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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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wurden, im zoologischen Garten im Uenopark, wo sie eindrangen, um die strenge<br />

Beobachtung durch die Polizei zu durchbrechen und die Auflösung auf Grund des Verbots der<br />

Versammlungen unter freiem Himmel zu umgehen. Auf einen Alarmruf eilten einige<br />

Polizisten in den Garten, aber sie mußten untätig dabeistehen und zusehen, <strong>ohne</strong> etwas gegen<br />

die Streiker unternehmen zu können. .."<br />

Nach dem ausführlichen Bericht der Zeitung "Tokio Nichi-Nichi" war die Existenz der<br />

Streikenden der Daido-Druckerei wirklich so gefährlich wie die des Tigers, der plötzlich aus<br />

seinem Käfig losgelassen wird. Dem Berichterstatter schien es besonders witzig, daß sie<br />

ausgerech<strong>net</strong> im zoologischen Garten demonstrierten. <strong>Die</strong> eingesperrten Tiger stoßen mit den<br />

Pranken gegen die eisernen Gitter und brüllen, wenn in ihrem gebändigtem Herzen ihr altes<br />

wildes Blut, an die großen freien Felder erinnert, lebendig wird. Auch in den Streikenden<br />

erwachte nach jahrhundertelanger Unterdrückung die Sehnsucht nach Freiheit und Gleichheit<br />

und entzündete das Blut in ihren Herzen. Aber sie waren noch nicht aus dem Käfig heraus.<br />

<strong>Die</strong> Se Ju Kai, die Partei der Militärs und Grundbesitzer, organisierte das Kabi<strong>net</strong>t, nachdem<br />

General "Sibirien" von Seiner Majestät den Auftrag bekommen hatte.<br />

<strong>Die</strong> Se Ju Kai hatte im Parlament im Verhältnis zur Min Sei To Minderheit. Eine Reihe<br />

schwerer Probleme - Chinapolitik, Moratorium, die vielen Streiks größten Maßstabs, der<br />

Pächterstreik usw. - standen vor dem Kabi<strong>net</strong>t. Das Volk ahnte, das dieses Se Ju Kai-Kabi<strong>net</strong>t<br />

nur kurzlebig sein würde. <strong>Die</strong> Zeitungen der Oppositionsparteien stellten schon jetzt die<br />

ungleiche Zusammensetzung fest.<br />

Aber dieser General Sibirien, Häuptling der japanischen Militärpartei, genoß großes<br />

Vertrauen im Oberhaus und im geheimen Staatsrat. Eines Tages, kurz vor der Eröffnung des<br />

Parlaments, um das sich drohende Wolken zusammenzogen, wurde er von einem dieser<br />

Herren des Oberhauses eingeladen. Sein Geschäftsfreund, ein alter hochverdienter<br />

Staatsmann, der der Mittelpunkt des japanischen Imperialismus war, gab dem tapferen und<br />

entschlossenen General einen Auftrag. Er enthielt die Forderung, die "gefährlichen<br />

Gedanken", sie seine Kunden mehr als Chinapolitik und Moratorium fürchteten, weil sie für<br />

ihre imperialistischen Gelüste am gefährlichsten waren, besser und geschickter als bisher im<br />

Schach zu halten. Das bedeutete die Vernichtung des verhaßten Kommunismus.<br />

Auch dem General Sibirien schien als "gewissenhaftem" Staatsmann im allgemeinen wie im<br />

besonderen von der Frage der Taktik seiner Partei aus die Beherrschung "der staatsfeindlichen<br />

Umtriebe" und die "Vernichtung des Kommunismus" der beste Reklametrick für seine Partei<br />

zu sein. Nicht anders konnte diese wichtigste, unvermeidbarste Frage gestellt werden.<br />

Einmal war ein solches Aushängeschild gut zu gebrauchen, um das Vertrauen des Oberhauses<br />

und des geheimen Staatsrates zu gewinnen, zugleich aber war es der beste Maulkorb für die<br />

oppositionellen Parteien im Unterhaus. Beide bürgerlichen Parteien, die jetzt in Japan<br />

herrschten, die Se Ju Kai wie die Min Sei To, konnte diese Parole als Trumpf im kommenden<br />

politischen Kampf ausspielen.<br />

Ja, wenn er diesen Trumpf möglichst wirksam anbrachte, mußte es ihm gelingen, die<br />

feindliche Min Sei To zu spalten und vielleicht eine dritte, kleinere Partei als Stimmvieh an<br />

seine Seite zu zwingen. Der alte Reichstagsabgeord<strong>net</strong>e Osaki, Vorsitzender dieser dritten<br />

Partei, der als ehrlicher Staatsmann und radikaler Liberaler in der Bürgerschaft großes<br />

Vertrauen genoß, schlug eine Kundgebung über die "Not des Reiches" infolge der<br />

"staatsfeindlichen Umtriebe" vor und versuchte außerdem, mit Leib und Seele für seine Sache<br />

begeistert, die Kosten für die Beeinflussung und Bekämpfung der staatsfeindlichen Umtriebe<br />

(Zehn Millionen Yen) durch Regierungsvorschlag dem Staatshaushalt aufzubürden. In<br />

flammender Rede hatte er dafür plädiert. Feierlich und in komischer Ahnungslosigkeit tanzte<br />

er an den Fäden, an denen der General Sibirien zog.<br />

Trotz allem aber kam der Bankrott der Mittel- und Kleinunternehmer. <strong>Die</strong> Erwerbslosen<br />

überschwemmten die Städte und Dörfer wie Flußwasser im Frühling. Alle früheren Streiks<br />

waren im Gegensatz zu dem jetzigen elend zusammengebrochen. Und diese bedauerlichen<br />

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