Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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" Wenn alle Streikenden entlassen werden sollen, dann werden wir kämpfen, bis wir<br />
verhungert sind.!" <strong>Die</strong> drei fühlten, daß sie ihre Bauchriemen würden noch enger schnallen<br />
müssen und alle anderen mit ihnen. Worte konnten hier nichts mehr nützen, sie gaben sich<br />
keine Mühe, diese Auffassung länger zu verheimlichen.<br />
" Ach, machen Sie sich das doch nicht so einfach, nicht wahr, jedenfalls. . ." fing der<br />
Vorsteher wieder an, er machte noch einmal den Versuch, die drei etwas zu beruhigen.<br />
" Wir können die Sache ein bißchen geschickt aufziehen und schieben." <strong>Die</strong> drei Arbeiter<br />
zogen ihre Augenbrauen kraus und standen schweigend auf. Nach einer Weile: "Na, wir<br />
werden überlegen." Das war eine stärkere Ablehnung als ein glattes Nein. Der Polizeichef zog<br />
seinen Stuhl zurück und zeigte nun offen seine feindliche Haltung. "So, überlegen - hm - auch<br />
schön!"<br />
Das war das letzte Wort in diesem Zimmer; die drei Arbeiter gingen <strong>ohne</strong> Gruß hinaus.<br />
Als sie am Zimmer der Pressekorrespondenten vorübergingen, sprangen die Journalisten wie<br />
die Eichhörnchen heran. "Wie war's? Wird der Streik durch Vermittlung des<br />
Polizeipräsidenten beendet?" Oda schüttelte mißgestimmt den Kopf. Draußen wehte ein<br />
scharfer Wind und trieb die demütigen Rücken der drei an, die zur Haltestelle der Tramway<br />
gingen.<br />
II. Gerüchte<br />
Das Wasser des Senkawa-Kanals war zugefroren.<br />
Schwarzes Eis war in Schichten und Schollen übereinander erstarrt. Bis zum Frühlingsregen,<br />
der zwei Tage und Nächte hintereinander dauert und alle Küchen, Aborte und Fußböden in<br />
der <strong>Straße</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Sonne</strong> überschwemmt, würde das Eis nicht aufgehen.<br />
" <strong>Die</strong> <strong>Straße</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Sonne</strong>" war vor Kälte und Hunger völlig erstarrt. <strong>Die</strong> riesige Fabrik, die mit<br />
ihren roten Ziegeln wie ein Gefängnis aussah, hielt noch immer die große, dicke, eiserne<br />
Pforte geschlossen. Nur durch die kleinen Notausgänge und durch die Bruchstellen in der<br />
Mauer gingen die Streikbrecher, von Werkfaschisten und Privatspitzeln begleitet, scheu und<br />
ängstlich wie die Hausmäuse. Sie wurden wie Waren verpackt auf Lastwagen in die Fabrik<br />
geschafft. Sie schliefen in der Fabrik auf Stroh.<br />
<strong>Die</strong> geringste Bewegung der unruhigen Stimmung da draußen, auf die sie durch die dicke<br />
Ziegelmauer lauschten, beunruhigte sie. Wenn die Gesellschaft in diesem Streik besiegt<br />
wurde, bedeutete das ihren Tod. Zwischen den stillstehenden Rotationsmaschinen flüsterten<br />
sie miteinander.<br />
" <strong>Die</strong> Gesellschaft will <strong>ohne</strong> Bedingungen nachgeben", sagte ein Streikbrecher mit<br />
ängstlichen Augen. "Ich habe gehört, das Innenministerium will durch das Polizeipräsidium<br />
vermitteln."<br />
Erst standen drei beieinander, dann kamen noch fünf dazu. Tief in ihren Herzen schlug der<br />
Vorwurf des Verrats an ihren Kollegen, denen sie geschworen hatten, auf Leben und Tod mit<br />
ihnen zu kämpfen, und kroch als Angst aus den bösen Gesichtern, die die Zähne bleckten. <strong>Die</strong><br />
staubigen, sonst von ihren Genossen bedienten Maschinen schienen ihnen nun wie zornige,<br />
böse Ungeheuer.<br />
In den Morgenzeitungen hatte die Nachricht gestanden, die Streikleiter seien vom<br />
Polizeipräsidenten zu einer Besprechung der Lage gebeten worden und hätten hocherhobenen<br />
Hauptes das Präsidium verlassen. <strong>Die</strong> Ungewißheit hielt sie bei der Arbeit auf, das schlechte<br />
Gewissen ließ ihnen keine Ruhe, sie blieben nicht auf ihren Plätzen. Den Meistern trauten die<br />
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