
Plötzlich überfiel sie der Schmerz, und ihr Rücken zuckte, von einem heftigen Weinkrampf<br />
erschüttert. "Mein Kind, mein liebes, das ist dein Vater. "<br />
Sie nahm ein Photo Miatjis aus der Tasche und legte es auf den Hügel . Hagimura stand hinter<br />
ihr und wagte nicht, sich zu bewegen. Er war tief erschüttert. <strong>Die</strong> Nacht senkte sich über den<br />
Friedhof, auf dem außer ihnen kein Mensch mehr war, und in der Tiefe der Dunkelheit<br />
verschwand der Grabhügel. "Okayo, Okayo. .. "<br />
Takae drückte ihren Kopf auf die Erde, weinte und schrie und tobte verzweifelt. <strong>Die</strong> fernen<br />
Büsche verloren in der Dunkelheit ihre Umrisse, der Wind wühlte in ihnen und wirbelte um<br />
den Grabhügel, unter dem Okayo mit ihrem toten Kind schlief.<br />
II. Das geheimnisvolle Feuer<br />
Noch einige Tage nach dem Tode Okayos lebte Takae ganz mit dem alten Vater zu Hause,<br />
sprach kein Wort und schien völlig erschöpft wie . eine kranke Katze.<br />
Sie fühlte immerfort Schwindel, als ob sie von einem hohen Felsen herabstürzte. Kimi-tjan<br />
und Fusa-tjan kamen täglich auf dem Rückweg von der Versammlung zu ihr. Auch die<br />
freundlichen Nachbarn kamen öfter herein, um sie zu trösten. Aber selbst wenn sie die<br />
tröstenden Worte an Okayo erinnerten, konnte sie nicht mehr weinen, sie konnte sich nicht<br />
vorstellen, wie die allzu stark schmerzende Wunde heilen sollte.<br />
Eines Abends, als sie nachdenklich am kalten Ofen saß, schrie Fusatjan mit der ihr<br />
eigentümlichen schrillen Stimme herein: "Taka-tjan, weißt du, diese Rothaarige ist in die<br />
Fabrik zur Arbeit gegangen. Sie hat immer nur ein großes Maul gehabt, und jetzt verrät sie<br />
uns!"<br />
Der schwarze Schal ließ nur ihre Augen sehen, wie sie durch die Türspalte diese Neuigkeit<br />
rief: die Rothaarige hatte am lautesten auf seiten Ojas gebrüllt.<br />
" So" antwortete Takae mechanisch. Sie zeigte kaum Interesse. Fusa-tjan sah sie enttäuscht an<br />
und schob den Kopf ganz durch die Türspalte: "<strong>Die</strong>se Damen verraten uns, wenn es uns<br />
Arbeitern am schlechtesten geht, verdammt das ist doch kaum zu glauben!"<br />
Aber Fusa-tjan bekam keine Antwort, schloß schließlich wieder die Tür und ging fort; laut<br />
klapperten ihre Schritte auf den Brettern des <strong>Straße</strong>ngrabens (Anm.: <strong>Die</strong> "Rinnsteine" in den<br />
japanischen Armenvierteln sind aus Holz.). Takae blieb in ausdruckslosem Schweigen zurück.<br />
Auch im Hause konnte sie an dem Gasolingeruch, den der Wind bis hierher trug, spüren, daß<br />
die Kraft der Streikenden Tag für Tag schwächer wurde.<br />
Aber sie war für diesen Geruch schon fast unempfindlich geworden. Je mehr sie von einem<br />
Tag zum andern das quälende Schwindelgefühl niederdrückte, desto gefühlloser wurde sie.<br />
Sie blieb fast gleichgültig, wenn die Frage nach Sieg oder Niederlage des Streiks an sie<br />
gestellt wurde. Das alles war jetzt unwichtig für sie, die nicht mehr glauben wollte, daß es in<br />
ihrem künftigen Leben noch Licht geben würde. "Den Feind schlagen, oder sich schlagen<br />
lassen, einen anderen Weg gibt es nicht mehr. "<br />
Es war ihr nur zu klar, wer sie vom Felsen herabgestoßen hatte. Sie brauchte sich nicht erst<br />
umzudrehen. Sie fühlte die Augen des Feindes im Rücken - die todglühenden Augen -<br />
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